Nachtrag: 13.06.2005

 

 


Vorsitzende Schäpers bittet Herrn PHK Wenker aus Sicht der Kreispolizeibehörde um Ausführungen zu den Regelungen und Auswirkungen des Gewaltschutzgesetzes.

 

Herr Wenker trägt vor, dass dem Gesetz eine längere Diskussion vorausgegangen sei. Ausgangspunkt sei im Jahr 1999 ein Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gewesen. Im Zuge der Einführung des Gewaltschutzgesetzes sei dann § 34a in das Polizeigesetz für das Land Nordrhein-Westfalen eingefügt worden. Dadurch sei der Polizei u. a. die Möglichkeit gegeben worden, eine Person befristet für zunächst zehn Tage zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung, in der die gefährdete Person wohne, zu verweisen. Nähere Einzelheiten des polizeilichen Eingreifens seien darüber hinaus durch Erlass des Innenministeriums geregelt worden. Herr Wenker berichtet, dass bereits mit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes am 01.01.2002 ein erster Fall eingetreten sei, der in Kontakt mit der Beratungsstelle habe gelöst werden können.

Er macht deutlich, dass die Polizei lediglich für die erste Gefahrenabwehr zuständig sei. Darüber hinaus sei die Zuständigkeit der Familiengerichte gegeben. Stelle die gefährdete Person während der Dauer der zehntägigen Verweisung einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz bei den Familiengerichten, ende die Maßnahme mit dem Tag der gerichtlichen Entscheidung, spätestens jedoch mit Ablauf von weiteren zehn Tagen. Herr Wenker erklärt, dass es wichtig sei, dass die Betroffenen auch die Anträge bei Gericht stellen. Eine Beratung durch die Polizei dahingehend habe deshalb große Bedeutung. Es sei jedoch zurzeit so, dass nur wenige Fälle mit dem Gang zum Familiengericht endeten.

Herr Wenker führt weiter aus, dass häusliche Gewalt an sich keinen einzelnen Straftatbestand darstelle, sondern sich aus einer ganzen Reihe von Straftaten zusammensetzen könne. In diesem Zusammenhang macht er deutlich, dass die Ausführung des Gewaltschutzgesetzes und der mit ihm in Zusammenhang stehenden weiteren rechtlichen Vorschriften sowie die Überprüfung der ergangenen Maßnahmen verschiedenen Gerichtszweigen zugeordnet seien. So bestehe neben der Zuständigkeit des Familiengerichts auch eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, soweit die polizeiliche Verfügung über die Wohnungsverweisung auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft werden solle. Die Zuständigkeit der Strafgerichte ergebe sich aus den der Wohnungsverweisung möglicherweise vorausgegangenen Straftaten.

Herr Wenker weist darauf hin, dass die Feststellung, ob häusliche Gewalt vorliege, im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten könne. Die Regelung des Innenministeriums sehe vor, dass im Zweifel häusliche Gewalt anzunehmen sei. Der polizeilichen Verfügung über die Wohnungsverweisung müsse außerdem eine Einschätzung dahingehend vorausgehen, dass es wieder zu einer Gefahrenlage kommen könnte.

Das in Zusammenhang mit der Wohnungsverweisung ausgesprochene Rückkehrverbot werde in der Form überwacht, dass nach drei Tagen festgestellt werde, ob der Verwiesene wieder in die Wohnung zurückgekehrt sei. Das Rückkehrverbot könne durch Zwangsgeld und äußerstenfalls durch Haft durchgesetzt werden. Eine Rückkehr des Verwiesenen in die Wohnung (z. B. um Kleidung zu holen) sei nur in Begleitung der Polizei möglich.

Herr Wenker trägt vor, dass mit Einverständnis des Opfers eine Beratungsstelle eingeschaltet werde. Die Einschaltung des Jugendamtes sei dagegen, soweit Kinder und Jugendliche betroffen seien, nicht von einem Einverständnis abhängig. Wichtig sei es, Informationen über die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes möglichst breit zu streuen.

Zu Beginn habe, so teilt Herr Wenker mit, die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes Schwierigkeiten bereitet. Zum einen habe zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen Verständnis geweckt werden müssen. Zum anderen seien anfangs vermehrt Klagen gegen die Maßnahmen der Polizei erhoben worden; dies sei jetzt nicht mehr der Fall.

Abschließend teilt Herr Wenker mit, dass in 2002 und 2003 pro Jahr rd. 120 Fälle das Eingreifen der Polizei erforderlich gemacht hätten; in 2004 seien es 175 Fälle gewesen. Auf eine Zunahme häuslicher Gewalt lasse dies aber nicht schließen.

 

Vorsitzende Schäpers dankt Herrn Wenker für die informativen Ausführungen und gibt den Ausschussmitgliedern Gelegenheit, Fragen zu stellen.

 

Ktabg. Pieper bittet um Auskunft darüber, wie potentielle Opfer über das Gewaltschutzgesetz informiert würden. Ferner möchte sie wissen, welche Erfahrungen bezüglich der Einhaltung des Rückkehrverbots gemacht worden seien.

Hierzu erklärt Herr Wenker zunächst, dass die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Prävention über die offiziellen Seiten des Landeskriminalamtes im Internet erfolge. Vorrangige Aufgabe der Polizei sei es, im Rahmen des jeweiligen Einsatzes zu helfen.

Herr Wenker führt aus, dass kein Schutz der Wohnung erfolge; es finde jedoch eine Kontrolle des Rückkehrverbotes in den ersten drei Tagen statt. Nach den bisherigen Erfahrungen werde das Rückkehrverbot überwiegend eingehalten. Auch gegen den Willen der Frauen werde ggf. die Rückkehr des Ehemannes verhindert.

 

Auf die Frage der Ktabg. Wilhelm, was passiere, wenn die Lage vor Ort nicht so eindeutig sei, antwortet Herr Wenker, dass es hier sehr darauf ankomme, welche Straftat vorliege, z. B. Beleidigung oder Körperverletzung, und welche Gefahr von den Kolleginnen und Kollegen vor Ort erkannt werde. Es handele sich um eine schwierige Aufgabe, deren Erfüllung von den Kolleginnen und Kollegen aber als befriedigender empfunden werde, als wie früher abgesehen von einer Ermahnung vor Ort untätig bleiben zu müssen.

 

Auf Nachfrage des Lt. KRD Schütt, in wie vielen Fällen bisher Beugehaft als Mittel zur Durchsetzung der polizeilichen Maßnahmen eingesetzt worden sei, teilt Herr Wenker mit, dass es im Jahr 2004 einen Fall in Lüdinghausen gegeben habe. In diesem Zusammenhang weist Herr Wenker noch darauf hin, dass der zuständige Richter beim Familiengericht Auflagen erteilen und ein Verstoß gegen diese zu Strafen führen könne.

 

Vorsitzende Schäpers merkt an, dass auch diese Veranstaltung der Öffentlichkeitsarbeit dienen solle und bittet Frau Bücker vom Frauenhaus Dülmen und Frau Schobert von Frauen e. V. nunmehr um Ausführungen aus Sicht der Beratungsstellen.

 

Frau Bücker trägt vor, dass es seit 1991 im Kreis Coesfeld ein Frauenhaus gebe. Durch die langjährige Betreuung von Frauen im Frauenhaus habe sich gezeigt, dass die Gewalt gegen Frauen viele und sehr unterschiedliche Ausprägungen haben könne. Hinzu komme, so fügt Frau Schobert an, dass viele Frauen glaubten, sich aus ökonomischer Sicht nicht von ihrem Ehemann trennen zu können.

Die Gewalt könne, so führt Frau Bücker aus, weitere langfristige Auswirkungen auf die betroffenen Frauen haben, z. B. Depressionen oder Essstörungen. Nicht zu vergessen sei, dass bei Gewalt unter Erwachsenen in einer häuslichen Gemeinschaft häufig auch Kinder zu Opfern würden.

Frau Bücker weist darauf hin, dass es seit dem Jahr 2001 im Kreis Coesfeld unter der Federführung der Kreisgleichstellungsbeauftragten einen „Runden Tisch“ zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder gebe, der sich viermal pro Jahr treffe. Hervorzuheben sei die von Anfang an aktive Mitarbeit der Kreispolizeibehörde. Die Arbeit des „Runden Tisches“ sei sehr wichtig und weiter ausbaufähig.

Nachdem, wie Frau Bücker weiter ausführt, in der ersten Zeit der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes die Beratungsstellen nur in einzelnen Fällen in Anspruch genommen worden seien, sei es seit Beginn des Jahres 2004 das Bestreben der Betreuungsstellen, aktiver auf die Frauen zu zugehen. Soweit die betroffenen Frauen einverstanden seien, was in großem Umfang der Fall sei, würden die Beratungsstellen von der Kreispolizeibehörde per Fax informiert. Es werde dann versucht, innerhalb der ersten 24 Stunden Kontakt zu den Frauen aufzunehmen.

Ergänzend trägt Frau Schobert vor, dass die Kooperation zwischen den beteiligten Stellen der schnelleren, effektiveren Hilfe diene. Die Beratungsstellen würden dadurch von sich aus aktiv. Soweit erforderlich, erfolge auch die Einschaltung einer Dolmetscherin. Eine Vermittlung zu einer anderen Stelle erfolge nur, wenn von dort bereits Kontakt zu der betroffenen Frau bestanden habe.

Frau Bücker teilt mit, dass im Jahr 2004 per Fax 43 Mitteilungen bei der Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) angekommen seien, davon seien in 30 Fällen Kontakte entstanden. Zusätzlich hätten 40 Frauen ohne Vermittlung durch die Polizei die Beratungsstelle kontaktiert. Ergänzend weist Frau Bücker darauf hin, dass insgesamt 32 Kinder betroffen gewesen seien. Sie schildert, dass im Kreis Coesfeld als Flächenkreis der Aufwand bei der Kontaktaufnahme höher sei. Den betroffenen Frauen werde Unterstützung in allen Bereichen angeboten, z. B. beim Gang zum Sozialamt, im Aufzeigen der rechtlichen Möglichkeiten.

Frau Schobert erklärt, dass Frauen e. V. in 35 Fällen, die per Fax von der Polizei gemeldet worden seien, die Beratung übernommen habe. Insgesamt seien 200 Frauen auch langfristig beraten worden.

Seit 1991, so Frau Schobert weiter, seien Aktionen mit dem Ziel der Enttabuisierung von Gewalt gegen Frauen angelaufen. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und die engere Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen würden betroffene Frauen auf die möglichen Hilfestellungen aufmerksam gemacht und informiert. Nach wie vor sei jedoch die Dunkelziffer der Gewalt gegen Frauen groß.

 

Vorsitzende Schäpers regt an, Mitglieder des „Runden Tisches“ in eine der nächsten Ausschusssitzungen einzuladen.

Auf ihre Frage, wie sich zurzeit die Situation des Frauenhauses darstelle, erklärt Frau Bücker, dass Gespräche bezüglich der Existenz des Frauenhauses geführt worden seien. Tatsächlich sei ein Rückgang der Belegungszahlen festzustellen. So seien im letzten Jahr nur 50 Frauen ins Frauenhaus aufgenommen worden; im Jahr 2005 seien es bis jetzt 30 Frauen. Allerdings werde, so Frau Bücker weiter, die ambulante Beratung der Frauen nicht bezahlt; dafür gäbe es keinen Tagessatz.

Ergänzend weist Ktabg. Wessels darauf hin, dass nicht geregelt sei, wer die Beratung wahrnehme, daher sei auch nicht geregelt, wer die Beratung finanziell trage.

Frau Schobert weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Frauen e. V. keine kommunale Förderung erhalte, sondern aus Beiträgen und Spendengeldern finanziert werde.

Ltd. KRD Schütt teilt mit, dass im März 2005 ein Gespräch über die Situation des Frauenhauses stattgefunden habe. Danach sei der erhöhte Tagessatz anerkannt worden.

 

Auf die Frage der Ktabg. Pieper, wie die Existenz der Frauen und Kinder finanziell gesichert werde, erklärt KAR Bleiker, dass die Frauen Leistungen nach dem SGB II beantragen könnten.

Frau Bücker weist ergänzend darauf hin, dass der SkF die betroffenen Frauen bei der Antragstellung unterstütze.

 

Ktabg. Havermeier bittet um Auskunft darüber, ob es Erfahrungen darüber gebe, welche Ursachen die häusliche Gewalt habe, insbesondere welche Rolle die wirtschaftliche Situation bzw. Arbeitslosigkeit dabei spiele.

Hierzu führt Frau Schobert aus, dass es sehr unterschiedliche, ineinandergreifende Ursachen gebe, so dass häusliche Gewalt nicht an einer Ursache festgemacht werden könne. Der Umgang mit Ängsten, auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation, könne eine Ursache sein.

Ergänzend erklärt Frau Bücker, dass Stress in jeglicher Form ein Faktor für Gewalt sein könne.

Ktabg. Dr. Voß stellt fest, dass die Aufnahme in ein Frauenhaus zunächst eine Erste-Hilfe-Maßnahme sei; darüber hinaus müsse jedoch eine Aufbereitung der tieferen Ursachen für die Gewalt erfolgen, um präventive Maßnahmen ergreifen zu können.

 

Ktabg. Wilhelm fragt, ob der Aufenthalt im Frauenhaus zeitlich unbegrenzt sei und wer den Tagessatz aufbringe. Frau Bücker trägt hierzu vor, dass der Frauenhausaufenthalt grundsätzlich zeitlich nicht begrenzt sei, regelmäßig aber unter einer Woche liege. Der Tagessatz sei in Abstimmung mit dem Kreis festgesetzt worden und werde im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II/SGB XII übernommen.

 

Auf die Frage der Ktabg. Pieper, ob der Notruf gesichert sei, teilt Frau Schobert mit, dass es für den Kreis Coesfeld keinen zentralen Notruf gebe. Frau Bücker weist darauf hin, dass das Frauen- und Kinderschutzhaus über einen Notruf rund um die Uhr erreichbar sei. Dies werde teilweise durch ehrenamtliche Helferinnen sichergestellt.

 

Vorsitzende Schäpers bedankt sich bei Frau Bücker und Frau Schobert für die umfassenden Ausführungen zur Arbeit der Beratungsstellen.

Unter Hinweis darauf, dass Frau Schobert ihre Arbeit im Kreis Coesfeld in Kürze beenden werde, dankt Ktabg. Willms ihr für ihren persönlichen Einsatz und für die geleistete Arbeit.