FBL Schütt erläutert, dass die sachliche Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) im Jahr 2003 zunächst befristet den Landschaftsverbänden übertragen worden sei, um damit eine Absenkung der Anzahl der stationären Plätze und einen Ausbau der ambulanten Wohnhilfen zu erreichen. Das mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragte Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen (ZPE) habe im Rahmen eines Abschlussberichts im September 2008 u. a. mitgeteilt, dass das Ziel, stationäre Plätze abzubauen, nicht erreicht worden sei. Im Bereich des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) sei aber eine Verminderung des Anstiegs der stationären Plätze ab Ende 2005 ersichtlich. Das ZPE habe auch darauf hingewiesen, dass das Hilfeplanverfahren des LWL zu trägergesteuert sei und dass es nicht die Bedingungen eines Gesamtplans (nach § 58 SGB XII) erfülle.

Inzwischen habe der Landesgesetzgeber die Frist für die Zuständigkeit der Landschaftsverbände bis Ende 2013 verlängert, um diese in die Lage zu versetzen, begonnene Planungen fortzusetzen.

Im Kreis Coesfeld sei das Ziel, ambulant Betreutes Wohnen für behinderte Menschen auszubauen, bereits vor der sog. „Hochzonung“ verfolgt worden. Im Rahmen des mit den Anbietern gemeinsam entwickelten individuellen Hilfeplanverfahrens werde u. a. eine Helferkonferenz abgehalten, an der auch die/der Betroffene, ggf. Vertrauenspersonen, gesetzliche Vertreter und alle aktuell oder künftig Hilfeleistenden unter der Moderation des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes teilnehmen. Es werde insbesondere die Frage erörtert, welche Möglichkeiten für die/den Betroffene/n im ambulanten Bereich gegeben seien bzw. gegeben sein müssten, um eine stationäre Hilfe zu verhindern.

FBL Schütt teilt des Weiteren mit, dass der LWL das Angebot des Kreises Coesfeld, gegen Kostenerstattung die Vorprüfung im Rahmen des Hilfeplanverfahrens auch im stationären Bereich durchzuführen, abgelehnt habe.

Aktuell habe der LWL verschiedene Arbeitsgruppen ins Leben gerufen. Ferner sei auch der Arbeitsausschuss der Sozialdezernenten in Westfalen-Lippe involviert. Es sei festgestellt worden, dass die Leistungen des LWL im deutschlandweiten Vergleich übermäßig teuer seien. Somit werde in den Arbeitsgruppen bereits erörtert, welche Regelungen aus anderen Bundesländern für Nordrhein-Westfalen übernommen werden könnten. Diesbezüglich erfolge künftig regelmäßig ein Bericht im Ausschuss.

Ktabg. Pieper betont, dass neben der Verhinderung des Anstiegs der stationären Wohnhilfen auch das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen als gleichwertiges Ziel verfolgt werden müsse. Sie bittet ferner mitzuteilen, wo es an komplementären Diensten fehle und wann dem Betreuten Wohnen insbesondere in finanzieller Hinsicht Grenzen gesetzt seien. Sie fragt, ob ein Betreutes Wohnen auch und ggf. in welchem Unfang teurer als ein Heimplatz sei dürfe.

FBL Schütt hebt hervor, dass das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen nicht außer Acht gelassen werde. Im Rahmen des auf dem Gebiet des Kreises Coesfeld vorgeschalteten Hilfeplanverfahrens werde das Lebensumfeld der betroffenen Person konkret mit Blick auf die Erforderlichkeit sämtlicher ambulanter Hilfen geprüft, gerade auch um eine stationäre Unterbringung zu verhindern. Er weist daraufhin, dass die komplementären Dienste und ihre Einbringung in die Hilfebedarfsermittlung auch ein Punkt in der Arbeitsgruppe der Sozialdezernenten sein werde.

Ref’in Hesselmann erläutert, dass im Rahmen der Prüfung das Wunsch- und Wahlrecht der betroffenen Person berücksichtigt werde. Sofern die Person aussage, lieber ambulant betreut werden zu wollen und die Lebensumstände dieses zuließen, könne eine ambulante Hilfe nach dem SGB XII auch dann bewilligt werden, wenn die Kosten hierfür die Kosten für eine stationäre Unterbringung übersteigen würden. Damit verbunden sei jedoch immer eine Einzelfallentscheidung, wobei abgewogen werden müsse, ob die Kosten einem angemessenen Umfang nicht überschreiten. Beispielhaft benennt Ref’in Hesselmann die Herangehensweise der Sozialhilfeträger im Bereich der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII. Bei jungen Menschen werde häufig eine ambulante Versorgung befürwortet, da insbesondere Wert darauf gelegt werde, dass diese im häuslichen Umfeld verbleiben könnten. Hier könnten im Einzelfall im Vergleich zur Heimunterbringung bis zu 30 % höhere Kosten noch angemessen sein. Herr Dreier erklärt, dass er die Aussage von Ref’in Hesselmann unterstütze. Beim Wechsel von stationären zu ambulanten Hilfeformen könnten durchaus vorübergehend Mehrkosten entstehen, um den Übergang überhaupt erst möglich zu machen. Insbesondere in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung entstünden häufiger Kosten für die ambulante Unterstützung, die über die Kosten einer stationären Unterbringung hinausgingen. Für die Einzelfallbeurteilung sei die Frage der Zumutbarkeit, d.h. ob dem Betroffenen überhaupt eine stationäre Hilfe zuzumuten sei, mitentscheidend.

Ktabg. Wilhelm äußert die Befürchtung, dass im Kreis Coesfeld die Trägervielfalt schwinden und es auf eine Monopolisierung bei Großanbietern hinauslaufen könne. Ferner bittet Ktabg. Wilhelm bezugnehmend auf die Anlage 5 der Sitzungsvorlage SV-7-1397 („Nr. 5 Ziel der Gesamtplanung ist, die Bereitstellung einer individuellen, zielgerichteten, passgenauen, personenzentrierten und effizienten Hilfe, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht) um Mitteilung, wer das Gesamtkonzept für die Hilfe aufstelle.

FBL Schütt teilt mit, dass grundsätzlich der zuständige Sozialhilfeträger verpflichtet sei, nach § 58 SGB XII einen Gesamtplan aufzustellen. Die beiden Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland hätten dazu derzeit noch kein Konzept. Im Kreis Coesfeld werde im Rahmen des Hilfeplanverfahrens ein Gesamtplan unter der Federführung des Sozialpsychiatrischen Dienstes erstellt.

Herr Dreier skizziert zum Hilfeplanverfahren im Kreis Coesfeld, dass Kontakt zum Sozialpsychiatrischen Dienst aufgenommen werde, wenn bei einer in der psychiatrischen Landschaft oder in der Behindertenhilfe tätigen Institution, wie z.B. Soziale Dienste, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, gesetzliche Betreuer, Werkstätten, davon ausgegangen werde, dass der Erkrankte/Behinderte eine ambulante Hilfe zum eigenständigen Wohnen benötige. Nach Prüfung, ob der Betroffene grundsätzlich zum Personenkreis für das ambulant betreute Wohnen gezählt werden könne, werde nach der Zusammenstellung der fachlichen Unterlagen im Rahmen einer individuellen Helferkonferenz der Hilfebedarf eruiert. Es würden Maßnahmen und Ziele zwischen allen Beteiligten, also dem Betroffenen und seinem gesetzlichen Vertreter und allen Institutionen, die bisher Hilfe leisteten und/oder zukünftig leisten sollen oder sollten unter der Koordination des Sozialpsychiatrischen Dienstes verbindlich in einem Gesamtplan vereinbart. Hierbei achte der Sozialpsychiatrische Dienst besonders darauf, dass die Hilfe individuell und personenzentriert, passgenau, zielgerichtet und effizient sowie wirtschaftlich ausfalle. Die Hilfe werde auf die Bedürfnisse des Betroffenen und nicht der Institutionen abgestimmt. Eine Unter- oder Überversorgung müsse vermieden werden. Ferner müsse beachtet werden, ob die Ziele der Eingliederungshilfe mit dem Betreuten Wohnen erreicht würden. Aus wirtschaftlicher Sicht seien nicht sozialhilfefinanzierte Hilfen vorrangig zu belegen.

Nach einer Empfehlung des Sozialpsychiatrischen Dienstes an den LWL zur Art und zum Umfang der Hilfe des betreuten Wohnens werde in der sog. „Clearingstelle“, jetzt „Hilfeplankonferenz“ über die ambulante Hilfe entschieden.

Für die stationären Hilfen dagegen gelte das bisherige LWL-Hilfeplanverfahren. Danach würden die LWL-Erhebungsbogen häufig vom Anbieter der Leistung ausgefüllt und dienten als Vorlage in der Clearingstelle bzw. Hilfeplankonferenz. Eine Vorprüfung, die auch in den Lebensbezügen des Betroffenen nach Alternativen Ausschau halte, finde nicht statt.

Herr Dreier erklärt dass die Trägervielfalt im Rahmen des Betreuten Wohnens nicht gefährdet sei. Eine Übersicht über die Anbieter werde dem Protokoll beigefügt (Anlage 6). Insgesamt stünden für den Personenkreis der psychisch Kranken/Behinderten 11 Anbieter, für die geistig Behinderten 9 und für die aufgrund einer Suchterkrankung zum Personenkreis der Behinderten zählenden Menschen 5 Anbieter zur Verfügung.

Ktabg. Havermeier bittet um Mitteilung, wer entscheiden würde, ob die Kosten für eine ambulante Hilfe noch im Verhältnis zu den Kosten für eine stationäre Unterbringung stünden.

FBL Schütt teilte dazu mit, dass dieses in der Zuständigkeit des LWL liege.

Ktabg. Pieper gibt den Hinweis, dass eine möglicherweise trägergesteuerte Hilfeplanung aufgebrochen werden müsse.

FBL Schütt hebt hervor, dass der Kreis Coesfeld durch das vorgeschaltete Hilfeplanverfahren insbesondere in diesem Punkt gut aufgestellt sei, da jeweils im Einzelfall unterschiedliche Hilfevarianten, auch hinsichtlich der Kosten, überprüft würden und dabei dem Wunsch- und Wahlrecht des Betroffenen berücksichtigt werde.

 

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.