Betreff
Der Kreis Coesfeld wird Mitglied des Städtebündnisses „Sicherer Hafen“
-Antrag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Kreistagsfraktion vom 14.05.2021
Vorlage
SV-10-0236
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Kreistagsfraktion:

 

1. Der Kreis Coesfeld erklärt sich zum „Sicheren Hafen“.

2. Der Kreis Coesfeld erklärt sich solidarisch mit den Forderungen der Initiative „Seebrücke – schafft

Sichere Häfen“ zur Rettung der aus Seenot geretteten Geflüchteten.

3. Der Kreis Coesfeld positioniert sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf

dem Mittelmeer.

 

 

 

Beschlussvorschlag der Verwaltung:

Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob der Kreis Coesfeld Mitglied der Initiative „SEEBRÜCKE“ und deren Projekt „Sicherer Hafen“ werden sollte. Dazu werden die einzelnen Aspekte des Forderungskatalogs der Initiative auf ihre rechtlichen Voraussetzungen und mögliche Folgen für den Kreis Coesfeld geprüft und bewertet. Diese Prüfung erfolgt in enger Abstimmung mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, insbesondere in den Angelegenheiten, die auch oder in ihre alleinige Zuständigkeit fallen.

 

I.                    Sachdarstellung und Entscheidungsvorschlag

 

Mit Schreiben vom 14.05.2021 beantragten die Kreistagsfraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgenden Beschlussvorschlag: 

 

1. Der Kreis Coesfeld erklärt sich zum „Sicheren Hafen“.

2. Der Kreis Coesfeld erklärt sich solidarisch mit den Forderungen der Initiative „Seebrücke – schafft

Sichere Häfen“ zur Rettung der aus Seenot geretteten Geflüchteten.

3. Der Kreis Coesfeld positioniert sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf

dem Mittelmeer.

 

Zur Begründung des Beschlussvorschlags weisen die Fraktionssprecherinnen und Fraktionssprecher u.a. auf die durch Kriege, Gewalt und die Klimakrise erzwungene Flucht der Menschen über lebensgefährliche Routen und fordern, dass der Kreis Coesfeld „Teil der Bewegung“ wird, um durch die Unterstützung der Initiative „SEEBRÜCKE“ auf verschiedene Weise Einfluss auf die Beendigung dieser katastrophalen Zustände nimmt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass bereits 247 Städte, Gemeinden und Landkreise sich zu sog. „Sicheren Häfen“ erklärt hätten, darunter 67 Kommunen in NRW, u.a. auch die Stadt Münster. Der Antrag ist der Anlage 1 dieser SV zu entnehmen. 

 

 

Hintergrund der Initiative „SEEBRÜCKE. Schafft sichere Häfen“  

Bei der Initiative „SEEBRÜCKE“ handelt es sich um eine zivilgesellschaftliche, internationale Bewegung, die sich ab 2018 formierte und sich gegen die europäische Abschottungspolitik sowie insbesondere gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer richtet. Die Akteure solidarisieren sich mit allen Flüchtenden und fordern die Politik auf, sichere Fluchtwege zu schaffen. Die Initiative setzt in der Aktion „Sicherer Hafen“ besonders auf die Kommunalpolitik und versucht, Kommunen zur Unterstützung zu gewinnen, in dem diese mit unterschiedlichen Verpflichtungs-graden verbundene Erklärungen abgegeben.

Um die Bandbreite der Forderungen der Seebrücke zu verdeutlichen und anschließend eine (vorläufige) begründete Bewertung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN vornehmen zu können wird nachfolgend der entsprechende Teil der Homepage der SEEBRÜCKE abgebildet (Stand 25.05.2021). Der Anlage 2 ist der entsprechende Textbeitrag im Original zu entnehmen.

 

Sicheren Häfen - Forderungen der SEEBRÜCKE

Die SEEBRÜCKE setzt sich dafür ein, dass Menschen auf der Flucht einen Ort zum Ankommen finden - einen Sicheren Hafen. Dort, wo die Bundespolitik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, muss die kommunale Politik tätig werden. Kommunen können sich für ein sicheres Ankommen und neue rechtliche Rahmen einsetzen. Der Sichere Hafen ist ein Prozess, den bereits dutzende Städte, Landkreise und Gemeinden begonnen haben. Kommunen können in dem Prozess über die Zeit immer mehr Aspekte eines Sicheren Hafens erfüllen. Als SEEBRÜCKE begleiten wir den Prozess und dokumentieren, welche Schritte Kommunen aus unserer Sicht bereits gegangen sind.

Zu einem Sicheren Hafen gehört für die SEEBRÜCKE, dass die Kommune:

Öffentliche Solidaritätserklärung
1. sich mit Menschen auf der Flucht, der Seenotrettung und den Zielen der SEEBRÜCKE solidarisch erklärt.

Einsatz für sichere Fluchtwege und Unterstützung der Seenotrettung
2. sich für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik einsetzt, damit Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen.

3. sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung auf dem Mittelmeer positioniert und diese aktiv unterstützt, beispielsweise mit Öffentlichkeitsarbeit, Patenschaften, finanzieller Unterstützung oder der Beteiligung an einer Rettungsmission.

4. sich darüber hinaus aktiv für staatliche Seenotrettungsmissionen einsetzt.

Aufnahme von Menschen auf der Flucht
5. sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Einrichtung neuer bzw. für die deutliche Ausweitung bestehender Programme zur legalen Aufnahme von Menschen auf der Flucht einsetzt und dazu selbst Aufnahmeplätze zusätzlich zur Verteilungsquote (Königsteiner Schlüssel) anbietet (Humanitäre Aufnahmeverfahren des Bundes, insbes. Resettlement-Programm, und Programme der Bundesländer nach §23 AufenthG).

6. Plätze für die schnelle und unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur Verteilungsquote von Schutzsuchenden bereitstellt (z.B. im Rahmen eines Dublin- oder Relocation-Verfahrens).

7. sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Schaffung rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen einsetzt, mit denen die Kommunen die Aufnahme von Menschen auf der Flucht über die Verteilungsquote hinaus tatsächlich selbstbestimmt realisieren können.

Kommunales Ankommen und Bleiben gewährleisten
8. für alle geflüchteten Menschen - unabhängig vom Fluchtweg - für ein langfristiges Ankommen sorgt. Um ein gutes und sicheres Leben in der Kommune zu gewährleisten, müssen alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, und für die gesellschaftliche Teilhabe der Aufgenommenen zur Verfügung gestellt werden.


9. für Bleibeperspektiven eintritt und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen Abschiebungen einsetzt. Sie ist nicht nur Sicherer Hafen, sondern zugleich Solidarische Stadt für alle Menschen.

Vernetzung
10. sich auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene aktiv für die Umsetzung der oben genannten Punkte einsetzt. Dafür vernetzt sie sich mit anderen Städten und tritt dem kommunalen Bündnis “Städte Sicherer Häfen” bei. Sichere Häfen setzen sich in ganz Europa für eine menschenrechtskonforme europäische Migrationspolitik und ein Ende der Abschottungspolitik ein.

Transparenz
11. alle unternommenen Handlungen veröffentlicht.


Es wird deutlich, dass die Forderungen der SEEBRÜCKE von Solidaritätsbekundungen über die Unterstützung politischer Absichtserklärungen bis hin zur Selbstverpflichtung, über die Verteilungsquote hinaus, geflüchtete Menschen aufzunehmen, reichen. Daraus ergeben sich inhaltliche und auch Zuständigkeitsfragen, die es ohne weitere Klärungen nicht erlauben, der Initiative zum jetzigen Zeitpunkt vorbehaltslos und uneingeschränkt beizutreten.

Die Forderungen 1. – 4. (s.o.) könnten durch den Kreis Coesfeld mitgetragen werden. Sie sind zwar z.T. nicht ohne „politische Brisanz“ (z.B. „Ende der EU-Abschottungspolitik und somit Verhinderung der lebensgefährlichen Fluchtrouten“), dem Grunde genommen aber aus moralisch-ethischen Gründen zum größten Teil selbstverständlich. Die Entkriminalisierung der zivilen Seenotrettung und der Einsatz von staatlichen Seenotrettungsmissionen gehören dazu.

Die Forderungen 5. – 7 (s.o.) fallen in die Zuständigkeit der Städte und Gemeinden. Diese sind zur Aufnahme der zugewiesenen (geflüchteten) Menschen verpflichtet. Eine Erklärung zur Bereitschaft, über die Pflichtquote hinaus Menschen aufzunehmen, müssten die kreisangehörigen Städte und Gemeinden selbst abgeben. Ohne Klärung dieser Frage, sollte der Kreis hier (noch) keinen umfassenden Beschluss fassen.

Die Forderung 8. (s.o.) wiederum lässt der Kreis Coesfeld seit Jahren gegen sich gelten. Neben dem Aufbau des Kommunalen Integrationszentrums und seiner Vielzahl von Maßnahmen unterstützen weitere Abteilungen des Kreises, Bildungsträger, Wohlfahrtsverbände und Ehrenamtliche die Integration von geflüchteten Menschen. Aber auch diese Forderung sollte von den Städten und Gemeinden darüber hinaus in ihrer eigenen Zuständigkeit geprüft werden (z.B. im Bereich „Wohnen“).

Die Verpflichtung, „sich im Rahmen der Möglichkeiten gegen Abschiebungen einzusetzen“    - Forderung 9. (s.o.) – bedarf einer genaueren inhaltlichen Prüfung. Sollte die SEEBRÜCKE damit meinen, mögliches Ermessen der kommunalen Ausländerbehörde in Einzelfällen gegen eine Abschiebung auszulegen, entspräche das dem bisherigen Vorgehen der Verwaltung. Sollte die Forderung aber bedeuten, überhaupt keine Abschiebungen mehr durchzuführen, würde sie die Arbeit der kommunalen und auch der zentralen Ausländerbehörde konterkarieren bzw. beenden.             

Die Forderungen 10. und 11. wiederum könnten voraussichtlich vom Grundsatz unterstützt werden, wenn die o.g. noch abzustimmenden Sachverhalte geklärt sind.

 

Die Verwaltung schlägt aus den genannten Gründen folgenden Beschluss vor:

Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, ob der Kreis Coesfeld Mitglied der Initiative „SEEBRÜCKE“ und deren Projekt „Sicherer Hafen“ werden sollte. Dazu werden die einzelnen Aspekte des Forderungskatalogs der Initiative auf ihre rechtlichen Voraussetzungen und mögliche Folgen für den Kreis Coesfeld geprüft und bewertet. Diese Prüfung erfolgt in enger Abstimmung mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, insbesondere in den Angelegenheiten, die auch oder in ihre alleinige Zuständigkeit fallen.

 

II.                  Entscheidungsalternativen

 

Alternativ könnten einzelne Punkte des Forderungskatalogs der SEEBRÜCKE herausgenommen und bereits zur Umsetzung beschlossen werden. Dazu könnte insbesondere der Punkt 3. „Der Kreis Coesfeld positioniert sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer“ aus dem Antrag der Kreistagsfraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zählen.

 

III.                Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

 

Die politischen und fiskalischen Auswirkungen für den Kreis Coesfeld hängen vom weiteren Vorgehen ab, umfangreiche oder kostenintensive Auswirkungen sind aktuell aber nicht zu erwarten.

 

Die mögliche Selbstverpflichtung der Städte und Gemeinden hat aufgrund der fehlenden rechtlichen Voraussetzungen, sich über die von Bund und Land festgesetzten Aufnahmequoten hinwegzusetzen, aktuell keine fiskalischen Auswirkungen. Eine mögliche Gesetzesänderung oder eine entsprechende Rechtsprechung würde sich hier aber auswirken.    

 

 

 

IV.                 Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Der Kreistag ist gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe g KrO NRW für die Entscheidung zuständig.