Beschluss: Kenntnis genommen

Vorsitzender Bergmann weist einleitend darauf hin, dass im Rahmen der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bis zum 31.08.2004 die Entscheidung anstehe, ob der Kreis von seinem Optionsrecht dahingehend Gebrauch machen wolle, Aufgabenträger der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu werden. Er bittet um Ausführungen zum aktuellen Stand der Hartz-Reform und um Bericht zur gemeinsamen Anlaufstelle der Agentur für Arbeit Coesfeld und des Kreises Coesfeld.

 

KOVR Mische trägt anhand von Folien vor, dass das „Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ am 19.12.2003 von Bundestag und Bundesrat beschlossen und am 24.12.2003 vom Bundespräsidenten ausgefertigt worden sei. Es sei am 01.01.2004 in Kraft getreten und bestehe aus insgesamt 61 Artikeln, durch die eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften geändert worden seien. Artikel 1 enthalte das Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende.

KOVR Mische weist darauf hin, dass sich aufgrund des § 6 SGB II eine geteilte Zuständigkeit ergebe. So seien die kreisfreien Städte und Landkreise (Kommunen) Träger für folgende Leistungen:

-     die Betreuung minderjähriger und behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen,

-     die Schuldnerberatung,

-     die psychosoziale Betreuung,

-     die Suchtberatung,

-     die Leistungen für Unterkunft und Heizung,

-     Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,

-     Leistungen zur Erstausstattung mit Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt,

-     Leistungen bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.

KOVR Mische weist darauf hin, dass das Landesrecht für die vorgenannten Leistungen der

Kreise und kreisfreien Städte auch andere Träger bestimmen könne, z. B. die Gemeinden.

Die geteilte Zuständigkeit sei deshalb eingeführt worden, weil die komplette Aufgabenübertragung auf die Bundesagentur für Arbeit bei den Kommunen zu Einsparungen in Höhe von ca. 11,3 Mrd. € geführt hätte. Es seien jedoch für die Kommunalhaushalte nur Einsparungen in einem Finanzvolumen von ca. 2,5 Mrd. € beabsichtigt gewesen. Um einen Teil der Einsparungen abzuschöpfen, seien daher die oben genannten Leistungsbereiche aus der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit herausgenommen worden. KOVR Mische weist darauf hin, dass dies nunmehr dazu führe, dass sich viele Leistungsberechtigte an zwei Stellen wenden müssten.

Auf die Frage der Ktabg. Pieper, ob die einmaligen Leistungen - analog der bereits bestehenden Modellvorhaben - pauschaliert ausgezahlt würden, erklärt KOVR Mische, dass eine Pauschalierung grundsätzlich sinnvoll sei. Er weist ergänzend darauf hin, dass es in diesen Fällen z. B. für Bekleidung zwei Pauschalen geben würde, zum einen die bereits im Regelsatz enthaltene und zum anderen die für die Erstausstattung zu gewährende Pauschale.

KOVR Mische trägt weiter vor, dass die Kreise und kreisfreien Städte, soweit sie ihr Optionsrecht ausüben, als Träger der Aufgaben nach dem SGB II zuzulassen seien. Zur Wahrnehmung des Optionsrechts sei ein Antrag zu stellen, dem die zuständige oberste Landesbehörde zustimmen müsse. Sie habe diesbezüglich keine andere Wahl. Die Ausübung des Optionsrechts habe die Bündelung der Aufgaben in einer Hand zur Folge.

Auf den Hinweis des Vorsitzenden Bergmann, dass der Kreis nicht das „Know-how“ der Agentur für Arbeit besitze, erklärt KOVR Mische, dass für den Kreis eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit bestehe.

KOVR Mische führt aus, dass Näheres zur Ausgestaltung des Optionsrechts ein Bundesgesetz regeln solle. Lediglich folgende Eckpunkte seien bereits festgelegt:

-     faire und gleichberechtigte Lösung, die die Kommunen gegenüber den Agenturen für Arbeit nicht benachteilige,

-     Vorlage eines Gesetzentwurfs bis Ende Februar 2004,

-     Kostenerstattung

      -  für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten durch Fallpauschalen,

      -  der tatsächlichen Kosten für Arbeitslosengeld II und Sozialgeld,

-     Schaffung von Anreizen für effiziente Leistungserbringung,

-     Auszahlung an Kommunen erfolge durch die Bundesagentur für Arbeit.

 

KOVR Mische weist darauf hin, dass das Optionsrecht erstmalig bis zum 31.08.2004 ausgeübt sein müsse. Es erfolge eine entsprechende Anpassung der Frist, wenn das Gesetz nicht bis Ende April 2004 in Kraft getreten sei. Mit der Wahrnehmung der Option verpflichte sich der Kreis für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2009. Jedoch könne die Option auch noch zu späteren Zeitpunkten ausgeübt werden, und zwar ab 2006 alle drei Jahre jeweils zum 31.03. mit Wirkung für den 01.01. des Folgejahres mit Bindung für fünf Jahre ab Option. Auch die Rückgabe einer Option sei möglich. Hier seien noch Anzeigefristen und Rückabwicklungsmöglichkeiten gesetzlich zu regeln.

 

KOVR Mische führt aus, dass sich aus § 18 SGB II sowohl die Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit als auch die des örtlichen Trägers der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit ergebe. Die Agenturen für Arbeit seien zur Zusammenarbeit mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes verpflichtet. Hierzu gehörten insbesondere Gemeinden, Kreise, Bezirke, Träger der freien Wohlfahrtspflege, Vertreter der Arbeitgeber, Vertreter der Arbeitnehmer, Kammern und berufsständische Organisationen.

KOVR Mische weist darauf hin, dass auch die örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit mit den Agenturen für Arbeit verpflichtet seien. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit mit anderen sei dagegen nicht ausdrücklich normiert, erscheine aber selbstverständlich.

 

KOVR Mische macht deutlich, dass es, wenn von der Option kein Gebrauch gemacht werde, zu einer gesplitteten Trägerschaft komme. In diesem Fall würden zur einheitlichen Wahrnehmung der Aufgaben in den Job-Centern Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger eingerichtet. Die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft führe ein Geschäftsführer, der die Arbeitsgemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich vertrete. Die beteiligten Leistungsträger sollten sich auf ein Verfahren zur Bestimmung des Geschäftsführers einigen. Sei eine Einigung nicht möglich, werde jeweils jährlich wechselnd der Geschäftführer bestimmt. Die erste einseitige Bestimmung erfolge dann durch Losentscheid. Die kommunalen Träger sollten die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaft übertragen. Die Arbeitsgemeinschaft nehme die Aufgaben als Leistungsträger wahr und erlasse Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide.

 

Abschließend sei festzustellen, dass die Zusammenführung der Leistungen der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ in einer Hand nur über das Optionsmodell zu erreichen sei. Eine Ausübung der Option sei aber nur in Betracht zu ziehen, wenn verlässliche rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen geschaffen würden. Hierbei dürften die betroffenen Menschen nicht aus den Augen verloren werden. Daneben sei die Finanzierung des Optionsmodells verfassungsrechtlich abzusichern. Die Aufsplittung von Aufgabenteilen, wie sie in § 6 SGB II festgelegt sei, führe zur Ausweitung der bisherigen Doppelstrukturen. Die Situation aller Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende verschlechtere sich dann wegen der Betreuung durch zwei Leistungsträger. Zur Umsetzung des SGB II und zur Klärung der weiteren Vorgehensweise sei auf der Ebene der Kreise eine Arbeitsgruppe gebildet worden.

 

Vorsitzender Bergmann dankt KOVR Mische für die ausführlichen Informationen und merkt an, dass der Vortrag gezeigt habe, dass es sich bei der Ausgestaltung der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe um ein Vermittlungsergebnis handele.

 

Ergänzend führt Ltd. KRD Schütt aus, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Kreis Coesfeld und der Agentur für Arbeit nach dem In-Kraft-Treten des SGB II von noch größerer Bedeutung sei. Für den Kreis Coesfeld sei die Zusammenarbeit mit dem früheren Arbeitsamt zur Erledigung der Aufgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits in der Vergangenheit immer eine Selbstverständlichkeit gewesen.

Er trägt vor, dass die Vereinbarung zum Betrieb einer gemeinsamen Anlaufstelle durch das Arbeitsamt gekündigt worden sei. Das Arbeitsamt habe Vorgaben dahingehend gemacht, dass nur Doppelbezieher in der Anlaufstelle betreut würden, dass Teambesprechungen im Arbeitsamt und Fallkonferenzen nur bei Bedarf stattfänden. Positiv an der Zusammenarbeit in der Anlaufstelle seien die abgestimmten Hilfepläne und der kurzfristige Datenaustausch gewesen. Die Schwäche in der Zusammenarbeit habe in der zu geringen Flexibilität des Arbeitsamtes bezüglich der Personalgestellung gelegen. Die vom Arbeitsamt vorgelegten Vorschläge zur Verlegung der gemeinsamen Anlaufstelle in das Arbeitsamt seien aus kommunaler Sicht nicht mehr dazu geeignet, von einer gemeinsamen Anlaufstelle zu sprechen. Dazu fehle es an verbindlichen Terminen sowie an der erforderlichen Ortsnähe.

Ltd. KRD Schütt weist darauf hin, dass aber weiterhin mit der Agentur für Arbeit - wie auch schon in der Vergangenheit - zusammengearbeitet werde, da nur durch eine intensive Zusammenarbeit die Aufgaben bewältigt werden könnten. Hierzu solle nach Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit in der 6. Kalenderwoche ein erstes Gespräch stattfinden.

 

Ktabg. Pieper fragt an, wie sich zukünftig die Zusammenarbeit mit den zu beteiligenden Institutionen gestalten solle. KOVR Mische antwortet, dass die Ausgestaltung der Zusammenarbeit zurzeit noch nicht bekannt und absehbar sei. Die Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Träger und der Landkreistag hätten hierzu gesetzliche Regelungen eingefordert.

 

Ktabg. Willms sieht in den jetzigen Regelungen die Möglichkeit von Erleichterungen für Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfänger/innen. Ferner sollten unterschiedliche Kompetenzen abgerufen werden können. Es sei wichtig, dass alle Beteiligten auf Augenhöhe in die Vereinbarungen einträten.

 

Vorsitzender Bergmann stellt heraus, dass soziale Strukturen gewahrt werden sollten. Er fragt an, wie viele Personen betroffen sein würden, wie viele Job-Center es pro Kreis geben werde und ob das Personal in den Job-Centern Bedienstete des Kreises bleibe.

Ergänzend bittet Ktabg. Willms um Angaben zu möglichen Einspareffekten durch die Zusammenlegung und zu voraussichtlichen Kosten z. B. für neue Räumlichkeiten, Personal.

 

KOVR Mische trägt vor, dass bisher genaue Zahlen noch nicht bekannt seien. Es werde erwartet, dass etwa 100 % zusätzliche Leistungsberechtigte vom Kreis betreut werden müssten. Bezüglich der Anzahl der Job-Center könnten auch noch keine aussagekräftigen Angaben gemacht werden. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich die Anzahl der Job-Center an den bisherigen Strukturen der Arbeitsämter orientiere. Der Kreis werde darauf drängen, dass Job-Center in den einzelnen Kommunen eingerichtet würden. Zum Personalbestand sei noch keine Aussage möglich. Die Dienstherrenhoheit werde sich in den Job-Centern geteilt darstellen. Vielleicht sei auch eine Übertragung auf die Arbeitsgemeinschaft möglich.

Synergieeffekte seien noch nicht einschätzbar.

 

Ltd. KRD Schütt stellt die Notwendigkeit heraus, dass die Kreise u. a. über den Landkreistag ihre Anregungen und Wünsche zum Inhalt des Optionsgesetzes äußern.

 

Auf die Frage von Ktabg. Wentingmann, ob Daten zu den in der Arbeitsvermittlung Beschäftigen bekannt seien, teilt KOVR Mische mit, dass dies konkret nicht der Fall sei. Es stehe jedoch die Zahl von 1 : 700 im Raum.

 

Abschließend bemerkt Vorsitzender Bergmann, dass noch vieles in gesetzliche Vorschriften gefasst werden müsse. Diesbezüglich sei möglicherweise noch vor den Sommerferien Bedarf für eine weitere Ausschusssitzung gegeben.