Betreff
Stellungnahme des Kreises Coesfeld zur geplanten Änderung des Landesentwicklungsplans NRW
Vorlage
SV-9-1093
Aktenzeichen
61.12.02-2018
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

1.   Die von der Landesregierung NRW beabsichtigten Änderungen am Landesentwicklungsplan werden zur Kenntnis genommen.

2.   Dem Formulierungsvorschlag für die Stellungnahme des Kreises Coesfeld wird zugestimmt. Die Verwaltung wird damit beauftragt, die Stellungnahme der Staatskanzlei NRW fristgerecht zukommen zu lassen.

Begründung:

 

I.   Hintergrund

Der Landesentwicklungsplan (LEP NRW) dient dazu, das Landesgebiet Nordrhein-Westfalens als zusammenfassender, überörtlicher und fachübergreifender Raumordnungsplan zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Hierzu werden Festlegungen zur Raumstruktur getroffen, insbesondere zu der anzustrebenden Siedlungsstruktur, der anzustrebenden Freiraumstruktur und den zu sichernden Standorten und Trassen für Infrastruktur. Die Bindungswirkung der Festlegungen ergibt sich in erster Linie durch die Formulierung von Zielen der Raumordnung (verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren und abschließend abgewogenen Festlegungen) sowie Grundsätzen der Raumordnung (als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen). Flächenhafte Festlegungen erfolgen als Vorrang- (andere Nutzungen ausgeschlossen), Vorbehalts- (vorbehaltene Nutzung unterliegt der Abwägung) oder Eignungsgebiet (Nutzung an anderer Stelle ausgeschlossen). Eine Konkretisierung und Differenzierung der landesplanerischen Vorgaben erfolgt für den Kreis Coesfeld über den Regionalplan Münsterland, der aus dem Raumordnungsplan für das Landesgebiet zu entwickeln ist.

Im Rahmen des Entfesselungspaketes II hat das Landeskabinett NRW am 19. Dezember 2017 beschlossen, ein Änderungsverfahren für den LEP NRW einzuleiten. Am 17. April 2018 wurde die Einleitung des Änderungsverfahrens beschlossen. Vom 7. Mai bis 15. Juli 2018 läuft das Beteiligungsverfahren für die Öffentlichkeit und die Planungsbehörden. In diesem Zuge ist auch der Kreis Coesfeld zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.

Der Text der vorgesehenen Änderungen wird in einer dreispaltigen Tabelle wiedergegeben. In der linken Spalte ist (auszugsweise) der Text des geltenden LEP vom 8. Februar 2017 enthalten, in der mittleren Spalte finden sich die vorgesehenen Änderungen mit Stand vom 17. April 2018 und aus der rechten Spalte ergibt sich der Anlass für die vorgesehenen Änderungen.

Für den Zeitraum bis zur angekündigten Überarbeitung des LEP hat das NRW-Wirtschaftsministerium zudem einen Erlass veröffentlicht, der die Spielräume des derzeit geltenden Rechts mit Blick auf die Neufassung des LEP erläutert und konkretisiert. Der Erlass verlängert die Planungszeiträume, um höhere Gesamtflächen für Wohnen, Gewerbe und Industrie festlegen zu können, konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen bereits jetzt in Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern neue Wohngebiete und Gewerbegebiete für die Erweiterung ansässiger Betriebe ausgewiesen werden können und trifft Aussagen dazu, unter welchen Voraussetzungen auch die Bereitstellung von isoliert im Freiraum liegenden Bereichen für gewerbliche und industrielle Nutzungen möglich ist.

 

II.  Geplante Änderungen des LEP NRW

Der geänderte LEP soll aussagegemäß den Standort NRW attraktiver machen, indem etwa Kommunen leichter Flächen für Ansiedlungen neuer und Erweiterungen bestehender Unternehmen anbieten können (Änderungen Ziel 2-3). Auch in Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern sollen sich Betriebe einfacher erweitern und ihren Standort verlagern können (neues Ziel 2.4); die Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau soll erleichtert werden. Der Entwurf verzichtet auf den Grundsatz 6.1-2, den täglichen Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsflächen auf fünf Hektar zu begrenzen.

Für Windenergieanlagen entfällt die Vorgabe einer bestimmten regionalplanerisch zu sichernden Mindestfläche. Die ausdrückliche Aussage, wonach die Errichtung von Windenergieanlagen im Wald möglich ist, entfällt. Nunmehr ist ein sogenannter planerischer Vorsorgeabstand zu Wohngebieten enthalten. Soweit im Einklang mit Bundesrecht und nach den örtlichen Verhältnissen möglich, sollen Anlagen künftig nur im Abstand von 1.500 m zu Wohngebieten geplant werden können (neuer Grundsatz 10.2-3). Zudem wird ein neuer Grundsatz 8.2-7 zur „Energiewende und zum Netzausbau“ ergänzt, der zu einer intensiveren Berücksichtigung der Erfordernisse der Energiewende bei der Erarbeitung von Regionalplänen führen soll.

Alle sechs bisher im LEP genannten Flughäfen sollen künftig als landesbedeutsam gelten und sich entsprechend entwickeln können. Hinsichtlich des Rohstoffabbaus eröffnet der Entwurf die Möglichkeit, auf die bisher ausnahmslos vorgegebene Konzentration der Abgrabungsbereiche zu verzichten. Bei besonderen planerischen Konfliktlagen, wie z. B. Sand und Kies, soll aber auch an der bisherigen regionalplanerischen Konzentration der Abgrabungsbereiche festgehalten werden können (Ergänzung in Ziel und Erläuterungen zu 9.2-1).

 

III. Stellungnahme des Kreises Coesfeld

Die Verwaltung hat folgenden Formulierungsvorschlag für eine Stellungnahme des Kreises Coesfeld erarbeitet:

 

Die geplanten Änderungen des LEP NRW sehen eine deutliche Flexibilisierung und Liberalisierung vor. Insbesondere räumen sie den Kommunen mehr Flexibilität und Entscheidungskompetenzen bei der Flächenausweisung ein und bieten neue Möglichkeiten, Wohngebiete und Wirtschaftsflächen, auch in Orten mit weniger als 2.000 Einwohnern, zu entwickeln. Grundsätzlich wird diese Stärkung der kommunalen Planungshoheit begrüßt. Gleichwohl führen aus Sicht des Kreises Coesfeld einige der geplanten Änderungen mit Blick auf die nach wie vor hohe Flächeninanspruchnahme und den erforderlichen Freiraumschutz zu weit.

Im Einzelnen regt der Kreis Coesfeld folgende Anpassungen des Änderungsentwurfes an:

 

-      S. 4, Ziel 2-3 „Siedlungsraum und Freiraum“:

     Der LEP-Entwurf sieht nun hinter sieben Spiegelstrichen eine Ausweisbarkeit von Siedlungsfläche vor, welche jedoch nur „ausnahmsweise“ möglich sein soll. Hieran wird zunächst kritisch angemerkt, dass im weitere LEP insgesamt kein Anhaltspunkt erkennbar ist, für welche jeweiligen Flächen im Siedlungsraum diese Ausnahme vorstellbar erscheint und für welche Flächen die Regelvermutung der nicht gegebenen Ausweisbarkeit fortbestehen soll.

     Da am Ziel des schonenden Umganges mit Fläche und der daraus gebotenen geringstmöglichen Flächeninanspruchnahme weiterhin Konsens besteht, wird vorgeschlagen, die ausnahmsweise Zulässigkeit dieser Ausweisungen an den Verzicht auf Siedlungsflächen an anderer Stelle eines Gemeindegebietes zu verknüpfen.

     Insbesondere für die Landwirtschaft im Kreis Coesfeld ist es von besonderer Bedeutung, dass die insgesamt knappen Flächen nur so gering wie möglich reduziert werden und die von den verbleibenden Flächen aufzunehmenden Tierexkremente so weit wie möglich nur aus Ställen stammen, welche einem landwirtschaftlichen Betrieb zugehörig sind und dienen.

     In einer Fachveranstaltung zur Zukunft der Landwirtschaft und des Klimaschutzes am 11.05.2018 in Messe- und Kongresszentrum Münster bestand unter den Podiumsteilnehmern Einigkeit, dass die Zukunftsfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft maßgeblich auch davon abhängt, dass weitere nicht-landwirtschaftliche Ställe (deren Futtermittelgrundlage i.d.R. auf anderen Kontinenten liegen) vermieden werden.

     Da die Ausweisung von weiteren Stallbaubereichen in der mit einer hohen Viehdichte versehenen Region sowohl zum Schaden der kleinteilig vor Ort erzeugenden Landwirtschaft als auch zum Nachteil der Boden- und Umweltbelastung führen muss, wird angeregt, insbesondere auf den fünften Spiegelstrich zu verzichten oder die ausnahmsweise Zulässigkeit auf ländliche Regionen zu beschränken, wo der Tierbesatz unter 2 GVE/ ha liegt und Bereiche mit Grundwasserkörpern, die in einem guten Zustand sind (Ausweisung von Risikogebieten).

 

                Entwicklung der Viehbestände in NRW (1990 – 2016; 1.000 GVE); Regionale

                Viehbestandsdichten (2016; GVE je 100 ha LF)

                (Nitratbericht 2017; S. 9)

 

-      S. 5, Ziel 2-4 „Entwicklung der im regionalplanerisch festgelegten Freiraum gelegenen Ortsteile“:

     Mit dem neu eingeführten Ziel 2-4 „Entwicklung der im regionalplanerisch festgelegten Freiraum gelegenen Ortsteile“ soll Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern, die bisher nur im Rahmen ihres Eigenbedarfes weiterentwickelt werden konnten, neue Flexibilität bei der Flächenausweisung zurückgegeben werden. Dies widerspricht dem Grundsatz der Raumordnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Raumordnungsgesetz, wonach die Siedlungstätigkeit vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur zu konzentrieren ist und das Wachstum solcher Ortsteile für sich betrachtet und in der Summe hinsichtlich der Inanspruchnahme von Freiflächen erheblich unter der Entwicklung der im Regionalplan dargestellten Allgemeinen Siedlungsbereiche bleiben soll. Insbesondere die auf S. 5 in den Erläuterungen zu Ziel 2-3 vorgenommene Aufweichung der 2.000 Einwohner-Grenze („i.d.R.“, „etwa 2.000 Einwohnern“) wird aufgrund ihrer Unbestimmtheit kritisch gesehen, ebenso die auf S. 11 in den Erläuterungen zu Ziel 2-4 ermöglichte Angebotsplanung von Bauflächen und -gebieten in Ortsteilen unter 2.000 Einwohnern. Das in den Erläuterungen auf S. 12 erwähnte „gesamtgemeindliche Konzept mit einer Analyse der in den Ortsteilen vorhandenen Infrastruktur, den noch freien Kapazitäten und den sich daraus unter Berücksichtigung des bestehenden Siedlungsflächenbedarfs ergebenden städtebaulichen Entwicklungspotenziale“ sollte verbindlich eingefordert werden und nicht nur als „sinnvoll“ erachtet werden.

 

-      S. 15, Grundsatz 6.1-2 „Leitbild flächensparende Siedlungsentwicklung“:

     Es wird angeregt, den Grundsatz 6.1-2 „Leitbild flächensparende Siedlungsentwicklung“ mit dem 5 ha-Ziel beizubehalten. Wenngleich sich der Kreis Coesfeld im Rahmen des LEP-Änderungsverfahrens im Jahr 2015 gegen die Formulierung des Leitbildes flächensparende Siedlungsentwicklung als Ziel der Raumordnung ausgesprochen hatte, wird eine vollständige Aufgabe auch des Grundsatzes kritisch gesehen. Dies widerspräche sowohl dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 6 Raumordnungsgesetz als auch den Zielen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (30 ha-Ziel bis 2020). Ansprüche an den Freiraum sind vielfältiger Natur und bedürfen einer Steuerung, die den ungehemmten Zugriff auf die Ressource Boden und vor allem die landwirtschaftlichen Nutzflächen eindämmt. Auch für den Kreis Coesfeld ist die Verringerung der Flächeninanspruchnahme ein wichtiges Ziel, dient sie doch neben der Freiraumerhaltung auch dem Erhalt der historisch, kulturell und auch touristisch bedeutsamen münsterländischen Parklandschaft.

 

-      S. 33, Erläuterung zu Ziel 7.3-1 „Walderhaltung und Waldinanspruchnahme“:

     Die Streichung des dritten Absatzes bedeutet in der Konsequenz, dass de facto die Inanspruchnahme von Waldflächen für die Windkraftnutzung ausfällt. Bei Beibehaltung der Ziele zur regenerativen Stromgewinnung mittels Windkraftanlagen gemäß Klimaschutzplan NRW und gleichzeitiger Aufgabe des Grundsatzes 10.2.3 (Umfang der Flächenfestlegungen für die Windenergienutzung) ist zu befürchten, dass ein verstärkter Druck auf die Nichtwaldgebiete erzeugt wird, um der Windenergienutzung – wie beabsichtigt – substanziell Raum geben zu können. Hier ist eine weitere Verdichtung des Raumes mit Windenergieanlagen zu erwarten. Anmerken muss man auch, dass auch in den Nichtwaldgebieten die Akzeptanz für die Nutzung der Windenergieanlagen deutlich gesunken ist; die Vorbehalte hinsichtlich der Errichtung von Windparks ebenfalls bestehen.

     Seitens des Kreises Coesfeld wird angeregt, bei Streichung des Ziels 7.3-1 eine Neuausrichtung zur Einhaltung der Klimaschutzziele vorzunehmen und darzustellen, mit welchen Umsetzungsstrategien die nationalen Ziele bei einer gleichmäßigen Belastung der Natur- und Freiräume im Lande zu erreichen sind.

 

-      S. 42, Grundsatz 9.2-4 „Reservegebiete“

     Die Aufnahme von Reservegebieten für die langfristige Rohstoffversorgung bedeutet eine Aufweichung der getroffenen Festsetzung von Freiraumbereichen für die Sicherung und Abbau oberflächennaher Bodenschätze. Dies führt dazu, das nun Bereiche offenstehen, die auf der Grundlage des rechtskräftigen Regionalplanes nicht zu Verfügung stehen.

     Auch hier bedürfen Ansprüche an den Freiraum einer Steuerung, die den ungehemmten Zugriff auf die Ressource Boden eindämmt. Aus hiesiger Sicht sollte der Grundsatz beibehalten werden, dass das Maß der Flächeninanspruchnahme unter Beachtung eines restriktiven Ansatzes angepasst werden muss.

 

-      S. 52, Grundsatz 10.2-3 „Abstand von Bereichen/ Flächen von Windenergieanlagen“:

     Zu Allgemeinen Siedlungsbereichen und zu Wohnbauflächen soll ein planerischer Vorsorgeabstand von 1.500 m zu allgemeinen und reinen Wohngebieten eingehalten werden, soweit die örtlichen Verhältnisse dies ermöglichen. Für die Untere Immissionsschutzbehörde des Kreises Coesfeld als zuständige Genehmigungsbehörde für WEA wird der unbestimmte Rechtsbegriff „soweit die örtlichen Verhältnisse dies zulassen“ von zentraler Bedeutung im Diskurs mit den durch WEA betroffenen Bürgern werden. Hier sind von Seiten des Kreises eindeutige Kriterien für die Bewertung dieses Rechtsbegriffs notwendig.

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Es entstehen keine finanziellen Aufwendungen.

 

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 S. 1 KrO NRW zuständig.