Beschlussvorschlag:
1.
Die
von der Landesregierung NRW beabsichtigten Änderungen am Landesentwicklungsplan
werden zur Kenntnis genommen.
2.
Dem
Formulierungsvorschlag für die Stellungnahme des Kreises Coesfeld wird
zugestimmt. Die Verwaltung wird damit beauftragt, die Stellungnahme der
Staatskanzlei NRW fristgerecht zukommen zu lassen.
Begründung:
I. Hintergrund
Der Landesentwicklungsplan (LEP NRW) dient dazu, das Landesgebiet
Nordrhein-Westfalens als zusammenfassender, überörtlicher und
fachübergreifender Raumordnungsplan zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern.
Hierzu werden Festlegungen zur Raumstruktur getroffen, insbesondere zu der
anzustrebenden Siedlungsstruktur, der anzustrebenden Freiraumstruktur und den
zu sichernden Standorten und Trassen für Infrastruktur. Die Bindungswirkung der
Festlegungen ergibt sich in erster Linie durch die Formulierung von Zielen der
Raumordnung (verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten
oder bestimmbaren und abschließend abgewogenen Festlegungen) sowie Grundsätzen
der Raumordnung (als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder
Ermessensentscheidungen). Flächenhafte Festlegungen erfolgen als Vorrang-
(andere Nutzungen ausgeschlossen), Vorbehalts- (vorbehaltene Nutzung unterliegt
der Abwägung) oder Eignungsgebiet (Nutzung an anderer Stelle ausgeschlossen).
Eine Konkretisierung und Differenzierung der landesplanerischen Vorgaben
erfolgt für den Kreis Coesfeld über den Regionalplan Münsterland, der aus dem
Raumordnungsplan für das Landesgebiet zu entwickeln ist.
Im Rahmen des Entfesselungspaketes II hat das Landeskabinett NRW am 19.
Dezember 2017 beschlossen, ein Änderungsverfahren für den LEP NRW
einzuleiten. Am 17. April 2018 wurde die Einleitung des
Änderungsverfahrens beschlossen. Vom 7. Mai bis 15. Juli 2018 läuft das
Beteiligungsverfahren für die Öffentlichkeit und die Planungsbehörden. In diesem
Zuge ist auch der Kreis Coesfeld zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.
Der Text der vorgesehenen Änderungen wird in einer dreispaltigen Tabelle
wiedergegeben. In der linken Spalte ist (auszugsweise) der Text des geltenden
LEP vom 8. Februar 2017 enthalten, in der mittleren Spalte finden sich die
vorgesehenen Änderungen mit Stand vom 17. April 2018 und aus der rechten Spalte
ergibt sich der Anlass für die vorgesehenen Änderungen.
Für den Zeitraum bis zur angekündigten Überarbeitung des LEP hat das
NRW-Wirtschaftsministerium zudem einen Erlass veröffentlicht, der die
Spielräume des derzeit geltenden Rechts mit Blick auf die Neufassung des LEP
erläutert und konkretisiert. Der Erlass verlängert die Planungszeiträume, um
höhere Gesamtflächen für Wohnen, Gewerbe und Industrie festlegen zu können,
konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen bereits jetzt in Ortsteilen unter
2.000 Einwohnern neue Wohngebiete und Gewerbegebiete für die Erweiterung
ansässiger Betriebe ausgewiesen werden können und trifft Aussagen dazu, unter
welchen Voraussetzungen auch die Bereitstellung von isoliert im Freiraum
liegenden Bereichen für gewerbliche und industrielle Nutzungen möglich ist.
II. Geplante Änderungen des LEP NRW
Der geänderte LEP soll aussagegemäß den Standort NRW attraktiver machen,
indem etwa Kommunen leichter Flächen für Ansiedlungen neuer und Erweiterungen
bestehender Unternehmen anbieten können (Änderungen Ziel 2-3). Auch in
Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern sollen sich Betriebe einfacher erweitern und
ihren Standort verlagern können (neues Ziel 2.4); die Ausweisung von Flächen
für den Wohnungsbau soll erleichtert werden. Der Entwurf verzichtet auf den
Grundsatz 6.1-2, den täglichen Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsflächen auf
fünf Hektar zu begrenzen.
Für Windenergieanlagen entfällt die Vorgabe einer bestimmten
regionalplanerisch zu sichernden Mindestfläche. Die ausdrückliche Aussage,
wonach die Errichtung von Windenergieanlagen im Wald möglich ist, entfällt.
Nunmehr ist ein sogenannter planerischer Vorsorgeabstand zu Wohngebieten
enthalten. Soweit im Einklang mit Bundesrecht und nach den örtlichen
Verhältnissen möglich, sollen Anlagen künftig nur im Abstand von 1.500 m zu
Wohngebieten geplant werden können (neuer Grundsatz 10.2-3). Zudem wird ein
neuer Grundsatz 8.2-7 zur „Energiewende und zum Netzausbau“ ergänzt, der zu
einer intensiveren Berücksichtigung der Erfordernisse der Energiewende bei der
Erarbeitung von Regionalplänen führen soll.
Alle sechs bisher im LEP genannten Flughäfen sollen künftig als
landesbedeutsam gelten und sich entsprechend entwickeln können. Hinsichtlich
des Rohstoffabbaus eröffnet der Entwurf die Möglichkeit, auf die bisher
ausnahmslos vorgegebene Konzentration der Abgrabungsbereiche zu verzichten. Bei
besonderen planerischen Konfliktlagen, wie z. B. Sand und Kies, soll aber auch
an der bisherigen regionalplanerischen Konzentration der Abgrabungsbereiche
festgehalten werden können (Ergänzung in Ziel und Erläuterungen zu 9.2-1).
III. Stellungnahme des Kreises Coesfeld
Die Verwaltung hat folgenden Formulierungsvorschlag für eine
Stellungnahme des Kreises Coesfeld erarbeitet:
Die geplanten Änderungen des
LEP NRW sehen eine deutliche Flexibilisierung und Liberalisierung vor.
Insbesondere räumen sie den Kommunen mehr Flexibilität und Entscheidungskompetenzen
bei der Flächenausweisung ein und bieten neue Möglichkeiten, Wohngebiete und
Wirtschaftsflächen, auch in Orten mit weniger als 2.000 Einwohnern, zu
entwickeln. Grundsätzlich wird diese Stärkung der kommunalen Planungshoheit
begrüßt. Gleichwohl führen aus Sicht des Kreises Coesfeld einige der geplanten
Änderungen mit Blick auf die nach wie vor hohe Flächeninanspruchnahme und den
erforderlichen Freiraumschutz zu weit.
Im Einzelnen regt der Kreis
Coesfeld folgende Anpassungen des Änderungsentwurfes an:
-
S.
4, Ziel 2-3 „Siedlungsraum und Freiraum“:
Der LEP-Entwurf sieht nun hinter sieben Spiegelstrichen eine
Ausweisbarkeit von Siedlungsfläche vor, welche jedoch nur „ausnahmsweise“
möglich sein soll. Hieran wird zunächst kritisch angemerkt, dass im weitere LEP
insgesamt kein Anhaltspunkt erkennbar ist, für welche jeweiligen Flächen im
Siedlungsraum diese Ausnahme vorstellbar erscheint und für welche Flächen die
Regelvermutung der nicht gegebenen Ausweisbarkeit fortbestehen soll.
Da am Ziel des schonenden Umganges mit Fläche und der daraus
gebotenen geringstmöglichen Flächeninanspruchnahme weiterhin Konsens besteht,
wird vorgeschlagen, die ausnahmsweise Zulässigkeit dieser Ausweisungen an den
Verzicht auf Siedlungsflächen an anderer Stelle eines Gemeindegebietes zu
verknüpfen.
Insbesondere für die Landwirtschaft im Kreis Coesfeld ist es von
besonderer Bedeutung, dass die insgesamt knappen Flächen nur so gering wie
möglich reduziert werden und die von den verbleibenden Flächen aufzunehmenden
Tierexkremente so weit wie möglich nur aus Ställen stammen, welche einem
landwirtschaftlichen Betrieb zugehörig sind und dienen.
In einer Fachveranstaltung zur Zukunft der Landwirtschaft und
des Klimaschutzes am 11.05.2018 in Messe- und Kongresszentrum Münster bestand
unter den Podiumsteilnehmern Einigkeit, dass die Zukunftsfähigkeit und
gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft maßgeblich auch davon abhängt,
dass weitere nicht-landwirtschaftliche Ställe (deren Futtermittelgrundlage
i.d.R. auf anderen Kontinenten liegen) vermieden werden.
Da die Ausweisung von weiteren Stallbaubereichen in der mit
einer hohen Viehdichte versehenen Region sowohl zum Schaden der kleinteilig vor
Ort erzeugenden Landwirtschaft als auch zum Nachteil der Boden- und
Umweltbelastung führen muss, wird angeregt, insbesondere auf den fünften
Spiegelstrich zu verzichten oder die ausnahmsweise Zulässigkeit auf ländliche
Regionen zu beschränken, wo der Tierbesatz unter 2 GVE/ ha liegt und Bereiche
mit Grundwasserkörpern, die in einem guten Zustand sind (Ausweisung von
Risikogebieten).
Entwicklung der Viehbestände in
NRW (1990 – 2016; 1.000 GVE); Regionale
Viehbestandsdichten
(2016; GVE je 100 ha LF)
(Nitratbericht
2017; S. 9)
-
S.
5, Ziel 2-4 „Entwicklung der im regionalplanerisch festgelegten Freiraum
gelegenen Ortsteile“:
Mit dem neu eingeführten Ziel 2-4
„Entwicklung der im regionalplanerisch festgelegten Freiraum gelegenen
Ortsteile“ soll Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern, die bisher nur im Rahmen
ihres Eigenbedarfes weiterentwickelt werden konnten, neue Flexibilität bei der
Flächenausweisung zurückgegeben werden. Dies widerspricht dem Grundsatz der
Raumordnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Raumordnungsgesetz, wonach die
Siedlungstätigkeit vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender
Infrastruktur zu konzentrieren ist und das Wachstum solcher Ortsteile für sich
betrachtet und in der Summe hinsichtlich der Inanspruchnahme von Freiflächen
erheblich unter der Entwicklung der im Regionalplan dargestellten Allgemeinen
Siedlungsbereiche bleiben soll. Insbesondere die auf S. 5 in den Erläuterungen
zu Ziel 2-3 vorgenommene Aufweichung der 2.000 Einwohner-Grenze („i.d.R.“,
„etwa 2.000 Einwohnern“) wird aufgrund ihrer Unbestimmtheit kritisch gesehen,
ebenso die auf S. 11 in den Erläuterungen zu Ziel 2-4 ermöglichte
Angebotsplanung von Bauflächen und -gebieten in Ortsteilen unter 2.000
Einwohnern. Das in den Erläuterungen auf S. 12 erwähnte „gesamtgemeindliche
Konzept mit einer Analyse der in den Ortsteilen vorhandenen Infrastruktur, den
noch freien Kapazitäten und den sich daraus unter Berücksichtigung des
bestehenden Siedlungsflächenbedarfs ergebenden städtebaulichen Entwicklungspotenziale“
sollte verbindlich eingefordert werden und nicht nur als „sinnvoll“ erachtet
werden.
-
S.
15, Grundsatz 6.1-2 „Leitbild flächensparende Siedlungsentwicklung“:
Es wird angeregt, den Grundsatz 6.1-2
„Leitbild flächensparende Siedlungsentwicklung“ mit dem 5 ha-Ziel
beizubehalten. Wenngleich sich der Kreis Coesfeld im Rahmen des
LEP-Änderungsverfahrens im Jahr 2015 gegen die Formulierung des Leitbildes
flächensparende Siedlungsentwicklung als Ziel der Raumordnung ausgesprochen
hatte, wird eine vollständige Aufgabe auch des Grundsatzes kritisch gesehen.
Dies widerspräche sowohl dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 6 Raumordnungsgesetz
als auch den Zielen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (30 ha-Ziel bis
2020). Ansprüche an den Freiraum sind vielfältiger Natur und bedürfen einer
Steuerung, die den ungehemmten Zugriff auf die Ressource Boden und vor allem
die landwirtschaftlichen Nutzflächen eindämmt. Auch für den Kreis Coesfeld ist
die Verringerung der Flächeninanspruchnahme ein wichtiges Ziel, dient sie doch
neben der Freiraumerhaltung auch dem Erhalt der historisch, kulturell und auch
touristisch bedeutsamen münsterländischen Parklandschaft.
-
S.
33, Erläuterung zu Ziel 7.3-1 „Walderhaltung und Waldinanspruchnahme“:
Die Streichung des dritten Absatzes
bedeutet in der Konsequenz, dass de facto die Inanspruchnahme von Waldflächen
für die Windkraftnutzung ausfällt. Bei Beibehaltung der Ziele zur regenerativen
Stromgewinnung mittels Windkraftanlagen gemäß Klimaschutzplan NRW und
gleichzeitiger Aufgabe des Grundsatzes 10.2.3 (Umfang der Flächenfestlegungen
für die Windenergienutzung) ist zu befürchten, dass ein verstärkter Druck auf
die Nichtwaldgebiete erzeugt wird, um der Windenergienutzung – wie beabsichtigt
– substanziell Raum geben zu können. Hier ist eine weitere Verdichtung des
Raumes mit Windenergieanlagen zu erwarten. Anmerken muss man auch, dass auch in
den Nichtwaldgebieten die Akzeptanz für die Nutzung der Windenergieanlagen
deutlich gesunken ist; die Vorbehalte hinsichtlich der Errichtung von Windparks
ebenfalls bestehen.
Seitens des Kreises Coesfeld wird angeregt,
bei Streichung des Ziels 7.3-1 eine Neuausrichtung zur Einhaltung der
Klimaschutzziele vorzunehmen und darzustellen, mit welchen Umsetzungsstrategien
die nationalen Ziele bei einer gleichmäßigen Belastung der Natur- und Freiräume
im Lande zu erreichen sind.
-
S.
42, Grundsatz 9.2-4 „Reservegebiete“
Die Aufnahme von Reservegebieten für die
langfristige Rohstoffversorgung bedeutet eine Aufweichung der getroffenen
Festsetzung von Freiraumbereichen für die Sicherung und Abbau oberflächennaher
Bodenschätze. Dies führt dazu, das nun Bereiche offenstehen, die auf der
Grundlage des rechtskräftigen Regionalplanes nicht zu Verfügung stehen.
Auch hier bedürfen Ansprüche an den
Freiraum einer Steuerung, die den ungehemmten Zugriff auf die Ressource Boden
eindämmt. Aus hiesiger Sicht sollte der Grundsatz beibehalten werden, dass das
Maß der Flächeninanspruchnahme unter Beachtung eines restriktiven Ansatzes
angepasst werden muss.
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S.
52, Grundsatz 10.2-3 „Abstand von Bereichen/ Flächen von Windenergieanlagen“:
Zu Allgemeinen Siedlungsbereichen und zu Wohnbauflächen soll ein
planerischer Vorsorgeabstand von 1.500 m zu allgemeinen und reinen Wohngebieten
eingehalten werden, soweit die örtlichen Verhältnisse dies ermöglichen. Für die
Untere Immissionsschutzbehörde des Kreises Coesfeld als zuständige
Genehmigungsbehörde für WEA wird der unbestimmte Rechtsbegriff „soweit die
örtlichen Verhältnisse dies zulassen“ von zentraler Bedeutung im Diskurs mit
den durch WEA betroffenen Bürgern werden. Hier sind von Seiten des Kreises
eindeutige Kriterien für die Bewertung dieses Rechtsbegriffs notwendig.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Es entstehen keine finanziellen Aufwendungen.
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 S. 1 KrO NRW zuständig.