Beschluss: Kenntnis genommen

Vorsitzende Schäpers begrüßt Frau Dr. Göhler und Frau Dr. Neubert von der Unteren Gesundheitsbehörde des Kreises Coesfeld.

Frau Dr. Göhler bedankt sich für die Einladung und für die Möglichkeit, die Arbeit des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit vorstellen zu dürfen.

 

Sodann berichten Frau Dr. Göhler und Frau Dr. Neubert über die gesetzlichen Grundlagen und das Spektrum ihrer Arbeit – im Besonderen über die Schuleingangsuntersuchungen. Es werden bezogen auf die Untersuchungen zur Einschulung im Jahr 2010 statistische Zahlen und Daten dargestellt und Hinweise über die von den Untersuchungen umfassten Einrichtungen sowie das eingesetzte Personal geliefert. Schließlich erläutert Frau Dr. Neubert die Hintergründe des neuen Schwerpunktbereichs der Arbeit des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes, nämlich der Überprüfung der Schulfähigkeit von Jugendlichen im Rahmen der sog. „Siebtklässler-Untersuchungen“ oder in Fällen des sog. Schulabsentismus.

Auf den als Anlage 2 beigefügten Powerpoint-Vortrag wird verwiesen.

 

Ergänzend stellt Frau Dr. Neubert einen Vergleich der heutigen Schuleingangsuntersuchungen zu dem früheren Verfahren dar. Hierzu führt sie aus, dass die Schuleingangsuntersuchungen früher dezentral in den Schulen bzw. Einrichtungen erfolgt seien. Dieses habe den Vorteil gehabt, dass für die Eltern nur kurze Anfahrtswege erforderlich gewesen seien. Teilweise seien jedoch die räumlichen Bedingungen in den Schulen katastrophal gewesen, so dass die ordnungsgemäße Durchführung der Untersuchungen sowie teilweise sogar die erforderliche Diskretion nicht gewährleistet gewesen seien. Damals seien ca. 20 Kinder pro Vormittag untersucht worden, wobei der Schwerpunkt lediglich auf der körperlichen Begutachtung gelegen habe. Heute jedoch arbeite man nach dem SOPESS-Programm (Sozialpädriatisches Entwicklungsscreening für Einschulungsuntersuchungen), was auch bedeute, dass der Zeitbedarf für die Untersuchungen gestiegen sei. Heute benötige sowohl die Helferin als auch der Arzt / die Ärztin jeweils im Durchschnitt 25 Minuten für die Untersuchung eines Kindes.

Frau Dr. Neubert erklärt, dass sich neben dem Untersuchungsverfahren auch die schulischen Rahmenbedingungen geändert hätten. So gebe es keine Schulkindergärten bzw. Vorschulen mehr. Stattdessen werde in der Grundschule mit einer sogenannten Schuleingangsphase gestartet, die je nach Bedarf zwei oder drei Jahre umfasse, ohne dass bei Ausweitung auf drei Jahre von einem „Sitzenbleiben“ gesprochen werde. Bei fehlender Schulfähigkeit erfolge anstelle einer Vorschule eine sonderpädagogische Förderung. Auch der Stichtag zur Einschulung sei in den letzten Jahren verschoben worden.

 

Frau Dr. Göhler macht deutlich, dass dem Kinder- und Jugendärztlichen Dienst die Masernimpfungen auch besonders am Herzen liegen würden. Im Jahr 2010 könne der Kreis Coesfeld einen prozentualen Anteil der eingeschulten Kinder mit Masernimpfung von 93,7 % vorweisen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordere einen Anteil von 95 % und man erhoffe sich, diesen geforderten Prozentsatz im nächsten Jahr zu erreichen.

 

Bezüglich der Überprüfung der Schulfähigkeit bei den Jugendlichen führt Frau Dr. Neubert ergänzend aus, dass die Untere Gesundheitsbehörde nunmehr in diesem Jahr zum zweiten Mal die sog. „Siebtklässler-Untersuchungen“ in den Hauptschulen durchgeführt habe. Zu erwähnen sei, dass die angebotene J1-Vorsorgeuntersuchung bei den Kinderärzten lediglich von 25 bis 30 % der betroffenen Jugendlichen wahrgenommen werde, was teilweise vermutlich auch aus reiner Unkenntnis resultiere. Neben den Siebtklässler-Untersuchungen erfolge eine Überprüfung der Schulfähigkeit von Jugendlichen auch bei Bedarf nach § 54 Schulgesetz NRW im Verfahren über einen Schulausschluss. Dieses Verfahren erfolge bei einem bekannt gewordenen Schulabsentismus, d.h. einer Abwesenheit der Schüler/innen vom Unterricht bzw. der Schule, oder auch bei sonstigen Auffälligkeiten des Kindes in der Schule, die sowohl im körperlichen Bereich als auch im Verhalten liegen können. Da die Untere Gesundheitsbehörde keinen eigenen Kinder- und Jugendpsychologen beschäftige, sei es oftmals erforderlich, einen niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychologen zu beteiligen. Führen die Auffälligkeiten und Ursachen des Schulabsentismus zu einer Gefährdung des Kinders oder der Mitschüler und Lehrer, so werde ggf. ein Schulverweis nach § 54 Abs. 4 Schulgesetz NRW ausgesprochen.

Frau Dr. Neubert macht deutlich, dass im Jahr 2010 bislang bereits 37 Begutachtungen nach § 54 Schulgesetz NRW durchgeführt worden seien, was eine erhebliche Steigerung zu den letzten Jahren darstelle. Im Jahr 2007 seien lediglich sieben solcher Begutachtungen erfolgt.

Der Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Gesundheitsamtes habe den Versuch unternommen, im Rahmen eines Ablaufplanes ein regelhaftes Verfahren dieser Begutachtungen darzustellen. Es seien jedoch viele Verfahrensschritte sowie die Mitarbeit von vielen Stellen erforderlich.

 

Ktabg. Hellwig erkundigt sich, warum die Siebtklässler-Untersuchungen nur in den Hauptschulen durchgeführt würden. Ihres Wissens nach seien Untersuchungen zur Schulentlassung vorgeschrieben.  Des Weiteren gibt sie zu bedenken, dass bereits an die Politik herangetragen worden sei, dass die Eltern von der Zentralisierung der Schuleingangsuntersuchungen nicht begeistert seien. Schließlich weist sie erneut auf die erhebliche Zunahme der Verfahren nach § 54 Abs. 4 Schulgesetz NRW hin und möchte wissen, ob es stimme, dass die Zeitspanne zwischen dem Beginn des Verfahrens und der tatsächlichen Hilfe teilweise sehr groß sei.

 

Frau Dr. Neubert bestätigt, dass die Schulentlassungsuntersuchungen zwar vorgeschrieben seien, führt jedoch aus, dass Zehntklässler sich in einem Alter befinden würden, in dem sie für den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst zumeist nicht mehr zugänglich seien.  Diese würden von einer entsprechenden Untersuchung nichts mehr wissen wollen, während Siebtklässler noch erreichbar seien und die Untersuchungen auch akzeptieren würden. Des Weiteren sei zu beachten, dass die Entscheidung zur Berufswahl, auf die die Schuluntersuchung auch einen Einfluss haben solle, bei den Zehntklässlern in den meisten Fällen bereits gefällt sei. Dass die Siebtklässler-Untersuchungen lediglich in den Hauptschulen erfolgen, sei letztlich durch den Zeitaufwand begründet. Jedoch würden zusätzlich auch in jedem Jahr alle Jahrgänge der Förderschulen untersucht. Hier seien bereits gute Fortschritte erzielt worden.

Bezüglich der Dezentralisierung der Schuleingangsuntersuchungen weist Frau Dr. Neubert erneut darauf hin, dass die Untersuchungsbedingungen vor Ort in den einzelnen Schulen oft nicht den Erfordernissen entsprochen hätten, die für eine ordnungsgemäße Durchführung unerlässlich gewesen seien. Auch seien die dezentralen Untersuchungen für die Mitarbeiter/innen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes seinerzeit mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen.

Dass das Verfahren nach § 54 Abs. 4 Schulgesetz NRW teilweise sehr lange dauere, hänge damit zusammen, dass oftmals viele Stellen beteiligt werden müssten. Oft mangele es auch bereits daran, dass der/die Jugendliche bzw. die Eltern eine Zusammenarbeit verweigern. Die Untere Gesundheitsbehörde stelle lediglich ein Zahnrad in dem Verfahren dar. Neben der Schule, die die Schulpflicht kontrollieren müsse, seien auch die Eltern oder sogar das Jugendamt in der Pflicht. Man arbeite jedoch daran und sei bemüht, das Verfahren an einem sog. runden Tisch zu beschleunigen.

 

Ktabg. Wilhelm erkundigt sich unter Bezugnahme auf die enorme Steigerung der Verfahren nach § 54 Schulgesetz NRW nach den Hintergründen der Schulverweigerungen und möchte wissen, ob diese individuell oder mit  ähnlichen Motiven begründet seien.

Frau Dr. Neubert erklärt, dass in den Förderschulen zwar die sozial – emotionale Entwicklung den Schwerpunkt bei den Gründen für den Schulabsentismuss bilden würden, die Gründe jedoch ansonsten individuell seien. Frau Dr. Göhler weist darauf hin, dass der Anstieg der Begutachtungen nach § 54 Schulgesetz NRW nicht unbedingt auf eine plötzliche Vermehrung der Auffälligkeiten der Kinder zurückzuführen sei, sondern vielleicht auch durch eine höhere Sensibilisierung der Schulen hervorgerufen werde. So seien früher Auffälligkeiten vielleicht anders gehändelt worden.

 

Ktabg. Pieper möchte wissen, ob bei der Feststellung von psychosozialen Auffälligkeiten auch unter Berücksichtigung des Verfahrens nach der AO-SF (Ausbildungsordnung Sonderpädagogische Förderung NRW) sowie der UN-Behindertenrechtskonvention eine anschließende ärztliche Versorgung des Kindes sichergestellt werde.

Frau Dr. Neubert entgegnet, dass im Rahmen der Gutachten des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes der Zustand des betroffenen Kindes beschrieben werde. Auch würden in den Gutachten die sich aus medizinischer Sicht ergebenden Anforderungen und evtl. Förderbereiche aufgezeigt. Den Förderort würden jedoch letztlich die Schulen bzw. das Schulamt bestimmen. Frau Dr. Göhler ergänzt, dass der Blick auf den medizinischen Hintergrund der Auffälligkeiten gerichtet werde, nicht auf den pädagogischen Bereich.

 

FBL Schütt weist darauf hin, dass über die teilweise lange Dauer bis zum Einsetzen der Hilfen bereits im Schulausschuss gesprochen worden sei. Jeder Betroffene müsse hierbei die Verantwortung tragen. Das Jugendamt sei sich auch seiner Verantwortung bewusst.

 

Vorsitzende Schäpers bedankt sich für den ausführlichen Vortrag und regt an, dass der Kinder- und Jugendärztliche Dienst den Ausschuss in einigen Jahren über die weitere Entwicklung informiert.