Beschluss:

 

Ohne.

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.


Landrat Dr. Schulze Pellengahr beantwortet die mit dem Antrag der SPD-Kreistagsfraktion vom 08.05.2020 gestellten Fragen im Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen bei der Firma Westfleisch anhand einer PowerPoint-Präsentation. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bezeichnung „Sammelunterkunft“ nicht im rein rechtlichen Sinne in der Präsentation Verwendung findet und damit auch „Wohnungen“ gemeint seien, die mit mehreren Personen belegt bzw. von mehreren Personen bewohnt werden.

 

Anmerkung der Verwaltung:

Die Präsentation wird dieser Niederschrift als Anlage beigefügt.

 

Nach der Präsentation gibt Landrat Dr. Schulze Pellengahr einen kurzen Ausblick in der Angelegenheit. Ob die Schließung der Firma aufrechterhalten wird, bestimme die Firma durch ihr Verhalten. Diese habe aufgegeben bekommen, bis morgen (14.05.2020) 12:00 Uhr ein (Hygiene-) Konzept für den Neustart vorzulegen. Dieses werde dann zusammen mit der Stadt Coesfeld (Ordnungsamt), dem Gesundheitsamt und der Bezirksregierung Münster (Dezernat Arbeitsschutz) ausgewertet und dann die weiteren Maßnahmen beschlossen.

 

Sodann gibt Landrat Dr. Schulze Pellengahr den Gremienmitgliedern die Möglichkeit zur Aussprache und zu weiteren Fragen.

 

Ktabg. Vogelpohl bitte um Auskünfte zu folgenden Fragen/Punkten:

 

1.       Wie lässt sich der Meinungswechsel bei der Firma Westfleisch bezüglich einer freiwilligen Schließung erklären? Gibt es hierfür sachliche oder sind es „taktische“ Gründe?

2.       Wie kann es sein, dass das Gesundheitsamt bei einer Kontrolle der Firma keine Mängel entdeckt hat, bei der Kontrolle durch den Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster einen Tag später aber erhebliche gefunden wurden?

3.       Wer hat die „Systemrelevanz“ der Firma Westfleisch festgelegt und nach welchen Kriterien ist diese erfolgt? Folgen aus einer „Systemrelevanz“ nicht auch Pflichten, insbesondere auch Fürsorgepflichten gegenüber der Bevölkerung?

4.       Seit Jahren wird von den GRÜNEN darauf hingewiesen, dass im Produkt 53 40 10 „Infektionsschutz“ planmäßig die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt werden. Die „Corona-Krise“ hat die Missstände in dem Bereich offengelegt. Wie sehen Sie die Angelegenheit?

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr beantwortet die Fragen wie folgt:

 

1.       Diese Frage müsse man eigentlich der Firma Westfleisch stellen. Man könne nur spekulieren, was das Umdenken bewirkt hat. Westfleisch wolle wohl alles daransetzen, die Zertifizierung für ausländischen Märkte (speziell China) nicht zu verlieren und daher auch mit verringerter Mannschaft den Betrieb fortsetzen. Als Kreis habe man Zweifel angemeldet und vormittags sei von Westfleisch ja auch die Schließung angekündigt worden.

2.       Kontrollen seien immer auch davon abhängig, wie sich das Personal gerade bei einer Kontrolle verhalte. Das könne mal gut und mal schlecht ausfallen. Das sage nicht immer viel über eine grundsätzliche Notwendigkeit einer Schließung aus. Durch die angeordneten Quarantänen wurden feststehende Teams neu zusammengesetzt. Dies sei aber nach dem IfSG nicht zu akzeptieren.

Herr Dr. Völker-Feldmann fügt hinzu, dass man den zeitlichen Ablauf beachten müsse. Er habe Westfleisch am 09.04., also im Vorfeld vor dem ersten Ausbruch, überprüft. Der Arbeitsschutz sei am 08.05. unangekündigt bei Westfleisch gewesen. Dies sei eine ganz andere Situation.

3.       Landrat Dr. Schulze Pellengahr weist ausdrücklich darauf hin, dass bei der Schließung die Systemrelevanz nicht entscheidungsrelevant gewesen sei, sondern das Infektionsgeschehen. Die Einordnung „Systemrelevanz“ erfolge nach bundesrechtlichen Vorschriften. Westfleisch sei wohl als kritische Infrastruktur im Sektor „Lebensmittelwesen“ eingeordnet worden. Selbstverständlich würden daraus neben den besonderen Rechten auch Pflichten erwachsen.

4.       Den Vorwurf eines bewussten Kontrollverzichts weist Landrat Dr. Schulze Pellengahr deutlich zurück. Das Gesundheitsamt handele sehr verantwortungsvoll und sei personell u.a. auch durch Abordnungen verstärkt worden. Eine solche pandemische Entwicklung konnte nicht erwartet werden und sei unwahrscheinlich gewesen. Da man nun mit Corona wohl über Jahre leben müsse, müssten einige Punkte, wie z.B. der Infektionsschutz und auch der Katastrophenschutz, ggf. neu bewertet und mehr in den Fokus genommen werden.

 

Ktabg. Lütkecosmann fragt, wer grundsätzlich für die Versorgung der in Quarantäne befindlichen Menschen zuständig sei, wenn Angehörige oder Nachbarn nicht hierfür in Frage kämen, wie z.B. bei Personen in Sammel- oder Gemeinschaftsunterkünften.

 

Die Versorgung, so Landrat Dr. Schulze Pellengahr, sei ein wichtiger Punkt. Das Gesundheitsamt frage in jedem Einzelfall nach, ob diese gewährleistet ist. Hierfür würden auch Dolmetscher eingesetzt. In der Regel würden in den hier betroffenen Fällen die Subunternehmer für die Versorgung einstehen. Wo dies nicht gewährleistet sei, würde das Gesundheitsamt eine Info an das zuständige Ordnungsamt geben, das dann einspringen müsse, ggf. unter Mithilfe geeigneter Personen und Einrichtungen, wie z.B. das DRK oder private Initiativen.

 

Auch Ktabg. Rampe weist auf die Missstände in einigen Unterkünften hin und sieht die Subunternehmer hier in der Pflicht. Er fragt, ob die hier betroffenen Subunternehmer nur für Westfleisch oder auch für andere Firmen tätig seien. Er sieht einen immensen Imageschaden bei der Firma Westfleisch, die sich zu dem ganzen Geschehen in der Öffentlichkeit bisher gar nicht geäußert hätte. Ktabg. Rampe dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung für ihren Einsatz.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr erklärt, dass Informationen über Subunternehmer oder andere Firmen direkt an die zuständigen Behörden weitergegeben würden, wenn man sie hätte. So habe man z.B. einen Hinweis an den Kreis Borken über einen fleischverarbeitenden Betrieb in Schöppingen gegeben. Der Vorfall sei dort bereits bekannt gewesen und das Unternehmen habe freiwillig den Betrieb eingestellt. Letztlich sei davon auszugehen, dass Subunternehmer hier ihre Mitarbeiter in mehreren Unternehmen einsetzen würden.

 

Ktabg. Kleerbaum bedankt sich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung. Man habe alles für den Schutz der Bevölkerung getan. Alle Maßnahmen seien einleuchtend und lückenlos erläutert worden. Er könne die Hasskommentare im Internet nicht verstehen und verurteile sie aufs Schärfste. Seine Sorge gelte nun den ca. 300 Infizierten. Er fragt, wie die Krankheitsverläufe sind, wer sich um die Infizierten kümmert und wer die Quarantäne überwacht, um eine weitere Ausbreitung einzudämmen. Hier sehe er die Ordnungsämter vor Ort in der Pflicht. Bezüglich weiterer Lockerungen, eventuell auch nur für den Südkreis, müssten Land oder Bund entscheiden. Ebenfalls müssten Land und Bund über Verschärfungen der Arbeitsschutzrichtlinien nachdenken. Vielleicht sei es genau jetzt an der Zeit, eine entsprechende Eingabe über das Land an den Bund auf den Weg zu bringen mit einer Formulierung, die Beachtung finde. Nur dann könnten auch weitergehende Kontrollen erfolgen.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr erklärt, dass die Kontrollen bei den erkrankten Westfleisch-Mitarbeitern ganz „normal“ verlaufen. Das Gesundheitsamt und die jeweiligen Ordnungsämter seien für die Überwachung zuständig. Bezüglich eventueller Lockerungen müsse man die weitere Entwicklung abwarten. Sicher sei eine Ausnahme möglich, wenn das Infektionsgeschehen deutlich eingrenzbar sei. Man habe aber hier beim ersten Anwendungsfall wohl nicht direkt eine Ausnahme machen wollen. Die Zahlen seien aber unabhängig von Westfleisch unauffällig. Man werde dies entsprechend gegenüber dem Land dokumentieren und stehe in enger Abstimmung mit dem MAGS NRW.

 

Dezernent Helmich ergänzt, dass bislang keiner der Westfleisch-Mitarbeiter zur Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen werden musste. Die Verläufe seien bei den betroffenen Personen mild verlaufen.

 

Ktabg. Höne dankt dem Landrat und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Handeln in den letzten Tagen und Wochen sowie für die gute Pressearbeit und schnelle Antworten auf offene Fragen. Die Öffentlichkeitsarbeit der Firma Westfleisch dagegen sei mangelhaft. Er vermisse noch immer eine Erklärung und besonders eine Entschuldigung der Firma. Westfleisch müsse hier Verantwortung übernehmen. Die Schließung halte er für richtig und wichtig. Gerade auch in Krisenzeiten sei es immens wichtig, dass Entscheidungen rechtssicher sind. Er bittet um Auskunft, ob ordnungs- oder strafrechtliche Konsequenzen auf die Firma Westfleisch zukommen würden.

 

Eventuelle strafrechtliche Konsequenzen oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen müssten anhand der Begründung des VG Münster genau geprüft und dann eventuell an die Ermittlungsbehörden weitergegeben werden, so Landrat Dr. Schulze Pellengahr. Dies habe aber nicht die erste Priorität. Die Eindämmung des Infektionsgeschehens sei nun das Wichtigste.

 

Ktabg. Vogt hebt hervor, dass den Beschäftigten in der Fleischindustrie grundsätzlich mehr Wertschätzung entgegengebracht werden müsse. Er sei vom Verhalten der Firma Westfleisch irritiert. Egal ob bewusst oder fahrlässig, das Verhalten bezeichnet er als katastrophal.

 

Auf Nachfrage von Ktabg. Raack betont Landrat Dr. Schulze Pellengahr nochmals, dass das Gesundheitsamt unverzüglich alle Maßnahmen eingeleitet habe, um Infektionsketten aufzuspüren. In der Kontrollsituation sei alles korrekt gewesen. Die Schließung sei dann unumgänglich geworden, als neue Erkenntnisse vorgelegen hätten.

 

Ktabg, Lunemann fragt, wann der Arbeitsschutz zuletzt vor dem 29.04.2020 eine Überprüfung der Firma Westfleisch vorgenommen habe und wie die Stadt Coesfeld bei den Maßnahmen und Überprüfungen mitgewirkt habe. Weiter kritisiert er die Aussage des Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband vom 08.05., als dieser von einer Schließung der Firma abgeraten habe. Ebenfalls sehe er den erneuten „Lockdown“ für den ganzen Kreis kritisch, da der Südkreis tlw. bis zu 50km vom Infektionsgeschehen entfernt sei. Hier müssten Betriebe, speziell diese in der Gastronomie, durch das fahrlässige Verhalten der Firma Westfleisch erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr erklärt, dass er die genauen Daten der Prüfungen der Bezirksregierung und der Stadt Coesfeld nicht kenne. Die Aussage des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband sei sicher aus Sicht der landwirtschaftlichen Betriebe getroffen worden, die naturgemäß eine andere Sicht auf die Dinge hätten. Ob und wie lange der „Lockdown“ überhaupt aufrechterhalten bleibe, müsse man abwarten. Die Verstimmungen könne er gut nachvollziehen. Ggf. könne bei finanziellen Schäden die wfc unkompliziert vermittelnd helfen. Er empfehle, sich mit den Kollegen dort in Verbindung zu setzen.

Auf Vorschlag des Ktabg. Lunemann verständigt man sich auf eine Beratung im Ältestenrat, sofern diese notwendig wird. Die Bildung eines zusätzlichen Ausschusses oder einer Arbeitsgruppe sei nicht notwendig.  

 

Ohne formelle Abstimmung einigt man sich fraktionsübergreifend darauf, die folgenden Fachausschüsse nur stattfinden zu lassen, wenn wichtige Beschlüsse anstehen. Sofern nur berichtet wird, können diese auch abgesagt werden.