Beschluss: geändert beschlossen

Abstimmung: Ja: 45, Nein: 6, Enthaltungen: 0

Beschluss:

 

  1. Der Kreistag stimmt der Übernahme der Aufgabe einer Zentralen Ausländerbehörde durch den Kreis Coesfeld zum 01.06.2018 zu.

 

  1. Der Kreistag nimmt zur Kenntnis, dass die Aufgaben einer Zentralen Ausländerbehörde Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung sind, die zuständige Aufsichtsbehörde die Bezirksregierung Münster ist und Weisungs- oder sonstige Einflussnahmerechte der Zentralen Ausländerbehörde gegenüber der kommunalen Ausländerbehörde nicht zustehen.

 

  1. Die dafür zu bildende Organisationseinheit wird als Abteilung 35 dem Dezernat I –Sicherheit, Bauen und Umwelt- zugeordnet. Insofern wird zum 01.06.2018 der Organisationsplan angepasst. Der Kreistag nimmt ferner zur Kenntnis, dass eine klare organisatorische Trennung der Zentralen Ausländerbehörde von der kommunalen Ausländerbehörde sichergestellt wird.

 

  1. Zur Aufgabenwahrnehmung der Zentralen Ausländerbehörde beschließt der Kreistag zum 01.06.2018 als Nachtrag zum Stellenplan für das Haushaltsjahr 2018 die Einrichtung der im Anhang ersichtlichen Planstellen.

 

  1. Der Kreistag nimmt zur Kenntnis, dass die zur Übernahme dieser neuen Aufgabe zu schaffenden zusätzlichen Personal- und Sachressourcen Folgebedarfe in den Querschnittsbereichen der Kreisverwaltung mit zusätzlichen Planstellenanteilen (Overheadkosten) auslösen, die ebenfalls durch das Land Nordrhein-Westfalen refinanziert werden.

 

  1. Der Kreistag nimmt zur Kenntnis, dass die Einrichtung und der Betrieb der Zentralen Ausländerbehörde den Kreisetat nicht belasten, da die Kosten vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) erstattet werden.

 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Land NRW eine Rahmenvereinbarung abzuschließen, die gewährleistet, dass im Falle einer späteren Auflösung bzw. Rückabwicklung der Zentralen Ausländerbehörde dem Kreis kein finanzieller Schaden (z.B. durch verbleibendes und nicht mehr benötigtes Personal) entsteht.

 

  1. Die Verwaltung wird damit beauftragt alle notwendigen Maßnahmen zu veranlassen, die erforderlich sind, um zum 1. Juni 2018 den Betrieb der Zentralen Ausländerbehörde aufzunehmen.

Landrat Dr. Schulze Pellengahr führt in den Tagesordnungspunkt ein und erinnert an die ausführliche und sachliche Diskussion im Kreisausschuss.

Er informiert darüber, dass die Ziffer 3 der Beschlussvorlage dahingehend geändert wird, dass die Zentrale Ausländerbehörde nicht als Abteilung 33, sondern als Abteilung 35 eingerichtet werden soll. Hintergrund sei eine entsprechende Bitte von Regierungspräsidentin Feller, die eine Verwechselung mit dem Dezernat 33 der Bezirksregierung vermeiden möchte, denn dieses sei bereits im selben Gebäude am Leisweg untergebracht.  Hiergegen erhebt sich keinen Widerspruch. Darüber hinaus lobt er die bisher sehr positive Begleitung der Bezirksregierung bei dem Projekt Zentrale Ausländerbehörde.

 

Ktabg. Vogelpohl führt aus:

 

„„Den ministrierenden, fussballspielenden Senegalesen wird man nicht mehr los.“ Diese flüchtlingspolitische Offenbarung des Andreas B. Scheuer markiert im Umkehrschluss die wahre Intention der derzeitigen regierungsamtlichen Flüchtlingspolitik: Wie werden wir die Flüchtlinge möglichst schnell wieder los?

So setzt sich jetzt fort, was unselig im Sommer 2014 begann. Im Sommer 2014 war der damalige UN-Flüchtlingskommissar zu Gast im Kanzleramt bei Frau Merkel. Mit gebotener Artigkeit bat er um 500 oder zumindest um 300 Mio. € um den Lebensunterhalt der Flüchtlinge in und um Syrien sicher zu stellen. Aber: die schwarze Null musste stehen, also verließ Herr Guterres das sommerheiße Berlin zwar mit guten Wünschen, aber leeren Taschen. In der Folge flohen viele Flüchtlinge (Nach dem Motto: „Was besseres als den Tod finden wir überall.“) aus den dortigen Flüchtlingslagern. Viele von ihnen fanden 2015 und 2016 Zuflucht in unseren Turnhallen oder Zeltstädten. Mit der Betreuung der Flüchtlinge kamen die hauptamtlichen und die ehrenamtlichen Helfer schnell an ihre Grenzen. Das BAMF war mit der fachgerechten Bearbeitung der Asylträge überfordert. Das kurzfristig rekrutierte neue Personal erhöhte offenkundig nicht die Bearbeitungsqualität.

-          Inzwischen hat die Migrationswelle auch das Bundesverwaltungsgericht erreicht: 400.000 Eingänge in 2017, bei gleichem Personalstand.

-          Bei den Verwaltungsgerichten in NRW hat sich die Zahl der Asylverfahren seit 2013 verachtfacht. Die Belastungsquote liegt jetzt bei 70%.

-          90 % der abgelehnten Asylanträge werden vor den Verwaltungsgerichten beklagt, 44% davon mit Erfolg, sagt die Bundesregierung!

-          Bei 1 % dieser Entscheidungen legt das BAMF Rechtsmittel ein.

All diese Zahlen belegen: Unsere Verwaltungen und Gerichte sind mit der Bearbeitung der Asylanträge überfordert sind. Eine Überprüfung der Strukturen ist daher folgerichtig und erforderlich. Aber: ist die Einrichtung einer weiteren Behörde zur Rationalisierung der Abschiebung der richtige Schritt?

Derzeit leben in Deutschland noch etwa 230.000 ausreisepflichtige Menschen, von denen ca. 165.000 eine Duldung haben. Abgeschoben wurden 2017 ca. 22.000 Menschen. „Weil es bei Abschiebungen um komplizierte rechtliche Fragen geht, weil viele Asylbewerber aus Staaten kommen, in denen Krieg herrscht, lässt sich an den Zahlen auch mit ehrgeizigen Beamten und großem politischen Nachdruck nicht so schnell etwas ändern. (…) Weil es immer weniger vergleichsweise einfache Asylfälle aus den Balkan-Staaten gibt, wird die Anzahl der Abschiebungen weiter zurückgehen. Abschiebungen rechtssicher zu machen ist‚ anstrengende händische Arbeit‘, das heißt, die Beamten müssen sich intensiv um jeden Einzelfall kümmern. Die Bevölkerung hat oft den Eindruck, dass die falschen abgeschoben werden“. So schreibt die FAZ am 10.03.! Gerade zu dem letzten Satz verweise ich wieder auf den fussballspielenden  ministrierenden Senegalesen.

Mit  der Einrichtung der ZAB in Coesfeld soll eine Behörde geschaffen, die sich um eine kleine Minderheit der Flüchtlinge kümmert. Um die alltägliche Betreuung der Mehrheit der Flüchtlinge sollen sich weiter die ehrenamtlichen Helfer kümmern. In BaWü konzentriert sich der Innenminister Strobl inzwischen auf eine kleine Gruppe von Ausländern, die großen Schaden anrichten. Im Blickpunkt stehen Mehrfachstraftäter. Eine Strategie, die auch von den dortigen Flüchtlingshelfern begrüßt wird.

Die Einrichtung einer ZAB stellt aber eben nicht eine Überprüfung bisheriger Strukturen und Abläufe dar. Die Einrichtung der ZAB bedeutet auch keine Entlastung unserer ehrenamtlichen Helfer in den örtlichen Flüchtlingsinitiativen – auch wenn Sie, Herr Lütke-Coesmann, so darstellen. Sie ist, in Verbindung mit anderen großkoalitionären Maßnahmen, der Versuch, die Asylverfahren auf „Teufel-komm-raus“ weiter zu beschleunigen. Weiter so -aber schneller! Im Mittelpunkt dieser Politik steht das Ziel, die „Schlagzahl“ zu erhöhen, es geht darum, mehr Flüchtlinge wieder außer Landes zu bringen.

Meine Damen und Herren von der Christlichen Union: "Migranten und Flüchtlinge sind keine Figuren auf dem Schachbrett der Menschheit. Es geht um Kinder, Frauen und Männer, die aus verschiedenen Gründen ihre Häuser verlassen oder gezwungen sind, sie zu verlassen; Menschen, die den gleichen legitimen Wunsch haben, mehr zu lernen und mehr zu besitzen, vor allem aber mehr zu sein.“ Soweit Papst Franziskus. (Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge am 19. Januar 2014)

Wir leben in einem Rechtsstaat! Aber:

1. Die Verfahren, an deren Ende nun eine vollziehbare Ausreisepflicht steht sind - auch aufgrund der beschriebenen Überforderung - nicht durchgängig rechtsstaatlich und human betrieben worden. Es darf daher vielfach die Rechtmäßigkeit der Ausreisepflicht und damit der Abschiebung bestritten werden. In so einer Situation sind Abschiebungen nicht vertretbar, zumal vielfach Menschen klar in die Gefahr des Todes geschickt werden.

2. Die Ehrenamtlichen und auch die Ausländerbehörden werden schon entlastet, wenn die Flüchtlinge lange in Erstaufnahmeeinrichtungen kaserniert werden, da eine Zuteilung auf die Gemeinden vielfach dann nicht erfolgt. Dort werden sie aber von neutraler Beratung ferngehalten! So, wie aber die Asylverfahren ausgestaltet und in der Praxis gelebt werden, kommt das einem Entzug eines Rechtsstaatlichen Verfahrens bis zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gleich. Die zu großen Teilen erfolgreichen Klagen werden ja in der Regel erst mit Unterstützung Ehrenamtlicher erhoben. Wenn man diese Unterstützung jetzt unterbindet, würde schlicht weniger geklagt. An der Rechtswidrigkeit vieler Bescheide würde das aber nichts ändern.

„Nach christlichem Verständnis ist der Mensch ein Geschöpf und Abbild Gottes. Daraus leitet sich seine Würde und die Unverletzlichkeit seines Lebens ab.“ Meine Damen und Herren von der CDU, ich habe große Zweifel, dass die Flüchtlingspolitik, die mit den AnKER-Einrichtung einen noch schärferen Drive bekommt, diesem Christlichen Menschenbild, wie es die Caritas formuliert hat, auch nur im Ansatz Rechnung trägt. Ich kann nicht erkennen, dass diese Flüchtlingspolitik auch nur im Ansatz mit Christlicher Nächstenliebe in Verbindung zu bringen ist. Das ZAB in Coesfeld wäre ein weiteres Rädchen im groben Räderwerk einer inhumanen Flüchtlingspolitik. Zu einer solchen Politik sagen wir GRÜNEN weder Ja noch Amen.“

 

Ktabg Crämer-Gembalzcyk stellt fest, dass in der heutigen Sitzung des Kreistags über die Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde für den Regierungsbezirk Münster beschlossen werden solle. 

Gehe es nach Bürgermeister Öhmann oder Landrat Dr. Schulze Pellengahr, stehe die Entscheidung bereits fest. Das nenne die Fraktion „Die Linke“ absurd.

Münster habe die ZAB aus gutem Grund nicht haben wollen. Sie fragt sich, ob sich durch die Ansiedlung grundlegend die Wahrnehmung auf geflüchtete Menschen, egal aus welchem Grund diese zu uns gekommen sind, geändert habe.

Aus einer Willkommenskultur, die im Kreis so hervorragend geklappt habe, würde eine angstbesetzte, optimierte Abschiebepraxis. Sie wolle das Abschiebeamt auch nicht! Sie fragt: „Sind wir es uns als Kreis nicht wert genug, auch unser Bild freundlich, lebenswert, tolerant und vor allem offen und frei für alle darzustellen?“ Für Sie bleibe der Grundsatz „kein Mensch ist illegal“.

Es würde damit geworben, dass ca. 70 bis 90 Arbeitsplätze entstehen sollen. Abgesehen davon das die Anwohner/innen sich heute schon über die Parkplatzsituation beklagten, wie viel mehr brächte es, die vielen Ehrenamtlern in richtige, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu verwandeln. Alle Menschen die im Kreis blieben, stärkten die Wirtschaft. Schon heute profitiere die Wirtschaft deutlich durch die Geflüchteten. Staatliche Ausgaben, private Ausgaben von Migranten und Unternehmen erhöhten das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre. Die Leistungen wirkten wie ein kleines Konjunkturprogramm.

Geflüchtete klagten immer häufiger gegen ihre Asylbescheide und erhielten auch immer häufiger Recht. Das bedeutete erhöhte Kosten für das Amt, aber auch zusätzliche psycho-soziale Not. Im Januar seien 365.000 Asylklagen an deutschen Gerichten anhängig gewesen und es sei damit zu rechnen, dass gut jede zweite Klage erfolgreich sein würde.

Die Abschiebung Krimineller werde als Rechtfertigung missbraucht. Das sei im höchsten Masse unmenschlich und herzlos. Denn entweder gelangten diese Menschen aus Perspektivlosigkeit nun erst recht in den Extremismus oder Kriminalität oder entzögen sich der Gesellschaft und tauchten ab. Oder man liefere sie in sogenannte sichere Herkunftsländer, direkt in den Tod, aus. Man führe quasi indirekt für diese nicht deutschen Menschen die Todesstrafe wieder ein. Das sei nicht nur theoretisch so. Beispiele dafür seien den Helfern und Helferinnen im Kreis bekannt.

Eine ZAB entscheide nur nach Aktenlage. Eine Einzelfallbewertung finde nicht nur nicht statt, sondern sie sei ausdrücklich nicht vorgesehen.

Eine ZAB dürfe und solle auch mit Zwangsmaßnahmen Rückflüge vollziehen. Konkret hieße das Freiheitsentzug.

Ein ablehnender Kreistagsbeschluss würde ein klares Signal an die Landespolitik, gegen das „geflüchtetenfeindliche“, inhumane Abschiebemanagement und für eine solidarische Willkommenskultur überall im Land setzen.

Als Humanistin und als gläubiger Mensch sei eine Entscheidung für sie nicht nachvollziehbar.

Für ihren Teil der Fraktion werde sie gegen eine ZAB Stimmen.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr entgegnet, dass man von der Todesstrafe noch weit entfernt sei. Zwar habe es in der Vergangenheit immer auch Fehlentscheidungen des BAMF gegeben, doch zeigten die entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen auch, dass der Rechtsschutz gegen Fehlentscheidungen greife. Insgesamt gäbe es in Deutschland eine funktionierende Rechtsordnung, auf die man stolz sein könne; genauso wie auf das Engagement der Flüchtlingshilfen.

Er erinnert daran, dass die Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde ein zentraler Wunsch der Kommunen bzw. der Bürgermeisterkonferenz gewesen sei. Die Einrichtung der Zentralen Ausländerbehörden habe die Vorgängerlandesregierung beschlossen und auch, dass diese nicht bei den Bezirksregierungen, sondern bei den Kommunen eingerichtet werden. Die ZAB werde nicht dazu führen, dass man bei der Integration hinter dem Erreichten zurückfalle. Die ZAB solle auch ausdrücklich Beratungen in den Zentralen Landeseinrichtungen anbieten; im Übrigen habe er keine Zweifel daran, dass die ZAB rechtsstaatlich handeln werde.

Er kann sich vorstellen, dass es eine kommunale Rückkoppelung dergestalt geben kann, dass in einem Ausschuss über die Arbeit der ZAB berichtet werde.

Landrat Dr. Schulze Pellengahr reflektiert die Demonstration vor der Jahreshauptversammlung der CDU-Coesfeld, am Rande derer Bürgermeister Öhmann verleumdet worden sei. Auch kritisierte er das Plakat mit der Aufschrift „Mord ist unser Hobby - CDU“. Damit verlasse man die normale Streitkultur. Er ruft dazu auf, dass auch in Zukunft die Streitkultur von Sachlichkeit geprägt sein müsse.

 

Ktabg. Sparwel kündigt an, gleich für die Beschlussvorlage zu stimmen. Sie wolle sich dabei aber nicht vorwerfen lassen, Menschen dadurch in den Tod zu schicken und distanziere sich ausdrücklich von dieser Aussage. Sie habe selbst schon einmal im Iran in Haft aus politischen Gründen gesessen, was jedoch mit den Verhältnissen in Deutschland keinesfalls vergleichbar sei.

 

Ktabg. Crämer-Gembalzcyk gesteht ein, dass sie sich in der Wortwahl vergriffen habe; sie habe nur das grundsätzliche Problem darstellen wollen.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr weist darauf hin, dass man bei persönlichen Zuspitzungen aufpassen müsse, dass man nicht über das Ziel hinausschieße.

 

Ktabg. Dr. Wenning hält die bei der Demonstration gezeigten Plakate für daneben und fragt Ktabg. Crämer-Gembalzcyk, ob sie sich hiervon distanzieren und entschuldigen wolle.

 

Ktabg. Crämer-Gembalzcyk sagt, dass sie in ihrer Argumentationslinie zu hoch gegriffen habe. Auch fände sie die Plakate nicht gut; allerdings habe sie die nicht selber geschrieben und sie könne auch nichts für die anderen Demonstranten.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr erinnert daran, dass man eine Mitverantwortung trage, wenn man eine Demonstration mit organisiere und diese auch als verantwortliche Person offiziell bei der Polizei anmeldet.

 


Form der Abstimmung:               offen per Handzeichen

Abstimmungsergebnis:               45 JA-Stimmen

                                                      6 NEIN-Stimmen