Betreff
Stand der Windkraftplanungen im Kreis Coesfeld
Vorlage
SV-9-0585
Aktenzeichen
70.2
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

- ohne -

Begründung:

 

In der letzten Sitzung des Beirates wurde die Beratung der Windkraftplanung der Gemeinde Ascheberg vertagt. In der Zwischenzeit hat die untere Landschaftsbehörde ihre Stellungnahme im Rahmen des Bauleitplan-Verfahrens fristgerecht abgegeben. Mittlerweile sind mehrere Kommunalplanungen und Genehmigungsanträge für Windkraftanlagen eingegangen, so dass es sinnvoll erscheint, einen Gesamtüberblick über den Stand der Windkraftplanungen im Kreisgebiet zu geben.

 

Angeschoben durch die öffentliche Diskussion über eine grundsätzliche Umorientierung der Energieversorgung („Energiewende“) wurden auch in Nordrhein-Westfalen die Genehmigungsvoraussetzungen für Windkraftanlagen geändert. Hier ist insbesondere der neue Windenergie-Erlass zu nennen.

 

Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung (Windenergie-Erlass) vom 04.11.2015 – gemeinsamer Runderlass des MKULNV, des MBWSV und der Staatskanzlei

 

Gegenüber dem Vorgänger-Erlass wurde als wesentliche Änderung der Ausgleich für den Eingriff in das Landschaftsbild über einen einfachen Berechnungsschlüssel zur Zahlung von Ersatzgeld ermöglicht. Es wurde jedoch auch die aktuelle Rechtsprechung eingearbeitet und z. B. die kumulierende Betrachtung bei Betroffenheit geschützter Arten durch mehrere Windkraftplanungen verankert.

 

Die untere Landschaftsbehörde ist sowohl auf der Planungsebene der Gemeinde, bei der Aufstellung der Flächennutzungspläne, als auch im eigentlichen Genehmigungsverfahren beteiligt. Auf der Planungsebene liegt für die ULB der Schwerpunkt bei der Beurteilung des Landschaftsbildes, der Eignung für die Freizeit- und Erholungsnutzung unter Berücksichtigung der Aussagen des Landschaftsplans, aber auch schon bei allgemein biologischen oder naturfachlichen Kriterien. Diese letzte Kategorie steht bei den konkreten Genehmigungsverfahren im Mittelpunkt. Hier gilt es vor allem, die sehr strikten europäischen Artenschutzregeln zu beachten.

 

Zur Vereinheitlichung der Beurteilung hat das Land Nordrhein-Westfalen den Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes“ herausgegeben und per Runderlass in Kraft gesetzt.

 

            Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von         Windenergieanlagen in NRW“ vom 12.11.2013 – Hrsg. MKULNV (LANUV)

 

Lässt sich eine mögliche Gefährdung geschützter Arten durch den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen nicht ausschließen, kann das Projekt dennoch genehmigungsfähig sein, wenn entsprechende Maßnahmen vor dem Eingriff umgesetzt werden. Diese sog. vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen

            (CEF-Maßnahmen, continuous ecological functionality-measures, übers. Maßnahmen zur   dauerhaften Sicherung der ökologischen Funktion)

stellen eine Besonderheit des europäischen Artenschutzrechts dar, die in der deutschen Eingriffsregelung bisher nicht bekannt war. CEF-Maßnahmen müssen vor Inbetriebnahme des beeinträchtigenden Projektes ihre Wirksamkeit erweisen. Bei Anlage von Kleingewässern oder Anpflanzungen kann also nicht direkt nach Fertigstellung die Anlage in Betrieb gehen, sondern unter Umständen erst deutlich später. Die Regularien für diese kritische Phase bei der Anlagengenehmigung wurden in NRW in einem gesonderten Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ festgelegt, der von der ULB ebenfalls anzuwenden ist.

 

Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ für die Berücksichtigung artenschutzrechtlich erforderlicher Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen vom 05.02.2013 – Forschungsprojekt-Schlussbericht – Hrsg. MKULNV

 

Die elf Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld haben sich alle mit der Windkraftplanung befasst, wobei nicht alle ihren Flächennutzungsplan anpassen. Werden keine Windkonzentrationszonen im FNP ausgewiesen, hat dies zur Folge, dass Windräder nach Baurecht im gesamten Außenbereich der Gemeinde privilegiert zulässig sind. In einigen Gemeinden bestehen rechtskräftige Flächennutzungspläne oder Bebauungspläne für die Windkraftnutzung. Diese weisen jedoch alle eine Höhenbegrenzung von 100 m auf, wodurch die heute regelmäßig beantragte Kategorie von Windrädern mit über 200 m Gesamthöhe bei etwa 3 Megawatt Leistung unzulässig sind. Es ist davon auszugehen, dass einige dieser Alt-Pläne im Falle einer gerichtlichen Überprüfung wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der heutigen Rechtsprechung (harte und weiche Tabu-Kriterien; Pflicht der Windkraftnutzung substanziell Raum zu geben) nicht standhalten würden.

 

Viele Windkonzentrationszonen liegen ganz oder teilweise innerhalb von Landschaftsschutzgebieten, in denen ein generelles Bauverbot gilt. Der Windenergie-Erlass macht deutlich, dass Landschaftsschutz-Bauverbote die Errichtung von Windkraftanlagen nicht grundsätzlich ausschließen, sondern dass hier regelmäßig Befreiungen aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses (§ 67 BNatSchG) erteilt werden können.

 

Die Landschaftsschutzgebiete im Kreis Coesfeld sind durch Landschaftspläne festgesetzt, die wegen ihres unterschiedlichen Alters voneinander abweichende Regelungen zum Bauen in Landschaftsschutzgebieten enthalten.

 

Der erste Landschaftsplan des Kreises Coesfeld

            LP 1 Coesfelder Heide-Flamschen (16.08.2004)

            (Datum jeweils Rechtskraft der letzten Änderung)

enthält keinerlei Aussagen zum Thema Windkraft.

 

Die Landschaftspläne

            LP 2 Merfelder Bruch-Borkenberge (18.07.2005)

            LP 3 Olfen-Seppenrade (18.05.2005)

            LP 4 Norkirchen-Herbern (21.10.2002)

            LP 5 Rorup (25.10.2004)

            LP 6 Rosendahl (25.10.2004)

gehen textlich auf die zu erwartenden Konkurrenzplanungen ein:

 

Bei Wind-Vorrangzonen innerhalb von Landschaftsschutzgebieten wurde die Ver­träglichkeit der Belange überprüft und für die in den Bauleitplänen festgelegten Flächen- und Höhenbegrenzungen festgestellt. Einem konkreten Bauantrag wird der Landschaftsschutz hier in der Regel nicht entgegengehalten.

 

Diese Aussage betraf die Windräder der damaligen Kategorie von ca. 100 m Gesamthöhe. Für die heutige Kategorie 200 m bis 300 m Gesamthöhe ist die Aussage insofern zweifelhaft.

 

Der Landschaftsplan

            LP 7 Baumberge-Süd (15.05.2007)

enthält eine Ausnahmeregelung für die Windkraftnutzung:

 

Die untere Landschaftsbehörde erteilt auf Antrag eine Ausnahme (…) für Maßnahmen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 [Windkraft] (…), wenn  sie nach Standort und Gestaltung der Landschaft angepasst werden, und der jeweilige Schutzzweck und andere Darstellungen des Landschaftsplanes nicht entgegenstehen.

 

Die aktuell erstellten neuen Landschaftspläne

            LP 8 Baumberge Nord (15.10.2015)

            LP 9 Buldern (16.06.2016)

            LP 10 Lüdinghausen (Rechtskraft erwartet in 2016)

            LP 11 Davensberg-Senden (Rechtskraft erwartet in 2017)

enthalten eine Unberührtheitsklausel, die an die Bauleitplanung der Gemeinden anknüpft:

 

            Vom Bauverbot unberührt bleiben:

(…) die Errichtung von Windenergieanlagen einschließlich der hierfür erforderlichen Neben- und Erschließungsmaßnahmen innerhalb von Konzentrationszonen gem. Flächennutzungsplan.

 

Hier wird aus Praktikabilitätsgründen die Möglichkeit des § 29 Abs. 4 Landschaftsgesetz aufgegriffen, wonach  der Landschaftsplan mit seinen Festsetzungen bei Rechtskraft des Bebauungsplanes zurückweicht, wenn der Träger der Landschaftsplanung bei Aufstellung des Flächennutzungsplanes nicht widersprochen hat. Im Entwurf des neuen Landes-Naturschutzgesetzes greift diese Regelung auch ohne nachfolgenden Bebauungsplan. Verzichtet jedoch die Gemeinde auf die Ausweisung von Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan, greift die Regelung ins Leere, d. h. das Bauverbot besteht fort.

 

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Stand der Planungen in den Städten und Gemeinden des Kreises Coesfeld.

 

 

 

Flächennutzungsplan (FNP)

Konzentrationszonen

für die Windkraft-Nutzung im FNP

Projekte

Anzahl Windräder x Leistung

Anmerkung

 

 

 

 

 

Ascheberg

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

1 Holthoff

2 südöstl. Ascheberg

3 Forsthövel

4 Nordick

 

 

5 x 2,5 MW 

 

Billerbeck

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

1 Steinfurter Aa

2 Kentrup

3 Riesauer Berg

4 Hastehausen

2 x 3 MW

3 x 3,05 MW

2 x 3 MW

Repowering

 

Coesfeld

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

1 Letter Görd

2 Letter Bruch, Goxel

3 Stevede

4 Flamschen

5 Harle

6 Lette

7 Sirksfeld

7 x 3 MW

19 x 3 MW

4 x 3 MW

 

Dülmen

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m

 

(Merfeld, privilegiert)

 

1 x 0,8 MW

 

 

Havixbeck

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

1 Natrup

2 Herkentrup 

  (Walingen)

3 Poppenbeck

2 x 3 MW

 

 

 

KT: Aufhebung Bauverbot abgelehnt

Lüdinghausen

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

1 Aldenhövel

 

3 x 3,3 MW

 

Nordkirchen

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

 

 

 

 

Nottuln

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m

 

 

 

 

Olfen

alt-FNP aufgehoben, neu-FNP in Aufstellung

 

1 Mun.-Depot

2 Rechede

2 x 3,05 MW

 

 

Rosendahl

alt-FNP aufgehoben,

neu-FNP-Aufstellungs-verfahren ruht zz.

 

 

 

 

1 Holtwicker Mark

2 Midlich

3 Bergkamp

4 Höpingen

 

 

 

 

4 x 3,3 MW

3 x 3 MW

2 x 3,3 MW

3 x 3 MW

KT: Aufhebung Bauverbot in geplanten Windvorrangzonen gem. FNP-Entwurf

 

im Bau

Senden

rechtskr. FNP mit Höhenbegrenzung 100m; neu-FNP in Aufstellung

 

 

 

Stand: 04.08.2016