Beschlussvorschlag des
Anregenden:
Der Kreis Coesfeld unterstützt die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes (Climate Emergency).
Beschlussvorschlag der Verwaltung:
Der Anregung zur Unterstützung der Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes wird nicht gefolgt. Vielmehr wird der Kreis Coesfeld weiterhin seine Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes an Hand konkreter Projekte weiter vorantreiben und auf Verbesserungen in der Klimabilanz vor Ort hinwirken.
Begründung:
I. Problem
Mit Schreiben vom 01.07.2019 wendet sich ein Bürger an den Kreistag des Kreises Coesfeld mit der Anregung, dass dieser in seiner nächsten Sitzung beschließen möge, dass der Kreis Coesfeld die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes, wie sie in der Anregung niedergelegt ist, zu unterstützen. In der Anregung heißt es u.a.:
„Der Kreis Coesfeld erklärt
den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung des
Klimawandels und seiner schwerwiegenden
Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an:
• Der Kreis Coesfeld wird die
Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische,
gesellschaftliche und ökonomische
Nachhaltigkeit bei jeglichen davon betroffenen
Entscheidungen berücksichtigen und wenn immer
möglich jene Entscheidungen
prioritär behandeln, welche den Klimawandel
oder dessen Folgen abschwächen.
• Der Kreis Coesfeld fordert
von der Bundesregierung ihre Anstrengungen in allen
Sektoren deutlich stärker am Klimaschutz zu
orientieren, um ihrer globalen
Verantwortung gerecht zu werden.
• Der Kreis Coesfeld wird
umfassend über den Klimawandel, seine Ursachen und
Auswirkungen sowie über die Maßnahmen, welche
gegen den Klimawandel ergriffen
werden, informieren. Der Kreistag des Kreises
Coesfeld fordert den Landrat auf, dem
Kreistag und der Öffentlichkeit alle sechs
Monate über Fortschritte und
Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten.“
II. Lösung
Gemäß § 21 KrO NRW hat jeder das Recht, sich mit Anregungen in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden. Für die Erledigung von Anregungen ist gem. § 18 Absatz 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld der Kreisausschuss zuständig, es sei denn, sie betreffen Angelegenheiten, für die gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW ausschließlich der Kreistag (…) zuständig ist. Der Kreistag beschließt nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW über die Angelegenheiten des Kreises, die ihrer Bedeutung nach einer solchen Entscheidung bedürfen. Die Entscheidung über die Ausrufung des Klimanotstandes und die damit verbundene Diskussion über den Beitrag des Kreises Coesfeld zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels hat eine grundsätzliche politische und gesellschaftliche Bedeutung für den Kreis Coesfeld und ist daher im Kreistag zu behandeln.
Seit Anfang 2019 wurde in knapp 230 Kommunen in Deutschland, davon fast
160 in Nordrhein-Westfalen, ein Antrag zur Ausrufung dieses Klimanotstands
gestellt. In Nordrhein-Westfalen stehen die politischen Beratungen und
Entscheidungen in etwa 100 Kommunen noch aus. Eine ausdrückliche
Rechtsgrundlage zur Ausrufung eines kommunalen Notstandes gibt es nicht. Allein
das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz
(BHKG) trifft Regelungen für die Kommunen und Kreise bei Großeinsatzlagen und
Katastrophen, die in besonderen Fällen, wie der Schneekatastrophe, in der
Öffentlichkeit als Ausnahmezustand oder Notstand bezeichnet werden. Der
Notstandsbegriff erfährt dagegen im Grundgesetz eine mehrfache Erwähnung: Art.
81 GG (Gesetzgebungsnotstand), Art. 91 GG (Innerer Notstand), Art. 115a-115l GG
(Notstandsbestimmungen im Verteidigungsfall) und Art. 135a Abs. 1 Nr. 3 GG
(Alte Verbindlichkeiten des Reiches und der DDR).
Auch wenn der Antragsteller ausdrücklich darauf hinweist, dass der
Begriff „Klimanotstand“ symbolisch und nicht juristisch zu verstehen ist, kann
nicht ausgeschlossen werden, dass der Notstandsbegriff verwechselt oder
missverstanden wird. Trotz der unbestrittenen Dringlichkeit des Klimaschutzes
liegt im Kreis Coesfeld keine Lage vor, die die Verwendung des
gefahrenabwehrrechtlichen Signalwortes rechtfertigt.
Die
Ausrufung des Klimanotstandes würde zudem den irrigen Eindruck erwecken, dass
im Kreis Coesfeld kein Klimaschutz betrieben werde. Tatsächlich befasst sich der Kreis Coesfeld
bereits seit vielen Jahren mit Klimaschutz und Energieeinsparung (vgl.
Abbildung 1) und hat diese Themen daher auch in die „Strategischen Ziele des
Kreises Coesfeld“ mit aufgenommen. Mit dem Integrierten Energie- und
Klimaschutzkonzept, das im Jahr 2015 aufgestellt wurde, wurden erstmals
konkrete Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen und des
Gesamtenergieverbrauchs beschlossen.
Abbildung 1: Markante Punkte der Energie und Klimaschutzarbeit
Im Klimaschutzkonzept wurden 40 Maßnahmen in
8 Handlungsfeldern für die spätere Umsetzung vorgeschlagen. Mit dem
Klimaschutzkonzept und der darauffolgenden Einstellung einer
Klimaschutzmanagerin wurden die Klimaschutzaktivitäten des Kreises Coesfeld
intensiviert und erstmalig auch personell besetzt. Bisher wurden die folgenden
Maßnahmen umgesetzt, bearbeitet bzw. initiiert und angestoßen.
1.1 Festlegung von Umwelt- und
Energiestandards für die Kreisverwaltung
1.2 Vorbildfunktion der Kommune durch
Teilnahme an „Ökoprofit“
1.4 Neuauflage der e-fit Woche
2.2 Regenerative Wärmeversorgung
Richard-von-Weizsäcker-Berufskolleg Lüdinghausen
2.3 Standortfindung für Kleinwindanlagen als
Pilotprojekt
2.4 Ausbau der Sonnenenergienutzung unter
Zuhilfenahme des Solarpotenzialkatasters
2.5 Verträglicher Ausbau und Repowering der
Windenergie unter Berücksichtigung
kulturlandschaftlicher
Rahmenbedingungen
3.1 Etablierung von Energiemanagern bzw.
„Energie-Scouts“ in Unternehmen
3.3 Weiterführung des Programms „Ökoprofit“
in Unternehmen
4.1 Deponiebelüftung der Deponie
Coesfeld-Höven
4.2 Projekt „Plastiktütenfreier Kreis“
4.3 Realisierung weiterer Fundgruben oder
„Repair-Cafes“
4.4 Förderung der Umweltbildung durch
Exkursionen
5.1 Einheitliche E-Ladestationen im Kreis
Coesfeld
5.2 Mitgliedschaft in der AGFS
5.4 Unterstützung der Bürgerbusaktivitäten
im Kreisgebiet
5.5 Steigerung des Radverkehrs im
Kreisgebiet
6.3 Aktionstag „nachhaltiger Tourismus“
6.5 Studie zum Themenfeld Klimaschutz und
Tourismus (à Teilnahme am
LiRCA Projekt)
7.1 Wettbewerb „1000 Pumpen für den Kreis
Coesfeld“
8.1 Initiierung einer kreisweiten
Klimaschutzwoche
8.2 Akteursnetzwerk „KlimaPakt“
8.3 Kreisweite Projekte in
Schulen/Kindergärten zu den Themen Abfallvermeidung und
Erneuerbare Energien
8.4 Durchführung von kreisweiten
Wettbewerben
8.5 Internetseite zum Thema Klimaschutz
Durch das Klimaschutzmanagement wurden
darüber hinaus noch die folgenden Projekte bearbeitet
-
Pilotprojekt
„Energieeffizienz und Bewusstseinsbildung“ mit dem Pictorius-Berufskolleg und
der EnergieAgentur.NRW
-
Stromanalyse
der Kreishäuser I-III
-
Sensibilisierung
der Mitarbeiter der Kreisverwaltung zu energieeffizienten und klimafreundlichen
Verhalten
-
Teilnahme
der Kreisverwaltung an der AOK Aktion „Mit-dem-Rad-zur-Arbeit“
-
Baumpflanzaktion
im Nachgang der Klimaschutzwoche
-
Teilnahme
an der Kampagne STADTRADELN
-
Durchführung
der Methodenwerkstatt „Energiewende im Kopf“
-
Vortragsabend
„Raus aus der Routine“
-
Teilnahme
an der Earth Hour 2018
-
Einführung
des JobTickets an der Kreisverwaltung.
Alle bisherigen und geplanten
Klimaschutzaktivitäten sowie Maßnahmen, die die Bereiche Energieverbrauch und -einsparung
betreffen, werden im eea-Maßnahmenplan erfasst. Die Teilnahme am European
Energy Award ist daher geeignet, alle Energie- und Klimaschutzaktivitäten des
Kreises Coesfeld systematisch zu erfassen und zielstrebig voran zu treiben. Der
Maßnahmenplan wurde im vergangenen Jahr als energiepolitisches Arbeitsprogramm
für die kommenden Jahre durch den Kreistag beschlossen (SV-9-1222). Der eea-Maßnahmenplan
wird kontinuierlich fortgeschrieben und aktualisiert. Neben den Aktivitäten der
Klimaschutzmanagerin fließen zahlreiche weitere Vorhaben verschiedener
Abteilungen der Kreisverwaltung in den Klimaschutz mit ein. Beispielhaft zu
nennen sind der Einsatz von Elektrofahrzeugen, die Nutzung und Erzeugung von
Ökostrom, ein Konzept für energetische Neubaustandards bei Rettungswachen im
Kreis Coesfeld, Baumpflanzaktionen, die regenerative Wärmeversorgung des
Richard-von-Weizsäcker-Berufskollegs in Lüdinghausen, der e-Dienstwagenpool
sowie die jetzt anstehende kreisweite Klimaschutzwoche.
Der Kreis Coesfeld ist vielfältig und
ambitioniert unterwegs und strebt aktuell die Auszeichnung mit dem eea in Gold
an. Für den eea in Gold sind herausragende bzw. überdurchschnittliche
Klimaschutzanstrengungen nötig. Von den über 300 teilnehmenden Kommunen in
Deutschland haben aktuell 49 Städte, Gemeinden und Kreise den Gold-Status.
Auftakt
zum Reallabor „Mobiles Münsterland“
Zur Verlaufskontrolle wurde in diesem Jahr (Basisjahr
2016) eine aktuelle CO2‑Bilanz für den Kreis Coesfeld
aufgestellt, die in der letzten Sitzung der AG Klima vorgestellt wurde. (siehe
Anhang Präsentation Tippkötter vom 24.06.2019). Aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl
und der wirtschaftlichen Lage mit nahezu Vollbeschäftigung werden die
Einspareffekte nivelliert. Effizienzmaßnahmen beim Endenergieverbrauch und der
Mobilität sind noch nicht sichtbar (Datengrundlage 2016). Positiv hervorzuheben
ist die Umstellung der Energieträger, bei denen der Anteil an erneuerbaren
Energien am Stromverbrauch für das Jahr 2018 bei ca. 70% liegt. Bilanziell kann
die Einsparung durch die Erzeugung regenerativer Energie von den
Gesamtemissionen abgezogen werden.
Auftakt
zum Reallabor „Mobiles Münsterland“
Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind die Umsetzung der bisherigen
Maßnahmen sowie weitere Anstrengungen durch den Kreis Coesfeld, den Städten-
und Gemeinden, der Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger notwendig. Im Übrigen
wird auf die Sitzungsvorlage SV-9-1493 verwiesen, wonach die AG Klimaschutz in
einen Unterausschuss Klimaschutz umgewandelt und der Umweltausschuss in
„Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, öffentliche Sicherheit und Ordnung“
umbenannt werden soll.
III. Alternativen
Der Kreis Coesfeld unterstützt die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
-keine.
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Grundsätzlich ist gem. § 18 Absatz 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld der Kreisausschuss zuständig. Wie oben bereits ausgeführt, ist der Kreistag aufgrund § 26 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW zuständig.
Anlagen:
Bürgeranregung nach § 21 KrO NRW vom 01.07.2019.
Präsentation Tippkötter vom 24.06.2019