Betreff
Tarifgemeinschaft Münsterland GmbH - Prüfauftrag hinsichtlich Auflösung
Vorlage
SV-10-0320
Aktenzeichen
01.81-ÖPNV-TG MSL GmbH-Prüfauftrag Auflösung
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Tarifgemeinschaft Münsterland-Ruhr-Lippe GmbH zu beantragen mit dem Ziel, das Stimmgewicht zugunsten der Aufgabenträger auszugestalten.

I./II. Sachdarstellung/Entscheidungsalternativen

 

Der Kreistag des Kreises Coesfeld hatte am 09.09.2020 die Verwaltung beauftragt zu prüfen, welche Bedingungen zu erfüllen sind, um die Tarifgemeinschaft Münsterland aufzulösen, und welche Konsequenzen der Kreis Coesfeld dann zu tragen hätte.

In der Sitzung des Ausschusses für Mobilität, Infrastruktur und Kreisentwicklung am 27.01.2021 wurde die Verwaltung beauftragt zu untersuchen, wie das Einstimmigkeitsprinzip, das aktuell für alle Beschlüsse gilt, aufgehoben werden kann. Die Mehrheitsverhältnisse sollten sich z.B. an den Festlegungen für den WestfalenTarif-Ausschuss (WTA) orientieren.

Die Prüfung hat ergeben, dass § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags ein gewisses Potential bietet, die Interessen des Kreises durchzusetzen: Mit der veränderten Nutzung des Nahverkehrs in der Pandemie könnte begründet werden, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 gegeben sind.

Danach sind die Gesellschafter verpflichtet, unabhängig von der festgelegten Kündigungsfrist über eine Modifizierung einzelner Regelungen, d.h. Regelungen des Gesellschaftsvertrags, zu verhandeln, wenn und soweit veränderte Rahmenbedingungen dies erfordern.

 

Nach Einschätzung der Verwaltung spricht Vieles dafür, dass sich die Rahmenbedingungen mittlerweile so verändert haben, dass Modifizierungen an der Regelung des Stimmenquorums für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erforderlich sind, und die Gesellschafter somit gem. § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags verpflichtet sind, über die Regelung des Stimmenquorums zu verhandeln.

 

Die veränderten Rahmenbedingungen bestehen aus Sicht der Verwaltung darin, dass es verstärkt aufgrund der Corona-Pandemie zu einer starken Veränderung im Nutzungsverhalten des öffentlichen Nahverkehrs innerhalb der beiden Tarifräume (Münsterland und Ruhr-Lippe) gekommen ist: Zum einen ist die Nutzung von Home-Office durch die Pandemie insgesamt beliebter geworden und wird auch nach Corona eine größere Rolle im Arbeitsleben einnehmen. Zum anderen stellt die Nutzung von E-Bikes und E-Rollern eine neue Form des Verkehrs dar, die es erst seit wenigen Jahren (E-Roller) bzw. verstärkt (E-Bike) gibt und die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren sogar noch vergrößern wird. Dies gilt umso mehr, als es zumindest in der hiesigen Kreispolitik Ziel ist, den Modal-Split-Anteil zugunsten des Rades deutlich zu erhöhen. Dies kommt v.a. im Radverkehrskonzept des Kreises zum Ausdruck, das zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur vorsieht.

 

Die gerade beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen sprechen deutlich dafür, dass die Nutzung des ÖPNV sich verändern wird.

 

Um die Attraktivität des ÖPNV dennoch zukunftsfähig zu gestalten, müssen auch die tariflichen Rahmenbedingungen den aktuellen Entwicklungen angepasst werden, um wieder mehr Bürgerinnen und Bürger für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu gewinnen. Da eine solche Änderung der Tarifbedingungen nicht zwangsläufig mit den Interessen der eigenwirtschaftlichen Unternehmen deckungsgleich ist, diesen teilweise sogar widerspricht, stellt das aktuell geltende Einstimmigkeitsprinzip eine Regelung dar, die in der beschriebenen Situation der Notwendigkeit einer attraktiveren Gestaltung der Tarifbedingungen ein Eingehen auf veränderte Rahmenbedingungen faktisch unmöglich macht. Eine Modifizierung des erforderlichen Stimmenquorums ist somit zumindest für den Fall erforderlich, dass sich die Nachfrage zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs aufgrund bestimmter Umstände substantiell verringert hat.

 

Aus diesem Grund soll sich die Tarifgemeinschaft mit möglichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages befassen, mit dem Ziel, das Stimmgewicht der Aufgabenträger deutlich zu stärken

 

Inwieweit hier Regelungen zum Stimmquorum aus der Geschäftsordnung des WestfalenTarif-Ausschusses[1] zum Vorbild genommen werden können, soll in der Tarifgemeinschaft diskutiert werden.

 

Bei einer möglichen Änderung des Gesellschaftsvertrags sind weitergehende handelsrechtliche Vorschriften ergänzend zu beachten.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

 

Falls die Initiative des Kreises Coesfeld Erfolg hat, dann bestünde zukünftig die Chance, dass politische Beschlüsse auch in der Gesellschafterversammlung der Tarifgemeinschaft mehrheitlich auch gegen die Stimmen der eigenwirtschaftlich tätigen Partner durchgesetzt werden können.

Falls dabei die Höhe der Fahrkartenpreise so angepasst wird, dass der Weg weg von der heutigen Nutzerfinanzierung hin zu einer Nutznießerfinanzierung führt, dann können die kommunalen Haushalte durch höhere Ausgleichszahlungen für Verkehrsverträge (öffentliche Dienstleistungsaufträge ÖDA) stärker als heute belastet werden.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Die Zuständigkeit des Kreistages ergibt sich aus § 26 Abs.1 KrO NW.



[1] Die Mehrheitsverhältnisse für den WestfalenTarif-Ausschuss sind in dessen Geschäftsordnung festgelegt. Im § 3 „Stimmrechte“ wird die Ermittlung der Stimmanteile geregelt. Danach verteilen sich die Stimmanteile nach einem Betroffenheitsprinzip. Dieses ergibt sich aus den Fahrgelderlös-Ansprüchen des Mitglieds nach Einnahmenaufteilung. Je nach Thema des zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschlags werden verschiedene Stimmanteilsverteilungen verwendet. Der § 4 „Beschlussfassung“ legt fest, mit welcher Mehrheit aller anwesenden Stimmanteile Beschlüsse gefasst werden.