Betreff
Anregung nach § 21 KrO NRW - Ausrufung des Klimanotstandes für den Kreis Coesfeld
Vorlage
SV-9-1438
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag des Anregenden:

 

Der Kreis Coesfeld unterstützt die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes (Climate Emergency).

 

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

Der Anregung zur Unterstützung der Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes wird nicht gefolgt. Vielmehr wird der Kreis Coesfeld weiterhin seine Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes an Hand konkreter Projekte weiter vorantreiben und auf Verbesserungen in der Klimabilanz vor Ort hinwirken.

 

Begründung:

 

I.   Problem

 

Mit Schreiben vom 01.07.2019 wendet sich ein Bürger an den Kreistag des Kreises Coesfeld mit der Anregung, dass dieser in seiner nächsten Sitzung beschließen möge, dass der Kreis Coesfeld die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes, wie sie in der Anregung niedergelegt ist, zu unterstützen. In der Anregung heißt es u.a.:

 

  Der Kreis Coesfeld erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung des

  Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an:

 

Der Kreis Coesfeld wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische,

  gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen davon betroffenen

  Entscheidungen berücksichtigen und wenn immer möglich jene Entscheidungen

  prioritär behandeln, welche den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen.

 

Der Kreis Coesfeld fordert von der Bundesregierung ihre Anstrengungen in allen

  Sektoren deutlich stärker am Klimaschutz zu orientieren, um ihrer globalen

  Verantwortung gerecht zu werden.

 

Der Kreis Coesfeld wird umfassend über den Klimawandel, seine Ursachen und

  Auswirkungen sowie über die Maßnahmen, welche gegen den Klimawandel ergriffen

  werden, informieren. Der Kreistag des Kreises Coesfeld fordert den Landrat auf, dem

  Kreistag und der Öffentlichkeit alle sechs Monate über Fortschritte und

  Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten.“

 

 

II.  Lösung

Gemäß § 21 KrO NRW hat jeder das Recht, sich mit Anregungen in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden. Für die Erledigung von Anregungen ist gem. § 18 Absatz 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld der Kreisausschuss zuständig, es sei denn, sie betreffen Angelegenheiten, für die gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW ausschließlich der Kreistag (…) zuständig ist. Der Kreistag beschließt nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW über die Angelegenheiten des Kreises, die ihrer Bedeutung nach einer solchen Entscheidung bedürfen. Die Entscheidung über die Ausrufung des Klimanotstandes und die damit verbundene Diskussion über den Beitrag des Kreises Coesfeld zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels hat eine grundsätzliche politische und gesellschaftliche Bedeutung für den Kreis Coesfeld und ist daher im Kreistag zu behandeln.

 

Seit Anfang 2019 wurde in knapp 230 Kommunen in Deutschland, davon fast 160 in Nordrhein-Westfalen, ein Antrag zur Ausrufung dieses Klimanotstands gestellt. In Nordrhein-Westfalen stehen die politischen Beratungen und Entscheidungen in etwa 100 Kommunen noch aus. Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Ausrufung eines kommunalen Notstandes gibt es nicht. Allein das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) trifft Regelungen für die Kommunen und Kreise bei Großeinsatzlagen und Katastrophen, die in besonderen Fällen, wie der Schneekatastrophe, in der Öffentlichkeit als Ausnahmezustand oder Notstand bezeichnet werden. Der Notstandsbegriff erfährt dagegen im Grundgesetz eine mehrfache Erwähnung: Art. 81 GG (Gesetzgebungsnotstand), Art. 91 GG (Innerer Notstand), Art. 115a-115l GG (Notstandsbestimmungen im Verteidigungsfall) und Art. 135a Abs. 1 Nr. 3 GG (Alte Verbindlichkeiten des Reiches und der DDR).

Auch wenn der Antragsteller ausdrücklich darauf hinweist, dass der Begriff „Klimanotstand“ symbolisch und nicht juristisch zu verstehen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Notstandsbegriff verwechselt oder missverstanden wird. Trotz der unbestrittenen Dringlichkeit des Klimaschutzes liegt im Kreis Coesfeld keine Lage vor, die die Verwendung des gefahrenabwehrrechtlichen Signalwortes rechtfertigt.  

 

Die Ausrufung des Klimanotstandes würde zudem den irrigen Eindruck erwecken, dass im Kreis Coesfeld kein Klimaschutz betrieben werde. Tatsächlich befasst sich der Kreis Coesfeld bereits seit vielen Jahren mit Klimaschutz und Energieeinsparung (vgl. Abbildung 1) und hat diese Themen daher auch in die „Strategischen Ziele des Kreises Coesfeld“ mit aufgenommen. Mit dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept, das im Jahr 2015 aufgestellt wurde, wurden erstmals konkrete Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen und des Gesamtenergieverbrauchs beschlossen.

 

 

 

Abbildung 1: Markante Punkte der Energie und Klimaschutzarbeit

 

Im Klimaschutzkonzept wurden 40 Maßnahmen in 8 Handlungsfeldern für die spätere Umsetzung vorgeschlagen. Mit dem Klimaschutzkonzept und der darauffolgenden Einstellung einer Klimaschutzmanagerin wurden die Klimaschutzaktivitäten des Kreises Coesfeld intensiviert und erstmalig auch personell besetzt. Bisher wurden die folgenden Maßnahmen umgesetzt, bearbeitet bzw. initiiert und angestoßen.

 

1.1  Festlegung von Umwelt- und Energiestandards für die Kreisverwaltung

1.2  Vorbildfunktion der Kommune durch Teilnahme an „Ökoprofit“

1.4  Neuauflage der e-fit Woche

2.2 Regenerative Wärmeversorgung Richard-von-Weizsäcker-Berufskolleg Lüdinghausen

2.3 Standortfindung für Kleinwindanlagen als Pilotprojekt

2.4 Ausbau der Sonnenenergienutzung unter Zuhilfenahme des Solarpotenzialkatasters

2.5 Verträglicher Ausbau und Repowering der Windenergie unter Berücksichtigung

      kulturlandschaftlicher Rahmenbedingungen

3.1 Etablierung von Energiemanagern bzw. „Energie-Scouts“ in Unternehmen

3.3 Weiterführung des Programms „Ökoprofit“ in Unternehmen

4.1 Deponiebelüftung der Deponie Coesfeld-Höven

4.2 Projekt „Plastiktütenfreier Kreis“

4.3 Realisierung weiterer Fundgruben oder „Repair-Cafes“

4.4 Förderung der Umweltbildung durch Exkursionen

5.1 Einheitliche E-Ladestationen im Kreis Coesfeld

5.2 Mitgliedschaft in der AGFS

5.4 Unterstützung der Bürgerbusaktivitäten im Kreisgebiet

5.5 Steigerung des Radverkehrs im Kreisgebiet

6.3 Aktionstag „nachhaltiger Tourismus“

6.5 Studie zum Themenfeld Klimaschutz und Tourismus (à Teilnahme am LiRCA Projekt)

7.1 Wettbewerb „1000 Pumpen für den Kreis Coesfeld“

8.1 Initiierung einer kreisweiten Klimaschutzwoche

8.2 Akteursnetzwerk „KlimaPakt“

8.3 Kreisweite Projekte in Schulen/Kindergärten zu den Themen Abfallvermeidung und   

      Erneuerbare Energien

8.4 Durchführung von kreisweiten Wettbewerben

8.5 Internetseite zum Thema Klimaschutz

 

Durch das Klimaschutzmanagement wurden darüber hinaus noch die folgenden Projekte bearbeitet

-        Pilotprojekt „Energieeffizienz und Bewusstseinsbildung“ mit dem Pictorius-Berufskolleg und der EnergieAgentur.NRW

-        Stromanalyse der Kreishäuser I-III

-        Sensibilisierung der Mitarbeiter der Kreisverwaltung zu energieeffizienten und klimafreundlichen Verhalten

-        Teilnahme der Kreisverwaltung an der AOK Aktion „Mit-dem-Rad-zur-Arbeit“

-        Baumpflanzaktion im Nachgang der Klimaschutzwoche

-        Teilnahme an der Kampagne STADTRADELN

-        Durchführung der Methodenwerkstatt „Energiewende im Kopf“

-        Vortragsabend „Raus aus der Routine“

-        Teilnahme an der Earth Hour 2018

-        Einführung des JobTickets an der Kreisverwaltung.

 

 

Alle bisherigen und geplanten Klimaschutzaktivitäten sowie Maßnahmen, die die Bereiche Energieverbrauch und -einsparung betreffen, werden im eea-Maßnahmenplan erfasst. Die Teilnahme am European Energy Award ist daher geeignet, alle Energie- und Klimaschutzaktivitäten des Kreises Coesfeld systematisch zu erfassen und zielstrebig voran zu treiben. Der Maßnahmenplan wurde im vergangenen Jahr als energiepolitisches Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre durch den Kreistag beschlossen (SV-9-1222). Der eea-Maßnahmenplan wird kontinuierlich fortgeschrieben und aktualisiert. Neben den Aktivitäten der Klimaschutzmanagerin fließen zahlreiche weitere Vorhaben verschiedener Abteilungen der Kreisverwaltung in den Klimaschutz mit ein. Beispielhaft zu nennen sind der Einsatz von Elektrofahrzeugen, die Nutzung und Erzeugung von Ökostrom, ein Konzept für energetische Neubaustandards bei Rettungswachen im Kreis Coesfeld, Baumpflanzaktionen, die regenerative Wärmeversorgung des Richard-von-Weizsäcker-Berufskollegs in Lüdinghausen, der e-Dienstwagenpool sowie die jetzt anstehende kreisweite Klimaschutzwoche.

Der Kreis Coesfeld ist vielfältig und ambitioniert unterwegs und strebt aktuell die Auszeichnung mit dem eea in Gold an. Für den eea in Gold sind herausragende bzw. überdurchschnittliche Klimaschutzanstrengungen nötig. Von den über 300 teilnehmenden Kommunen in Deutschland haben aktuell 49 Städte, Gemeinden und Kreise den Gold-Status.

Auftakt zum Reallabor „Mobiles Münsterland“

 
 


Zur Verlaufskontrolle wurde in diesem Jahr (Basisjahr 2016) eine aktuelle CO2‑Bilanz für den Kreis Coesfeld aufgestellt, die in der letzten Sitzung der AG Klima vorgestellt wurde. (siehe Anhang Präsentation Tippkötter vom 24.06.2019). Aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Lage mit nahezu Vollbeschäftigung werden die Einspareffekte nivelliert. Effizienzmaßnahmen beim Endenergieverbrauch und der Mobilität sind noch nicht sichtbar (Datengrundlage 2016). Positiv hervorzuheben ist die Umstellung der Energieträger, bei denen der Anteil an erneuerbaren Energien am Stromverbrauch für das Jahr 2018 bei ca. 70% liegt. Bilanziell kann die Einsparung durch die Erzeugung regenerativer Energie von den Gesamtemissionen abgezogen werden.

 

Auftakt zum Reallabor „Mobiles Münsterland“

 
Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind die Umsetzung der bisherigen Maßnahmen sowie weitere Anstrengungen durch den Kreis Coesfeld, den Städten- und Gemeinden, der Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger notwendig. Im Übrigen wird auf die Sitzungsvorlage SV-9-1493 verwiesen, wonach die AG Klimaschutz in einen Unterausschuss Klimaschutz umgewandelt und der Umweltausschuss in „Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, öffentliche Sicherheit und Ordnung“ umbenannt werden soll.

 

III. Alternativen

Der Kreis Coesfeld unterstützt die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

-keine.

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Grundsätzlich ist gem. § 18 Absatz 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld der Kreisausschuss zuständig. Wie oben bereits ausgeführt, ist der Kreistag aufgrund § 26 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW zuständig.

Anlagen:

 

Bürgeranregung nach § 21 KrO NRW vom 01.07.2019.

Präsentation Tippkötter vom 24.06.2019