Betreff
Bürgeranregung gem. § 21 KrO - Aufforderung an die Bundesregierung zum Beitritt des Vertrages zum Verbot von Atomwaffen
Vorlage
SV-9-1578
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag des Anregenden:

 

Der Kreistag ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohner und Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und lang anhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern in einem Schreiben die Bundesregierung zu deren Beitritt auf.

 

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

 

Der Antrag der Friedensgruppe aus dem Kreis Coesfeld wird zur Kenntnis genommen. Inhaltlich unterliegt er jedoch dem Befassungsverbot, da der Kreistag für atomare Fragen keine Zuständigkeit besitzt, so dass eine Beschlussfassung rechtlich unzulässig ist. Der Landrat wird beauftragt, das Antragsschreiben zuständigkeitshalber an die aus dem Kreis Coesfeld stammenden Bundestagsabgeordneten zur weiteren Veranlassung und Bewertung weiterzuleiten.

 

 

 

Begründung:

 

I.    Problem

Die Verbandszuständigkeit des Kreises ist nicht gegeben, da der Beschlussvorschlag des Anregenden keine Angelegenheit des Kreises gem. § 21 Abs. 1 KrO NRW betrifft.  

Hiernach hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden. Angelegenheiten des Kreises sind solche, die diesem im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 GG, durch Gesetz als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung oder als Auftragsangelegenheit zugwiesen sind.

 

Nach § 2 Abs. 1 KrO NRW sind die Kreise, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung der auf ihr Gebiet begrenzten überörtlichen Angelegenheiten. Er darf sich nicht mit Angelegenheiten befassen, die ausschließlich einem anderen Hoheitsträger zufallen.

 

Der Beschluss zum Beitritt eines UN-Vertrages zum Verbot von Atomwaffen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der allein in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Denn gem. Art. 59 Abs. 2 GG bedarf der Abschluss von Verträgen, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, ausschließlich der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes.

 

Die rein politische Befassung durch den Kreistag mit einer in der Zuständigkeit eines anderen hoheitlichen Trägers liegende Angelegenheit, z.B. in Form eines Appells oder einer Aufforderung, unterliegt einem Befassungsverbot. Denn Art. 28 Abs. 2 GG, wie auch der v.g. § 2 KrO, begrenzen den Wirkungskreis von Kreisen auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich hierbei um solche, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben und gerade als solchen gemein ist, dass sie das Zusammenleben und –wohnen der Menschen in einer Gemeinde betreffen“ (BVerfG, B.v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619, 1628/83). 

 

Der denkbare Einsatz von Atomwaffen –durch andere Mächte als die der Bundesrepublik- ist eine nachvollziehbare Sorge vieler Menschen in Deutschland und, wie diese Anregung zeigt, auch von Einwohnern des Kreises Coesfeld. Hierbei handelt es sich nicht um eine Erscheinungsform, die einen spezifischen und exklusiven Bezug zum Kreis Coesfeld resp. zur örtlichen Gemeinschaft aufweist. Die Anregung ist vielmehr ein Ausfluss oder Reflex von unterschiedlichen, deutschland- und weltweit zu beobachtenden Protest- und Widerstandsformen gegen Atomwaffen (z.B. Ostermärsche, „Kampf dem Atomtod“).

Diese Auffassung wird gedeckt von der Rechtsprechung des BayVGH vom 24.08.1988 (4 B 86.0221). Der hierzu ergangene Leitsatz lautet: „Beschlüsse gemeindlicher Organe zu verteidigungspolitischen Fragen ("atomwaffenfreie Zonen") in Gestalt von sogenannten Vorratsbeschlüssen, die ohne konkreten, auf das Gemeindegebiet bezogenen Anlaß ergehen, sind mangels kommunaler Zuständigkeit rechtswidrig. Ausnahmsweise sind solche gemeindlichen Beschlüsse dann zulässig, wenn die Gemeinde sich gegen ein konkretes Vorhaben wendet, das unmittelbare Auswirkungen auf das Gemeindegebiet hat.“

 

Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass es dem Kreistag mit seinen gewählten politischen Vertretern möglich sein müsse, politische Meinungen kundzutun. Der Kreistag ist, im Gegensatz zum Bundestag oder zu den Landtagen, kein mit einem allgemeinpolitischen Mandat ausgestatteter Teil der gesetzgebenden Gewalt. Vielmehr ist er ein ausführendes Organ des Kreises, welcher wiederum als Gebietskörperschaft zur mittelbaren Staatsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalens gehört, vgl. Art 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 LVerf NRW. Das Befassungsverbot schützt den Kreistag in seiner Funktionsfähigkeit, in dem dort keine allgemeinpolitischen Diskussionen geführt werden können, die den Kreistag daran hindern, die ihm zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen.

 

Vor dem Hintergrund, dass der Kreis Coesfeld Mitglied bei „Mayor for Peace“ ist ergibt sich keine andere Wertung. Der Beitritt zu einem Verein, der sich zielgerichtet an Bürgermeister und Landräte richtet, und für den Atomwaffenabbau wirbt, ist unbedenklich. Denn hierbei wird die politische Diskussion gerade aus den Räten und Kreistagen herausgehalten und lediglich ein Zeichen gesetzt. Im Gegensatz dazu zielt der Beschlussvorschlag des Anregenden darauf ab, eine Diskussion über das Für und Wider des Beitritts zum UN-Vertrag im Kreistag zu entfesseln und diesen zu einer nicht in seiner Zuständigkeit liegenden Erklärung zu animieren.

 

 

 

 

II.  Lösung

Da dem Landrat kein materielles Vorprüfungsrecht zusteht, war die Bürgeranregung auf die Tagesordnung zu setzen. Aus vorgenannten Gründen verhält sich der Kreistag inhaltlich nicht zu dem Antrag und der zugrundeliegenden Frage und lehnt den Antrag mangels Verbandszuständigkeit ab.

 

Die Gemeinde Nottuln war in der Vergangenheit mit derselben Frage konfrontiert, woraufhin diese von der Kommunalaufsicht auf die entsprechende Rechtslage (informell) hingewiesen wurde.

 

III. Alternativen

Der Kreistag folgt der Anregung. Aufgrund fehlender Verbandszuständigkeit verstieße dies gegen geltendes Recht, sodass dieser Beschluss durch den Landrat zu beanstanden wäre, vgl. § 39 Abs. 2 KrO.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Keine.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Gem. § 18 Abs. 4 S. 1 Hauptsatzung.

Anlagen:

 

Antrag des Anregenden