Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Kreistag nimmt die durchgeführte Bedarfsprüfung zustimmend zur Kenntnis.

 

  1. Der Kreistag beschließt den Erlass der Katzenschutzverordnung für den Kreis Coesfeld gem. § 13 b des Tierschutzgesetzes im Kreis Coesfeld, wie sie in der Anlage 3 dieser Sitzungsvorlage als Entwurf beigefügt ist, mit Wirkung vom 01.02.2019.

 

  1. Ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung berichtet die Verwaltung über die Entwicklung im Ausschuss für Umwelt, öffentliche Sicherheit und Ordnung.

 

Begründung:

 

I. und II. Problem und Lösung

 

A. Antrag

Der Tierschutzverein Coesfeld, Dülmen und Umgebung e.V. hat am 07.12.2017 einen Antrag zum Erlass einer Verordnung gem. § 13 b TierSchG zum Schutz freilebender Katzen im Gebiet des Kreis Coesfeld gestellt (Anlage 3). In dem Antrag wird ausgeführt, dass die Population von freilebenden Katzen im Kreis Coesfeld kontinuierlich gestiegen sei. Die Einführung des ökologischen Jagdgesetzes NRW mit dem damit verbunden generellen Abschussverbot von Katzen habe die Situation verschärft.

 

So geht der Antragsteller von einer Populationsdichte von 9,1 Katzen pro km² aus. Es gebe aber im Kreis Coesfeld Gebiete mit einer sehr viel höheren Populationsdichte, in denen die freilebenden Katzen Schmerzen, Leiden und Schäden aufwiesen. Diese Gebiete gingen in die mit geringerer Populationsdichte über und ließen sich nicht eindeutig trennen. Deshalb sei die Verordnung auf das gesamte Kreisgebiet anzuwenden.

 

Allein im Jahr 2015 hat der Tierschutzverein 312 Katzen aufgenommen, von denen 260 Tiere wegen Infektionen behandelt werden mussten. Im Jahr 2016 waren es 280 von 414 aufgenommenen Katzen, die tierärztlich behandelt werden mussten.

 

Der Antrag verweist auf Belege, dass eine hohe Populationsdichte mit Unterernährung und Erkrankungen bei den freilebenden Katzen verbunden sei. Durch die hohe Vermehrungsrate und der fehlenden tierärztlichen Versorgung würden sich Krankheiten schnell verbreiten.

 

Die Population freilebender Katzen würde durch den Kontakt zu unkastrierten Freigängerkatzen steigen. Auch einzelne vom Antragsteller durchgeführte Kastrationsaktionen an sogenannten Hotspots würden keinen ausreichenden und dauerhaften Einfluss auf die Gesamtpopulation haben.

 

Deshalb solle eine generelle Katzenschutzverordnung für den Kreis Coesfeld erlassen werden.

 

B. Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage zum Erlass einer Katzenschutzverordnung ist § 13 b TierSchG.
                           

Nach dieser bundesrechtlichen Regelung werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zum Schutz freilebender Katzen bestimmte Gebiete festzulegen, in denen

1. an diesen Katzen festgestellte erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden auf die hohe Anzahl dieser Tiere in dem jeweiligen Gebiet zurückzuführen sind und

2. durch eine Verminderung der Anzahl dieser Katzen innerhalb des jeweiligen Gebietes deren Schmerzen, Leiden oder Schäden verringert werden können.

 

In der Rechtsverordnung sind die Gebiete abzugrenzen und die für die Verminderung der Anzahl der freilebenden Katzen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insbesondere können in der Rechtsverordnung 

1. der unkontrollierte freie Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen in dem jeweiligen Gebiet verboten oder beschränkt sowie

2. eine Kennzeichnung und Registrierung der dort gehaltenen Katzen, die unkontrollierten freien Auslauf haben können, vorgeschrieben werden.

 

Mit Neufassung der Zuständigkeitsverordnung Tierschutz Nordrhein-Westfalen – ZustVO Tierschutz NRW im Jahr 2015 wurde seitens des Landes NRW die Zuständigkeit zum Erlass einer Verordnung gem. 13 b TierSchG auf die Ebene der Kreisordnungsbehörden übertragen.

 

C. Bedarfsanalyse

Die hohe Anzahl an aufgegriffenen freilebenden Katzen und die damit einhergehende extrem starke Überbelegung der örtlichen Tierheime kann vom Veterinärdienst durch eigene Überprüfungen bestätigt werden. Die hohe Besatzdichte in den Tierheimen wiederum führt auch dort zu gesundheitlichen Problemen und behindert die eigentliche Arbeit des Tierschutzvereines, wie die Aufnahme von Fundtieren und beschlagnahmten Tieren. Es ist zu befürchten, dass bei einer Verschärfung der Situation die Tierheime diesen Aufgaben gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nachkommen können, was große Probleme für die Fundbüros der Gemeinden und Städte, sowie für den Veterinärdienst mit sich bringen würde.

 

Die im Kreis ansässigen Tierschutzvereine arbeiten in diesem Bereich derzeit auf rein freiwilliger Basis. Es mangelt für die Durchführung gezielter und notwendiger Kastrationsaktionen an einer rechtlichen Legitimation. Sie stehen ohne entsprechende Rechtsgrundlage und Beauftragung durch die Kreisordnungsbehörde in einem juristisch bedenklichen Raum, der unter Umständen zivilrechtliche Ansprüche und/oder auch Straftatbestände auslösen kann.

Daher könnte es dazu kommen, dass die Vereine ihre Tätigkeit einstellen bzw. einstellen müssen. Die Folge wäre ein erheblicher Anstieg der Katzenpopulation.

Die durchschnittliche Anzahl der Würfe eines weiblichen unkastrierten Tieres liegt bei zwei Würfen mit durchschnittlich 4 Welpen pro Jahr. Diese werden ebenfalls nach fünf bis acht Monaten geschlechtsreif.

Demzufolge könnte sich - ein Überleben sämtlicher Welpen unterstellt – eine hohe Wachstumsrate der Population (sh. Anlage 1) ergeben.

 

Durch eine aktuelle vom Veterinärdienst durchgeführte Befragung der im Kreis Coesfeld ansässigen Tierarztpraxen konnte bestätigt werden, dass ein Großteil der aufgegriffenen freilebenden Katzen erhebliche krankhafte Befunde aufweist, die mit erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden verbunden sind. Ein Teil musste euthanasiert werden. Insgesamt haben 17 Tierarztpraxen an der Befragung teilgenommen. Die praktizierenden Tierärzte geben an, dass die im Zuge der Kastrationen vorgestellten Tiere erhebliche Gesundheitsmängel aufweisen. Bereits bei der Anzahl der zurzeit jährlich vorgestellten Tiere ist ein hoher Infektionsdruck offensichtlich. Die gesamte Population ist mit chronischen Krankheiten durchseucht. In erster Linie treten Erkrankungen wie FIV („Katzenaids“), Katzenschnupfen, Katzenleukose und Parasitosen auf, die alle von Tier zu Tier übertragbar sind.

Der beschriebene Ernährungszustand der Tiere (überwiegend mäßig) begünstigt die Ausbreitung der Erreger, da eine Mangelernährung das Immunsystem schwächt.

Diese Praxen haben im Jahr 2017 156 Kastrationen an freilebenden Katzen durchgeführt.

 

Von den Vereinen in die Freiheit entlassene Tiere werden auch jetzt schon gekennzeichnet.

 

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass bereits aktuell eine problematische Gesundheitslage in der verwilderten Katzenpopulation existiert. Nur durch die derzeit freiwillige Arbeit der Tierschutzvereine wird die Zahl der erkrankten Tiere begrenzt.

Trotz dieser ehrenamtlichen Leistung ist eine Gesundheitsgefährdung für die gesamte Population zu erkennen. Der Schutz der verwilderten Population dient letztendlich auch dem Gesundheitsschutz von Freigängerkatzen privater Tierhalter.

 

Nicht immer ist die Differenzierung zwischen freilebenden Katzen (verwilderte oder wilde Katzen) und Freigängerkatzen eindeutig. Das Einfangen freilebender Katzen in Lebendfallen birgt auch immer die Gefahr, nicht gekennzeichnete Hauskatzen festzusetzen. Dass es bislang nicht zu einer Eskalation gekommen ist, liegt in erster Linie an der ehrenamtlichen Tätigkeit der Tierschutzorganisationen.

 

Eine kreisweite Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht von Freigängerkatzen wäre geeignet, diesen Mangel zu beheben. In der Vergangenheit gab es immer wieder Unmut der Bevölkerung über die Einstufung aufgefundener Katzen als Fundkatzen oder freilebende Katzen durch die Fundbüros der Kommunen. Eine Kastration, auch von freilebenden Katzen, würde die Arbeit der Fundbüros einfacher gestalten.

 

Die Problematik wurde daher auch in einer Bürgermeisterkonferenz ausführlich diskutiert. Von Seiten der Kommunen wird der Erlass einer entsprechenden Verordnung als sinnvoll angesehen und begrüßt. Zudem haben alle Bürgermeister des Kreises sowie der Landrat in einem Schreiben an das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW angeregt, die bisherige Regelung des ökologischen Jagdgesetzes bezüglich des Tötens wildernder Katzen auf den Stand vor Einführung des Gesetzes wieder zurückzuführen (Anlage 5).

 

Bei der Abfrage der Tierarztpraxen wurde festgestellt, dass im gesamten Kreisgebiet erhebliche Gesundheitsprobleme bei den freilebenden Katzen festgestellt wurden. Eine Deklarierung einzelner Teilgebiete des Kreises Coesfeld zu Schutzgebieten ist daher nicht sinnvoll. Trotzdem kann auf Grundlage der Verordnung auf starke Ansammlungen von streunenden Katzen an einzelnen Stellen, sogenannten Hotspots, kurzfristig reagiert werden.
Die Bedarfsanalyse hat, wie oben dargelegt, ergeben, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Katzenschutzverordnung im Sinne von § 13 b TierSchG für das gesamte Kreisgebiet vorliegen.

Ferner ist in Artikel 20a Grundgesetz der Tierschutz als Staatsziel verankert. Der Tierschutz ist eine Pflichtaufgabe, welche die Kreisordnungsbehörde zur Erfüllung nach Weisung wahrnimmt.

Die Verwaltung schlägt daher vor, die als Anlage 2 beigefügte Katzenschutzverordnung zu beschließen.

Zur Durchführung der Maßnahmen nach dieser Verordnung (§§ 5 und 6) beauftragt die Verwaltung Tierschutzorganisationen und Privatpersonen.

 

III. Alternativen

 

Die Verordnung wird nicht erlassen. Damit haben bis auf weiteres die Tierschutzvereine die finanziellen Auswirkungen von getroffenen Maßnahmen zu tragen. Auch die rechtlich unsichere Situation für die Tierschutzvereine bliebe zunächst bestehen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen u.a.)

 

Die entstehenden Auswirkungen sind oben dargestellt.

 

Die Kastration und Kennzeichnung der Hauskatzen mit Freigang sind vom Halter durchzuführen und die Kosten von ihm zu tragen. Die finanzielle Belastung für den einzelnen Katzenhalter liegt durchschnittlich bei ca. 110,00 €. Die Kosten entstehen einmalig.

Nur für die Tiere, bei denen entweder ein Halter nicht zu ermitteln ist oder kein Halter existiert (freilebende Katzen), verbleiben die entstehenden Kosten bei der öffentlichen Hand.

Fundkatzen sind nicht Gegenstand des § 6 der Katzenschutzverordnung. Bei ihnen ist davon auszugehen, dass eine Haltungsperson vorhanden ist. Insofern fallen sie in die Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden (Fundbüros). 

 

Die Kastration und Kennzeichnung eines weiblichen Tieres kostet ca. 130,00 €. Bei männlichen Tieren kosten die Maßnahmen ca. 90,00 €.

Die in dem Antrag genannte Anzahl von 400 Katzen pro Jahr berücksichtigt die vom Tierschutzverein Coesfeld, Dülmen und Umgebung e.V. betreuten Gebiete. Auf das gesamte Kreisgebiet bezogen wird man von einer Gesamtzahl von 500 Katzen pro Jahr ausgehen müssen.  Zuzüglich ggf. erforderlicher Transportkosten i. H. v. bis zu 5.000 € ergäbe sich eine jährliche finanzielle Belastung von bis zu 60.000 €. Im Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 2019 wurden entsprechende Mittel berücksichtigt.

 

Die Verordnung sieht vor, dass z.B. Tierschutzvereine durch den Kreis Coesfeld beauftragt werden können, die Maßnahmen durchzuführen, sodass für den Kreis Coesfeld kein erhöhter Personalbedarf zu erwarten ist.

 

Es ist davon auszugehen, dass mit fortdauerndem Bestehen der Katzenschutzverordnung jährlich weniger zu kastrierende und kennzeichnende Tiere aufgefunden werden. Zusätzlich zur Betreuung durch die Tierschutzvereine, würde auch die bislang unkontrollierte Fortpflanzung der Freigängerkatzen eingeschränkt, welches letztlich einen Rückgang der Population und des Krankheitsdrucks zur Folge haben müsste.

 

Schließlich kann außerdem davon ausgegangen werden, dass mit Rückgang der Population auch der Schutz anderer wildlebender Arten gefördert würde, die natürlicher Weise zum Jagdspektrum von Katzen gehören.

 

 

V. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Gemäß § 26 Abs. 1 Buchst. f) der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ist der Kreistag u.a. für den Erlass ortsrechtlicher Bestimmungen zuständig.

 

 

 

Anlagen

Anlage 1: Populationsentwicklung

Anlage 2: Katzenschutzverordnung

Anlage 3: Antrag Katzenschutzverordnung

Anlage 4: Muster Übertragung Tierschutzverein

Anlage 5: Anschreiben Kreis Coesfeld an MULNV vom 05.07.2018