Sitzung: 01.10.2014 Kreistag
Planfeststellungsverfahren „Errichtung und Betrieb einer Deponie in
Dülmen, Rödder 59a“
Landrat Püning macht folgende Mitteilung:
„Nachdem sich der Landrat wegen der bis dahin vollständig fehlenden
abfallwirtschaftsplanerischen und raumordnerischen Befassung mit der
Deponieproblematik für DK I-Abfälle mit Schreiben vom 9. März 2012 unter
Hinweis auf die auch daraus resultierende fehlende Akzeptanz des
Deponievorhabens in der Bevölkerung persönlich an Minister Remmel gewandt
hatte, wurde von diesem im Mai 2012 eine auf das gesamte Land bezogene Analyse
des Deponiebedarfs angekündigt und vom Ministerium um Aussetzung der Verfahren
für Deponievorhaben an neuen, bislang nicht für die Ablagerung von Abfällen
genutzten Standorten gebeten – dies bezog sich neben zwei weiteren Verfahren im
Rheinland besonders auf das Vorhaben am Standort in Dülmen-Rödder. Eine
Zusammenfassung der Ergebnisse der daraufhin vom Land in Auftrag gegebenen
Bedarfsanalyse liegt seit Februar dieses Jahres vor. Danach wird es bis zum
Jahr 2030 bei einem mittleren Szenario eine Gesamtablagerungsmenge von ca. 62 Mio.
m3 geben, während sich das Restvolumen von bestehenden Deponien auf 21 Mio. m3
beläuft und nur für weitere 27 Mio. m3 Deponieplanungen bekannt sind.
Trotz des heraufziehenden landesweiten Entsorgungsproblems ist das Land
weder als oberste Abfallwirtschaftsbehörde noch als Landesplanungsbehörde
bereit, für ein gesamträumlich ausgewogenes Konzept geeigneter Deponiestandorte
Sorge zu tragen. Hierzu hat es wiederholte Vorsprachen des Kreises bei der
Bezirksregierung und im Umweltministerium gegeben – auch die Stellungnahme des
Kreises zum LEP-Entwurf fordert bekanntlich einen solchen Schritt. Unter
Hinweis auf den Ausfall von Fachplanung und Raumordnung auf Landesebene lehnt
die vom Kreis in mehreren Schreiben und Gesprächen um ein regionales Konzept und
eine Standortalternativenprüfung ersuchte Bezirksregierung Münster in gleicher
Weise eigene Planungsaktivitäten ab. Die durch den Kreistag beschlossene
Initiative im Rahmen der Aufstellung des neuen Regionalplans wurde bekanntlich
unter Hinweis auf die seinerzeit noch ausstehende Bedarfsanalyse
zurückgewiesen. Aktuell wird neben der fehlenden Planungsbereitschaft des
Landes, die man als Bezirksregierung nicht ersetzen dürfe und wolle, vor allem
der durch die meisten Entsorgungsträger im Land erfolgte Ausschluss der DK
I-Abfälle von der Überlassungspflicht angeführt. Es bestehe – so die
protokollierte Aussage der Regierungsvizepräsidentin in der HVB-Konferenz vom
17.09.2014 – „hier kein Deponieproblem [...], da der Abfall bisher in weiter
entfernten Deponien entsorgt worden sei.“ Ein Regionalplanänderungsverfahren,
das zumindest einen regionalen Variantenvergleich ermöglichen würde, wird
ebenfalls abgelehnt – im Wesentlichen mit dem Hinweis auf eine durch die
Regionalplanungsbehörde in einem früheren Verfahrensstadium mit einem Satz
festgestellte Vereinbarkeit des Vorhabens in Rödder mit den Zielen der
Raumordnung.
Mehrere Interventionen des Kreises, zuletzt durch den Landrat in der
erwähnten HVB-Konferenz mit dem Regierungspräsidenten am 17.September 2014, haben
zu keinem Umdenken geführt, so dass der Kreis im Planfeststellungsverfahren nun
von dieser knappen raumordnerischen Bewertung durch die Bezirksregierung
ausgehen muss; eine diese Auffassung bestätigende abschließende Stellungnahme
durch Regionalplanungsbehörde und Obere Abfallwirtschaftsbehörde wurde bereits
angekündigt.
Die wegen der gebotenen überregionalen Prüfung von hier aus weiterhin
angeregte Übertragung der generellen Zuständigkeit für die Planfeststellung von
DK I-Deponien auf Bezirksregierungsebene hat zwar Aufnahme in den Entwurf einer
Novelle der Zuständigkeitsverordnung für den Umweltschutz gefunden, soll aber
für laufende Verfahren keine Anwendung mehr finden. Dass damit – anders als bei
nahezu allen anderen großen Infrastrukturvorhaben von überörtlicher Bedeutung –
nur im Bereich der DK I-Deponieplanung zufällige Flächenverfügbarkeiten
privater Entsorgungsunternehmen innerhalb eines beliebig betroffenen Kreises
dafür ausschlaggebend sein werden, wo künftig Deponien mit landesweiter Bedeutung
für die Entsorgung von DK I-Abfällen betrieben werden, wird von Landes- und
Bezirksregierung gesehen, aber hingenommen – gleichfalls die Inanspruchnahme
neuer unverbrauchter Flächen, obwohl die freiraumschonende Erweiterung oder
Umwidmung bestehender Deponien, etwa in Münster oder Altenberge denkbar wäre.
Der vollständige Text der Bedarfsanalyse liegt bis zum heutigen Tag
noch nicht vor; dennoch sind die Planfeststellungsbehörden auf der Grundlage
der erwähnten Zusammenfassung der Ergebnisse bereits mit Erlass vom 07.02.2014
zur Fortführung der bei ihnen anhängigen Verfahren angehalten worden.
Wie bereits aus der Presse zu entnehmen war, hat die Remex Coesfeld
Gesellschaft für Baustoffaufbereitung mbH ihren Antrag zuletzt mit Schreiben
vom 12.09.2014 geändert (Streichung sämtlicher als „gefährlich“ klassifizierter
Abfallarten) und um baldige Fortsetzung des Verfahrens in Form eines
Erörterungstermins gebeten. Das Ministerium hat nun die Zuleitung der
vollständigen Bedarfsanalyse innerhalb der nächsten Wochen angekündigt. Diese
soll zunächst ausgewertet werden, so dass eine Erörterung der Einwendungen und
Stellungnahmen derzeit noch nicht terminiert werden kann.“
Abschließend stellt Landrat Püning fest, dass es bei einer
Zuständigkeit auf örtlicher bzw. Kreisebene bleibt und alle Bemühungen, das
Verfahren auf eine überregionale Ebene zu heben, erfolglos waren. Der Kreis
Coesfeld müsse das Verfahren zu Ende führen.
FBL Dr. Scheipers erläutert auf Nachfrage nach dem aktuellen rechtlichen
Status des Geländes, dass es für die Fläche einen wasserrechtlichen
Planfeststellungsbeschluss in Gestalt zweier Planänderungsgenehmigungen gebe,
gerichtet im Wesentlichen auf Abgrabung von Ton und Wiederverfüllung mit
unbelastetem Bodenmaterial. Als Ausgleich für den Eingriff in Natur und
Landschaft sei bislang die Anlage von Tümpeln vorgesehen.
Hinsichtlich der Thematik Grundwasser und Wasserqualität fragt Ktabg.
Wessels nach dem Umgang mit der Problematik seitens des Kreises. Ferner möchte
er wissen, wie das Ermessen des Kreises bei einer Entscheidung über die
Zulassung einer Deponie auszuüben ist bzw. ausgeübt werden kann. Bürgerinitiative,
Anwohner sowie die Stadt Dülmen lehnten eine Deponie ab.
Landrat Püning weist darauf hin, dass er den Kreistag unter dem Tagesordnungspunkt
Mitteilungen über den Verfahrensstand und die aktuelle Entwicklung informiert
habe. Das Verwaltungsverfahren sei fortzuführen und eine Entscheidung in der
Sache noch nicht getroffen oder absehbar.
FBL Dr. Scheipers antwortet, dass der Kreis Coesfeld zwar einem
Ermessen vergleichbare Abwägungsspielräume habe, jedoch auch im Rahmen der
Abwägung in seiner Entscheidung nicht völlig frei sei, sondern rechtlich
vorgegebene Schranken einhalten müsse. Das Planungsermessen müsse insbesondere
pflichtgemäß ausgeübt werden, um Abwägungsfehler zu vermeiden. Eine
Entscheidung dürfe nicht willkürlich getroffen werden.
Es gebe keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der
Grundwasserqualität in der Bauerschaft Rödder durch gewerbliche Nutzungen,
insbesondere durch den Brecher- und Verfüllbetrieb des dort ansässigen
Entsorgungsunternehmens. Vornehmlich auf der östlich der K 13 gelegenen
Tongrube, also nicht auf dem projektierten Deponiegelände finde zurzeit eine
Verfüllung mit sogenannten Z 1-Böden statt; das seien – vereinfacht gesprochen
– unbelastete Böden mit einem Anteil von Steinen kleiner/gleich 5%.
Die in der Öffentlichkeit diskutierten ungewöhnlichen Wasserwerte aus
dem Jahre 2011 stammten aus der sog. R6-Messstelle. Diese Messstelle sei bereits
wegen ihrer Lage in einer Mulde und wegen der Zugänglichkeit kritisch. Die
damalige Probe sei getrübt gewesen und von ihr sei ein jaucheähnlicher Geruch
ausgegangen. Es bestehe keine Kausalität zwischen der Verfüllung und dem
ungewöhnlichen Messwert aus dem Jahre 2011. Das Grundwasser werde im Übrigen
vom LANUV beprobt. Insoweit lägen keine eigenen Erkenntnisse vor. Hinsichtlich
des Brunnen- und Eigenwassers sei auf Grund der dem Kreis vorliegenden
Erkenntnisse als untere Gesundheitsbehörde festzustellen, dass die Werte sich
nicht von den Werten im übrigen Kreisgebiet unterschieden.
Ergänzend möchte Ktabg. Wessels wissen, ob es nach dem Messergebnis im
Jahre 2011 zu Nachmessungen gekommen sei oder ob man auf Sachverständige
vertraut habe.
Hierauf teilt FBL Dr. Scheipers mit, dass das LANUV offenbar eine
Nachmessung nicht für notwendig erachtet habe. Die Messungen würden auch erst
mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bekannt gegeben. Auf der Internetseite
ELWAS (elektronisches wasserwirtschaftliches Verbundsystem für die
Wasserwirtschaftsverwaltung in NRW) könnten zum Beispiel aktuell die Werte der
Jahre 2012 und 2013 nachgelesen werden.
Die besagte Messstelle liege 13 Meter unter der Erdoberfläche, während
Grundwassermessungen üblicherweise auf etwa 30 Meter unterhalb Geländeniveau
durchgeführt werden. Gleichwohl widme man den damaligen Werten eine besondere
Aufmerksamkeit und man diskutiere mit dem LANUV über eine Erklärung dieser
Werte.
Landrat Püning ergänzt, dass man das LANUV jetzt ganz aktuell wegen der
Geeignetheit der Messstelle noch einmal angeschrieben habe. Ein vom
Entsorgungsunternehmen beauftragter Gutachter habe angeregt, zwei neue
Messstellen einzurichten.
Ktabg. Schulze Entrup verweist auf die bestehende Verpflichtung der Fa.
Remex, die festgelegte Ausgleichsmaßnahme umzusetzen. Erst hiernach komme eine
Deponie in Betracht. Die Reihenfolge müsse eingehalten werden.
Ktabg. Kleerbaum fragt, ob die Antragstellerin im Falle eines positiven
Votums verpflichtet werden kann, am Ursprungsantrag festzuhalten. Wie könne
gesichert werden, dass keine gefährlichen Stoffe eingelagert werden.
Zunächst beantwortet FBL Dr. Scheipers die Anmerkung des Ktabg. Schulze
Entrup dahingehend, dass grundsätzlich nach einer erfolgten Planfeststellung
diese durch eine neue Planfeststellung geändert werden können. Für zuvor
festgesetzte Ausgleichsmaßnahmen müsste später Ersatz geschaffen werden. Eine
vom ersten Planfeststellungsverfahren vorgesehene Ausgleichsmaßnahme sei in die
Eingriffsbewertung einzubeziehen. Eine Planfeststellung entfalte keine
dauerhafte bzw. unabänderliche Wirkung. Eine Änderung müsse jedoch ein
Verfahren mit strenger Prüfung durchlaufen.
Auf die Frage des Ktabg. Kleerbaum erklärt FBL Dr. Scheipers, dass die
nachträgliche Erweiterung eines etwa planfestgestellten Betriebs um typischerweise
nicht für DK I-Deponien bestimmte Abfallarten äußerst schwierig sein dürfte,
jedoch letztlich nichts unmöglich sei. Auf eine DK1-Deponie dürften nach der
Deponieverordnung nur mineralische Abfälle eingelagert werden. Es können andere
Stoffe nur dann dort auch eingelagert werden, wenn durch weitere technische
Maßnahmen (Sicherheitsregime) keine anderen Wirkungen von diesen Stoffen
ausgehen, wie von den mineralischen Abfällen. Es sei somit grundsätzlich
möglich und für die Zukunft nicht gänzlich auszuschließen.
Landrat Püning verweist auf die Erklärung der Antragstellerin, keine
gefährlichen Stoffe mehr einlagern zu wollen.
Ktabg. Kohaus regt wegen des offensichtlich bestehenden
Erörterungsbedarfs an, den Stand des Verfahrens auch in rechtlicher Hinsicht in
der nächsten Fachausschusssitzung darzustellen.
Landrat Püning sichert dies zu.
Ktabg. Kortmann möchte vom FBL Dr. Scheipers wissen, ob er ausschließen
könne, dass es Messergebnisse gebe, die ihm nicht bekannt seien. Ferner möchte
er wissen, ob FBL Dr. Scheipers sich sicher sei, dass keine giftige Abfälle auf
die Deponie gelangten und wenn nicht, ob dies dann geprüft werde.
Zunächst erklärt FBL Dr. Scheipers, dass er bei Fragen, die sich auf Bereiche
außerhalb seiner persönlichen Wahrnehmung bezögen – egal in welchem Bereich –
niemals etwas ausschließen könne. Wie – so FBL Dr. Scheipers – solle er ein
Messergebnis ausschließen, dass er nicht kenne.
In Beantwortung der zweiten Frage des Ktabg. Kortmann verweist FBL Dr.
Scheipers vorab auf die unternehmenseigenen Qualitätssicherungs-Kontrollen
(QS-Kontrollen). Bei jeder Lkw-Anlieferung erfolge sodann eine Sichtkontrolle
und die Entnahme einer Rückstellprobe. Das Unternehmen beauftrage für die Rückstellprobe
eine Analytik, die dem Kreis vorzulegen sei; bei Besonderheiten hinsichtlich
der Analyseergebnisse oder auch bei größeren Anlieferungsmengen beauftrage der
Kreis darüber hinaus eine eigene (Gegen-)Probe. Das Unternehmen führe ein
Betriebstagebuch, das über eine lückenlose Rückverfolgung bis hin zu der Baustelle,
an der die Böden entnommen worden seien, gewährleiste. Bis zur Freigabe durch
den Kreis würden die Anlieferungen zwischengelagert und dann erst eingebaut.
Ungefähr alle vier Wochen würden Mischproben gezogen, ungefähr alle zwei Monate
nähmen Bedienstete des Kreises eine Vor-Ort-Kontrolle vor. Eine Erklärung,
dergestalt, dass es niemals zu fehlerhaften Ablagerungen gekommen sei, könne er
für die Bodenablagerungen in Dülmen-Rödder ebenso wenig abgeben wie für die
kreiseigene Deponie. Mit der ausführlichen Darstellung wolle er dem Eindruck
entgegen treten, dass es offensichtliche Lücken im System gebe.
Modellvorhaben
„Land(auf)Schwung“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
Landrat Püning teilt mit:
„Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat mit
Schreiben vom 12.09.2014 mitgeteilt, einen Schwerpunkt für ländliche Räume,
Demografie und Daseinsvorsorge bilden zu wollen, die die Stabilisierung der
„Ländliche Räume“ zum Ziel hat. Es wird ein neues Bundesprogramm „Ländliche
Entwicklung“ gestartet. Wesentlicher Bestandteil soll ein neues Modellvorhaben
„Land(auf)Schwung“ für ländliche Regionen sein. Dieses unterteilt sich in eine
Start- und Qualifizierungsphase. Am 07.11.2014 endet eine Frist zur
Interessensbekundung. Der Kreis Coesfeld ist einer von drei Kreisen in NRW, die
ausgewählt wurden. Neben dem Kreis Coesfeld wurden die Kreise Höxter und der
Hochsauerlandkreis ausgewählt.
Die Verwaltung prüft zurzeit, ob die Teilnahme für den Kreis Coesfeld
interessant ist. Für die nächste Kreistagssitzung am 05.11.2014 wird eine
Sitzungsvorlage erstellt, um gegebenenfalls zum 07.11.2014 das Interesse
bekunden zu können.“