Beschlussvorschlag der Antragsteller:

 

Der Kreistag des Kreises Coesfeld möge folgenden Beschluss fassen:

 

  1. Der Kreistag des Kreises Coesfeld spricht sich ausdrücklich für die im „LEADER-PROGRAMM“ definierten Zielsetzungen für „Naturtourismus“ und „Lebensqualität“ der Gemeinden des Kreises aus.

 

  1. Der Kreistag des Kreises Coesfeld bekräftigt seine Teilnahme an der REGIONALE 2016 und die im Themenfeld „Heimat – Landschaft – Freizeit“ definierte Zielvorgabe, die Orte und Landschaften des Kreises als identitätsstiftende Elemente zu stärken und zu familienfreundlichen Erlebnisräumen mit Angeboten für Freizeit, Tourismus, Gesundheit und Sport weiterzuentwickeln.

 

  1. Der Kreistag des Kreises Coesfeld stellt fest, dass durch den Betrieb eines Hähnchenmastbetriebes in Havixbeck unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Leader-Programmes und der Regionale 2016, eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegt, da der Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann, das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet und die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet beeinträchtigt.

 

  1. Der Kreistag des Kreises Coesfeld bittet die Verwaltung, im Abwägungsprozess für die beantragte Genehmigung die unter den Beschlusspunkten 1 bis 3 aufgeführten Tatsachen einfließen zu lassen und entsprechend die Genehmigung aus Gründen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange zu versagen.

 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Kreistag in seiner nächsten Sitzung über das Ergebnis der Prüfung zu berichten.

 

 

Begründung:

 

I.   Problem

Gemäß § 21 Kreisordnung NRW (KrO NRW) hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden.

Kreisangelegenheiten sind alle Aufgaben des Kreises, unabhängig von ihrem Aufgabencharakter als freiwillige Aufgabe, Pflichtaufgabe oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Aufgaben, die der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde obliegen, sind keine Kreisaufgaben und fallen daher nicht in die Zuständigkeit  des Kreistages.

 

Die Zuständigkeiten des Kreisausschusses, der Ausschüsse und des Landrats werden hierdurch nicht berührt. Die Antragsteller sind über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten. Von der Bescheidung, wie die Anregung behandelt wurde, ist die sachliche Entscheidung, worauf kein Anspruch besteht, zu trennen.

Ein Anspruch auf mündliche Anhörung der Antragsteller vor dem Kreistag oder einem Ausschuss besteht nicht.

 

Im Laufe der Monate Juli und August 2008 wurden mehrere Anregungen gemäß § 21 KrO NRW an den Kreistag des Kreises Coesfeld gerichtet (s. Anlagen 1 bis 8). Sie betonen im Wesentlichen gleiche oder ähnliche Gesichtspunkte.  Im Beschluss wurde beispielhaft eine Anregung (Anlage 1) aufgeführt. Die Details der übrigen Anregungen sind den Anlagen 1-8 zu entnehmen.

 

Die Anregungen betreffen ein laufendes BImsch-Verfahren zur Genehmigung eines Hähnchenmastbetriebes in Havixbeck. Das Vorhaben sieht die Errichtung einer Stallanlage zur Hähnchenmast mit insgesamt 39.900 Mastgeflügelplätzen vor. Zuständig für die Entscheidung über die Erteilung der erforderlichen BImsch-Genehmigung ist nach der Neuregelung der Zuständigkeiten im Umweltbereich der Kreis Coesfeld – Abt. 70. Es handelt sich hierbei um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung und damit um eine Kreisangelegenheit.

 

Die Genehmigung der beantragten Anlage richtet sich nach den Vorgaben der §§ 4 Abs. 1, 10 BImSchG in Verbindung mit der 4. BImSchV. Die Genehmigung ist nach § 6 BImSchG zu erteilen, wenn die dort genannten Rahmenbedingungen eingehalten werden. Dies sind insbesondere die Betreiberpflichten nach § 5 BImSchG. Weitergehende Anforderungen ergeben sich ferner aus den nach § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen. Eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz würde im Wege der Konzentrationswirkung die Baugenehmigung enthalten.

 

Das Vorhaben liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 35 BauGB (Außenbereichsvorhaben). Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Vorhaben nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt und im Innenbereich der Gemeinde Havixbeck keine Flächen bestehen, auf denen Betriebe der Intensivtierhaltung zugelassen werden könnten, handelt es sich um ein Vorhaben, das wegen seiner nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll und deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert ist.

Als privilegiertes Vorhaben ist es zulässig, wenn ihm öffentliche Belange nicht entgegenstehen, wobei insbesondere die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange (vor allem Darstellungen des Flächennutzungsplans, Naturschutz und Landschaftspflege, natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert sowie Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes) auch ein privilegiertes Vorhaben verhindern können. Bei der Frage, ob ein in § 35 Abs. 3 BauGB genannter Belang dem Vorhaben entgegen steht, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den durch § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben eine Vorrangstellung eingeräumt hat, die sie grundsätzlich dem Außenbereich zuweist, weil sie traditionell dort hingehören oder aus sonstigen Gründen auf einen Standort im Außenbereich angewiesen sind. Es hat deshalb im konkreten Fall eine Abwägung zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den von ihm berührten öffentlichen Belangen stattzufinden, bei der zu Gunsten der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben die ihnen vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden muss. Darüber hinaus ist die Zulässigkeit des Vorhabens weiter davon abhängig, ob sichergestellt ist, dass die Anlage nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImschG so errichtet und betrieben wird, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt  insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

 

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sind die Untere Landschaftsbehörde, die Untere Gesundheitsbehörde, die Veterinärbehörde, die Untere Bauaufsichtsbehörde sowie die Bezirksregierung Münster, die Landwirtschaftskammer NRW, das Forstamt, die Berufsgenossenschaft, das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), der Landesbetrieb Straßen NRW und die Gemeinde Havixbeck beteiligt worden.

 

Die Gemeinde Havixbeck hat am 03.08.2008 mitgeteilt, dass das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben versagt wird.

 

Die Prüfung der immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Verwaltung hat alle bisher von Seiten der Gemeinde Havixbeck und von Seiten der Antragsteller geltend gemachten Bedenken und Anregungen aufgegriffen und wird diese bei der Entscheidungsfindung sorgfältig prüfen und berücksichtigen.

II.  Lösung

Im Einzelnen ist zu den jeweiligen Ziffern der von den Antragstellern vorgeschlagenen Beschlussfassung folgendes anzumerken:

 

Zu der unter Ziffer 1 angeregten Beschlussfassung

Eine Zuständigkeit des Kreistages des Kreises Coesfeld hinsichtlich des LEADER-Programms liegt nicht vor, weil es keine Kreisangelegenheit ist.

Die Baumberge-Kommunen Billerbeck, Coesfeld, Havixbeck, Nottuln und Rosendahl sind im November 2007 als eine von 10 Regionen in NRW in das LEADER-Programm aufgenommen worden. Das der erfolgreichen Bewerbung zugrunde gelegte gebietsbezogene integrierte ländliche Entwicklungskonzept (GIEK), seine Ziele, Handlungsschwerpunkte und Maßnahmenbereiche, wurde von den beteiligten Städten und Gemeinden eigenständig erarbeitet und beschlossen.   Die Erarbeitung des Bewerbungskonzeptes (GIEK) und seine Umsetzung, z.B. die Auswahl und Begleitung der Projekte, ist Angelegenheit der vorgenannten kreisangehörigen Städte und Gemeinden und der zwischenzeitlich gegründeten „Lokalen Aktionsgruppe Region Baumberge e.V.“. Das so genannte Regionalmanagement, das den LEADER-Prozess begleitet, ist bei der Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH (wfc) angesiedelt.

 

 

Zu der unter Ziffer 2 angeregten Beschlussfassung

Der Kreis Coesfeld richtet zusammen mit dem Kreis Borken und weiteren Partnern die REGIONALE 2016 aus und ist für die Umsetzung der in den beiden Bewerbungsbroschüren dargestellten regionalen Entwicklungsstrategien zuständig, insoweit handelt es sich um eine Kreisangelegenheit.

Der Kreistag des Kreises Coesfeld hat die Grundsätze der regionalen Entwicklungsstrategie mit den Handlungsfeldern „Wissen – Wirtschaften – Gestalten“, „Bilder – Produkte – Reisen“ und „Heimat – Landschaft – Freizeit“ in seiner Sitzung am 19.09.2007 beschlossen. Bei dem Handlungsfeld „Heimat – Landschaft – Freizeit“ handelt es sich insbesondere um Überlegungen zur Raumstruktur des Münsterlandes (Wohnformen, Baukultur, Kultur-Landschaften). In dem Projektfeld „Region in der Balance“ (Handlungsfeld „Wissen – Wirtschaften – Gestalten“) soll die REGIONALE einen neuartigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Nahrungsmittelproduktion, der Landschaftspflege und der Freizeitnutzung finden. Die bisherigen Projektideen zu den Handlungsfeldern bilden allgemeine, nicht standortspezifische Planungsmöglichkeiten, die den Naturraum der Baumberge sowie dessen sozio-infrastrukturelle Bereiche betreffen.

Im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren der Hähnchenmastanlage ist allerdings auf folgendes hinzuweisen:

 

Diese o.g. Planungsmöglichkeiten sind keine ausreichenden öffentlichen Belange, die dem hier fraglichen Bau einer Hähnchenmastanlage entgegengehalten werden können. Planungen können einem privilegierten Bauvorhaben nur dann entgegenstehen, wenn es sich dabei um einen Regionalplan bei raumbedeutsamen Vorhaben, einen Landschaftsplan, einen Flächennutzungsplan, einen Bebauungsplan oder einen sonst gesetzlich geregelten Fachplan handelt.

 

 

Zu den unter Ziffer 3 und 4 angeregten Beschlussfassungen

Für die nach Ziffer 3 und 4 ausgeführten Anregungen der Anlage 1 liegt die Zuständigkeit des Landrats im Rahmen der Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung vor.

Die Aufgaben der Sonderordnungsbehörde stellen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung dar (§ 3 Abs. 1 OBG). Bei der Gefahrenabwehr – und damit im vorliegenden Falle beim Immissionsschutz – kann es keine Entscheidung des Kreistags im Sinne eines Mitwirkungs- und Letztentscheidungsrechts geben. Andernfalls könnte es zu kompetenzwidrigen Übergriffen auf Entscheidungen auf Bundes- und/oder Landesebene kommen. Dies gilt im Bereich des Immissionsschutzes umso mehr, als die Entscheidungen über die Genehmigung von Anlagen nach §§ 4 Abs. 1, 10 BImSchG eine gebundene Entscheidung, also keine Ermessensentscheidung darstellt. Das bedeutet, dass die Genehmigung erteilt werden muss, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Die Zuständigkeiten des Landrats können nicht durch Beschluss des Kreistages oder Kreisausschusses entzogen werden. Darüber hinaus wäre ein Beschluss rechtswidrig, der den Landrat verpflichten würde, bei Vorliegen der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen von einer Genehmigung abzusehen. Ermessensspielräume bestehen in diesem Bereich nicht. Daraus folgt, dass der Kreistag Angelegenheiten dieser Art zwar beraten, nicht jedoch über sie entscheiden darf.

 

 

Zu den einzelnen im Rahmen der Anregungen gestellten Fragen der Antragsteller nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

 

·         Zum Umfang und zur Verteilung der Geflügelhaltungsanlagen im Kreis Coesfeld wird auf den fortgeschriebenen Datenbestand (Anlage 9) verwiesen.

 

·         Zu der Frage 3 der Anregung vom 18.07.2008 (Anlage 2) erbetenen differenzierten Darstellung zu Hühnermastanlagen wird wie folgt Stellung genommen:

 

Wie viel Hühnermastanlagen mit wie vielen Tieren existieren bereits im Kreisgebiet?

 

Im Kreisgebiet sind 11 Hähnchenmastanlagen mit ca. 587.650 Tieren genehmigt. Von den 11 Anlagen sind nach hiesiger Kenntnis 10 in Betrieb.

 

Wie viele Anlagen dieser Art mit wie vielen Tieren befinden sich im Genehmigungsverfahren?

Im Genehmigungsverfahren befinden sich derzeit 8 Anlagen mit ca. 359.100 Tieren.

 

Sind der Verwaltung darüber hinaus weitere Planungen, z.B. durch Voranfragen etc. bekannt?

 

3 mit 159.800 Plätzen (davon eine Anlagenerweiterung)

 

Wie ist die Verteilung der (a) genehmigten, (b) im Verfahren befindlichen und (c) geplanten Anlagen im Kreisgebiet?

 

                                     a          b          c

 

Ascheberg                   0          0          1

Billerbeck                     2          4          0         

Coesfeld                      2          0          0

Dülmen                        2          2          1(Erweiterung einer bestehenden Anlage)

Havixbeck                    1          1          0

Lüdinghausen              0          0          1

Nottuln                         2          0          0

Rosendahl                   1          0          0

Senden                        1          1          0

Summe                        11        8          3

 

(Tierzahlen gemäß Antragsunterlagen)

 

·         Bezüglich der weiteren Fragen, die im Rahmen der Anregungen (z.B. vom 16.07.2008, Anlage 7) gestellt wurden, hat die Verwaltung die entsprechenden Fachbehörden nochmals beteiligt und um eine weitergehende Stellungnahme gebeten. Die Verwaltung wird im Rahmen der unter Ziff. 5 vorgesehenen Berichtserstattung über das Ergebnis der Stellungnahmen zusammenfassend berichten.

 

 

 

Zu der unter Ziffer 5 angeregten Beschlussfassung

Dem Kreistag steht es – im Rahmen seines Rechtes auf Unterrichtung über alle wichtigen Angelegenheiten der Verwaltung und der Überwachung des Ablaufs der Verwaltungsangelegenheiten aus § 26 Abs. 2 S. 1 KrO NRW – zu, sich über Verwaltungsvorgänge der unteren Immissionsschutzbehörde zu informieren und darüber zu beraten.

 

 

III. Alternativen

Dem Beschlussvorschlag der Antragsteller wird nicht entsprochen. Eine Berichterstattung an den Kreistag über das Ergebnis der Prüfung bleibt hiervon unbenommen.

 

IV. Kosten-Folgekosten-Finanzierung

Keine.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Zuständigkeiten des Kreisausschusses ergeben sich aus § 50 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 19 Abs. 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004. Die Zuständigkeiten des Kreistages bzw. des Landrates ergeben sich aus § 26 Abs. 1 bzw. § 42 Buchstabe a) KrO NRW i.V.m. § 12 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004.