Betreff
Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an die RVM; hier: Grundsatzbeschluss zur Direktvergabe
Vorlage
SV-9-1339
Aktenzeichen
01.81-ÖPNV
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

1.      Der Kreis Coesfeld beabsichtigt, die Regionalverkehr Münsterland GmbH (im Folgenden RVM) gemeinsam mit den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2030 mit der Erbringung gemeinwirtschaftlicher öffentlicher Verkehrsleistungen im Gebiet der Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf einschließlich abgehender Linien in benachbarte Gebiete im Wege der Direktvergabe bzw. Inhouse-Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags nach Art. 3 Abs. 1 VO 1370/2007 zu betrauen.

2.      Die Verwaltung wird ermächtigt, die Absicht zur Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an die RVM nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007 unter Beachtung der geltenden gesetzlichen Fristen im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen.

3.      Die Verwaltung wird beauftragt, die weiteren Schritte zur Vorbereitung der Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an die RVM vorzunehmen und den Entwurf eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu erarbeiten.

4.      Die Verwaltung wird ferner beauftragt, eine Vereinbarung über eine kommunale Arbeitsgemeinschaft gemäß §§ 2 und 3 GkG NRW zur Integration von Verkehrsleistungen mit den Kreisen Borken, Steinfurt, Warendorf, Unna, Soest und dem Hochsauerlandkreis sowie den Städten Münster und Hamm auszuarbeiten und abzuschließen, sofern dies aus Rechtsgründen für die beabsichtigte Direktvergabe gemäß Beschlusstenor zu 1 erforderlich sein sollte.

 

Begründung:

 

I.-IV. Problem, Lösung, Alternativen, Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

1. Vorbemerkung

Der Kreis Coesfeld ist gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) Aufgabenträger für den straßengebundenen ÖPNV in seinem Gebiet. Gemäß § 3 Abs. 2 ÖPNVG NRW ist er zugleich zuständige Behörde im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (VO 1370/2007).

Als Aufgabenträger des ÖPNV obliegt es dem Kreis im Rahmen seiner freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe, im Interesse der Daseinsvorsorge für eine den öffentlichen Verkehrsinteressen angemessene Verkehrsbedienung zu sorgen (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 ÖPNVG NRW). Zu seiner Gewährleistungsverantwortung gehört insbesondere, Verkehrsleistungen bereitzustellen, die den Bedürfnissen der Fahrgäste entsprechen und dabei den Anforderungen an eine hohe Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit, Fahrgastfreundlichkeit und Komfort sowie Zugänglichkeit hinsichtlich Fahrzeugen, Haltestellen und Information sowie Kundenservice, Barrierefreiheit und Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern entsprechen (vgl. § 2 Abs. 3, 8 und 9 ÖPNVG NRW).

Soweit eine solche angemessene Verkehrsbedienung nicht eigenwirtschaftlich, d. h. ohne öffentliche Ausgleichsleistungen möglich ist, sind gemäß § 8a Abs. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) die Befugnisse des Kreises Coesfeld als zuständige Behörde nach § 3 Abs. 2 ÖPNVG NRW eröffnet. Hierzu gehört die Sicherstellung der für die angemessene Verkehrsbedienung erforderlichen Verkehrsleistungen durch öffentliche Dienstleistungsaufträge (ÖDA) nach Art. 3 Abs. 1 VO 1370/2007.

Durch die Vergabe eines ÖDA kann der Kreis Coesfeld bewirken, dass die von ihm für erforderlich erachteten, eigenwirtschaftlich nicht möglichen Verkehrsleistungen zu den von ihm festgelegten Anforderungen erbracht werden. Im Gegenzug leistet der Kreis Coesfeld die im ÖDA zu regelnden Ausgleichsleistungen. Der ÖDA bildet hierfür die aus beihilfenrechtlichen Gründen erforderliche Rechtsgrundlage.

Die im Linienbündel COE 1 des Kreises Coesfeld zusammengefassten Verkehrsleistungen werden derzeit von der Regionalverkehr Münsterland GmbH (im Folgenden RVM) erbracht. Der Kreis ist an der RVM zu 27,09 % beteiligt; die übrigen Anteile der RVM werden von den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf sowie von weiteren Gebietskörperschaften gehalten. Die RVM erbringt die Verkehrsleistungen im Kreisgebiet derzeit auf Grundlage des vom Kreis Coesfeld mit den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf erteilten ÖDA. Im Rahmen des ÖDA wurde die RVM auch mit der Erbringung von Verkehrsleistungen in den Gebieten der Kreise Borken, Steinfurt und Warendorf betraut. Dieser ÖDA läuft mit Ablauf des 31.12.2020 aus. Zum 01.01.2021 ist daher eine Anschlussregelung erforderlich.

 

2. Maßgeblicher Rechtsrahmen

Die VO 1370/2007 regelt im Einzelnen die Bedingungen, unter denen zuständige Behörden (Aufgabenträger) private und öffentliche Verkehrsunternehmen im Interesse des Gemeinwohls mit der Erbringung öffentlicher Verkehrsleistungen betrauen und ihnen hierfür Ausgleichsleistungen und / oder Ausschließlichkeitsrechte gewähren können. Als „Regelinstrument“ hierfür sieht die VO 1370/2007 die Vergabe eines ÖDA vor.

Unter bestimmten Voraussetzungen können Aufgabenträger ÖDA ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens im Wege der Direktvergabe erteilen. Wettbewerbsfreie Direktvergaben sind u.a. möglich an ein eigenes (kommunales) Verkehrsunternehmen, einen sog. internen Betreiber. Die Voraussetzungen für Direktvergaben an interne Betreiber sind in Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 geregelt.

Allerdings ist in der nationalen Rechtsprechung im Einzelnen umstritten, in welchen Fällen die speziellen Direktvergaberegeln des Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 anwendbar sind und in welchen Fällen es auf das allgemeine Kartellvergaberecht und der darin vorgesehenen Möglichkeit einer Inhouse-Vergabe ankommt. Unter anderem zur Klärung dieser Rechtsfrage sind aktuell zwei vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengte Vorabentscheidungsverfahren anhängig (vgl. Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf v. 03.05.2017 – VII-Verg 17/16 und VII-Verg 18/16; verbunden im Vorabentscheidungsverfahren C-266/17). Das klärende Urteil des EuGH wird für das erste Quartal 2019 erwartet.

Erfüllt eine Direktvergabe sowohl die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 als auch die Inhouse-Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 GWB, bedarf es einer Klärung dieser Rechtsfrage indes nicht. Denn in diesem Fall ist die Direktvergabe unabhängig davon zulässig, welche der in der nationalen Rechtsprechung vertretenen Auffassungen zugrunde gelegt wird. Auf die vom EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vorzunehmende Klärung kommt es dann nicht an.

Vorliegend sind sowohl die Inhouse-Voraussetzungen (dazu 3) als auch die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 (dazu 4) erfüllt. Der Kreis Coesfeld kann daher eine Direktvergabe des beabsichtigten ÖDA als Gesamtleistung für die Dauer von zehn Jahren vornehmen (dazu 5).

 

3. Vorliegen der Inhouse-Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe an die RVM gemäß § 108 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 GWB sind vorliegend erfüllt:

a) Bestehen einer dienststellenähnlichen Kontrolle, § 108 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 GWB

Der Kreis Coesfeld muss eine dienststellenähnliche Kontrolle über die RVM ausüben. Der Kreis ist zu 27,09 % an der RVM beteiligt. Die RVM ist in der Rechtsform einer GmbH organisiert und damit infolge des umfassenden Weisungsrechts der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung kontrollfähig. Vorliegend wird die Kontrolle über die RVM von den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf gemeinsam ausgeübt. Die Umsetzung der gemeinsamen Kontrolle ist bereits im Zusammenhang mit der derzeit laufenden Direktvergabe konkretisiert worden. Die so ausgestaltete gemeinsame Kontrollausübung genügt den Anforderungen an die dienststellenähnliche Kontrolle.

 

b) Tätigkeiten im Wesentlichen für den bzw. die öffentlichen Auftraggeber, § 108 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 GWB

Die RVM muss mehr als 80 % ihrer geschäftlichen Tätigkeiten für ihren bzw. die an ihr beteiligten öffentlichen Auftraggeber erbringen; nur bis zu maximal 19,99 % ihrer Tätigkeiten darf die RVM somit für außenstehende Dritte wahrnehmen. Dieses sog. Wesentlichkeitskriterium wird vorliegend von der RVM erfüllt. Neben den Verkehrsleistungen, mit denen sie von den Münsterlandkreisen im Rahmen des ÖDA betraut ist, erbringt die RVM aktuell noch Leistungen im Eisenbahnverkehr und im kleinen Rahmen auch andere Fremdgeschäfte; diese sonstigen Leistungen bewegen sich jedoch unterhalb der oben genannten 19,99 %.

c) Keine direkte private Kapitalbeteiligung, § 108 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 GWB

An der RVM darf keine direkte private Kapitalbeteiligung bestehen. An der RVM sind ausschließlich öffentliche Stellen beteiligt. Diese Voraussetzung ist somit erfüllt.

 

4. Direktvergabevoraussetzungen

Soweit es daneben auch auf die Direktvergabevoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 ankommen sollte, liegen diese ebenfalls vor:

a) Bestehen einer dienststellenähnlichen Kontrolle, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO 1370/2007

Der Kreis Coesfeld muss eine dienststellenähnliche Kontrolle über die RVM ausüben. Die dienststellenähnliche Kontrolle im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO 1370/2007 entspricht der Kontrolle im Rahmen der Inhouse-Vergabe. Die Voraussetzung ist somit vorliegend erfüllt (s.o.).

b) Beachtung der Tätigkeitsbeschränkung, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. b) VO 1370/2007

Als interner Betreiber darf die RVM Verkehrsleistungen grundsätzlich nur innerhalb des Zuständigkeitsgebietes des bzw. der für ihn zuständigen Aufgabenträger ausführen; Verkehrsleistungen auf abgehenden Linien in benachbarte Gebiete sind aber zum Wohle der Fahrgäste zulässig, soweit diese dazu dienen, eine Verbindungsfunktion herzustellen. Die RVM erbringt Verkehrsleistungen ausschließlich auf dem Gebiet des Kreises Coesfeld sowie auf den Gebieten der weiteren an ihr beteiligten Aufgabenträger Borken, Steinfurt und Warendorf einschließlich abgehender Linien. Die Tätigkeitsbeschränkung wird somit durch die RVM selbst ohne weiteres erfüllt.

Die Tätigkeitsbeschränkung gilt darüber hinaus auch für Verkehrsleistungen aller von der RVM beeinflussten Einheiten. Sollte es daher in Bezug auf die beabsichtigte Direktvergabe an die RVM auch auf die Verkehrsleistungen der Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH (im Folgenden RLG) und der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna mbH (im Folgenden VKU) ankommen, mit der die RVM über die Westfälische Verkehrsgesellschaft mbH (im Folgenden WVG) verbunden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.03.2011, VII-Verg 48/10 – Veelker ./ . Münsterlandkreise), so ist das Tätigkeitskriterium auch insoweit erfüllt. Sofern dies aus Rechtsgründen erforderlich sein sollte, wird der Kreis Coesfeld zur Integration der Verkehrsleistungen in der Region zusammen mit den Kreisen Coesfeld, Steinfurt, Warendorf, Unna, Soest und dem Hochsauerlandkreis sowie mit den Städten Münster und Hamm eine sog. Gruppe von Behörden bilden, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste gemäß Art. 2 lit. m) VO 1370/2007 anbietet.

Eine Gruppe von Behörden setzt danach voraus, dass die Verkehrsleistungen innerhalb des Gruppengebiets im Verbund erbracht werden und ein einheitlicher Informationsdienst, eine einzige Fahrausweisregelung und ein einziger Fahrplan besteht. Die Behördengruppe soll vorliegend in der Form einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft gebildet werden, in deren Rahmen sich die beteiligten Aufgabenträger regelmäßig über die vorgenannten Aspekte abstimmen. Die internen Betreiber der Gruppenmitglieder RVM, RLG und der VKU dürfen in diesem Fall zur Umsetzung dieser integrierten Personenverkehrsdienste auf dem gesamten Gruppengebiet zusammenarbeiten. Das Tätigkeitskriterium ist damit auch in Bezug auf die RLG und der VKU erfüllt.

Die Bildung einer derartigen Behördengruppe ist nur dann rechtlich erforderlich, wenn in Bezug auf die beabsichtigte Direktvergabe des Kreises Coesfeld an die RVM die speziellen Direktvergaberegeln des Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 anwendbar sind und nicht das allgemeine Kartellvergaberecht einschließlich der Möglichkeit der Inhouse-Vergabe gilt. Wie oben dargestellt, wird dies derzeit vom EuGH geklärt (dazu 2). Sollte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vorabbekanntmachung der Direktvergabeabsicht des Kreises Coesfeld (siehe Beschlusstenor zu 2) das klärende Urteil des EuGH noch nicht vorliegen, soll die Behördengruppe aus Vorsichtsgründen dennoch in Kraft gesetzt werden. Die Verwaltung wird daher ermächtigt, eine Vereinbarung zur Bildung einer Behördengruppe in der Form einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft gemäß §§ 2 und 3 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW) zu erarbeiten und diese mit den o.g. Kreisen und Städten abzuschließen, sofern sich dies als rechtlich erforderlich darstellt (s.o.).

c) Umsetzung des Eigenerbringungsgebots, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. e) VO 1370/2007

Die RVM erfüllt als interner Betreiber bereits aktuell die Verpflichtung, den überwiegenden Teil der betrauten Verkehrsleistungen selbst zu erbringen. Der beabsichtigte ÖDA wird zudem Regelungen beinhalten, wonach diese Verpflichtung auch künftig für die Laufzeit dieses ÖDA sichergestellt wird.

 

5. Begründung der Absicht der Direktvergabe / Inhouse-Vergabe

Nach § 8 Abs. 4 PBefG handelt es sich bei Verkehrsleistungen, die auf Ausgleichsleistungen auf Grundlage eines ÖDA angewiesen sind, nicht um eigenwirtschaftliche Verkehre; derartige Verkehrsleistungen sind vielmehr als gemeinwirtschaftlich anzusehen. Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden Verkehrsleistungen, die bis zum Auslaufen der zugrundeliegenden Liniengenehmigungen ganz überwiegend am 31.12.2020 über den ebenfalls noch bis dahin geltenden ÖDA vom Kreis Coesfeld mitfinanziert werden. Die bisher erforderliche Mitfinanzierung führt zu der Annahme, dass die in Rede stehenden Verkehrsleistungen auch künftig nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können und es daher im Anschluss weiterhin eines ÖDA bedarf.

Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Kreises Coesfeld erforderlich, dass er als Aufgabenträger und zuständige Behörde i.S.d. VO 1370/2007 die weitere Bedienung des ÖPNV im Kreisgebiet über das Ablaufdatum der vorgenannten Liniengenehmigungen hinaus über die Vergabe eines ÖDA sicherstellt. Auf der Grundlage dieses ÖDA werden von der zuständigen Genehmigungsbehörde anschließend die personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungen der von diesem ÖDA umfassten Verkehrsleistungen erteilt, sofern nicht ein eigenwirtschaftlicher Antragsteller nachweist, dass er die Verkehrsleistungen zu den vom Kreis Coesfeld gemeinsam mit den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf gewünschten Anforderungen ohne öffentliche Ausgleichsleistungen erbringen kann.

Als Aufgabenträger hat der Kreis die Wahl zwischen verschiedenen Arten von Vergabeverfahren. Für die Direktvergabe / Inhouse-Vergabe eines ÖDA an die RVM als die sachgerechteste Variante, um eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV im Kreis Coesfeld sicherzustellen, sprechen mehrere Gründe:

Wie oben ausgeführt, ist der Kreis Coesfeld zu 27,09 % an der RVM beteiligt. In seiner Stellung als Mit-Gesellschafter trägt der Kreis Coesfeld Verantwortung für die weitere Existenz und künftige Entwicklung des Unternehmens. Zudem hat der Kreis Interesse am Erhalt des Unternehmenswertes. Als Mit-Gesellschafter ist der Kreis Coesfeld außerdem in der Lage, aufgrund der entsprechend gestalteten gesellschafts-vertraglichen Regelungen, die RVM nach vergaberechtlichen Maßstäben „wie eine eigene Dienststelle“ zu steuern (vgl. dazu auch oben 3). Der Kreis Coesfeld sichert sich damit die unmittelbare Einflussnahme auf die Gestaltung des ÖPNV in seinem Gebiet. Die hierdurch vermittelten Steuerungsmöglichkeiten gehen über die bloße Beauftragung eines fremden Unternehmens hinaus. Eine Direktvergabe an die RVM verschafft dem Kreis Coesfeld somit größtmöglichen Einfluss auf den ÖPNV im Kreisgebiet.

Für eine Direktvergabe an die RVM als internen Betreiber spricht weiterhin, dass sie den ÖPNV, wie er für das Kreisgebiet im Linienbündel COE 1 zusammengefasst ist, schon seit vielen Jahren im Rahmen der Vorgaben des Kreises zuverlässig, auf hohem qualitativen Niveau und mit Erfolg am Fahrgastmarkt erbringt. Dies belegen regelmäßige Kundenbefragungen im Rahmen des deutschen Kundenbarometers sowie eine alle zwei Jahre durchgeführte Qualitätsüberprüfungen durch anonyme Beobachter. Die RVM der bekannte und bewährte Betreiber und bietet Gewähr dafür, dass auch in der Zukunft die Verkehrsleistungen nach Maßgabe der Vorgaben des Kreises bestmöglich bedient werden.

Die RVM verfügt hierbei über alle dafür erforderlichen Ressourcen, in die sie entsprechende Investitionen getätigt hat. Über eine zentrale Disposition, eine Leitstelle und ein Rechner gestütztes Betriebsleitsystem (RBL) findet die tägliche Steuerung des operativen Betriebs aus einer Hand statt. Die Vergabe als Gesamtleistung sichert den größtmöglichen Ausgleich zwischen ertragsstarken und ertragsschwachen Verkehren, um den geringstmöglichen Ausgleich für den Kreis zu erzielen. Die RVM besitzt über ihre Einbindung in die WVG-Gruppe eine besondere Innovationskraft. Unternehmensübergreifend organisiert sie in enger Abstimmung mit dem Kreis Coesfeld die Ausstattung zentraler Haltestellen mit Anlagen zur Echtzeitinformation der Kunden, koordiniert die Elektronische Fahrplanauskunft, entwickelt ein elektronisches Fahrgeldmanagement und treibt die Digitalisierung in Form von App-Entwicklungen und die Verknüpfung mit multimodalen Angeboten voran. Als interner Betreiber sichert die RVM somit die im Nahverkehrsplan dargestellten Qualitätsvorgaben und sorgt für deren Weiterentwicklung.

Nicht zuletzt wird über die zeitlich parallel beabsichtigten und inhaltlich im Wesentlichen abgestimmten Direktvergaben des Kreises Soest und des Hochsauerlandkreises an die RLG und des Kreises Unna an die VKU die Integration der Verkehrsleistungen in der Region gewährleistet und die bestehende Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und dadurch entstehende Synergien bleiben erhalten.

Sein Interesse an einer wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung kann der Kreis Coesfeld über die Steuerung der RVM als (Mit-)Gesellschafter sowie über eine entsprechende Gestaltung des zu vergebenden ÖDA sichern. Der ÖDA soll Regelungen enthalten, die auch für die Zukunft sicherstellen, dass die Kosten der Verkehrserstellung auf ein wirtschaftlich effizientes Niveau ausgerichtet werden.

 

6. Gegenstand des beabsichtigten ÖDA

Im Rahmen des beabsichtigten ÖDA soll die RVM mit der Verwaltung und Erbringung von Verkehrsleistungen betraut werden. Der ÖDA soll hierfür Anforderungen an Umfang, Art und Weise sowie Qualität der Verkehrsleistungen und weitere von der RVM zu erfüllende Anforderungen enthalten. Diese Anforderungen sollen in Umsetzung des vom Kreistag in der aktuellen Sitzung beschlossenen Nahverkehrsplans (Vorlage SV-9-1342) ausgestaltet werden. Zum Ausgleich dieser gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sollen der RVM – wie bereits bisher – finanzielle Ausgleichsleistungen sowie im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein sog. Ausschließlichkeitsrecht zum Schutz vor konkurrenzierenden Verkehren gewährt werden.

Das Linienbündel COE 1 des Kreises Coesfeld, welches u. a. Gegenstand der beabsichtigten Direktvergabe sein soll, ist in der Vorlage SV-9-1340 dargestellt. Die quantitativen Anforderungen an die Verkehrsleistungen des Linienplanes ergeben sich ebenfalls aus dem in der aktuellen Sitzung des Kreistages beschlossenen Nahverkehrsplans (vgl. insbesondere Kap. 6, 9 10.2.5 sowie die jeweiligen Liniensteckbriefe des Bündels COE 1). Die qualitativen Anforderungen an die Verkehrsleistungen entsprechen im Wesentlichen den Bedien- und Qualitätsstandards des beschlossenen Nahverkehrsplans des Kreises Coesfeld (vgl. insbesondere Kap. 5, 6 und 9).

Zur Sicherung der ausreichenden Verkehrsbedienung sowie zur weiteren Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der verkehrlichen Integration des Nahverkehrsangebotes im Zuständigkeitsgebiet des Kreises Coesfeld werden die in Rede stehenden Verkehrsleistungen des Busverkehrs einschließlich gebietsübergreifender bzw. abgehender Linien in die Gebiete benachbarter Aufgabenträger im Nahverkehrsplan planerisch zusammengefasst und als Linienbündel COE 1 definiert. Die Integration der Verkehrsleistungen und die hieraus abgeleitete Begründung als Gesamtleistung sind im Nahverkehrsplan beschrieben (siehe insbesondere Kapitel 10).

Daran anknüpfend ist die Vergabe der in Rede stehenden Verkehrsleistungen als Gesamtleistung gemäß § 8a Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 13 Abs. 2a Satz 2 Personenbeförderungsgesetz beabsichtigt. Die Vergabe als Gesamtleistung sichert den größtmöglichen Ausgleich zwischen ertragsstarken und ertragsschwachen Verkehren und bewirkt so die geringstmöglichen Ausgleichsleistungen durch den Kreis Coesfeld.

Die reguläre Höchstlaufzeit eines ÖDA für Busverkehre beträgt gem. Art. 4 Abs. 3 VO 1370/2007 zehn Jahre. Der beabsichtigte ÖDA soll vorliegend die Höchstlaufzeit von zehn Jahren betragen, um für den Kreis und die RVM möglichst langfristig Planungssicherheit zu gewährleisten.

 

7. Verfahren / Weitere Schritte

Nach Art 7 Abs. 2 VO 1370/2007 muss die Absicht der Vergabe eines ÖDA unabhängig von der Vergabeart im Amtsblatt der Europäischen Union vorabbekannt gemacht werden. Erst mit Ablauf eines Jahres nach Veröffentlichung dieser sog. Vorabbekanntmachung kann die eigentliche Vergabe erfolgen. Unter Berücksichtigung der genehmigungsrechtlichen Fristen – ein gemeinwirtschaftlicher Genehmigungsantrag soll spätestens sechs Monate vor Betriebsbeginn gestellt werden (vgl. § 12 Abs. 7 PBefG) – ergibt sich für die Veröffentlichung der Vorabbekanntmachung einer Direktvergabeabsicht im Regelfall ein Vorlauf von mindestens 18 Monaten. Die Verwaltung wird vorliegend damit beauftragt, die Direktvergabeabsicht des Kreises Coesfeld unter Beachtung der vorgenannten Vorlaufzeit im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen.

Diese Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007 hat auch genehmigungsrechtlich Bedeutung. Mit der Vorabbekanntmachung wird der Markt daraufhin abgefragt, ob ein Unternehmen bereit ist, den Verkehr eigenwirtschaftlich – d. h. ohne, dass öffentliche Ausgleichsleistungen auf Grundlage eines ÖDA – zu erbringen. Ein eigenwirtschaftlicher Antrag ist grundsätzlich nur zulässig innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Vorabbekanntmachung (vgl. § 12 Abs. 6 PBefG). In der Vorabbekanntmachung sollen die mit dem ÖDA verbundenen Anforderungen für Fahrplan, Beförderungsentgelt und Standards angegeben werden. Ein eigenwirtschaftlicher Antrag, der diese Anforderungen nicht erfüllt, hat nach Maßgabe des geltenden PBefG keinen Erfolg.

Eigenwirtschaftliche Anträge, die sich nur auf Teilleistungen der vom Kreis Coesfeld beabsichtigten Gesamtleistung (dazu oben 6) beziehen, sind nach Maßgabe des § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG zu versagen. Eigenwirtschaftliche Anträge, durch die einzelne Linien oder ein Teilnetz aus dem vorhandenen und im Nahverkehrsplan beschriebenen Verkehrsnetz herausgelöst würden, sind außerdem nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. d) PBefG zu versagen. Dies dient zum Schutz der Direktvergabe vor „Rosinenpickerei“ und zum Erhalt der Integration von Bus- und Schienenverkehren (aufeinander abgestimmtes Gesamtangebot abgebildet durch die im Nahverkehrsplan beschriebene Integration der Verkehrsleistungen, s.o.).

Nur wenn kein eigenwirtschaftlicher Antrag eingeht oder wenn ein Antrag die in der Vorabbekanntmachung beschriebenen Anforderungen an den Verkehr nicht erfüllt, ist der Weg zur Vergabe eines ÖDA des Kreises Coesfeld an die RVM frei. Der ÖDA kann der RVM in diesem Fall nach Ablauf der Jahresfrist ab Veröffentlichung der Vorabbekanntmachung erteilt werden. Die Erteilung des ÖDA an die RVM ist einer gesonderten Beschlussfassung durch den Kreistag vorbehalten.

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Für die Entscheidung ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NRW).