Betreff
Kommunale Planung nach § 7 des Alten- und Pflegegesetz NRW (APG NRW)
hier: Aufstellungsbeschluss und Umsetzung möglicher Maßnahmen
Vorlage
SV-9-0721
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

  1. Der vorgelegte Entwurf wird als Planung des Kreises Coesfeld nach § 7 des Alten- und  Pflegegesetzes NRW beschlossen.

 

  1. Zur Priorisierung und Umsetzung der in der Planung vorgeschlagenen Maßnahmemöglichkeiten wird durch die Verwaltung mit den Städten und Gemeinden eine interkommunale Arbeitsgruppe eingerichtet.

Begründung:

 

I.   Problem

 

Nach § 4 Alten- und Pflegegesetz NRW (APG) sind die Kreise und kreisfreien Städte verpflichtet, unter Einbeziehung der Kommunen eine örtlich bedarfsgerechte, pflegerische Angebotsstruktur zu schaffen. Soweit flankierende, vorpflegerische Angebote dazu beitragen, den Bedarf an Pflegeangeboten zu verringern, sind diese in den kommunalen Sicherstellungsauftrag integrierbar. Zur Umsetzung haben die Kreise und kreisfreien Städte nach § 7 APG kommunale Pflegepläne zu erarbeiten, die eine Bestandsaufnahme der Angebote, die Feststellung des quantitativen und qualitativen Bedarfes enthalten und die Frage nach Maßnahmen klären, die zur Herstellung, Sicherung oder Weiterentwicklung von Angeboten erforderlich sind. Eine erste Zusammenstellung der Ergebnisse der örtlichen Planung sowie die Umsetzung von Maßnahmen hat zum Stichtag 31.12.2015 zu erfolgen und danach als regelmäßige Berichtslegung alle zwei Jahre.

Mit Kreistagsbeschluss vom 17.06.2015 wurde die Verwaltung beauftragt, eine Alten- und Pflegeplanung nach diesen gesetzlichen Vorgaben durchzuführen (SV-9-251). Am 16.12.2015 erfolgte der Beschluss, für  diese Aufgabe einen externer Gutachter zu beauftragen (SV-9-391).

 

II.  Lösung

 

Die FOGS GmbH Köln (Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich) hat - nach vorherigem Vergabeverfahren – für den Kreis Coesfeld eine Planung nach den gesetzlichen Vorgaben des § 7 Abs. 1 bis 5 APG erarbeitet und vorgelegt (siehe Anlage).

 

Die Erarbeitung der Planung wurde abgestimmt und unterstützt durch eine Begleitgruppe mit Vertreter/innen der Kreisverwaltung (Dezernent 2, Abteilungsleitung 50, Fachdienstleitung „ambulante Hilfen“, Fachplaner Dezernat 2, Pflegeberatung und Psychiatrieplaner Abt. 53)  und zwei von der Bürgermeisterkonferenz benannten kommunalen Vertretern aus Senden und Nottuln.

 

Eine wichtige Grundlage für die Planung war – neben der Sammlung und Auswertung von Bevölkerungs-, Pflegebedürftigkeits- und Infrastrukturdaten – die Erörterung der Situation mit den Akteuren vor Ort. Der Gutachter hat hierzu Gesprächsrunden und Telefoninterviews mit Vertretern/innen aus folgenden Bereichen durchgeführt:

 

  • Alle Städte und Gemeinden
  • Stationäre Pflegeanbieter incl. Kurzzeitpflege
  • Ambulante Pflegeanbieter
  • Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen
  • Anbieter neuer Wohnformen
  • Seniorenvertretungen und Seniorenbeauftragte
  • Selbsthilfegruppen (KICS)
  • Pflegekassen
  • Pflege- und Wohnberatung

 

Im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit und in der Konferenz Alter und Pflege (08.03.2017) wird der Planungsentwurf von Vertretern/innen der FOGS GmbH vorgestellt und erläutert.

 

 

Auf folgende wichtige inhaltliche Aspekte des Berichtes wird hingewiesen:

 

1.    Modell zu Vorausberechnung der Bevölkerung:

Zusammen mit dem Gutachter wurde abgestimmt, dass das „Hildesheimer Modell“ in der Variante „ausklingende Wanderung“ die gemeinsam abgestimmte Planungsgrundlage ist. Gegenüber der Prognose des IT NRW werden für die Pflegeplanung insbesondere folgende entscheidende Vorteile gesehen:

 

  • Die Nutzung der aktuellen Meldedaten der Kommunen gegenüber älteren IT-Daten als Hochrechnungsbasis
  • Eine kleinräumige ortsteilscharfe Berechnung
  • Die Berücksichtigung altersabhängiger Geburtenraten und tatsächlich beobachteter Wanderungen

 

Als Planungshorizont wird generell der Zeitraum bis 2030 dargestellt, weil noch längerfristige Hochrechnungen zu viele Unsicherheiten beinhalten.

 

2.    Prognose der Entwicklung der Pflegequoten:

Zusätzlich zur demografischen Entwicklung gibt es nach FOGS verschiedene Hypothesen zur Entwicklung von Pflegequoten:

1.    Expansionsthese: Die Pflegewahrscheinlichkeit in den Altersgruppen bleibt in Zukunft konstant. Durch einen Anstieg der Lebenserwartung sind die Menschen längere Zeit pflegebedürftig.

2.    Kompressionsthese: Die Pflegewahrscheinlichkeit in den Altersgruppen nimmt – u. a. auf Grund des medizinischen Fortschritts und besseren/gesundheitsfördernden Lebensvoraussetzungen der zukünftigen Altenbevölkerung – ab. Die Pflegebedürftigkeit tritt später ein und durch einen Anstieg der Lebenserwartung bleibt die Zeitspanne der Pflegebedürftigkeit konstant oder nimmt ab.

 

Aufgrund (noch) fehlender Daten und Belege für die Kompressionsthese gibt es derzeit  nach Aussage von FOGS bei der Prognose der Pflegebedürftigkeit kaum Alternativen zur Expansionsthese.

Damit wird auch die Variante zu Grunde gelegt, die im Ergebnis zu höheren Bedarfszahlen führt. In der Summe würde die Anwendung der altersabhängigen Pflegebedürftigkeitsquoten 2015 auf die Prognose der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 eine Zunahme von 6.234 auf 8.118 Pflegebedürftige (+ 1.884) ergeben. Am stärksten fällt diese Zunahme im Zeitraum von 2015 – 2020 mit 885 Personen aus und schwächt sich auf 604 von 2020 – 2025 und 395 von 2025 – 2030 ab.  

 

 

3.    Entwicklung der Inanspruchnahme von Pflegeangeboten

Aktuell werden laut Pflegestatistik (2015) im Kreis Coesfeld 25,1 % der pflegebedürftigen Personen - definiert über den Leistungsbezug aus der Pflegeversicherung - von ambulanten Pflegediensten betreut, 33,1 % leben in stationären Einrichtungen und 41,8 % werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt bzw. erhalten Pflegegeld. Die Verhältnisse zwischen den Versorgungsarten unterscheiden sich zwischen dem Kreis Coesfeld und den umgebenden Gebietskörperschaften z. T. deutlich (wegen der fehlenden Daten aus 2015 musste hier auf die Pflegestatistik 2013 zurückgegriffen werden):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anteil der Versorgungsarten in %

 

(Pflegestatistik 2013)

Pflegedienste

 

stationäre

Dauerpflege

Angehörigenpflege

 

Kreis Coesfeld

24,2

33,5

41,1

Kreis Borken

32,0

23,7

43,3

Kreis Steinfurt

24,2

27,7

46,9

Kreis Unna

26,0

25,1

48,1

Stadt Münster

29,3

34,3

35,0

Kreis Recklinghausen

22,8

25,5

50,7

NRW

22,6

26,8

49,8

 

Der Kreis Coesfeld weist heute sowohl im Vergleich mit den Nachbarkreisen als auch gegenüber dem Landesdurchschnitt eine sehr hohe Zahl von stationären Dauerpflegeplätzen im Verhältnis der Bevölkerung über 65 Jahren auf (siehe Seite 35 im Gutachten). Dieser auffällig hohe Anteil der stationären Dauerpflege im Kreis Coesfeld kann folgende Erklärungen haben:

 

·         Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein zahlenmäßig starkes Angebot auch eine entsprechende Nachfrage erzeugt.

·         Seit Freigabe des Marktes im Jahr 2003 hat es im Kreis Coesfeld eine erhebliche Zunahme von Platzkapazitäten gegeben.

·         Es ist weiter davon auszugehen, dass derzeit in den Einrichtungen des Kreises im höheren Maße auch Pflegebedürftige aus umliegenden Regionen versorgt werden.

 

Hinsichtlich des künftigen Anteils der einzelnen Versorgungsarten werden von FOGS verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten dargestellt:

 

·         Szenario  1: Diese können sich weiter im gleichen Verhältnis zueinander entwickeln.

 

·         Szenario 2: Formelle Pflegearten (Pflegedienste und stationäre Dauerpflege) werden anteilig stärker, auch weil die Angehörigenpflege abnimmt.

 

·         Szenario 3: Die Zahl der stationär versorgten Menschen bleibt konstant gleich.

 

Im Gutachten wird grundsätzlich dem Szenario 2 gefolgt, d.h. es wird von mehr formeller Pflege ausgegangen. Da aber die stationäre Pflege im Kreis Coesfeld überdurchschnittlich angeboten wird, wird angenommen, dass die anteilige Steigerung der formellen Pflege durch Pflegedienste erbracht werden muss.

 

Zahlenmäßig hat dieses Prognosemodell zur Pflegebedürftigkeit folgende Auswirkungen:

 

 

 

 

Entwicklung der Gesamtzahlen an Pflegebedürftigen nach Versorgung

 

 

 

Zunahme der Zahl an Pflegebedürftigen ab 2015 nach Versorgung

·         Demnach steigt über die Jahre der Bedarf kontinuierlich in allen Versorgungsfeldern. 

·         Schon bis 2020 wären demnach gegenüber dem Jahr 2015 zusätzlich

o   331 Pflegebedürftige durch ambulante Pflegedienste,

o   346 Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen

o   und 208 Pflegebedürftige durch Angehörige zu versorgen.

·         Der Bedarfswert in der Stationären Pflege für 2020 entspricht dabei dem heute bereits bestehenden Angebot. Erst bis 2025 entsteht hier eine Bedarfslücke von ca. 200 Plätzen.

 

Ab Seite 46 des Berichtes werden die Ergebnisse des Gutachtens zusammengefasst und daraus Maßnahmenempfehlungen formuliert und begründet.

 

Es ist davon auszugehen, dass auch im Kreis Coesfeld das Potential pflegender Angehöriger zurückgehen wird und die steigende Zahl älterer und vor allem hochbetagter Menschen durch professionelle Angebote gepflegt werden muss.

 

Die originäre Verantwortung für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen wird in unterschiedlichen Händen liegen. Wichtig wird sein, die Maßnahmen zunächst zu priorisieren und anschließend zu koordinieren.

 

Am 12.01.2017 haben Vertreter/innen der Städte und Gemeinden den Entwurf der Planung erörtert. Dabei bestand zur planerischen Vorgehensweise weitgehender Konsens. Eine verbindliche bzw. priorisierende Festlegung der Maßnahmen in der vorliegenden Planung wurde jedoch nicht befürwortet. Es bestand Einvernehmen, die Liste in der Planung als „mögliche Maßnahmen“ zu bezeichnen. Für  die Optionen, Dringlichkeiten und zeitliche Abfolge der Umsetzung wird die Einrichtung einer interkommunalen Arbeitsgruppe vorgeschlagen, nachdem die Planung beschlossen wurde.

 

 

III.  Alternativen

Da die  Planung gemäß § 7 APG verpflichtend ist, bestehen hierzu keine Alternativen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Die im Gutachten prognostizierte, zunehmende Zahl von Pflegebedürftigen wird im Leistungsbereich unabwendbar zu gesteigerten Ausgaben führen. Gleichzeitige Herausforderung und Gelegenheit wird es dann sein, mit den beschriebenen Maßnahmen diese Entwicklung zu gestalten und zu steuern. 

 

 

V.    Zuständigkeit für die Entscheidung

Wegen der Grundsätzlichkeit der Entscheidung liegt die Zuständigkeit beim Kreistag.

 

 

 

 

Anlage:

 

Bericht (Stand Januar 2017) „Pflegebedarfsplanung für den Kreis Coesfeld“