Beschluss:

 

1.       Der Kreis Coesfeld will durch die Umstellung der Busse auf emissionsfreie und emissionsarme Antriebe einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz und zur Abfederung von Klimafolgen leisten.

2.       Die Quote der Umstellung im Rahmen der Clean Vehicles Directive (CVD) und dem SaubereFahrzeugeBeschaffungsGesetz soll sich nach den Vorgaben des Landes NRW für den ländlichen Raum richten.

3.       Der Antrieb soll elektrisch sein. Der Energiespeicher soll eine Batterie sein.

4.       Die Verwaltung wird beauftragt, mit der Geschäftsleitung des RVM Gespräche zu führen, um eine Ertüchtigung des Betriebshofes Lüdinghausen für den batterieelektrischen Betrieb von Bussen zu realisieren, z.B. durch die Installation von PV-Anlagen.

5.       Die Qualitätsstandards für Vergaben von Öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (ÖDA) werden angepasst.

6.       Der Kreis Coesfeld hat die Kosten für die Umstellung zu tragen. Die Verwaltung bemüht sich um entsprechende Fördermöglichkeiten bzw. beauftragt die RVM, entsprechende Förderanträge zu stellen.

 

 

 

I. Sachdarstellung

Der öffentliche Personennahverkehr befindet sich im Umbruch. Strenger werdende Emissionsobergrenzen, Treibhausgasreduktionsziele und Lärmreduktionsinitiativen haben das Ziel, den Betrieb konventioneller Dieselbusse durch alternative Antriebe zu ersetzen. Eine Alternative ist der Einsatz von lokal emissionsfreien Elektrobussen, wie z.B. Batterie- und Brennstoffzellenhybridbussen, die mit Energie aus regenerativen Quellen betrieben werden. Aufgrund der Vielzahl technischer Lösungen und deren komplexer Kostenstruktur ist die Umstellung allerdings keine einfache Sache. Abhängig vom gewählten Elektrobuskonzept variieren die betrieblichen Wechselwirkungen und insbesondere deren Infrastrukturbedarf (z.B. Ladestationen).  (aus: Energieagentur.nrw 2019)

 

Gesetzlicher Rahmen

Gesetzliche Grundlagen für die Umstellung auf lokal emissionsfreie oder emissionsarme Busse auf Linien im ÖPNV sind auf europäischer Ebene die Clean Vehicles Directive (CVD) und zur Umsetzung der CVD auf nationaler Ebene das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubereFahrzeugeBeschaffungsGesetz). Mit dem Gesetz werden bei der öffentlichen Auftragsvergabe erstmals verbindliche Mindestziele für emissionsarme und emissionsfreie Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge, insbesondere für Busse im ÖPNV, für die Beschaffung vorgegeben.  Die Vorgaben gelten ab dem 2. August 2021 und verpflichten u.a. die öffentliche Hand dazu, dass ein Teil der angeschafften Fahrzeuge zukünftig emissionsarm oder -frei sein muss. Es gibt für zwei Referenzzeiträume feste Quoten für die Beschaffung sauberer Busse durch die öffentliche Auftragsvergabe.  (aus: bmvi.de 2021)

Auf NRW-Ebene wird zurzeit erarbeitet, welche Beschaffungsquoten und welche Umsetzungsfristen für die Aufgabenträger gelten sollen. Möglich sind unterschiedliche Ergebnisse für den städtischen und für den ländlichen Raum. Am Ergebnis dieser Abstimmung wird sich auch der Kreis Coesfeld orientieren.

 

Welche Antriebsart ist für die Busse im Kreis Coesfeld die richtige?

Ob Busse “saubere Fahrzeuge” im Sinne des Gesetzes sind, wird nicht aufgrund von Grenzwerten zu CO2- und Luftschadstoffemissionen definiert, sondern allein über die Nutzung alternativer Kraftstoffe (z.B. Strom, Wasserstoff, Erdgas, Biokraftstoffe). Grundsätzlich müssen die Hälfte der beschafften Busse emissionsFREI sein, d.h. weniger als 1 g CO2/km ausstoßen. Darunter fallen Batterieelektrofahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge.

Das Bundesverkehrsministerium hat eine Förderrichtlinie für Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben aufgelegt. Damit steht für batterie-, brennstoffzellen- und (Oberleitungs-) hybridelektrische Fahrzeuge, für die passende Tank- und Ladeinfrastruktur sowie für Machbarkeitsstudien ein attraktives Förderprogramm bereit. Sie ist Teil der Umsetzung eines “Gesamtkonzepts klimafreundliche Nutzfahrzeuge”.

Das kommunale Busunternehmen RVM hat vor diesem Hintergrund einen Kostenvergleich alternativer Antriebsarten durchgeführt und die Umsetzung für RVM-Busse im ÖPNV im Kreis Coesfeld bewertet, vgl. Anlage. Berücksichtigt wurden die Kosten für Fahrzeuge, Infrastruktur und Betriebshof beim Vergleich von Wasserstoff-Speicher mit Brennstoffzelle, batterieelektrischem Fahrzeug und CNG-Treibstoff aus Biomethan.

Auch die Wirtschaftsbetriebe des Kreises Coesfeld haben zu dieser Frage Untersuchungen angestellt. Einbezogen wurden auch die Qualitätsstandards für Müllsammelfahrzeuge, die in Vergaben von ÖDA den Auftragnehmern zukünftig vorgegeben werden.

Die energielenker Gruppe, ein Gutachter, der z.B. für den Kreis Coesfeld das Klimaschutzkonzept fortschreibt, hat ebenso die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen alternativen Antriebsarten verglichen.

Nach all diesen Untersuchungen kommt der Kreis Coesfeld zu dem Schluss, dass die Umstellung vom dieselbetriebenen Antrieb auf den batterieelektrischen Antrieb für den regionalen Busverkehr aktuell die wirtschaftlichste und umweltfreundlichste Lösung für das Kreisgebiet darstellt.

Dieser Schluss fußt auf nachfolgenden wesentlichen Entscheidungsgründen:

  1. Der „Tank-to-Wheel-Wirkungsgrad“ oder auch „Tank-zu-Rad-Wirkungsgrad“ für Überlandbusse liegt für den batterieelektrischen Antrieb bei 78% im Vergleich zu 50% beim Brennstoffzellenelektrischen-Antrieb mit Wasserstoff und 33% beim CNG-Antrieb mit Biomethan.
  2. Aufgrund der für den Entscheidungszeitraum relevanten – mittelfristig – nicht gegeben Verfügbarkeit von „grünem Wasserstoff“, wären (unter Berücksichtigung der Vorketten: Raffinerie, Verdichtung H2 etc.) die tatsächlichen Emissionen eines alternativen Brennstoffzellenelektrischen-Antriebes mit „grauem Wasserstoff“ (H2 aus Erdgas) höher als bei einem Diesel-Antrieb.
  3. Der batterieelektrische Antrieb hat - im Vergleich der Antriebe - insbesondere auch unter Berücksichtigung Tankinfrastruktur, der Wartungskosten sowie der planbaren Kostensteigerungen für Bio-CNG die niedrigsten Emissionen bei gleichzeitig niedrigsten Betriebskosten.

Umsetzung

Die Verwaltung soll mit der Geschäftsführung des RVM ins Gespräch kommen, um ein Gutachten zur Umstellung des Betriebshofes im Kreis Coesfeld in Lüdinghausen für den Betrieb batterieelektrischer Busse in Auftrag zu geben. Insbesondere ist neben der Einrichtung des technischen Equipments auch die Qualifizierung des Werkstattpersonals zu berücksichtigen. Schließlich ist auch die Anschaffung batterieelektrischer Fahrzeuge vorzusehen. Die Umstellung auf batterieelektrischen Antrieb ist analog zur vorgesehenen NRW-Quote auch für die die Fahrten von Auftragnehmern zu berücksichtigen. Die Linien, auf denen die batterieelektrischen Fahrzeuge eingesetzt werden sollen, prüft die RVM nach den wirtschaftlichsten betrieblichen Rahmenbedingungen. Erfahrungen mit batterieelektrischen Fahrzeugen hat schon die Schwestergesellschaft RLG im Hochsauerlandkreis gemacht. Jetzt werden dort E-Busse beschafft, die Ausschreibung läuft.

Der Kreis Coesfeld wird entsprechend der NRW-Vorgaben die Qualitätsstandards für Vergaben von ÖPNV-Leistungen im Hinblick auf die Antriebsart der Fahrzeuge anpassen. Mit jeder neuen Vergabe wird sich die Zahl der auf alternative Antriebe umgestellte Fahrzeuge im Kreis erhöhen.

 

II. Entscheidungsalternativen

Der Kreistag entscheidet sich für eine andere alternative Antriebsform.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

Viele Aspekte im Zusammenhang mit der Umsetzung der CVD in NRW sind noch in der Diskussion. Für den RVM-ÖDA und die kommenden ÖDA für weitere Linienbündel sind die finanziellen Auswirkungen daher noch mit Unsicherheiten behaftet. Die Beschaffungsquote im 1. Referenzzeitraum (02.08.2021 bis 31.12.2025) liegt bei 45% emissionsARMer Fahrzeuge, von denen die Hälfte, also insgesamt 22,5% der Fahrzeuge emissionsFREI sein müssen (vgl. Anlage VDV). Für Vergaben, die vor dem 02.08.2021 veröffentlicht wurden, gelten diese Quoten nicht.

 

Die Umstellung von RVM-Fahrzeugen kann kurzfristig geprüft werden. Parallel zur Ertüchtigung des Betriebshofes und der Ausbildung des Werkstatt- und Fahrpersonals kann die Beschaffung von Fahrzeugen erfolgen. Die Ertüchtigung von Betriebshöfen der Auftragnehmer ist gleichzeitig zu prüfen. Pro Haushaltsjahr wäre für den RVM-ÖDA im Kreis Coesfeld mit einer zusätzlichen Belastung pro Fahrzeug und Jahr von rund 20.000 Euro zu rechnen (vgl. Anlage), die sich insbesondere aus den höheren Abschreibungskosten ergeben. Aufgrund der aktuellen Fördersituation des Bundes und des Landes ist es zielführend, möglichst zeitnah die entsprechenden Planungen vorzunehmen und/oder zu realisieren. So fördert der Bund aktuell die emissionsfreien Busse mit 80-90 % des Differenzbetrags zum Dieselbus. Auch die Werkstattinfrastruktur etc. unterliegt einer Förderung, die unterschiedlich ausgeprägt ist (Land zurzeit 90 %). Die Verwaltung soll daher in Abstimmung mit der RVM die besten Förderszenarien betrachten und Förderungen beantragen.

Die nächste Vergabe eines ÖDA, für den eine Umstellung auf emissionsarmen Antrieb berücksichtigt werden muss, ist die Vorabbekanntmachung für das Linienbündel COE2a/COE2b. Dieser ÖDA wird zum 01.11.2024 wirksam. Die Berücksichtigung der Beschaffungsquoten ist auch für diese Vergabe erforderlich. Eine belastbare Aussage zu den zusätzlichen Kosten wird erst dann möglich sein, wenn die Rahmenbedingungen feststehen.

Wenn in NRW eine andere Quote insbesondere für den ländlichen Raum vereinbart wird, werden die zusätzlichen Kosten entsprechend sinken.

Die Kosten für Strom sind im Vergleich zu den Kosten für Diesel pro Nutzwagenkilometer niedriger. Hier ist voraussichtlich mit einer Entlastung zu rechnen.

Sofern der Strom für die Betankung aus regenerativen Energiequellen erzeugt werden kann, sind die Auswirkungen auf das Klima positiv. Vor Ort am Linienweg sinken die Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner aus Feinstaub, NOx, CO2 und Lärm sofort mit dem Einsatz des alternativ angetriebenen Fahrzeuges.

Inwieweit eine Umstellung auf emissionsfreie Antriebe, unter Berücksichtigung der aktuellen Diskussionen um den Klimawandel, Auswirkungen auf die Nutzung des ÖPNV hat, kann nicht valide abgeschätzt werden.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Entscheidung über die Angelegenheit liegt nach § 26 KrO NRW beim Kreistag.

 

 

 

Anlagen:

Vergleich der Gesamtkosten von Bussen mit unterschiedlichen alternativen Antrieben mit Berücksichtigung der Fördermöglichkeiten im Vergleich mit Diesel-Bussen (Quelle: RVM)

VDV: Graphik zur Umsetzung der CVD in nationales Recht: Quoten für emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge