Betreff
Sachstand zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge
Vorlage
SV-9-0998
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Sachstandsbericht zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wird zur Kenntnis genommen.

Begründung:

 

I. - III.

 

 

Seit 2015 wurden durch das Kreisjugendamt Coesfeld 150 unbegleitete minderjährige Ausländer betreut. Sieben unbegleitete Minderjährige waren weiblich. In absteigender Reihenfolge kamen die meisten Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Die überwiegende Anzahl der Jugendlichen gab ein Alter zwischen 15 und 17 Jahren an. Vor 2015 gab es im Kreis Coesfeld kaum Berührungspunkte mit der Einreise unbegleiteter Minderjähriger.

 

Die sog. „Flüchtlingswelle“ erreichte den Kreis Coesfeld im Herbst 2015. Allein im Oktober und November wurden 72 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut genommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes sowohl in Nordkirchen, Olfen, Lüdinghausen als auch in Nottuln zentrale Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW.

 

Vor der Entscheidung über die Durchführung einer Inobhutnahme erfolgt grundsätzlich eine Inaugenscheinnahme und Erstbefragung durch zwei Jugendamtsmitarbeiter/innen unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers oder Dolmetschers.

 

Durch die provisorische Schaffung einer Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Ausländer innerhalb der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Coesfeld am Leisweg, konnte den besonderen Schutzbedürfnissen der unbegleiteten Minderjährigen vorübergehend Rechnung getragen werden.

 

Im Dezember 2015 wurde in enger Zusammenarbeit mit den Stadtjugendämtern Dülmen und Coesfeld sowie dem DRK Kreisverband die Brückeneinrichtung für unbegleitete minderjährige Ausländer im St. Josefshaus in Seppenrade eröffnet.  Hier konnten eine adäquate  pädagogische Betreuung, Beschulung sowie dank des hohen Engagements einer Vielzahl Ehrenamtlicher vielfältige Angebote der Freizeitgestaltung für die Jugendlichen bereitgestellt werden. Die eingereisten jungen Menschen erholten sich von ihrer Flucht, fanden Menschen vor, die ihre Sprache beherrschten und andere Jugendliche, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befanden. Ein zunächst vorsorglich beauftragter Sicherheitsdienst wurde erfreulicherweise nicht benötigt, so dass hierauf im Laufe der Zeit verzichtet werden konnte.

 

Um die Betreuung und Versorgung der unbegleiteten Minderjährigen sicherstellen zu können, wurden eine zusätzliche Stelle im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), 2,25 Stellen im Bereich Amtsvormundschaften sowie eine halbe zusätzliche Stelle in der Wirtschaftlichen Jugendhilfe eingerichtet. Die neue Mitarbeiterin im ASD erhielt einen Arbeitsplatz in der Brückeneinrichtung, wodurch ein enger Austausch mit den Jugendlichen und den Mitarbeiter/innen des DRK sichergestellt war. Daneben wurden mehrere intern und externe Fortbildungen für Mitarbeiter des Kreisjugendamtes zu den Themen Ausländerrecht, Salafismus und Interkulturelle Sensibilisierung angeboten.

 

Für jeden unbegleiteten Minderjährigen wurde während seines Aufenthaltes in der Brückeneinrichtung gemäß den gesetzlichen Anforderungen und den Empfehlungen des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW ein Clearing erstellt, um den weiteren Hilfebedarf der Jugendlichen individuell zu erfassen und sie anschließend in passgenaue Hilfesysteme vermitteln zu können.

 

Zum 31.12.2017 konnte die Brückeneinrichtung geschlossen und die verbleibenden jungen Menschen in die neue Regelwohngruppe sowie das Betreute Wohnen des DRK umgesiedelt werden. Sollte es erneut zu einer Flüchtlingswelle kommen, stehen im St. Josefshaus noch 6 Zimmer zur Verfügung, die kurzfristig wieder als Brückeneinrichtung genutzt werden könnten. Ebenso stehen für diesen Zweck noch Räumlichkeiten im alten Internat Nottuln ab dem 01.07.2019 wieder zur Verfügung, welche bis dahin an die Alexianer Martinistift GmbH untervermietet sind.

 

Insgesamt 91 unbegleitete minderjährige Ausländer wurden bis Mitte Januar 2018 bereits wieder aus der Jugendhilfe entlassen. Einige erreichten die Volljährigkeit und zeigten keinen weiteren Jugendhilfebedarf. In vier Fällen konnten die minderjährigen Ausländer im Wege der Familienzusammenführung zu Angehörigen innerhalb Deutschlands wechseln. Der überwiegende Teil der Hilfen wurde gemäß Hilfeplanung erfolgreich beendet.

 

Ende Januar wurde noch für 63 unbegleitete minderjährige Ausländer Jugendhilfe durch das Kreisjugendamt gewährt. Bei 26 von ihnen handelt es sich um Hilfen für junge Volljährige. Aufgrund des Fallzahlenrückgangs und der Schließung der Brückeneinrichtung wurden bereits die zusätzliche halbe Stelle in der Wirtschaftlichen Jugendhilfe sowie 1,72 Stellen im Bereich der Amtsvormundschaften wieder eingespart. Während das Kreisjugendamt im Jahr 2017 insgesamt 86 Amtsvormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgeübt hat, sind es im Januar 2018 nur noch 37.

 

Eine große Herausforderung stellen die erwähnten Alterseinschätzungen dar. Gemäß den geltenden Empfehlungen der Ministerien für Inneres und Kommunales sowie für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW in Zusammenarbeit mit den Landesjugendämtern werden sämtliche Inobhutnahmen nach erfolgter Alterseinschätzung durch zwei Mitarbeiter/innen des Kreisjugendamtes ausgesprochen. Neben der Würdigung der ggf. mitgeführten Papiere werden auch der persönliche Eindruck, das körperliche Erscheinungsbild sowie das Verhalten und die Plausibilität der Gesprächsinhalte einbezogen. In 8 Fällen wurden durch die erkennungsdienstliche Behandlung Mehrfachidentitäten festgestellt oder durch rechtsmedizinische Altersfeststellungen Volljährigkeit nachgewiesen.

 

Eine weitere Herausforderung besteht in den engen Fristsetzungen, die der Gesetzgeber vorschreibt. Das im Oktober 2015 beschlossene und am 01.11.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher erwartet ab Bekanntwerden eines möglichen unbegleiteten Minderjährigen sofortiges Tätigwerden. In der weiteren Arbeit mit den Jugendlichen und hinsichtlich der Kostenerstattung sind durchgängig zeitlich vorgeschriebene Abläufe einzuhalten.

 

Rückblickend kann festgestellt werden, dass die vielfältigen Herausforderungen dieser neuen Aufgabe durch gelingende Kooperationen innerhalb der Verwaltung und auch außerhalb gut bewältigt wurden und werden. Die Schaffung der eigenen Brückeneinrichtung in Kooperation mit den beiden Stadtjugendämtern hat sich bewährt.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

Die Kosten der Versorgung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern im Rahmen der Jugendhilfe sind grundsätzlich erstattungsfähig. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls bei den Landschaftsverbänden wurden von hier bislang Abschlagszahlungen in Höhe von 70% geleistet. Dies führt zu erheblichen Außenständen. Bislang ist nicht geklärt, ob weiterhin Abschläge gezahlt werden.

 

Neben der Kostenerstattung für die Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen wird pro Fall eine Verwaltungkostenpauschale in Höhe von 3.100,00 € gezahlt.

 

Für die weitere Anmietung eines Flures mit 6 Zimmern für eine im Bedarfsfall wieder einzurichtende Brückeneinrichtung fallen monatliche Kosten in Höhe von 557,50 € an.

 

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Nach § 71 SGB VIII i.V.m. § 5 der Satzung für das Jugendamt des Kreises Coesfeld ist der Jugendhilfeausschuss für die Entscheidung zuständig.

Anlagen: