Betreff
Stärkung des Grundsatzes "ambulant vor stationär"
hier: Förderung des Projektes "KIT-Pflege - Kriseninterventionsteams" des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld e. V.
Vorlage
SV-8-0503
Aktenzeichen
50.2.2
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Das Projekt „KIT-Pflege – Kriseninterventionsteams“ des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld e. V. wird aus Kreismitteln nicht gefördert.

Begründung:

 

I.   Problem

Der Caritasverband für den Kreis Coesfeld e. V. stellt in seinem Antrag den Sachverhalt wie folgt dar:

 

Die Bedeutung von ambulanter Pflege nimmt aufgrund verschiedener Entwicklungen und auch Steuerungen immer mehr zu. Dabei ist das familiäre Pflegepotential zunehmend schwierig einzusetzen. Häufig wird Pflege von Angehörigen, insbesondere Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren, geleistet. Ein großer Teil dieses Personenkreises ist berufstätig und muss den Beruf mit den Aufgaben und Verantwortungen aus der Pflege koordinieren. Probleme treten insbesondere dann auf, wenn sich die Situation unvorhersehbar verändert und die Pflegeperson den akut erforderlichen Pflegeaufwand nicht leisten kann, ohne ihre beruflichen Pflichten zu vernachlässigen.

 

Der Caritasverband für den Kreis Coesfeld e. V. beteiligt sich an einem Modellprojekt zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Die geförderte Region ist auf den Kreis Borken beschränkt. Aufgrund der sehr engen Kooperation des Caritas­verban­des Coesfeld mit den Verbänden Borken und Ahaus/Vreden könnte das Projekt KIT auf den Kreis Coesfeld ausgeweitet werden. Das Projekt, das von der GKV mit einem Kostenrahmen von 2 Mio. € unter wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt wird, trat am 01.08.2011 in die Praxisphase ein. Bereits vorher wurden 11 KIT-Notfälle gemeldet und mit sehr positiver Resonanz abgewickelt. Durch die räumliche Nähe und die Zusammenarbeit mit den Partnern besteht die Möglichkeit, das Projekt unter Nutzung vorhandener Strukturen in den Kreis Coesfeld zu übertragen. Die Finanzierung müsste für den Kreis Coesfeld jedoch aus den Mitteln des Fördertopfes „ambulant vor stationär“ erfolgen.

 

II.  Lösung

 

Der Caritasverband für den Kreis Coesfeld e. V. beantragt, für die Dauer eines Jahres beginnend ab Oktober 2011 das Projekt „KIT-Pflege – Kriseninterventionsteams“ durchzuführen.

 

Das Projekt setzt sich aus zwei Elementen zusammen:

1.      Beratung der Arbeitnehmer in Betrieben (präventiver Bereich)
Um Firmen und deren Mitarbeiter für die Problematik zu sensibilisieren und das Angebot bekanntzumachen, umfasst das Projekt eine Schulungsreihe. In Kooperation mit größeren Arbeitgebern werden die Schulungen außerhalb der Arbeitszeit in firmeneigenen Räumen angeboten. Die Resonanz der zwei bereits durchgeführten Schulungen war positiv. Festgestellt wurde, dass die 20-25 Teilnehmer je Termin aus allen Hierarchiestufen stammen. Themen der Schulung sind Prävention und Gesundheitsförderung, Pflegerisches Grundwissen, Mobilisation und Transfer sowie der Bereich Hilfsmittel.

2.      Konkrete Hilfestellung im Krisenfall   
Hierzu würde der Caritasverband für den Kreis Coesfeld e. V. kreisweit eine über 24 Stunden täglich erreichbare Rufbereitschaft des Pflegedienstes nutzen, die den „Notruf“ aufnimmt und einen KIT-Einsatz auslöst. Ein solcher Einsatz, der über maximal drei Tage verläuft und für den Auftraggeber kostenlos sein soll, stellt der Antragsteller wie folgt dar:       
- Notruf durch den Arbeitgeber oder eine Führungskraft       
- Pflegerische Intervention im häuslichen Umfeld (s. Fallbeispiele, Anlage 3)          
- Organisatorische Intervention im häuslichen Umfeld         
- Überleitung an andere oder eigene Dienste

Im Ergebnis soll die pflegende Kraft in der konkreten Situation ihre Verantwortung vollständig an das KIT-Team abgeben und ihren beruflichen Pflichten nachgehen können.
Für die Durchführung des KIT-Projektes stellt der Träger eine examinierte Pflegekraft mit 25 % der Arbeitszeit frei, ebenso wird eine Kraft für Hauswirtschaft und Betreuung mit 25 % Zeitanteil eingesetzt. Zeitliche Überschneidungen bei Einsätzen oder Ausfallzeiten sollen durch die Kräfte der Rufbereitschaft des Pflegedienstes (6 - 7 Personen) aufgefangen werden.

Die Finanzierung des Projektes soll wie folgt sichergestellt werden:

Personalkosten Pflegekraft 9,75 Std./W.                  12.460,75 €     
Personalkosten Hauswirtsch. 9,75 Std./W.                8.031,11 €

Sachkosten (Arbeitsplatz)                                              820,00 €     
Flyer, Werbung pauschal                                               700,00 €     
Pflegewissenschaftliche Begleitung                            1.128,00 €

Gesamtkosten                                                           23.139,86 €     
Eigenanteil Caritas                                                      2.648,00 € (=11,44 %)          
beantragter Zuschuss                                               20.491,86 € (=88,56 %)

Einen zusätzlichen Eigenanteil erbringt der Caritasverband durch den Einsatz der Rufbereitschaft sowie die Übernahme der Vertretungsregelungen, um dem Projekt die nötige Verlässlichkeit zu geben. Diese Kostenanteile sind schwierig zu beziffern.

Ob und in welchem Umfang das Projekt nach Ablauf des ersten Jahres weitergeführt wird, ist derzeit offen und hängt von den Ergebnissen ab. Wenn Nachfrage besteht, will der Caritasverband das Projekt aus eigenen Mitteln fortzusetzen.

 

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Die Einschätzung des Trägers zur Ausgangssituation wird im Wesentlichen geteilt. Ob und ggfls. in welchem Umfang Hilfebedarfe in derartigen Krisensituationen entstehen, kann aus der täglichen Praxis nicht beurteilt werden. Entsprechende Krisenfälle werden bisher entweder persönlich innerhalb der Familie oder des Freundeskreises gelöst oder – bei akuten Gesundheitsproblemen – erfolgt eine Einweisung in das Krankenhaus.

Eine sofortige Beratung für die Familie kann außerhalb der normalen Bürozeiten nicht wie im Projekt von der Pflegeberatung des Kreises sichergestellt werden. 

Die beiden Elemente des KIT-Projektes werden von der Verwaltung wie folgt eingeschätzt:

 

zu 1: Beratung

 

Basis ist die Information/Schulung der Mitarbeiter zu pflegerischen Themen. Damit überschneiden sich sowohl der Adressatenkreis als auch das Instrument „Schulung/Information“ mit dem Projekt PFAU (Pflege – Arbeit –Unternehmen).

Darüber hinaus wäre es nach Auffassung der Verwaltung den Firmen zuzumuten, selber die Finanzierung sicherzustellen oder alternativ andere offene Beratungsangebote anzunehmen. Kostenfreie Beratungen oder Informations­veranstaltungen führen neben der Pflegeberatung des Kreises Coesfeld auch die compass-Pflegeberatung oder die Alzheimer Gesellschaft im Kreis Coesfeld e.V. sowie aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages aus § 7 SGB XI die Pflegekassen durch.

 

zu 2: Kriseninterventionsteams:

 

Der Ansatz bei diesem Element liegt in der tatsächlichen schnellen Hilfestellung im Notfall. Insoweit ergänzen sich die Projekte KIT und PFAU. Nach Einschätzung der Verwaltung ist dieses Element positiv zu bewerten und geeignet, plötzliche Notlagen in der Pflege aufzufangen und pflegende Angehörige zu entlasten. Bisher beschränkt sich die Hilfe regelmäßig auf ein Beratungsangebot, eine tatsächliche Unterstützung im Notfall wird so nicht angeboten.  

Der KIT-Einsatz umfasst aber neben der eigentlichen Pflege unterschiedliche Bereiche, die auch andere Leistungsträger (Krankenkasse, Pflegekasse, Familienpflege, Jugendhilfe) berühren. Insoweit wird der Rahmen des Fördertopfes zur Stärkung der ambulanten Pflege überschritten. Nach Auffassung des Antragstellers ist eine Finanzierung des max. 3-tägigen Einsatzes aus Mitteln des Fördertopfes erforderlich, weil die Leistungen anderer (wie Pflegekasse, Krankenkasse usw.) so schnell nicht greifen. Diese Einschätzung wird geteilt, vor allem aufgrund des Zeitfaktors und der übergreifenden Intention die andere Leistungsträger so nicht anbieten.

Gleichzeitig erfolgt die Unterstützung ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen an alle, so dass auch Personen, die durchaus in der Lage wären, die Kosten selber zu tragen, volle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten.

Das Projekt KIT wird im Kreis Borken unter wissenschaftlicher Begleitung und Evaluation über drei Jahre bis Juni 2013 durchgeführt. Kostenträger hier ist die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), deren Interesse in der Reduzierung von notfallmäßigen stationären Behandlungen liegt. Nach Auswertung der Ergebnisse entscheidet der GKV über eine Übertragbarkeit des Projektes.

Das Ziel des Projektes „ambulant vor stationär“, nämlich Alternativen zu stationärer Dauerpflege zu bieten, ist von diesem Angebot allenfalls teilweise tangiert. Zwar kann im Einzelfall eine spontane Krisensituation aufgefangen werden. Nutznießer hieraus sind aber vor allem die Arbeitgeber in Bezug auf die gewonnene Arbeitsleistung sowie die Kranken- bzw. Pflegekasse soweit eine Notfall-Krankenhausaufnahme vermieden wird. Ob das Angebot von KIT tatsächlich dazu führen wird, dass stationäre Pflege verhindert oder verzögert wird, scheint zweifelhaft. Auch scheint die Nachhaltigkeit des Projektes nach Ablauf des Förderzeitraumes nicht gewährleistet.

 

III. Alternativen

Dem Antrag wird ganz oder teilweise entsprochen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Sollte dem Antrag entsprochen werden, stehen zurzeit im Fördertopf ausreichende Mittel zur Verfügung.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Für die Vergabe der Mittel aus dem Fördertopf ist die Zuständigkeit des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit gegeben.

Anlagen:

1.      Förderschwerpunkte

2.      Antrag des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld e. V.

3.      Fallbeispiele