Betreff
Maßnahmen des Biotop- und Artenschutzes, Kartierung und Monitoring schützenswerter Landschaften und Arten (Produkt 70.02.01 Landschaftsnutzung); Antrag der SPD-Kreistagsfraktion vom 17.11.2021
Vorlage
SV-10-0432
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag der SPD-Kreistagsfraktion:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Aufstellung aller im Kreisgebiet liegenden Flächen, die zum Schutzgebietssystem Natura 2000 (bestehend aus den FFH-Gebieten und den Vogelschutzgebieten) zu erarbeiten sowie über den aktuellen Zustand dieser Flächen gemäß der aktuell dem LANUV vorliegenden Meldebögen zu berichten.

 

 

 

Vorgelegt gem. § 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistages Coesfeld und seiner Ausschüsse.

 

Begründung:

 

Mit dem beigefügten Schreiben vom 17.11.2021 stellte die SPD-Kreistagsfraktion den im Beschlussvorschlag genannten Antrag. Näheres ist dem als Anlage beigefügten Schreiben zu entnehmen.

 

 

Stellungnahme der Verwaltung:

 

Das Netz Natura 2000 besteht aus den Gebieten der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (vom 2. April 1979, 79/409/EWG). Die sogenannten FFH-Gebiete werden auch als Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) bzw. Special Areas of Conservation (SAC) bezeichnet, die Vogelschutzgebiete auch besondere Schutzgebiete bzw. Special Protected Areas (SPA). Sie werden nach EU-weit einheitlichen Standards ausgewählt und unter Schutz gestellt. Verschiedene Anhänge dieser Richtlinien führen Arten und Lebensraumtypen auf, die besonders schützenswert sind und deren Erhalt durch das Schutzgebietssystem gesichert werden soll.

Im Kreisgebiet Coesfeld befinden sich 18 Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiete und 2 Vogelschutzgebiete (VSG), wobei die Davert sowohl FFH-Gebiet als auch VSG ist.

 

Unter dem nachfolgenden Link werden die oben genannten Gebiete im Einzelnen dargestellt und sämtliche vorliegenden Fachinformationen wiedergegeben. Hier finden sich auch die sogenannten Standarddatenbögen, die die offiziellen Dokumente zur Meldung der Natura 2000-Gebiete an die EU-Kommission darstellen und zur Verwaltung der Gebietsdaten beitragen.

http://natura2000-meldedok.naturschutzinformationen.nrw.de/natura2000-meldedok/de/fachinfo/listen/kreise/muenster/2076

Nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle sechs Jahre einen nationalen Bericht zu erstellen und an die Europäische Kommission zu übermitteln. Letztmalig erfolgte dies im Jahr 2019. Er beschreibt und bewertet das Vorkommen und den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen (LRT) und Arten „von gemeinschaftlichem Interesse“ (Anhänge I, II, IV und V der FFH-Richtlinie siehe folgend) für die Teile der biogeographischen Regionen (atlantisch, kontinental), die in NRW liegen.

 

Anhang I: Natürliche Lebensräume, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen (Listung von Lebensraumtypen)

Anhang II: Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen (Gebietsschutz für Lebensräume bestimmter Arten) (in Deutschland: 134 Arten, Stand: 2004)

Anhang III: Kriterien zur Auswahl der Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt und als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten

Anhang IV: Streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten (Artenschutzregelungen und Ausnahmeregelungen) (in Deutschland: 129 Arten, Stand: 2004)

Anhang V: Tier- und Pflanzenarten, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung zu Verwaltungsmaßnahmen führen könnten (Managementplan nutzbarer Arten) (in Deutschland: 86 Arten, Stand: 2004)

Anhang VI: Verbotene Methoden und Mittel des Fangs, der Tötung und Beförderung

 

Es handelt sich dabei richtlinienkonform nicht um eine Einzelgebietsbetrachtung, sondern um eine über alle Gebiete/Vorkommen zusammenfassende Beurteilung der Vorkommen. Die Ergebnisse des deutschen Berichts wurden zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Er differenziert die Angaben zu Arten und Lebensraumtypen nicht nach Bundesländern, sondern stellt die Situation zur biologischen Vielfalt zusammenfassend in den drei biogeografischen Regionen Deutschlands dar. Ende August 2019 wurde der deutsche Bericht an die EU-Kommission übermittelt. Weitere Informationen hierzu sind auf den Seiten des Bundesamtes für Naturschutz unter www.bfn.de/ffh-bericht-2019 zu finden. Abschließend veröffentlicht die EU ihren Bericht und leitet ihn den Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss zu.

 

Der nordrhein-westfälische Beitrag erfolgt in Form der durch die Europäische Kommission vorgegebenen Berichtsdokumente:

1.         Anhang A mit allgemeinen Angaben

o    zu den wichtigsten Erfolgen im Rahmen der Umsetzung

o    zu Informationsquellen zur Umsetzung

o    zum Stand der Ausweisung von FFH-Gebieten

o    zu durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen und zum Stand der Erstellung von

Managementpänen für die FFH-Gebiete

o    zu ergriffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Genehmigung von

Plänen und Projekten

o    zur Gewährleistung der Kohärenz des Natura-2000-Netzes

o    zur Wiederansiedlung von Arten des Anhanges IV

 

2.         Anhang B und Anhang D mit Daten, Hinweisen und Bewertungen insbesondere

o    zum Vorkommensgebiet der Lebensraumtypen und Arten

o    zur Gesamtfläche der Lebensraumtypen

o    zur Populationsgröße der Arten

o    zur Qualität der Strukturen und Funktionen der Lebensraumtypen

o    zur Habitatgröße und -qualität der Arten

o    zu den Beeinträchtigungen und Gefährdungen der Lebensraumtypen und Arten

o    zu den Zukunftsaussichten der Lebensraumtypen und Arten

 

sowie eine sich hieraus ergebenden Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der Lebensraumtypen und Arten. Die Bewertung erfolgt nach dem sog. "Ampelschema" für Arten und Lebensraumtypen. Dabei steht:

Grün für „günstig“ (Favourable = FV)

Gelb für „ungünstig – unzureichend“ (Unfavourable - Inadequate = U1)

Rot für „ungünstig – schlecht“ (Unfavourable - Bad = U2)

 

Soweit keine hinreichenden Kenntnisse über den Erhaltungszustand vorliegen, wird der Begriff „unbekannt“ eingetragen.

Die Aggregation der Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes aus den Teilkriterien „natürliches Verbreitungsgebiet“, „Aktuelle Fläche“, „Strukturen und Funktionen“ sowie „Zukunftsaussichten“ erfolgt nach folgendem Schema:

Grün: vier Kriterien grün oder drei grün und ein „unbekannt"“

Gelb: ein oder mehrere Teilkriterien gelb, aber kein rot

Rot: ein oder mehrere Teilkriterien rot

Ohne Farbe: zwei oder mehr Teilkriterien „unbekannt“ kombiniert mit grün, oder alle „unbekannt“.

(Quelle: siehe Link: http://ffh-bericht-2019.naturschutzinformationen.nrw.de/ffh-bericht-2019/de/start)

 

Der nationale Bericht 2019 kommt zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:

„25 % der Arten weisen einen günstigen Erhaltungszustand auf, z.B. Steinbock, Alpenbockkäfer und einige Fledermausarten. 33 % der Arten befinden sich in einem ungünstig-schlechten Zustand (v.a. Insekten und andere Wirbellose, viele Amphibien sowie Gefäßpflanzen). 30 % der Lebensraumtypen sind in einem günstigen Erhaltungszustand, 37 % in einem ungünstig-schlechten Zustand (insbesondere Grünland- und Gewässer-Lebensraumtypen).“ (Quelle: Der nationale Bericht 2019 zu Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie – ein Überblick über die Ergebnisse, Natur und Landschaft, 96. Jahrgang (2021), Heft 3, Seiten 129-138) (s. auch nachfolgenden Link: https://www.bfn.de/ffh-bericht-2019).

 

Mit dem Nationalen Vogelschutzbericht 2019 gemäß Art. 12 der Vogelschutzrichtlinie (VRL) liegt zum zweiten Mal ein umfassender Bericht über den Status und die Trends der heimischen Vogelarten vor (Berichtszeitraum 2013-2018). Der nationale Vogelschutzbericht enthält Einzelberichte zu 251 Brutvogelarten, zu 68 überwinternden und 34 durchziehenden Vogelarten. „Bei den Brutvögeln hält sich der Anteil von Arten mit zunehmenden und abnehmenden Bestandstrends über einen Zeitraum von zwölf Jahren ungefähr die Waage: ca. ein Drittel der Vogelarten weisen zunehmende Bestandstrends auf, dazu gehören z.B. einige Großvogelarten wie Seeadler, Uhu und Schwarzstorch. Gleichzeitig sind in den letzten 12 Jahren aber auch ca. ein Drittel der Vogelarten im Bestand zurückgegangen. Zu den Vogelarten mit deutlichen Bestandrückgängen gehören vor allem Arten der Agrarlandschaft, wie z.B. der Kiebitz und das Rebhuhn. Die Bestände dieser beiden Arten sind nicht nur in den letzten 12 Jahren, sondern auch während der letzten 36 Jahre zurückgegangen und haben in diesem Zeitraum über 90 % ihrer Bestände eingebüßt. Ein weiteres Drittel der Brutvogelarten weist über den Zeitraum von 12 Jahren einen stabilen Trend auf, d.h. deren Bestände sind ungefähr auf dem gleichen Niveau geblieben. Alles Weitere kann nachfolgendem Link https://www.bfn.de/vogelschutzbericht-2019 entnommen werden.

 

Darüber hinaus finden turnusmäßig FFH-Fachgespräche unter der Leitung des MULNV und des LANUV mit den unteren Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen statt. Das LANUV hat anhand vorliegender Daten das Konzept der „Verantwortlichkeitsprofile“ entwickelt. Mit einem übersichtlichen Diagramm wird für die Kreise und kreisfreien Städte in NRW mittels Balkendiagramm dargestellt, für welche landesweit ungünstig bewerteten Lebensräume und Arten (roter Balken) sie eine besondere Verantwortung haben (an dieser Stelle wird verwiesen auf die Ausführungen von Herrn Steinhoff zur Bechsteinfledermaus in der Umweltausschuss-Sitzung am 15.09.2021). Die Länge der Balken beschreibt den Anteil der Vorkommen im Kreis an den Gesamtvorkommen im nordrhein-westfälischen Teil der jeweiligen Biogeographischen Region (s. Anlage).

 

Gemäß § 32, Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit Artikel 2 und 6 der FFH-Richtlinie sind die in FFH-Gebieten notwendigen Erhaltungsmaßnahmen in „Bewirtschaftungsplänen“ festzulegen. Wesentliches Ziel eines solchen Bewirtschaftungsplans (in NRW Maßnahmenkonzept - MAKO genannt) ist es,

-          eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie im FFH-Gebiet zu vermeiden (Verschlechterungsverbot) und

-          den Erhaltungszustand von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie zu verbessern.

Für die Erstellung der Maßnahmenkonzepte sind in vorwiegend offenlandgeprägten FFH-Gebieten die jeweiligen unteren Naturschutzbehörden und in waldgeprägten Gebieten der Landesbetrieb Wald und Holz NRW verantwortlich. Die ausschließlich wassergeprägten Gebiete wurden z.T. von der Bezirksregierung Münster bearbeitet. Im Fall des FFH-Gebietes Truppenübungsplatz Borkenberge liegt die Zuständigkeit bei der DBU Naturerbe GmbH. Für die Borkenberge liegt ein abschließendes mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmtes Konzept derzeit noch nicht vor. Die in der Zuständigkeit der UNB liegenden Maßnahmenkonzepte sind erstellt worden und liegen zum Teil der LANUV zur Endabstimmung vor.

Die Maßnahmenkonzepte sind unter dem Link http://natura2000-meldedok.naturschutzinformationen.nrw.de/natura2000-meldedok/de/fachinfo/listen/kreise/muenster/2076 zu finden (Jeweiliges Gebiet anklicken, auf der sich dann öffnenden Seite wird unten der Download angeboten).

 

Wie an den obigen einleitenden Ausführungen zur Komplexität des Themas rund um die FFH- und Vogelschutzgebiete ersichtlich sowie aufgrund der größeren Anzahl von im Kreisgebiet Coesfeld gemeldeten FFH- und Vogelschutzgebieten, ist für den von der SPD-Kreistagsfraktion angeforderten Bericht über den aktuellen Zustand der Gebiete ein ausreichender zeitlicher Vorlauf für die Bearbeitung durch die UNB erforderlich.

Die Verwaltung bittet daher um die Möglichkeit des Aufschubs des angeforderten Berichtes zu einem späteren Sitzungszeitpunkt.

 

 

 

 

 

 

Anlage: Antrag der SPD-Kreistagsfraktion