Betreff
Pflegebedarfsplanung nach dem neuen Alten- und Pflegegesetzes NRW (APG NRW) hier: Beschluss über die verbindliche Bedarfsplanung
Vorlage
SV-9-0156
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

1.    Auf die Erarbeitung einer verbindlichen Pflegebedarfsplanung zum 31.03.2015 wird verzichtet.

2.    Der Erlass der Durchführungsverordnung zum APG NRW wird abgewartet, um deren Anforderungen im weiteren Verfahren mit berücksichtigen zu können.

Begründung:

 

I.   Problem

Bisherige Regelung im Landespflegegesetz (PFG NW)

Nach Einführung der bisherigen gesetzlichen Grundlage im Jahr 2003  war eine planerische Bedarfsbestätigung des Kreises für Pflegeinrichtungen als Grundlage für die öffentliche Investitionskostenförderung gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Hintergrund dieser, auch als „Freigabe des Marktes“ bezeichneten Regelung waren ein aufgelaufener Investitionsstau und eine Rechtsprechung, die die bis dahin geltende Angebotssteuerung über Bedarfsbestätigungen nicht mehr zuließ.

Bedingung für die Investitionskostenförderung von teil- und vollstationären Pflegeinrichtungen war nach PFG NW „nur“ die Einhaltung vorgegebener  baulicher Standards und der Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen. Die im Gesetz beschriebene „Pflegeplanung“ diente - soweit diese Option durch den örtlichen Träger wahrgenommen wurde - nur der „Marktbeobachtung“. Im Kreis Coesfeld wurde von dieser Option kein Gebrauch gemacht.

 

Neues Alten- und Pflegegesetz NRW (APG NRW)

Am 16.10.2014 ist das neue Alten- und Pflegegesetzes NRW in Kraft getreten. Für alle Beteiligten überraschend sind damit auch Regelungen zur örtlichen Pflegebedarfsplanung geschaffen worden. Nunmehr ist es wieder möglich, eine vorher nicht mehr mögliche Verbindlichkeit und Steuerungsmöglichkeit aufgrund einer Pflegebedarfsplanung festzulegen. Dies kann insoweit erfolgen, als dass nach dem APG NRW eine Pflegebedarfsplanung von der Vertretungskörperschaft – hier der Kreistag – als verbindlich erklärt werden kann und die Refinanzierung der Investitionskosten bei Schaffung neuer oder zusätzlicher teil- und vollstationärer Pflegeplätze von einer entsprechenden Bedarfsbestätigung abhängig gemacht werden kann.

 

Nach § 11 Absatz 7 APG kann (nicht: muss) der örtliche Träger der Sozialhilfe bestimmen, dass eine Förderung für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen …, die innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches neu entstehen und zusätzliche Plätze schaffen sollen, davon abhängig ist, ob für die Einrichtungen auf der Grundlage der örtlichen verbindlichen Bedarfsplanung nach § 7 Absatz 6 APG ein Bedarf bestätigt wird (Bedarfsbestätigung). Eine solche Fördervoraussetzung ist von der Vertretungskörperschaft mit Wirkung für alle zusätzlich entstehenden Plätze in Einrichtungen innerhalb ihres örtlichen Zuständigkeitsbereiches zu beschließen und öffentlich bekannt zu machen.

 

Durch das APG ist den Kreisen und kreisfreien Städten somit die Möglichkeit (nicht Verpflichtung) eingeräumt, eine Pflegebedarfsplanung zu erstellen und daraus resultierend eine Bedarfssteuerung vorzunehmen.

In § 7 Abs. 5 letzter Satz APG ist geregelt, dass das für die Pflegeversicherung zuständige Ministerium ermächtigt wird, im Einvernehmen mit dem Landtag durch Rechtsverordnung konkrete Vorgaben, insbesondere zu Aufbau und Mindestinhalten der Planungsprozesse, festzulegen. Diese Verordnung liegt bisher nicht vor.       

In § 7 Absatz 6 APG ist weiter bestimmt, dass, wenn die Planung Grundlage für eine verbindliche Entscheidung über eine bedarfsabhängige Förderung zusätzlicher teil- oder vollstationärer Pflegeeinrichtungen sein soll, sie jährlich … durch Beschluss der Vertretungskörperschaft festzustellen (verbindliche Bedarfsplanung) und öffentlich bekannt zu machen ist. Die verbindliche Bedarfsplanung muss zukunftsorientiert einen Zeitraum von drei Jahren ab der Beschlussfassung umfassen und auf der Grundlage nachvollziehbarer Parameter darstellen, ob das Angebot an Pflegeeinrichtungen den örtlichen Bedarf abdeckt oder in welcher Höhe zur Bedarfsdeckung zusätzliche Kapazitäten erforderlich sind. Die Aussagen können auf verschiedene Sozialräume eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt bezogen sein.

Für die Übergangszeit ist in § 22 Absatz 4 APG ist Folgendes normiert:

„Macht ein örtlicher Sozialhilfeträger von der Möglichkeit des § 11 Absatz 7 bis zum 31. Dezember 2014 (hier: Beschluss des Kreistages) Gebrauch, kann er die Entscheidungen über Bedarfsbestätigungen nach § 11 Absatz 7 Satz 1 bis zur Erarbeitung und Beschlussfassung einer verbindlichen Bedarfsplanung gemäß § 7 Absatz 6, längstens aber bis zum 31. März 2015 aussetzen.“

Damit stellen sich folgende Fragen:

a.    Ob und ggfls. wann wird von der Möglichkeit einer verbindlichen Bedarfsplanung Gebrauch gemacht?

b.    Wie wird mit bevorstehenden bzw. laufenden Verfahren zum Neu- und Ersatzbau von teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen umgegangen?

c.    Wie werden der politische Auftrag und die neuen gesetzlichen Möglichkeiten miteinander verzahnt?

Seitens des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA)  wurde aufgrund einer konkreten Anfrage aus dem Kreis Borken erklärt, dass es zunächst sehr wichtig sei, schnellstmöglich eine Entscheidung des Kreistages herbeizuführen, ob eine verbindliche Bedarfsplanung im Sinne des § 7 APG durchgeführt werden solle. Antragstellern sollte möglichst nicht per „Abstimmungsbescheinigung“ ein Bestandsschutz gewährt werden für eine Einrichtung, „die der Kreis nicht brauche“. Eine Entscheidung des Kreistages über das „Ob“ der Bedarfsplanung im Sinne des APG sei deshalb erforderlich.

Nach mündlicher Auskunft erstreckt sich der Geltungsbereich der neuen Regelungen auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes gestellt wurden. Für den Fall, dass der Kreistag entscheide, eine verbindliche Bedarfsplanung im Sinne des APG durchzuführen, habe der Kreis die Möglichkeit, auch bei bestehenden Anträgen von der Übergangsregelung in § 22 Absatz 4 APG Gebrauch zu machen, wonach die Entscheidung über den Antrag bis zum Ende des Monats März 2015 „geschoben“ werden könne.

Das Ministerium hat in dieser Auskunft zudem angekündigt, von der Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 5 letzter Satz APG Gebrauch machen zu wollen, wonach  Standards zur Erstellung einer verbindlichen Bedarfsplanung gesetzt werden können. Dabei sei geplant, die Durchführungsverordnung zum APG NRW entsprechend zu ergänzen. Da die Verordnungen zum APG und zum WTG nur im Einvernehmen mit dem Landtag erstellt bzw. geändert werden könnten, könne davon ausgegangen werden, dass diese Ergänzung der Durchführungsverordnung zum APG voraussichtlich im Januar 2015 in Kraft gesetzt werden könnte.

In Kenntnis dieser zu erwartenden Ergänzung der Durchführungsverordnung zum APG gehe das MGEPA davon aus, dass bis dahin die Kreise und die kreisfreien Städte nicht etwas Eigenes in Sachen verbindlicher Bedarfsplanung erstellen würden

II.  Lösung

Angesichts der zeitlichen Umstände (Beschlussfassung Kreistag bis zum 31.12.2014, Vorlage einer verbindlichen, den Anforderungen des Gesetzes genügenden Bedarfsplanung, wobei die Ausführungsverordnung des Landes frühestens im Januar 2015 veröffentlicht wird) erscheint es unrealistisch, auch mit Hilfe externer Begleitung bis zum 31.03.2015 eine verbindliche Bedarfsplanung vorzulegen, die auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Diese Einschätzung wird vom Landkreistag NRW geteilt. Ausdrücklich abgeraten wird davon, sich übereilt für diesen Weg auszusprechen. Das Risiko, bei lückenhaften Planungsgrundlagen eine Bedarfsbestätigung für neue stationäre Einrichtungen abzulehnen, die einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, wäre nach Meinung des LKT zu hoch. Die Einschätzung, dass der Aufbau einer rechtssicheren Pflegebedarfsplanung bis zum 31.03.2015 nicht zu leisten sein wird, wird ausdrücklich geteilt.

Im Ergebnis wird daher vorgeschlagen

1.    auf die Erarbeitung einer verbindlichen Pflegebedarfsplanung zum 31.03.2015 zu verzichten,

2.    den Erlass der Durchführungsverordnung zum APG abzuwarten, um deren Anforderungen mit berücksichtigen zu können.

 

Der Vorteil in der vorgeschlagenen Vorgehensweise besteht darin, dass nach Fertigstellung der Pflege- und Bedarfsplanung diese dann unter Berücksichtigung aller rechtlichen Normierungen für verbindlich erklärt werden könnte. Bis dahin würden mögliche Rechtsstreitigkeiten (Klagen gegen ablehnende Entscheidungen aufgrund einer Bedarfsplanung) vermieden.

Konsequenz einer solchen Entscheidung wäre allerdings auch, dass bis dahin unabhängig vom Bedarf Investoren weiterhin neue Plätze für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen schaffen könnten und eine Refinanzierung der Investitionskosten über das Pflegewohngeld (zu zahlen vom Kreis Coesfeld) erhielten.

 

Die ursprünglich für den 06.11.2014 vorgesehene Sitzung der Pflegekonferenz sollte sich schwerpunktmäßig mit dem neuen Landespflegegesetz beschäftigen. Bis Mitte Oktober war noch keine Veröffentlichung des am 01.10.14 beschlossenen Gesetzes erfolgt. Beschlüsse und auch die Texte zu den Gesetzesverordnungen lagen bis dahin schon gar nicht vor. Angesichts dieser Unklarheit und der fehlenden Zeit für eine fundierte Vorbereitung wurde dieser Termin der Pflegekonferenz mit Schreiben vom 14.10.2014 abgesagt.

 

Mit der verwaltungsseitig vorgeschlagenen Vorgehensweise ist auch die  - den neuen gesetzlichen Vorgaben entsprechende – gebührende Beteiligung der Pflegekonferenz am Planungsprozess gewährleistet. Bei der kurzfristigen Planaufstellung zum 31.03.2015 wäre dies, genau  wie die Beteiligung der Städte und Gemeinden, kaum möglich.

 

III. Alternativen

Um von vorne herein alle Anträge auf Abstimmung nach dem Landespflegegesetz nach verbindlichen Bedarfskriterien zu bescheiden, müsste beschlossen werden, bis zum 31.03.2015 eine verbindliche Bedarfsplanung vorzulegen.  Die unter Ziffer II geäußerten Bedenken und mögliche Klagen von Projektbetreibern  würden damit in Kauf genommen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Für die unmittelbare  Aufstellung einer verbindlichen Bedarfsplanung würden kurzfristig personelle  Ressourcen notwendig, die derzeit nicht vorliegen.

Eine längerfristig angelegte Bedarfsplanung würde solche Ressourcen ebenfalls – jedoch auf einen deutlich längeren Zeitraum verteilt – binden.

 

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

Wegen der grundsätzlichen Entscheidung gemäß § 11 Absatz 7 APG ist ein Beschluss des Kreistages notwendig.