Betreff
Sachverhalt und aktuelle Situation bei der Firma Westfleisch; Antrag der SPD-Kreistagsfraktion vom 08.05.2020
Vorlage
SV-9-1718
Aktenzeichen
32
Art
Sitzungsvorlage

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

 

Die SPD-Kreistagsfraktion hat mit Schreiben vom 08.05.2020 die Erweiterung der Tagesordnung beantragt und die nachfolgenden Fragen zur aktuellen Situation und den Vorkommnissen bei der Firma Westfleisch gestellt:

 

1. Welche Personengruppen sind betroffen?

Betroffen sind vor allem Mitarbeiter der Werkvertragspartner von Westfleisch. Diese kommen überwiegend aus osteuropäischen Ländern (Rumänien, Polen, Ungarn, …).

 

2. In welchen Orten, mit wieviel Mitbewohnern haben die Personen zusammengewohnt und wie groß ist die zur Verfügung gestellte Wohnfläche?

Die Bewohner wohnen in verschiedenen Orten. Insbesondere in Coesfeld und Rosendahl sind viele der Beschäftigten wohnhaft.

Ca. 50 % der Beschäftigten wohnen in Sammelunterkünften. Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es eine Sammelunterkunft für ca. 50 Beschäftigte, zwei Sammelunterkünfte für ca. 30 Personen, vier Sammelunterkünfte für 22-25 Personen. Insgesamt gibt es im Kreis Coesfeld 18 Sammelunterkünfte, in denen mehr als 10 Personen untergebracht werden können. Es gibt auch viele Unterkünfte, in denen nur 3-5 Personen leben.

In Coesfeld ist die größte Sammelunterkunft derzeit mit 25 Personen auf einer Fläche von ca. 300m² Wohnfläche belegt.

Weitere Personen wohnen in benachbarten Kreisen, zum Teil auch in Sammelunterkünften.

 

3. Wann ist die Firma Westfleisch auf den Kreis Coesfeld als Gesundheitsamt zugekommen?

Am 17. März fand ein erstes Telefonat zwischen Herrn Dr. Völker-Feldmann und Herrn Schruck von der Firma Westfleisch wegen der Corona-Pandemie statt.

Am 8. April hat dann Herr Bayer von der Firma Westfleisch telefonisch Kontakt zu Herrn Dr. Völker-Feldmann aufgenommen, um die Pandemieplanung der Firma Westfleisch vorzustellen. Herr Dr. Völker-Feldmann und Herr Bayer haben sich dann für den Folgetag um 10.00 Uhr bei Westfleisch verabredet.

Ein persönliches Gespräch mit dem Standortleiter Herrn Bayer hat am 30.04.2020 auf Bitte des Kreises stattgefunden. Weitere persönliche Gespräche haben am 04.05.2020 und am 07.05.2020 stattgefunden.

 

4. Wann ist die Bezirksregierung, Stadt Coesfeld und die Nachbarkreise sowie Städte und Gemeinden, in denen die Beschäftigten wohnen, informiert worden?

In dem Gespräch vom 04.05.2020 ist vereinbart worden, dass die Firma Westfleisch dem Kreis Listen der Mitarbeiter inklusive deren Wohnort zur Verfügung stellt. Diese sind dem Kreis am 05.05.2020 übersandt worden. Die entsprechenden Kommunen sind unverzüglich informiert worden. Zudem hat ein regelmäßiger Austausch sowohl in den Telefonkonferenzen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern als auch mit den Ordnungsämtern stattgefunden. Die Bezirksregierung ist in diversen Telefongesprächen fortlaufend informiert worden.

 

5. Die Anordnung, alle Mitarbeiter der Firma Westfleisch auf Covid 19 zu untersuchen ist wann getroffen worden?

Am Morgen des 07.05.2020 ist der Firma Westfleisch mitgeteilt worden, dass sämtliche Beschäftigte, die am Standort Coesfeld tätig sind, getestet werden. Dazu sind bereits am gleichen Tag ab ca. 13.30 h Abstriche am Firmenstandort genommen worden. Am 08.05.2020 sind ganztägig Abstriche am Betriebsstandort genommen worden. Aufgrund der vorübergehenden Betriebsschließung sind am 09.05.2020 und 10.05.2020 Unterkünfte der Beschäftigten, die noch nicht getestet worden sind, aufgesucht und Abstriche genommen worden. Dabei ist mit den größeren Unterkünften begonnen worden.

 

6. Wo werden die Infizierten untergebracht? Gibt es weitere Ausweichquartiere?

Die ersten positiven Fälle aus Sammelunterkünften sind durch die Firma in ein Tagungshotel nach Oer-Erkenschwick verbracht worden. In einer Kommune waren in einer Unterkunft fast alle Bewohner infiziert, so dass sie dort verbleiben konnten. Es wird nach weiteren Unterkünften zur Separierung positiv Getesteter aus Sammelunterkünften gesucht. Konkrete Gespräche führt die Firma Westfleisch mit zwei Einrichtungen (1 in Coesfeld, 1 in Billerbeck). Der Kreis unterstützt die Firma Westfleisch bei der Suche nach geeigneten Objekten und hatte dem Unternehmen sogleich Vorschläge für die Unterbringung übermittelt.

 

7. Wie ist die Situation im Krankenhaus, welche Kapazitäten stehen zur Verfügung?

In der Krisenstabssitzung vom 12.05.2020 haben die Vertreter der Krankenhäuser mitgeteilt, dass die Zahlen der infizierten Patienten in den Krankenhäusern seit über zwei Wochen stabil sind und zu keiner Zeit kritisch waren. Nach wie vor wird eine ausreichende Bettenkapazität vorgehalten.

 

8. Wird die Turnhalle des Pictorius Berufskolleg als Ausweichquartier genutzt?

Die Turnhalle des Pictorius Berufskollegs soll nicht als Ausweichquartier genutzt werden. Diese eignet sich nicht für eine Quarantäneunterbringung, da auf engstem Raum Personen verschiedener Nationalitäten, Religionen oder Volkszugehörigkeiten untergebracht werden müssten. Des Weiteren kann die genaue Lageentwicklung aufgrund der zunehmenden Lockerungen nicht abgeschätzt werden, sodass das Hilfs-Krankenhaus als Notfalleinrichtung zur Verfügung stehen soll.

 

9. Trotz Systemrelevanz scheint der SPD Kreistagsfraktion eine vorrübergehende Schließung des Werks unausweichlich. Eine Verzögerung hilft keinem.

Der Betrieb ist mit Ordnungsverfügung vom 08.05.2020 für die Zeit vom 09.05.2020, 01.00 Uhr bis 17.05.2020, 24.00 Uhr vorübergehend geschlossen worden.

 

 

 

 

 

Mit den nachfolgenden Fragen und Antworten wird darüber hinaus der aktuelle Stand komprimiert dargestellt:

 

 

 

FAQ zu den nachgewiesenen Coronafällen bei der Firma Westfleisch in Coesfeld

(Stand 12.05.2020)

 

1.      Wie ist der aktuelle Stand zum Thema Coronavirus im Zusammenhang mit Westfleisch?

Im Kreis Coesfeld wurden kumulativ 805 Fälle mit dem Coronavirus nachgewiesen. Am 1. Mai lag die Zahl der infizierten Fälle noch bei 518.

1008 Beschäftigte wurden auf das Coronavirus getestet, wovon 254 Personen positiv getestet wurden. Somit ist der deutliche Anstieg der Coronafälle im Kreis Coesfeld maßgeblich auf die Fälle bei den Beschäftigten von Westfleisch zurückzuführen.

 

2.      Wann gab es den ersten Coronafall bei der Firma Westfleisch in Coesfeld?

Am 27.04.2020 wurde erstmals bei einem Mitarbeiter bei Westfleisch in Coesfeld ein Coronafall gemeldet. Für den Mitarbeiter, seine Familie und einen weiteren Familienangehörigen wurde Quarantäne verhängt. Zudem wurden die Kontaktpersonen auf der Arbeit ermittelt und ebenfalls unter Quarantäne gesetzt.

 

Schon vor dem 27.04.2020 wurde zwar ein Coronafall bei der Firma Westfleisch gemeldet, allerdings nicht am Standort in Coesfeld, sondern in Münster.

 

3.      Was wurde unternommen, nachdem der erste Coronafall bei Westfleisch festgestellt wurde?

Nachdem ein erster Coronafall bei Westfleisch festgestellt wurde, hat das Gesundheitsamt alle Maßnahmen eingeleitet, um die Infektionsketten aufzuspüren und zu unterbrechen.

 

Lebten die Betroffenen in eigenen Wohnungen, wurde Quarantäne verhängt. Lebten diese in Gemeinschaftsunterkünfte, so wurden diese Unterkünfte besichtigt, von allen Bewohnern Abstriche genommen und Quarantäne verhängt. Bei den Unterkünften mit schwierigen Isolationsmöglichkeiten wurden Patienten in ein Hotel nach Oer-Erkenschwick gebracht.

 

Das Ordnungsamt der jeweiligen Kommunen stellen die Versorgung der Menschen sicher, die sich nicht selber versorgen können.

 

4.      Wie kam es zu der Schließung von Westfleisch?

Am 08.05.2020 erfolgte eine Begehung des Betriebes am Standort Coesfeld durch das hierfür zuständige Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster. Vor dem Hintergrund der hohen Fallzahlen an Corona erkrankten Mitarbeitern sowie den festgestellten Mängeln hat das Gesundheitsamt des Kreises Coesfeld in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium des Landes den Betrieb umgehend vorübergehend stillgelegt. Ein gegen diese Verfügung gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Münster abgelehnt.

 

5.      Wer ist für die Schließung von Betrieben zuständig?

Das Ordnungsamt einer jeweiligen Kommune kann die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, vgl. § 28 Infektionsschutzgesetz. Bei Gefahr im Verzug kann das Gesundheitsamt (des Kreises) die erforderlichen Maßnahmen selbst anordnen, vgl. § 16 Absatz 7 Infektionsschutzgesetz.

 

6.      Hätte der Betrieb schon früher stillgelegt werden müssen?

Nein, die Betriebsstätte von Westfleisch in Coesfeld hätte nicht schon früher geschlossen werden dürfen, da die rechtlichen Voraussetzungen hierfür noch nicht vorlagen. Denn nach den ersten Erkenntnissen beschränkte sich das Infektionsgeschehen nur auf die in den Unterkünften lebenden Menschen.

 

Um aber auszuschließen, dass nicht noch weitere Mitarbeiter sich untereinander infiziert haben und um auszuschließen, dass nicht auch hygienische Mängel in der Betriebsstätte für den Ausbruch verantwortlich waren, hat das Gesundheitsamt über 1000 Beschäftigte von Westfleisch auf Corona getestet.

 

Auf Grundlage dieser Ermittlungsarbeiten hat das Gesundheitsamt, als immer mehr positive Befunde eingingen und das Prüfergebnis des Arbeitsschutzes vorlag, den Betrieb wegen Gefahr in Verzug stillgelegt.

 

7.      Hatte Westfleisch ein Hygienekonzept für seinen Betrieb?

Ja! Vor Bekanntwerden des ersten Coronafalls bei Westfleisch am Standort Coesfeld wurde das Gesundheitsamt des Kreises vor Ort über das Hygienekonzept informiert. Dieses Konzept entsprach allen hygienischen Erfordernissen, dessen tatsächliche Einhaltung zu einer Eindämmung des Cornonavirus innerhalb der Mitarbeiterschaft mitbeigetragen hätte.

 

8.      Warum wurden Mängel der Arbeitshygiene erst am 08.05.2020 festgestellt?

Das Hygienekonzept von Westfleisch entsprach allen hygienischen Anforderungen. Eine permanente/ durchgehende Kontrolle der Einhaltung der Hygienestandards bei allen Unternehmen im Kreis Coesfeld ist weder durch das Gesundheitsamt, noch durch das Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung leistbar.

 

9.      Wurden die Unterkünfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei Westfleisch arbeiten, kontrolliert?

Im Zuge der zunehmenden Anzahl von mit dem Coronavirus positiv getesteten Beschäftigten von Westfleisch, haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Kreises Coesfeld, des Amtes für Arbeitsschutzes der Bezirksregierung Münster sowie des Ordnungsamtes der jeweiligen Kommune 15 größere Unterkünfte (ab acht Personen) und 37 kleinere Wohnungen in Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Nottuln und Rosendahl kontrolliert.

 

Erhebliche Mängel wurden nicht festgestellt. Vereinzelt fehlten Hygienespender.

 

10.  Wurden schon früher die Unterkünfte kontrolliert?

Aufgrund des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz), dürfen Wohnungen nicht auf Verdacht bzw. grundlos betreten und kontrolliert werden. Da die Beschäftigten unterschiedlich und dezentral untergebracht sind und nicht jede Wohnunterkunft per se gegen Hygienestandards verstoßen muss, gab es keinen durchgehenden Anlass zur Betretung von Wohnungen.

 

Die Ordnungsämter der Kommunen, das Dezernat für Arbeitsschutz der Bezirksregierung und das Gesundheitsamt führen derzeit die Überprüfung der Unterkünfte im Kreis Coesfeld fort.