Betreff
Antrag auf finanzielle Förderung des Leistungsangebotes Kompass - Psychologische Beratung für Eltern von viel zu früh geborenen, behinderten und schwer kranken Kindern
Vorlage
SV-9-0933
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Der Antrag auf weitere Förderung des Projektes Kompass „Psychologische Beratung für Eltern von viel zu früh geborenen, behinderten und schwer kranken Kindern“ des Bunten Kreises Münsterland e.V. vom 11.07.2017 wird als freiwillige Leistung auf Vorschlag der Bürgermeisterkonferenz und in Abstimmung mit den Jugendämtern der Städte Coesfeld und Dülmen auch vom Kreisjugendamt Coesfeld abgelehnt. 

 

Begründung:

 

I. Problem

 

Seit dem 01.04.2014 setzt der Bunte Kreis Münsterland e.V. das Projekt Kompass – Psychologische Beratung für Eltern von viel zu früh geborenen, behinderten und schwer kranken Kindern des Bunten Kreises Münsterland (BKM) um. Über den Antrag auf Förderung von pauschal 25 Wochenstunden sollte in den Haushaltsberatungen der vom Bunten Kreis angesprochenen Jugendämter des Kreises Coesfeld, der Städte Dülmen und Coesfeld entschieden werden, obwohl sich im SGB VIII keine Rechtsgrundlage für eine Leistung dieser Art findet. Die Leistungen kommen zwar Familien zugute, sind jedoch veranlasst durch die Krankheit oder Behinderung eines Kindes und somit eher der Krankenhilfe bzw. dem SGB V zuzuordnen.

 

Die in der Zwischenzeit von den Jugendämtern angeregte intensive Auseinandersetzung des BKM mit den einschlägigen gesetzlichen Krankenkassen AOK, Barmer Ersatzkasse, Techniker Krankenkasse und IKK hat ergeben, dass die Sinnhaftigkeit der psychologischen Beratung der Eltern zwar anerkannt und gesellschaftlich begrüßt wird, jedoch keine Möglichkeit der finanziellen Förderung besteht. Auch § 11 SGB V kann keine Leistungsansprüche begründen, weil das Angebot der psychologischen Beratung im Sinne des Kompass-Konzeptes nicht in einem der folgenden Paragraphen spezifiziert wird. Somit mangelt es im Rechtskreis Krankenhilfe ebenso wie in der Jugendhilfe an einer einschlägigen Rechtsgrundlage.

 

Im Ergebnis haben sich die politischen Gremien Kreistag, Stadträte Dülmen und Coesfeld im Dezember 2016 zu einer einheitlichen, jedoch reduzierten Pauschalförderung (statt 25 nur 20 Wochenstunden) begrenzt auf ein Jahr (01.04.2017 bis 31.03.2018) durchgerungen. In diesem Zusammenhang ist dem BKM aufgegeben worden, weiterhin intensiv nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen.

 

Zur Suche nach alternativen Fördermöglichkeiten hat der BKM folgende Rückmeldungen gegeben:

 

 

  1. Ablehnung einer Förderung durch die Krankenkassen und Krankenkassenverbände in Westfalen-Lippe nach § 43 Abs. 2 SGB V

Die Knappschaft Dezernat I.3., Leistungsmanagement Krankenhäuser und Rehabilitation aus Bochum, hat stellvertretend für AOK Nord-West, IKK classic, BKK-Landesverband Nord-West, vdek-Landesvertretung NRW und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) mitgeteilt, dass sie die Angebote für Familien über § 43 Abs. 2 SGB V (Nachsorgemaßnahmen) hinaus begrüßt, aber keine gesetzliche Möglichkeit sieht, das Projekt finanziell zu unterstützen.

 

 

  1. Ablehnung der Förderung nach § 20 a SGB V „Förderung von Projekten in Lebenswelten“ durch die Krankenkassen/-verbände in NRW

Der Antrag des Bunten Kreises Münsterland wurde abgelehnt, da das Beratungsangebot bereits seit drei Jahren existiert. Gefördert werden können jedoch nur neue Strukturen und Angebote. Darüber hinaus haben die nicht sichergestellte Nachhaltigkeit des Projektes und das Fehlen gesundheitsfördernder Ansätze auf der Verhaltensebene einen Ausschlag für die Ablehnung gegeben.

 

 

3.    Nichtzustandekommen einer Projektförderung i.V.m. der Euregio

Die Euregio hat auf niederländischer Seite mit möglichen Partnern gesprochen und hat mitgeteilt, dass grundsätzlich eine Projektförderung in Frage komme und weiter geprüft werden könne.

Der BKM hat jedoch mitgeteilt, er suche zum einen eine strukturelle Finanzierung für die Kernaufgaben des Bunten Kreises. Eine Projektarbeit würde in der derzeitigen Situation die aufgebauten Strukturen gefährden. Zum anderen wies der BKM darauf hin, dass eine Projektförderung nicht das vorliegende Konzept betreffen würde, sondern eine wesentliche konzeptionelle Änderung erfolgen müsste.

 

  1. Förderung des Kreisjugendamtes Borken mit Wirkung zum 01.06.2017

Das Kreisjugendamt Borken hat aufgrund der Antragsunterlagen des BKM einen Fachleistungsstundensatz und daraus eine Fallpauschale ermittelt und rechnet auf dieser Basis mit dem Bunten Kreis Münsterland e.V. anonyme Einzelfälle ab.

 

  1. Anfrage beim NRW-Gesundheitsministerium

Darüber hinaus steht die Antwort auf die Anfrage von Herrn Bürgermeister Öhmann zu der augenscheinlich bestehenden Versorgungs- und Finanzierungslücke im Gesundheitssystem bei Herrn Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Karl-Josef Laumann, noch aus.

 

 

Erneuter Antrag auf Pauschalförderung vom 11.07.2017:

 

Der BKM hat mit Schreiben vom 11.07.2017 die Weiterfinanzierung des Angebotes über die Jugendhilfe beantragt, und zwar erneut bei den Jugendämtern Kreis Coesfeld, Städte Dülmen und Coesfeld (Anlage, Antrag des BKM).

Die Fallzahlen im Antrag auf Seite 11 hat der BKM auf Anforderung wie folgt aktualisiert und erläutert, dass Beratungsprozesse im face to face-Kontakt erfolgen:

 

 

Stand der Familien in der psychologischen Beratung KOMPASS, September 2017

Ort

Tätigkeit

Anzahl der Familien

 

Kreis Coesfeld

Havixbeck

Beratung

4

2 laufend

2 abgeschlossen

Billerbeck

Beratung

2

1 laufend

1 abgeschlossen

Nottuln

Beratung

2

1 laufend

1 abgeschlossen

Darfeld

Beratung

 

2

1 laufend

1 abgeschlossen

Nordkirchen

Beratung

2

2 laufend

Stadt Dülmen

 

Beratungsprozesse

5

2 laufend

3 abgeschlossen

Stadt Coesfeld

 

Beratung

12

3 laufend

9 abgeschlossen

 

Unverändert ist der geschilderte Bedarf der Psychologischen Beratung durchaus nachvollziehbar und belegt. Dass bei chronischer Erkrankung oder schwerer Behinderung eines Kindes das gesamte Familiengefüge in Gefahr gerät und dass die psychologische Beratung eine Perspektiverweiterung ermöglicht, Stabilität in der Erziehungskompetenz vermittelt und insgesamt die betroffenen Familien stärken kann, ist im Sinne einer wirksamen präventiven Arbeit unbestritten. Auch können die Aktivitäten aufgrund der Nähe zu den betroffenen Familien und der eng verzahnten Arbeit mit den Einrichtungen der Christophorus-Trägergesellschaft durch den BKM besonders nah, effektiv und kompetent erbracht werden.

Es gibt jedoch auch Anbieter wie das Sozialpädiatrische Zentrum Westmünsterland (SPZ) oder die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Caritasverbandes, die ähnliche Leistungen erbringen. Im Unterschied zu diesen Anbietern erfolgt die psychologische Beratung bei Kompass aufsuchend, d. h. die Eltern werden zu Hause von der Psychologin besucht. Auch kann bei Kompass das Angebot verlässlich mit einer festen Ansprechpartnerin geboten werden, so dass ganzheitlich Biographie-Arbeit, Stressbewältigung, Optimierung finanzieller Belastungen und Alltagsmanagement etc. bearbeitet werden können. Entsprechend erfolgt die psychologische Arbeit mit mehr Zeitkontingenten als dies in den SPZs mit Abrechnung von Fallpauschalen nach dem SGB V und in den Erziehungsberatungsstellen möglich ist.

Insgesamt wird die Arbeit der Psychologinnen in diesem Projekt als für die betroffenen Eltern besonders unterstützend und wertschätzend wahrgenommen. Dies stärkt die vorhandenen Familiensysteme und wirkt sich auf diese stabilisierend aus.

 

Auf der anderen Seite bleibt die Problematik der nicht gegebenen Zuständigkeit der Jugendhilfeträger. Die hier angefragte Entscheidung hat weitreichende Folgen, weil es sich um die Anerkennung einer freiwilligen Leistung handelt, die außerhalb des Rechtskreises der Kinder- und Jugendhilfe erbracht wird.

Im Falle einer Befürwortung des Antrages ist natürlich eine gewisse Präzedenzwirkung für andere soziale – ebenfalls grundsätzlich durchaus wünschenswerte - Leistungen zu erwarten. Unklar ist daher, inwieweit eine Befürwortung weitere nicht von Rechtskreisen gedeckte Folgeanträge nach sich zieht. Es kann nicht Aufgabe der Jugendhilfe sein, sämtliche Leistungen zu finanzieren, die im weitesten Sinne Familien zugutekommen, jedoch keinen eigenen Rechtskreis aufweisen. So würden die Jugendämter der Städte und des Kreises vermehrt und dauerhaft zum Ausfallbürgen für gesetzlich nicht geregelte Bedarfslagen.

Hinzu kommt, dass es kreisweit sowie gebündelt in Dülmen und Coesfeld ein dichtes und gut besetztes Netz an Diensten gibt, die zumindest in Teilbereichen ähnliche Leistungen anbieten, wie das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ), die Ehe-, Familien- und Lebensberatung oder die Erziehungsberatungsstelle der Caritas für Eltern, Kinder und Jugendliche. Um Mehrfachstrukturen zu vermeiden, sollte im Bedarfsfalle eher überlegt werden, wie vorhandene Beratungsressourcen entsprechend fachlich-inhaltlich an die Thematik herangeführt werden können bzw. Vernetzung zu bestehenden Einrichtungen/ Hilfsdiensten verbessert werden könnten. Daneben besteht die Möglichkeit, Selbsthilfegruppen zu nutzen oder selber zu gründen. Seit Mai 2017 haben die Mitarbeiterinnen der vom Kreis finanzierten Selbsthilfekontaktstelle ihre Arbeit aufgenommen.

Die freiwillige Natur der Aufgabe, die unklare Abgrenzung zur Krankenhilfe (SGB V), die Präzedenzwirkung auf ähnlich gelagerte Angebote ohne Rechtsgrundlage sowie das Bestehen anderer spezieller Dienste, die in Teilbereichen ebenfalls in Anspruch genommen werden können, sprechen folglich für eine restriktive Handhabung des Antrages.

In der Bürgermeisterkonferenz wurde der Antrag des Bunten Kreises am 09.10.2017 erörtert. Für und wider wurde dabei ausführlich diskutiert und die Arbeit des Bunten Kreises umfassend gewürdigt. Aus den vorgenannten Gründen haben jedoch alle Kommunen den Kreis gebeten, nicht in eine Dauerförderung einzutreten und über den einjährigen Bewilligungszeitraum hinaus keine Förderung zu gewähren. Ebenso werden die Städte Coesfeld und Dülmen verwaltungsseitig sich nicht für eine weitere Förderung aussprechen.

 

II. Lösung

 

Aus den vorstehend geschilderten Gründen sind die Jugendamtsverwaltungen im Kreis Coesfeld (Stadt Dülmen, Kreis Coesfeld, Stadt Coesfeld) letztlich nach intensiven Erörterungen übereingekommen, dass sie eine Förderung aufgrund der weitreichenden Bindungswirkung und der knappen kommunalen Mittel nicht vorschlagen.

 

 

III. Alternativen

 

Dem Antrag des Bunten Kreises Münsterland e. V. auf finanzielle Förderung durch die Stadtjugendämter Coesfeld und Dülmen sowie dem Kreisjugendamt Coesfeld in Höhe von insgesamt 28.104,05 € wird entsprochen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

Sofern die Alternative zum Tragen kommt, würden dem Kreisjugendamt Coesfeld durch die Fortführung der Förderung des Leistungsangebotes Kompass anteilige Kosten in Höhe von jährlich 17.500 € entstehen. Diese wurden bisher nicht im Haushalt veranschlagt. Für 2018 wären zusätzliche Mittel für die Zeit von April bis Dezember in Höhe von 13.125 € über die Änderungsliste aufzunehmen.

 

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

Gemäß § 71 SGB VIII in Verbindung mit § 5 der Satzung für das Jugendamt des Kreises Coesfeld ist der Jugendhilfeausschuss für die Entscheidung grundsätzlich zuständig. Aufgrund der Auswirkungen auf den Zuschuss des Produktbereiches 51 – Jugendamt und möglicherweise auf den Hebesatz der Kreisumlage-Mehrbelastung Jugendamt ist für die Entscheidung der Kreistag zuständig.

Anlagen:

 

Antrag des Bunten Kreises Münsterland vom 11.07.2017

 

Kurzfassung des Antrags vom 20.12.2017