Betreff
Wesentliche Änderungen der Reform des Gesetzes zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (KiBiz)
Vorlage
SV-9-1647
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

 

 

Begründung I-V:

 

Das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (KiBiz) wurde am 29.11.2019 vom Landtag NRW beschlossen und tritt zum 01.08.2020 in Kraft.

Hauptziel der KiBiz-Reform ist die Herstellung der Auskömmlichkeit und die Schaffung einer zukunftssicheren finanziellen Grundlage für die Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen. Jede Kindertageseinrichtung in NRW erhält künftig mehr finanzielle Mittel für mehr Personal. Es soll sichergestellt werden, dass sich die Finanzierung jedes Jahr entsprechend der tatsächlichen Entwicklung der Personal- und Sachkosten erhöht. 

Neben der Auskömmlichkeit verfolgt die KiBiz-Reform diese Ziele:

  • Erweiterung der Elternbeitragsfreiheit um ein Jahr auf die letzten beiden Jahre vor der Einschulung
  • Zeitliche Erweiterung und Flexibilisierung des Betreuungsangebots
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für Sprachbildung, qualifizierte Sprachförderung
  • Stärkung der Kindertagespflege, Förderung der Formen- und Angebotsvielfalt
  • Fachkräftesicherung, Unterstützung von Maßnahmen der Qualifizierung und Fortbildung

 

Wesentliche Änderungen neben der verbesserten Grundfinanzierung sind:

Ausweitung Elternbeitragsfreiheit

2., vorletztes beitragsfreies Kindergartenjahr

Flexibilisierung von Betreuungszeiten

§ 48 KiBiz, zusätzliche Landeszuschüsse

Sprachliche Bildung PlusKITAS

Landeszuschuss von 70 Mio. € auf 100 Mio. € erhöht

Stärkung Kindertagespflege

höhere Landeszuschüsse an Jugendämter

Leitungsfreistellung

5 bis 9 Stunden je Gruppe je nach Betreuungsumfang der Kinder

ab 5 Gruppen 100%ige Freistellung möglich

Qualifikation von Fachkräften

Ausbildungsförderung PiA/Anerkennungsjahr

8.000 € im 1. Ausbildungsjahr, 4.000 € für 2. und 3. Ausbildungsjahr (nur bei tariflicher oder „entsprechender“ Vergütung der Auszubildenden)

Fachberatung

Neue Förderung der Fachberatungen für Einrichtungen und Kindertagespflege

Familienzentren

mehr Geld für Familienzentren (20.000 € statt 13.000 €)

Verwaltungskosten

werden jetzt mit 3% statt bisher 2% berücksichtigt

Platzausbaugarantie

jeder vor Ort beantragte Platz wird bedarfsgerecht bewilligt und investiv gefördert, bis Ende der Legislaturperiode 2022

 

 

Über Änderungen durch die KiBiz-Reform wird wie folgt berichtet:

 

  1. Verbesserte Grundfinanzierung

In den zurückliegenden Jahren hatten viele Träger von Kindertageseinrichtungen aufgrund unzureichender jährlicher Dynamisierungsregelungen mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen, die sich vor allen Dingen auf die personelle Ausstattung in den Kindertageseinrichtungen auswirkten. Über einzelne jeweils auf ein Kita-Jahr befristete „Rettungspakete“ o. ä. hat das Land in den letzten Jahren versucht, das System der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen übergangsweise zu stabilisieren.

Mit der KiBiz-Reform zum 01.08.2020 soll nun eine dauerhafte Auskömmlichkeit in der Finanzierung der Kindertagesbetreuung erreicht werden. Dabei sehen die Gesetzesänderungen keine grundlegende Neugestaltung der Kita-Finanzierung vor, d.h. es bleibt bei der Aufteilung der Kinder in Gruppenformen (I, II, III) und bei den Buchungszeiten pro Woche (25, 35, 45 Stunden). Stattdessen wird durch eine deutliche Anhebung der Kindpauschalen die strukturelle Unterfinanzierung des bestehenden Systems beseitigt. Dabei gehen die bisherigen „u3-Pauschalen“ und die „Verfügungspauschalen“, die in der Vergangenheit ausschließlich vom Land finanziert wurden, in den neuen Kindpauschalen auf. 

Hierzu stehen ab dem 01.08.2020 landesweit zusätzlich 750 Mio. € jährlich zur Verfügung, die jeweils zur Hälfte vom Land und den Kommunen (Jugendämtern) aufgebracht werden.

Aufgrund der Erhöhung der Pauschalen steigt die Netto-Mehrbelastung für das Kalenderjahr 2020 (also für 5 Monate) um ca. 1,87 Mio. EUR, was auf 12 Monate für das Kindergartenjahr 2020/21 eine Steigerung um rund 4,49 Mio. EUR bedeutet.

 

-       Trägeranteile

Bisher entfiel kein Trägeranteil auf Sonderpauschalen (U3- und Verfügungspauschale). Nun sind die Pauschalen in den Kindpauschalen zusammengeführt worden und steigern diese deutlich. Die Absenkung der Trägeranteile soll diese Erhöhung auffangen:

 

Auch der rechnerische Elternbeitragsanteil an den Betriebskosten sinkt von derzeit 19 % auf zukünftig 16,9 %. Entsprechend steigen die Anteile des Landes und der Jugendämter.

 

-       Jährliche Dynamisierung der Kindpauschalen

Um auch in den Folgejahren eine Auskömmlichkeit der Kita-Finanzierung zu erreichen, soll sich die jährliche Dynamisierung der KiBiz-Pauschalen zukünftig an der Höhe der tatsächlichen Tarifsteigerungen orientieren (ab 01.08.2021):

-       Erhöhung der Pauschalen anhand von Indikatoren auf Grundlage tatsächlicher Personalkostensteigerungen (90%) und Sachkostensteigerungen (10%)

2. Weitere Elternbeitragsfreiheit

Mit der KiBiz-Reform zum 01.08.2020 werden Eltern jetzt für insgesamt zwei Kindergartenjahre, die beiden letzten Jahre vor der Einschulung, von den Elternbeiträgen befreit. Für die daraus entstehenden kommunalen Einnahmeausfälle gewährt das Land eine pauschale Erstattung, bereinigt um einen 8 %- Anteil für unterstellte Einsparungen bei den Verwaltungsaufwendungen.

Insgesamt entstehen dem Land Nordrhein-Westfalen für das zweite beitragsfreie Kita-Jahr jährliche Kosten in Höhe von ca. 200 Mio. €. Diese Kosten werden dem Land zu großen Teilen über das „Gute-Kita-Gesetz“ des Bundes refinanziert.

Eine verlässliche Prognose der Einnahmeverluste durch Einführung der Beitragsfreiheit für das vorletzte Kindergartenjahr ist nicht möglich. Bei der Einführung der Elternbeitragsbefreiung für das letzte Kindergartenjahr zum 01.08.2011 hat sich allerdings gezeigt, dass die Ausgleichszahlungen des Landes nicht die gesamten Einnahmeverluste kompensieren konnten. Im Hinblick auf eine möglichst defensive Planung wurde unterstellt, dass die erwarteten Mehrerträge im Rahmen des Belastungsausgleiches den Einnahmeverlusten bei den Elternbeiträgen entsprechen.

 

3. Flexibilisierung von Betreuungszeiten

Der Gesetzgeber will die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern. Zu diesem Zweck stellt das Land zusätzlich

-       im Kita-Jahr 2020/2021 insgesamt 40 Mio. €,

-       im Kita-Jahr 2021/2022 insgesamt 60 Mio. € und

-       ab dem Kita-Jahr 2022/2023 jeweils 80 Mio. €

für die Flexibilisierung von Betreuungszeiten zur Verfügung. Die Kommunen/Jugendämter haben diesen Landeszuschuss verpflichtend um jeweils 25 % zu ergänzen, sodass nach Abschluss der Einführungsphase ab dem Kita-Jahr 2022/2023 den Trägern jährlich 100 Mio. € für flexible Angebote zur Verfügung stehen. 

Mit den zusätzlichen Mitteln sollen insbesondere Kitas gefördert werden, die z. B.

-       Öffnungszeiten von mehr als 47 Stunden wöchentlich,

-       Öffnungszeiten an Wochenend- und Feiertagen,

-       Öffnungszeiten und Betreuung nach 17:00 Uhr und vor 07:00 Uhr anbieten oder ihre Schließtage auf maximal 15 Tage jährlich begrenzen.

Das Kreisjugendamt Coesfeld erhält im Jahr 2020 anteilig 380.400 € Landesmittel, die durch 25% Eigenanteil aufzustocken sind und sich somit auf 475.500 € für Projekte in Kindertageseinrichtungen erhöhen. Im Haushalt 2020 sind diese Finanzmittel bereits bereitgestellt worden (vgl. Vorlage SV-9-1519).

Mit Rundschreiben vom 18.12.2019 wurden die Träger der Kindertageseinrichtungen im Jugendamtsbezirk Kreis Coesfeld über die Förderung von Flexiblen Betreuungszeiten informiert und aufgefordert, mögliche Maßnahmen bis zum 15.02.2020 an das Kreisjugendamt zu melden. Über die Ergebnisse wird in der Sitzung berichtet werden.

 

4. Zusätzliche Sprachförderung (Plus-Kitas, Sprachförderkitas)

Des Weiteren will der Gesetzgeber mit der KiBiz-Reform die alltagsintegrierte Sprachbildung verbessern. Die Grundlage für eine qualitative Weiterentwicklung der Sprachförderung soll vor allem dort erweitert werden, wo besonders viele Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf betreut werden, sei es, weil sie mit einer nicht-deutschen Familiensprache aufwachsen oder weil sie von Armut betroffen sind.

Hierzu fasst der Gesetzgeber die bisherigen Mittel für „PlusKita“ und Sprachförderkita zusammen.

Für das Kreisjugendamt werden die Mittel insgesamt um 115.000 € auf 350.000 € aufgestockt. Pro PlusKita müssen mindestens 30.000 € gefördert werden. Die Sprachförderung läuft im Grundsatz aus, sie kann vorübergehend mit besonderer Bedarfsbegründung bis max. 2024/25 weiter gefördert werden.

Mit Sitzungsvorlagen SV-9-1641 und SV-9-1643 wird das Thema „Verteilung der Fördermittel“ behandelt.

 

5. Stärkung der Kindertagespflege

Die Kindertagespflege als eigenständiges und gleichwertiges Angebot der Kindertagesbetreuung soll mit der KiBiz-Reform nochmals aufgewertet und gestärkt werden.

Zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagespflege soll zukünftig eine 300 Stunden umfassende Qualifizierung nach dem Qualifizierungshandbuch Kindertagespflege des Deutschen Jugendinstituts für alle neuen Tagespflegepersonen spätestens ab dem Jahr 2022/2023 verbindlich vorgeschrieben werden. Darüber hinaus müssen Tagespflegepersonen jährlich die Teilnahme an Fortbildungsangeboten nachweisen - dies ist allerdings im gesamten Kreis Coesfeld bisher schon der Fall.

Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Situation von Tagespflegepersonen insofern verbessert, als ab dem 01.08.2020 die Jugendämter verpflichtet sind, Geldleistungen in der Eingewöhnungsphase bzw. bei vorübergehender Krankheit des Kindes zu erbringen. Auch das ist Gegenstand der Überarbeitung der Richtlinien für die Beratung in der Juni-Sitzung.  Darüber hinaus soll die zu zahlende Geldleistung an die Tagespflegepersonen jährlich angepasst und eine geeignete und transparente Vertretungsregelung sichergestellt werden.

Aufgrund der durch die KiBiz-Reform zu erwartenden Mehraufwendungen für die Kindertagespflege wird der Landeszuschuss an die kommunalen Jugendämter von 781 € auf 1.109 € je Kind und Jahr angehoben. Diese Entwicklung ist positiv. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Landesmittel weiterhin nur einen Bruchteil (ca. 10 %) der tatsächlich in den Jugendämtern entstehenden Kosten für die Kindertagespflege abdecken.

Im Kreisjugendamtsbezirk sind aktuell 67 Kindertagespflegepersonen für bis zu 356 Kinder tätig.

Die Anpassung der Richtlinien mit den bereits in Vorlage SV-9-1479 thematisierten Verbesserungen für die Kindertagespflegepersonen wird aktuell weiter vorbereitet und mit den Jugendämtern Kreis Coesfeld und Dülmen harmonisiert. Es ist vorgesehen, diese in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 03.06.2020 zu beraten, damit die Änderungen zum neuen Kindergartenjahr in Kraft treten können.

 

6. Erweiterung der Elternmitwirkung

Die Mitwirkung von Eltern soll im Rahmen der KiBiz-Reform gestärkt werden. So können erstmalig auch Eltern, deren Kinder in der Tagespflege betreut werden, an der Wahl der Mitglieder des Jugendamtselternbeirates aktiv teilnehmen.

Ferner hat der Jugendamtselternbeirat zukünftig die Möglichkeit, in seiner Geschäftsordnung zu bestimmen, dass der Beirat nicht nur für ein, sondern für zwei Kindergartenjahre gewählt wird.

 

7. Fachberatung

Neu ist ein Landeszuschuss zur qualifizierten Fachberatung von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Ziel ist die fachliche und systematische Begleitung der Qualitätssicherung und -entwicklung Der Zuschuss beträgt je Einrichtung 1000,- €, je Kindertagespflegeperson 500,- €/Jahr.

 

8. Ausbau des Wunsch- und Wahlrechtes der Eltern

Wenn auch im Vergleich zum Referentenentwurf etwas abgeschwächt, wird in der geplanten KiBiz-Reform das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, gerade mit Blick auf flexiblere Betreuungszeiten, ausgebaut. Ferner weist der Gesetzgeber erneut darauf hin, dass ab einer Betreuungszeit von 35 Std. wöchentlich in der Regel eine durchgehende Betreuung über Mittag, einschließlich einer Mittagsverpflegung, anzubieten ist.