„Ich fühlte mich verloren.“ Interview mit Fedi Yahia, der durch das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Coesfeld im Case Management unterstützt wurde
Fedi Yahia kam 2022 als Flüchtling nach Deutschland. Er floh vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland und suchte nach seiner Ankunft Unterstützung in der neuen Umgebung. Er stellt seinen Koffer damals in Senden ab, wo er über Umwege in das Case Management des kommunalen Integrationszentrums des Kreises Coesfeld aufgenommen wurde. Dank der intensiven Begleitung durch das Case Management konnte Fedi Yahia nicht nur Deutsch lernen, sondern auch sein Studium fortsetzen und sich sozial integrieren. Seine Erfahrungen stehen beispielhaft für die vielen Integrationsgeschichten, die das Case Management begleitet hat und aktuell begleitet. Sie zeigt eindrücklich, wie erfolgreich die Integration von geflüchteten Menschen gelingen kann, wenn sie durch gezielte Unterstützung und individuelle Beratung gefördert wird. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen beim Ankommen in Deutschland und der Hilfe, die er vom Case Management erhielt.
Wann sind Sie nach Deutschland eingereist und was haben Sie sich hier erhofft?
Ich bin im Sommer 2022 nach Deutschland eingereist, nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine. Ich habe mein Studium dort abbrechen müssen. Mein Ziel war es, das Studium in Deutschland fortzusetzen.
Wie haben Sie die Ankunft in Deutschland erlebt?
Meine Ankunft in Deutschland war etwas schwierig. Ich reiste alleine durch mehrere Länder ohne einen klaren Plan zu haben, wohin ich gehen sollte. Am Anfang fühlte ich mich verloren. Ich reiste, um eine Lösung zu finden, bis ich schließlich nach Deutschland kam. Mein erster Eindruck war eine Mischung aus Herausforderungen und neuen Entdeckungen. Da musste ich mich erstmal an die neue Umgebung anpassen.
Wie ist der Kontakt zum Case Manager entstanden?
Nach meiner Ankunft in Deutschland und dem Beginn des Asylverfahrens hatte ich einige Probleme. Ich suchte deshalb überall nach Hilfe. Ich habe dann Frau Egbert (Jutta Egbert, ehemalige Sozialarbeiterin der Gemeinde Senden, heute im Ruhestand: Anm. der Red.) vom Sozialamt getroffen. Sie empfahl mir den Case Manager.
Was haben Sie sich vom Case Management erhofft?
Um ehrlich zu sein, hoffte ich einfach nur auf Hilfe und Unterstützung. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht genau, welche Art von Hilfe ich benötigte. Aber ich wollte unbedingt eine stabile Situation erreichen und die jüngsten Ereignisse hinter mir lassen. Das, was in der Ukraine passiert war, hat mich emotional getroffen. Dazu fühlte ich mich einsam in Deutschland ohne Deutschkenntnisse. Ich fühlte mich verloren. Ich suchte vor allem nach Möglichkeiten, um mein Studium fortzusetzen.
Das Case Management vereinbart während der Beratung Ziele mit den Nutzenden, die gemeinsam erreicht werden sollen. Welche Ziele wurden bei Ihnen vereinbart?
Wir haben gemeinsam die Ziele, unter Berücksichtigung meiner Wünsche, Erwartungen und der aktuellen Situation, festgelegt. Diese zielten vor allem auf den Erwerb der Deutschkenntnisse, eine schnelle Sozialintegration und die Fortsetzung meines Studiums ab.
Welche Unterstützenden standen Ihnen darüber hinaus zur Seite?
Während des Prozesses standen mir verschiedene unterstützende Personen zur Seite, darunter der Case Manager, die Lehrkraft aus meinem Sprachkurs und die Mitarbeiter vom Sozialamt. Zurzeit erhalte ich keine Unterstützung mehr. Ich verlasse mich vollständig auf mich selbst.
Wurden Ihre Ziele erreicht?
Ja! Und ich bin wirklich zufrieden mit den Zielen, die ich erreicht habe. Ich bin endlich in einer guten Situation. Ich habe Deutsch gelernt und habe nach einer langen Pause wieder mit dem Studium begonnen. Ich fühle mich gut integriert und habe meine Probleme gelöst.
Was waren die größten Hindernisse?
Die großen Hindernisse waren die fehlenden Sprachkenntnisse sowie die Umstellung auf das neue System.
Was genau meinen Sie damit?
Ich meine damit die neuen Regeln, die neuen Gesetze, die neue Kultur…viel Bürokratie (lacht).
Wenn Sie auf Ihre eigenen Erfahrungen zurückblicken, wie würden Sie die Begleitung durch das Case Management bewerten?
Ich finde das Case Management wirklich organisiert und professionell. Während des Prozesses fühlte ich mich manchmal niedergeschlagen, aber ich bekam immer Unterstützung und Motivation, um weiterzumachen. Der Case Manager erinnerte mich immer wieder an die vereinbarten Ziele, die wir erreichen wollten. Das hat sehr geholfen.
Welche Hinweise / Tipps würden Sie an das Case Management weitergeben?
Es wäre toll, wenn die Verfügbarkeit weiter erhöht würde. Das könnte die Arbeit des Case Management noch weiter verbessern.
Und wie geht es Ihnen jetzt?
Nach meiner Ankunft in Deutschland und dem Wissen, dass ich mein Studium nicht fortsetzen konnte, ließ ich mich nicht davon abhalten, meinen Weg weiter zu gehen. Ich begann, die deutsche Sprache zu lernen – es ist übrigens meine fünfte Sprache, damit ich an der Universität studieren kann. Ich habe 10 Monate nach meiner Einreise das C1-Niveau der deutschen Sprache erreicht. Ich wurde an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zum Bachelor Studiengang Informatik zugelassen. Mein erstes Semester habe ich erfolgreich abgeschlossen und bin nun gespannt auf das zweite Semester.
Das C1-Niveau nach 10 Monaten ohne vorherige Deutschkenntnisse zu erreichen, ist eine enorme Leistung. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich spreche fließend Arabisch, Französisch und Englisch. Mein Italienisch ist gut, dazu spreche ich ein wenig Russisch und Ukrainisch. Das ist der Beweis dafür, dass ich wohl ein Sprachtalent bin (lacht).
Die Fragen stellte Jean-Jaques Mbondjo.
Jean-Jacques Mbondjo hat Fedi Yahia als Case Manager begleitet. In Absprache mit dem Nutzer suchte er an verschiedenen Stellen nach Unterstützung: Für die Fortsetzung des Studiums nahm der Case Manager Kontakt zum „Jugendmigrationsdienst“ auf. Im Laufe der Beratung äußerte der Nutzer den Wunsch, in eine andere Wohnung verlegt zu werden, da es in der damaligen Wohnung zu Schwierigkeiten mit dem Mitbewohner kam. Hierzu suchte der Case Manager nach einer Lösung beim Sozialamt der Gemeinde Senden. Der Schwerpunkt der Beratung lag jedoch im Austausch mit der kommunalen Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld.
Innerhalb der Gruppe der Geflüchteten aus der Ukraine gehört Fedi Yahia zu den sogenannten „Drittstaatlern“. Konkret handelt es sich um Geflüchtete aus der Ukraine, die weder die ukrainische Staatsangehörigkeit noch eine Niederlassungserlaubnis aus der Ukraine besitzen. Für geflüchtete Studenten in dieser Situation sind die Chancen auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke eines Studiums in Deutschland minimal, zumal Tunesien, Fedi Yahias Herkunftsland, ein sichereres Land ist. Auch wenn es ein langer Weg bis zum Erhalt der Aufenthaltserlaubnis war, haben die Ausländerbehörde, der Nutzer und der Case Manager Hand in Hand bis zur Zielerreichung gearbeitet. Der Case Manager übernahm dabei eine Vermittlerfunktion zwischen den verschiedenen Institutionen.
Die Geschichte von Fedi Yahia ist nur eine von vielen, in der die Ziele des Nutzers erreicht werden konnten. Und in dieser Konstellation „passte einfach einiges zusammen“, erläutert Case Manager Mbondjo. Er habe den Nutzer als zuverlässigen, zielstrebigen und schlauen jungen Mann erlebt. Auch die Mitwirkung der Eltern aus dem Heimatland war eine große Unterstützung.
Darüber hinaus konnten alle Beratungsgespräche in Französisch auf Muttersprach-Niveau geführt werden. „Unser multiprofessionelles Team im Kommunalen Integrationsmanagement (KIM) des Kreises Coesfeld und die große Sprachvielfalt aller Kolleginnen und Kollegen macht den Einsatz von Sprachmittelnden häufig entbehrlich und schafft die ideale Basis für ein vertrauensvolles Beratungssetting“, erläutert Marion Grams als Fachdienstverantwortliche für das KIM-Programm.