Beschluss:
Der Bericht der
Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zum bundesweiten
Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird zur
Kenntnis genommen. Die Kreisverwaltung wird beauftragt das Verfahren weiterhin
in Abstimmung mit den Städten und Gemeinden zu begleiten. Über den weiteren
Verlauf wird fortlaufend berichtet.
I. Sachdarstellung
Die
Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) führt unter Aufsicht des Bundesamtes
für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) das bundesweite
Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle durch.
Die gesetzliche Grundlage für die Suche nach einem Endlagerstandort bildet
das Standortauswahlgesetz (StandAG). Nach der Novelle des StandAG
von 2017 ist die BGE beauftragt bis zum Jahr 2031 einen Standort für ein
Endlager zu finden, der für eine Million Jahre die bestmögliche Sicherheit für
den Einschluss des hochradioaktiven Atommülls bietet.
Am 28.09.2020 wurde
der Zwischenbericht Teilgebiete durch die BGE veröffentlicht. Im
Zwischenbericht werden insgesamt 90 Teilgebiete im gesamten Bundesgebiet
benannt, die günstige geologische Voraussetzungen für die Endlagerung
hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen. Hiermit sind ca. 54 Prozent der
Fläche der Bundesrepublik Deutschland als Teilgebiet ausgewiesen. Bei der
Eingrenzung der Teilgebiete wurden dabei bisher ausschließlich geologische
Kriterien bewertet. Raumplanerische Kriterien, wie zum Beispiel die Nähe zu
Naturschutzgebieten oder die Besiedlungsdichte wurden nicht berücksichtigt und
spielen erst im weiteren Verlauf des Standortauswahlverfahrens eine Rolle.
In der
Ausschusssitzung wird Herrn Steffen Kanitz, stellvertretender Vorsitzender der
BGE-Geschäftsführung einen Vortrag zum Standortauswahlverfahren und den
aktuellen Ergebnissen der Fachkonferenz Teilgebiete halten und für anschließende
Fragen zur Verfügung stehen.
Das Standortauswahlverfahren
Das Suchverfahren
für ein Endlager erfolgt in drei Schritten nach einem partizipativen,
wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden
Verfahren. Die Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete im September
2020 sowie die hieran anschließenden Fachkonferenzen Teilgebiete bilden den
Mittelpunkt des ersten Schrittes des Standortauswahlverfahrens.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau des
Standortauswahlverfahren .Quelle: BGE,
2020: Zwischenbericht Teilgebiet, S.34.
Im ersten Schritt
wurde zunächst das gesamte Bundesgebiet anhand von
definierten Ausschlusskriterien (§22
SandAG) und Mindestanforderungen (§23 StandAG) durch die BGE
untersucht. Im Verlauf dieser Untersuchungen konnten bereits viele Regionen als
geeignete Standorte für ein Endlager ausgeschlossen werden. Weiterhin wurden
die geowissenschaftlichen Abwägungskriterien (§ 24 StandAG)
angewendet, um eine geologische Bewertung der verbleibenden Teilgebiete
vornehmen zu können. Nachdem der Zwischenbericht Teilgebiete am 28.09.2020
veröffentlich wurde, treten in der zweiten Phase des ersten Schritts - neben
weiteren Untersuchungen zu den geowissenschaftlichen Abwägungskriterien - vorläufige
Sicherheitsuntersuchungen (§ 27 Stand AG) und die Betrachtung
von planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien (§25 Stand
AG) hinzu. Im zweiten Schritt finden in den verbleibenden Standortregionen
übertägige Erkundungen statt. Im dritten Schritt treten untertägige Erkundungen
hinzu. Der gesamte Prozess des Standortauswahlverfahrens wird von intensiver
Öffentlichkeitsbeteiligung begleitet. Die Entscheidung über die weitere
Eingrenzung bis hin zur endgültigen Auswahl eines Endlagerstandorts trifft jeweils
der Bundestag und der Bundesrat bis zum Jahr 2031.
Teilgebiete im Kreis Coesfeld
Im Kreis Coesfeld
finden sich zwei Teilgebiete des Wirtgesteins Tongestein, die günstige
geologische Voraussetzungen für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle erwarten
lassen. Sämtliche Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld sind betroffen.
- Tongestein der Oberkreide -
„Münsterländer Kreidebecken“ (008_02TG_204_02IG_T_f_kro)
- Tongestein der Unterkreide -
„Norddeutsches Becken“ (007_00TG_202_02IG_T_f_kru).
Abbildung 2: Teilgebiete in
Nordrhein-Westfalen (keine Darstellung von überlappenden Teilgebieten). Quelle:
Kreis Borken, 2021
Abbildung 3: Teilgebiete im Kreis
Coesfeld. Quelle: Kreis Coesfeld, 2020
Der Geologische
Dienst Nordrhein-Westfalen (GD.NRW) hat als zentrale geowissenschaftliche
Facheinrichtung des Landes den Zwischenbericht Teilgebiete der BGE intensiv
fachlich geprüft und hierzu am 10.02.2021 eine Stellungnahme zum Zwischenbericht Teilgebiete veröffentlicht. Neben einer Bewertung
der Methodik und der Vorgehensweise des Zwischenberichts Teilgebiete der BGE
finden sich hier Einschätzungen zu den einzelnen Teilgebieten in
Nordrhein-Westfalen. GD.NRW konstatiert für das Teilgebiet 007_00TG_202_02IG_T_f_kru
westlich von Coesfeld eine unzureichende Datenlage, das aufgeführte Vorkommen
von Unterkreide-Gesteinen sei nur „sehr schwer nachvollziehbar“. Für das
Teilgebiet 008_02TG_204_02IG_T_f_kro wird eine große geologische
Vielfalt angenommen, deren Übergänge aufgrund mangelnder Datenlagen nur grob
bekannt sind. Weite Teile des Teilgebiets werden von GD.NRW nicht als
Tongestein eingeschätzt, sodass die Anwendung der Mindestanforderungskriterien
als „nicht nachvollziehbar“ bewertet wird.
Die BGE hat am
01.06.0221 ein „fachliche Einordnung“ zur Stellungnahme des GD.NRW vorgelegt.
Hierbei wird die fachliche Einordnung von GD.NRW als „nachvollziehbare
Hinweise“ bewertet, „denen sich die BGE jedoch nur zum Teil anschließen kann“.
Aktueller Sachstand und Zeitplan
Der Zwischenbericht
Teilgebiete stellt einen Zwischenstand der Arbeiten der BGE dar und dient als
Grundlage der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Endlagersuche. Das bedeutet, dass
sich aus dem Zwischenbericht Teilgebiete keine endgültigen Hinweise für die
besondere Eignung eines spezifischen Teilgebietes als Endlagerstandort ableiten
lassen. Es gilt: sämtliche Teilgebiete – und somit 54 Prozent der Fläche der
Bundesrepublik - gelten als grundsätzlich geologisch geeignet für einen
Endlagerstandort für horchradioaktive Abfälle. Parallel zur
Öffentlichkeitsbeteiligung über die Fachkonferenz Teilgebiete arbeitet die BGE
an weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen der Teilgebiete auf Basis
vorliegender Daten sowie weiteren Hinweisen der geologischen Dienste der Länder
und der (Fach-)Öffentlichkeit. Mit einer weiteren Eingrenzung der Teilgebiete
zu Standortregionen ist kurzfristig noch nicht zu rechnen, ein genauer
Zeitpunkt für die weiteren Schritte im Standortauswahlverfahren ist nicht
bekannt.
Der Auftakt zur
Fachkonferenz Teilgebiete fand am 17. und 18.10.2020 im Rahmen einer
Online-Konferenz statt. Sie hatte einen informativen Charakter und diente dazu,
Grundlagen für die Beratungstermine der Fachkonferenz zu schaffen.
Der erste Beratungstermin hat vom 05. bis 07.02.2021 stattgefunden,
der zweite Beratungstermin vom 10. bis zum 12.06.2021, der dritte
Beratungstermin am 06.08 und 07.08.2021. Sämtliche Veranstaltung wurden von
Vertretern des Kreises Coesfeld über das digitale Konferenztool
begleitet. Am 13. und 14.11.2021 wird das Bundesamt für die Sicherheit der
nuklearen Entsorgung (BASE) als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung in einer
Statuskonferenz über den Umgang mit den Ergebnissen der Fachkonferenz und dem
weiteren Verfahren im ersten Schritt des Standortauswahlverfahrens berichten.
Eine Teilnahme der Kreisverwaltung ist vorgesehen.
Bewertung der Ergebnisse der Fachkonferenz Teilgebiete
durch die Kreisentwicklung
Die drei
Fachkonferenz fanden im Wesentlichen im digitalen Raum statt, wobei trotz
professioneller Organisation regelmäßig technische Unzulänglichkeiten den
Ablauf der Fachkonferenz behinderten. Diese reichten von technischen Problemen
im Falle von Wortmeldungen bei Teilnehmenden, bis hin zu Serverproblemen auf
Seiten des Veranstalters, sodass im Extremfall ganze Themenblöcke verschoben
werden mussten. Abgesehen von diesen Problemen wurde die Organisation und der
Ablauf dieses „lernenden Verfahrens“ aus Sicht der Kreisentwicklung jederzeit
ihrem Anspruch an Transparenz und Partizipation gerecht.
Wesentliche
Einschätzungen des Zwischenberichts Teilgebiete durch die Fachkonferenz werden
inhaltlich von der Kreisentwicklung geteilt.
Speziell für das
hier relevante Wirtsgestein Tongestein werden durch die Fachkonferenz im Kern
folgende Ergebnisse festgehalten.
-
Es fehlt
häufig an nachvollziehbaren Datengrundlagen, sodass die Bewertungen im
Zwischenbericht (noch) wenig belastbar sind. Für die Bewertung der
Mindestanforderung fehlen teilweise 3D-Modelle und Daten sind auf einem alten
Wissensstand, sodass auch eine Vergleichbarkeit nicht immer gegeben ist. Bei
den Abwägungskriterien wurden 7 von 11 Kriterien für sämtliche Tongesteine auf
Basis identischer Referenzdaten bewertet.
-
Die
erfassten Tongesteine in den Teilgebieten verfügen über keine einheitlichen
Eigenschaften. Das Heranziehen von Referenzwerten für gesamte Teilgebiete
aufgrund mangelnder Daten ist daher nicht ausreichend belastbar.
-
Teilweise
sind die Flächen der Teilgebiete daher zu groß und heterogen, sodass sie im
Ergebnis weder als eindeutig günstig noch als ungünstig klassifiziert werden
können. Die Aussagekraft des Zwischenberichts ist daher relativ gering. Eine
weitere Eingrenzung der Teilgebiete und Binnendifferenzierung ist erforderlich.
-
Die
Größe der Teilgebiete erschwert die Entwicklung und Anwendung von Methoden für
die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen. Hierdurch besteht die Gefahr, dass
das Verfahren intransparent und nicht eindeutig wissenschaftsbasiert erscheint.
Die Fachkonferenz
fordert ein Folgeformat zur weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung im ersten
Schritt des Standortauswahlverfahrens, sodass eine mögliche Beteiligungslücke
bis zur Auswahl der Standortregionen ausgeschlossen wird. Diesem Vorhaben
stimmt die BGE grundsätzlich zu.
Aufgrund der
potentiell großen Raumbedeutsamkeit des Vorhabens und der historischen
Bedeutsamkeit des Standortauswahlverfahrens für ein Endlager für
hochradioaktive Abfälle soll das Vorhaben weiterhin gemeinsam mit den Städten
und Gemeinden eng durch die Kreisverwaltung begleitet werden. Hierbei wird
insbesondere auch dem münsterlandweiten Austausch eine hervorgehobene Bedeutung
beigemessen.
II. Entscheidungsalternativen
Die Kreisverwaltung
begleitet das Standortauswahlverfahren nicht weiter.
III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal,
IT, Klima)
keine
IV. Zuständigkeit für die Entscheidung
Die Zuständigkeit des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz,
öffentliche Sicherheit und Ordnung ergibt sich aus § 41 KrO NRW in Verbindung
mit § 7 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld und dem Kreistagsbeschluss vom
04.11.2020.
Anlagen:
- Kurzsteckbrief Teilgebiet 008_02TG_204_02IG_T_f_kro
- Kurzsteckbrief Teilgebiet 007_00TG_202_02IG_T_f_kru
- Stellungnahme Geologischer Dienst NRW (GD.NRW) vom 08.02.2021 zum Zwischenbericht Teilgebiete
- Einordnung Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zur Stellungnahme von GD.NRW vom 01.06.2021