Betreff
Verwaltungsstrukturreform - Evaluation des Belastungsausgleichs
Vorlage
SV-7-1196
Aktenzeichen
11 01 00
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

Begründung:

 

I.   - V.

Der Kreis Coesfeld hat Anfang 2008 im Zuge der Verwaltungsstrukturreform Aufgaben im Bereich der Versorgungs- und Umweltverwaltung vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen. Gleichzeitig hat das Land Personal für diese Aufgaben zur Verfügung gestellt. Das Land zahlt den neuen Aufgabenträgern nach dem Konnexitätsprinzip einen so genannten „Belastungsausgleich“ zur Finanzierung der anfallenden Personal- und Sachaufwendungen.

 

1. Entwicklung der Aufgaben / Fallzahlen

 

Das übernommene Personal konnte dank des hohen Engagements der Beschäftigten problemlos in die Kreisverwaltung integriert werden. Insoweit hat der Kreis Coesfeld die Aufgaben reibungslos weiterführen können. Doch die Fallzahlen und damit die Arbeitsmenge liegen teilweise deutlich über den Erwartungen.

 

Allein im Bereich Schwerbehindertenrecht sind nach den ersten drei Quartalen ca. 10,63 v. H. mehr Anträge als erwartet zu verzeichnen. Insbesondere bei den Widersprüchen ist ein erheblicher Anstieg der Fallzahlen zu beobachten. Das führt zwangsläufig zu erhöhten Bearbeitungszeiten. Diese Zeiten können nur durch zusätzlichen Personaleinsatz reduziert werden.

 

Die Fallzahlen im Bereich Elterngeld verlaufen relativ konstant. Pro Quartal wird etwa an 550 – 600 Berechtigte Elterngeld ausgezahlt. Ein Vergleich mit Vorjahreszahlen ist leider nicht möglich, da entsprechendes Datenmaterial vom ehemaligen Aufgabenträger, dem Versorgungsamt Münster, nicht zur Verfügung gestellt werden konnte.

 

Im Umweltbereich weichen die tatsächlichen Fallzahlen deutlich von den erwarteten Zahlen ab. Bis Ende Oktober 2008 waren rd. 60 Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzrecht zu bearbeiten. Nach Angaben der Bezirksregierung Münster aus dem Jahr 2007 wurden dort pro Jahr durchschnittlich 33 Verfahren bearbeitet.

 

Die vom Land übernommenen bzw. gestellten Personalressourcen reichen daher nicht aus, die Aufgaben sachgerecht zu erledigen. In allen übernommenen Aufgabenbereichen musste der Kreis Coesfeld „eigenes“ Personal einsetzen, um die neuen Aufgaben bewältigen zu können.

 

Es ergibt sich folgende Gesamtsituation:

 

 

Aufgabenbereich

Gesamtzahl der

Stellen

 

Stellen

vom Land übernommen/gestellt

vom Kreis zusätzlich eingesetzt

Versorgungsverwaltung

8,22

7,0

1,22

BEEG

3,40

3,0

0,4

Umweltrecht

8,62

7,0

1,62

 

 

 

 

 

 

 

2. Belastungsausgleich

 

Seit Beginn der Aufgabenwahrnehmung besteht zwischen dem Land und den Kommunen Uneinigkeit darüber, ob der Belaustungausgleich auskömmlich ist und alle im Zusammenhang mit den neuen Aufgaben stehenden Aufwendungen der Kommunen deckt. Zur Klärung dieser Frage haben die kommunalen Spitzenverbände ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter, Herr Prof. Dr. Höfling M. A., sollte prüfen, ob das Land den neuen Aufgabenträgern ausreichende Mittel zur Verfügung stellt, um die aus der Aufgabenübertragung resultierenden Aufwendungen decken zu können. Hierüber habe ich auch in der Sitzung des Kreistages am 12.03.2008 berichtet.

 

Schon bei dieser Gelegenheit habe ich darauf hingewiesen, dass auch der Kreis Coesfeld Eigenmittel aufwenden muss. Bereits damals zeichnete sich ab, dass eigenes Personal in allen Arbeitsbereichen (Schwerbehindertenrecht, Elterngeld sowie Umweltbereich) einzusetzen ist . Zu diesem Zeitpunkt konnten allerdings noch keine verlässlichen Aussagen zur Höhe des „Zuschussbedarfs“ gemacht werden.

 

Herr Prof. Dr. Höfling vertritt in seinem Gutachten die Ansicht, dass die Regelungen zum Belastungsausgleich nicht mit dem Konnexitätsgrundsatz vereinbar sind und daher eine Kommunalverfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg haben könnte. Vor diesem Hintergrund haben neben vielen kreisfreien Städten unter dem 21.10.2008 die Kreise Düren, Recklinghausen und Wesel beim Verfassungsgerichtshof NRW Kommunalverfassungsbeschwerden erhoben. Diese Beschwerden wurden stellvertretend für die übrigen Kreise und den selbst nicht beschwerdebefugten Landkreistag NRW erhoben. Verfahrensbevollmächtigter ist Herr Prof. Dr. Höfling.

 

Zur Untermauerung der Verfassungsbeschwerden ist es notwendig, dass möglichst viele Kommunen konkrete Daten erheben, um die Aussagen des Gutachtens zu stützen. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung der kommunalen Spitzenverbände hat sich mit der Frage der Datenerhebung beschäftigt und ein Schema erarbeitet, mit dem alle neuen Aufgabenträger die Aufwendungen nach gleichen Kriterien ermitteln. Für die ersten drei Quartale des Jahres 2008 wurden inzwischen die Daten erhoben und dem Landkreistag NRW zur Verfügung gestellt.

 

Grundsätzlich wird zwischen zwei großen Aufwandsblöcken unterschieden, und zwar nach Personal- und Sachaufwendungen. Wie bereits oben dargestellt, muss der Kreis Coesfeld in allen Aufgabenbereichen zusätzliches Personal einsetzen, so dass  die gesamten Personalaufwendungen nicht durch den Belastungsausgleich abgedeckt werden. Die auf die einzelnen Aufgaben entfallenden Arbeitszeitanteile der Beschäftigten wurden nachgehalten. So können die Personalaufwendungen personenscharf ermittelt werden. 

 

Die Datenerhebung bei den Sachaufwendungen (z. B. IT-Aufwendungen, Aufwendungen für Sachmittel, Fortbildungen, Reisekosten usw.) gestaltet sich hingegen schwieriger. Hier ist eine exakte Zuordnung nicht in allen Fällen möglich, da bestimmte Sachaufwendungen wie beispielsweise Aufwendungen für Fachliteratur nicht immer direkt bestimmten Aufgabenbereichen zugeordnet werden können.

 

Vereinfachte Betrachtung (ohne Berücksichtigung von Gemeinkosten)

 

Bei dieser Berechnungsvariante wird zunächst unterstellt, dass der Sachaufwand durch die Landespauschale gedeckt und somit kostenneutral ist. Lediglich bei den Aufwendungen für die Beweiserhebungen im Schwerbehindertenrecht (Kosten für die Einholung von Gutachten) zeichnet sich schon jetzt ein Mehraufwand ab. Dieser wurde in der Berechnung berücksichtigt. Darüber hinaus bleiben Gemeinkosten außer Betracht, da hier ein tatsächlicher kostenwirksamer Zusatzaufwand (z. B. durch zusätzliches Personal in den zentralen Diensten) nicht gegeben ist.

 

 

 

Danach ergeben sich folgende Unterdeckungen:

 

Versorgungsverwaltung ohne pauschale Gemein- und Sachkosten

 

 

IST Aufwand

Erstattung Land

Differenz

Personalaufwand

159.207 €

122.250 €

-36.957 €

Sachaufwand

66.300 €

66.300 €

-

Gutachter/

Beweiserhebung

258.833 €

250.589 €

-8.244 €

Summe

484.340 €

439.139 €

-45.201 €

 

 

Umweltverwaltung ohne pauschale Gemein- und Sachkosten

 

 

IST Aufwand

Erstattung Land

Differenz

Personalaufwand

285.695 €

227.325 €

-58.370 €

Sachaufwand

46.556 €

46.556 €

-

Summe

332.251 €

273.881 €

-58.370 €

 

 

Unterdeckung Versorgungsverwaltung:                                                                       -45.201 €

Unterdeckung Umweltverwaltung:                                                                                -58.370 €

Summe Unterdeckung:                                                                                            -103.571 €

 

 

 

Berechnung inklusive der Gemein- und Sachkosten

 

Diese Beträge erhöhen sich deutlich, wenn beim Personalaufwand auch die Gemeinkosten in die Berechnungen einbezogen werden. Bei den Gemeinkosten wird unterschieden nach den verwaltungsweiten Gemeinkosten (Verwaltungs-Overhead, z. B. Leistungen der Behördenleitung und der zentralen Dienste usw.) und den amts- bzw. fachbereichsinternen Gemeinkosten (Amts- bzw. Fachbereichs-Overhead, z. B. Abteilungs- und Fachbereichsleitung, Sekretariat usw.). Da die echten Kosten für diese Leistungen nur mit einem nicht zu vertretenden Aufwand ermittelt werden können empfiehlt die KGSt, jeweils einen Wert von 10 % der Personalaufwendungen anzusetzen, insgesamt also 20 %.

 

Die kommunalen Spitzenverbände haben die Kommunen gebeten, ihre Daten unter Berücksichtigung der Gemeinkosten zu ermitteln. Ich halte diese Vorgehensweise vor dem Hintergrund der Kommunalverfassungsbeschwerden für angezeigt, da durch die Integration der neuen Aufgaben in die Gesamtverwaltung auch in anderen Arbeitsbereichen zusätzliche Aufwendungen entstehen. Besonders deutlich wird dies beispielsweise im Bereich der Kreiskasse. Im Schwerbehindertenrecht ist eine Vielzahl von Gutachten durch externe Fachärzte zu erstellen. Die Abrechnung dieser Gutachten führt zu einem erheblichen Aufwand in der zentralen Geschäftsbuchführung.

 

Wie bereits oben dargestellt, sind die anfallenden Sachaufwendungen schwierig zu ermitteln. Daher wurde bei der vereinfachten Berechnung (vgl. oben) davon ausgegangen, dass der Belastungsausgleich den anfallenden Sachaufwand deckt. Um aber die Gesamtkosten eines Arbeitsplatzes möglichst exakt zu ermitteln, empfiehlt die KGSt, auch bei der Ermittlung der Sachaufwendungen Pauschalen in Ansatz zu bringen. Die KGSt schlägt vor, für einen Büroarbeitsplatz eine jährliche Sachaufwandspauschale in Höhe von 5.400 € für Aufwendungen des allgemeinen Bürobedarfs, Fahrtkosten, Telekommunikationsaufwendungen usw. zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist eine Pauschale für IT-Aufwendungen vorzusehen. Nach Berechnungen der Abt. 16 ist hier ein Betrag von 2.357,40 € pro Arbeitsplatz in Ansatz zu bringen. 

 

Unter Berücksichtigung dieser Pauschalen für die Gemein- und Sachkosten ergibt sich folgende Berechnung:

 

Versorgungsverwaltung inkl. Pauschalen (Gemein- und Sachkosten)

 

 

IST Aufwand

Erstattung Land

Differenz

Personalaufwand*

246.849 €

122.250 €

-124.599 €

davon Personalaufwand

159.207 €

 

 

           Gemeinkosten

87.642 €

 

 

Sachaufwand

76.978 €

66.300 €

-10.678 €

Gutachter/

Beweiserhebung

258.833 €

250.589 €

-8.244 €

Summe

582.660 €

439.139 €

-143.521 €

 

*Hinweis:

Da in die Ermittlung der Gemeinkosten auch (fiktive) Aufwendungen für die vom Land gestellten Tarifbeschäftigten einfließen, liegt die Basis für die Gemeinkosten über dem in der ersten Tabelle ausgewiesenen Personalaufwand.

 

 

Umweltverwaltung inkl. Pauschalen (Gemein- und Sachkosten)

 

 

IST Aufwand

Erstattung Land

Differenz

Personalaufwand

342.835 €

227.325 €

-115.510 €

davon Personalaufwand

285.695 €

 

 

           Gemeinkosten

57.140 €

 

 

Sachaufwand

51.486 €

46.556 €

-4.930 €

Summe

394.321 €

273.881 €

-120.440 €

 

Unterdeckung Versorgungsverwaltung:                                                                     -143.521 €

Unterdeckung Umweltverwaltung:                                                                              -120.440 €

Summe Unterdeckung:                                                                                            -263.961 €

 

 

Das Ergebnis dieser Berechnungen inkl. der Gemein- und Sachkosten wurde zwischenzeitlich dem Landkreistag mitgeteilt. Es wird deutlich, dass auch der Kreis Coesfeld einen nicht unerheblichen Zusatzbetrag für die neuen Aufgaben aufwenden muss. Es ist vorgesehen, Anfang 2009 die tatsächlichen Zahlen für das gesamte Jahr 2008 zu erheben.