Beschlussvorschlag der SPD-Kreistagsfraktion:
Die Verwaltung wird beauftragt, dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz,
öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Aufstellung aller im Kreisgebiet
liegenden Flächen, die zum Schutzgebietssystem Natura 2000 (bestehend aus den
FFH-Gebieten und den Vogelschutzgebieten) zu erarbeiten sowie über den
aktuellen Zustand dieser Flächen gemäß der aktuell dem LANUV vorliegenden
Meldebögen zu berichten.
Vorgelegt gem. § 2 Abs. 1 der
Geschäftsordnung des Kreistages Coesfeld und seiner Ausschüsse.
Begründung:
Mit dem beigefügten Schreiben vom
17.11.2021 stellte die SPD-Kreistagsfraktion den im Beschlussvorschlag
genannten Antrag. Näheres ist dem als Anlage beigefügten Schreiben zu
entnehmen.
Stellungnahme der Verwaltung:
Das
Netz Natura 2000 besteht aus den Gebieten der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie
(FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie
(vom 2. April 1979, 79/409/EWG). Die sogenannten FFH-Gebiete werden auch als
Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) bzw. Special Areas of Conservation
(SAC) bezeichnet, die Vogelschutzgebiete auch besondere Schutzgebiete bzw.
Special Protected Areas (SPA). Sie werden nach EU-weit einheitlichen Standards
ausgewählt und unter Schutz gestellt. Verschiedene Anhänge dieser Richtlinien
führen Arten und
Lebensraumtypen auf, die besonders schützenswert sind und deren
Erhalt durch das Schutzgebietssystem gesichert werden soll.
Im Kreisgebiet Coesfeld befinden sich
18 Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiete und 2 Vogelschutzgebiete (VSG), wobei die
Davert sowohl FFH-Gebiet als auch VSG ist.
Unter dem nachfolgenden Link werden
die oben genannten Gebiete im Einzelnen dargestellt und sämtliche vorliegenden
Fachinformationen wiedergegeben. Hier finden sich auch die sogenannten
Standarddatenbögen, die die offiziellen Dokumente zur Meldung der Natura
2000-Gebiete an die EU-Kommission darstellen und zur Verwaltung der
Gebietsdaten beitragen.
Nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie
sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle sechs Jahre einen nationalen
Bericht zu erstellen und an die Europäische Kommission zu übermitteln.
Letztmalig erfolgte dies im Jahr 2019. Er beschreibt und bewertet das Vorkommen
und den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen (LRT) und Arten „von
gemeinschaftlichem Interesse“ (Anhänge I, II, IV und V der FFH-Richtlinie siehe
folgend) für die Teile der biogeographischen Regionen (atlantisch,
kontinental), die in NRW liegen.
Anhang I: Natürliche
Lebensräume, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden
müssen (Listung von Lebensraumtypen)
Anhang II: Tier- und
Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung
besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen (Gebietsschutz für
Lebensräume bestimmter Arten) (in Deutschland: 134 Arten, Stand: 2004)
Anhang III: Kriterien zur
Auswahl der Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt
und als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten
Anhang IV: Streng zu
schützende Tier- und Pflanzenarten (Artenschutzregelungen und Ausnahmeregelungen)
(in Deutschland: 129 Arten, Stand: 2004)
Anhang V: Tier- und
Pflanzenarten, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung zu Verwaltungsmaßnahmen
führen könnten (Managementplan nutzbarer Arten) (in Deutschland: 86 Arten,
Stand: 2004)
Anhang VI: Verbotene Methoden
und Mittel des Fangs, der Tötung und Beförderung
Es handelt sich dabei
richtlinienkonform nicht um eine Einzelgebietsbetrachtung, sondern um eine über
alle Gebiete/Vorkommen zusammenfassende Beurteilung der Vorkommen. Die
Ergebnisse des deutschen Berichts wurden zwischen Bund und Ländern abgestimmt.
Er differenziert die Angaben zu Arten und Lebensraumtypen nicht nach
Bundesländern, sondern stellt die Situation zur biologischen Vielfalt
zusammenfassend in den drei biogeografischen Regionen Deutschlands dar. Ende
August 2019 wurde der deutsche Bericht an die EU-Kommission übermittelt.
Weitere Informationen hierzu sind auf den Seiten des Bundesamtes für
Naturschutz unter www.bfn.de/ffh-bericht-2019 zu finden.
Abschließend veröffentlicht die EU ihren Bericht und leitet ihn den
Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und
Sozialausschuss zu.
Der
nordrhein-westfälische
Beitrag erfolgt in Form der durch die Europäische Kommission vorgegebenen Berichtsdokumente:
1.
Anhang A mit allgemeinen Angaben
o
zu den wichtigsten Erfolgen im Rahmen der
Umsetzung
o
zu Informationsquellen zur Umsetzung
o
zum Stand der Ausweisung von FFH-Gebieten
o
zu durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen und zum
Stand der Erstellung von
Managementpänen für die FFH-Gebiete
o
zu ergriffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit
der Genehmigung von
Plänen und Projekten
o
zur Gewährleistung der Kohärenz des
Natura-2000-Netzes
o
zur Wiederansiedlung von Arten des Anhanges IV
2.
Anhang B und Anhang D mit Daten, Hinweisen und Bewertungen
insbesondere
o
zum Vorkommensgebiet der Lebensraumtypen und
Arten
o
zur Gesamtfläche der Lebensraumtypen
o
zur Populationsgröße der Arten
o
zur Qualität der Strukturen und Funktionen der
Lebensraumtypen
o
zur Habitatgröße und -qualität der Arten
o
zu den Beeinträchtigungen und Gefährdungen der
Lebensraumtypen und Arten
o
zu den Zukunftsaussichten der Lebensraumtypen
und Arten
sowie eine sich
hieraus ergebenden Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes der Lebensraumtypen
und Arten. Die Bewertung erfolgt nach dem sog. "Ampelschema" für Arten und Lebensraumtypen. Dabei steht:
Grün für „günstig“ (Favourable = FV)
Gelb für „ungünstig – unzureichend“ (Unfavourable - Inadequate = U1)
Rot für „ungünstig – schlecht“ (Unfavourable - Bad = U2)
Soweit keine
hinreichenden Kenntnisse über den Erhaltungszustand vorliegen, wird der Begriff
„unbekannt“ eingetragen.
Die Aggregation
der Gesamtbewertung des Erhaltungszustandes aus den Teilkriterien „natürliches
Verbreitungsgebiet“, „Aktuelle Fläche“, „Strukturen und Funktionen“ sowie
„Zukunftsaussichten“ erfolgt nach folgendem Schema:
Grün: vier Kriterien grün oder drei grün und ein „unbekannt"“
Gelb: ein oder mehrere Teilkriterien gelb, aber kein rot
Rot: ein oder mehrere Teilkriterien rot
Ohne Farbe: zwei oder mehr Teilkriterien „unbekannt“ kombiniert mit grün,
oder alle „unbekannt“.
(Quelle: siehe Link: http://ffh-bericht-2019.naturschutzinformationen.nrw.de/ffh-bericht-2019/de/start)
Der nationale Bericht 2019 kommt
zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:
„25 % der Arten weisen einen günstigen
Erhaltungszustand auf, z.B. Steinbock, Alpenbockkäfer und einige
Fledermausarten. 33 % der Arten befinden sich in einem ungünstig-schlechten
Zustand (v.a. Insekten und andere Wirbellose, viele Amphibien sowie Gefäßpflanzen).
30 % der Lebensraumtypen sind in einem günstigen Erhaltungszustand, 37 % in
einem ungünstig-schlechten Zustand (insbesondere Grünland- und
Gewässer-Lebensraumtypen).“ (Quelle: Der nationale Bericht 2019 zu
Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie – ein Überblick über die
Ergebnisse, Natur und Landschaft, 96. Jahrgang (2021), Heft 3, Seiten 129-138)
(s. auch nachfolgenden Link: https://www.bfn.de/ffh-bericht-2019).
Mit dem Nationalen Vogelschutzbericht
2019 gemäß Art. 12 der Vogelschutzrichtlinie (VRL) liegt zum zweiten Mal ein
umfassender Bericht über den Status und die Trends der heimischen Vogelarten
vor (Berichtszeitraum 2013-2018). Der nationale Vogelschutzbericht enthält
Einzelberichte zu 251 Brutvogelarten, zu 68 überwinternden und 34
durchziehenden Vogelarten. „Bei den Brutvögeln
hält sich der Anteil von Arten mit zunehmenden und abnehmenden Bestandstrends
über einen Zeitraum von zwölf Jahren ungefähr die Waage: ca. ein Drittel der Vogelarten
weisen zunehmende Bestandstrends auf, dazu gehören z.B. einige Großvogelarten
wie Seeadler, Uhu und Schwarzstorch. Gleichzeitig sind in den letzten 12 Jahren
aber auch ca. ein Drittel der Vogelarten im Bestand zurückgegangen. Zu den
Vogelarten mit deutlichen Bestandrückgängen gehören vor allem Arten der
Agrarlandschaft, wie z.B. der Kiebitz und das Rebhuhn. Die Bestände dieser
beiden Arten sind nicht nur in den letzten 12 Jahren, sondern auch während der
letzten 36 Jahre zurückgegangen und haben in diesem Zeitraum über 90 % ihrer
Bestände eingebüßt. Ein weiteres Drittel der Brutvogelarten weist über den
Zeitraum von 12 Jahren einen stabilen Trend auf, d.h. deren Bestände sind
ungefähr auf dem gleichen Niveau geblieben. Alles Weitere kann nachfolgendem
Link https://www.bfn.de/vogelschutzbericht-2019 entnommen werden.
Darüber hinaus finden turnusmäßig
FFH-Fachgespräche unter der Leitung des MULNV und des LANUV mit den unteren
Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen statt. Das LANUV hat anhand
vorliegender Daten das Konzept der „Verantwortlichkeitsprofile“ entwickelt. Mit
einem übersichtlichen Diagramm wird für die Kreise und kreisfreien Städte in
NRW mittels Balkendiagramm dargestellt, für welche landesweit ungünstig
bewerteten Lebensräume und Arten (roter Balken) sie eine besondere
Verantwortung haben (an dieser Stelle wird verwiesen auf die Ausführungen von
Herrn Steinhoff zur Bechsteinfledermaus in der Umweltausschuss-Sitzung am
15.09.2021). Die Länge der Balken beschreibt den Anteil der Vorkommen im Kreis
an den Gesamtvorkommen im nordrhein-westfälischen Teil der jeweiligen
Biogeographischen Region (s. Anlage).
Gemäß § 32, Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit Artikel 2 und 6 der
FFH-Richtlinie sind die in FFH-Gebieten notwendigen Erhaltungsmaßnahmen in
„Bewirtschaftungsplänen“ festzulegen. Wesentliches Ziel eines solchen
Bewirtschaftungsplans (in NRW Maßnahmenkonzept - MAKO genannt) ist es,
-
eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen
nach Anhang I der FFH-Richtlinie im FFH-Gebiet zu vermeiden
(Verschlechterungsverbot) und
-
den Erhaltungszustand von Lebensraumtypen nach Anhang I der
FFH-Richtlinie und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie zu verbessern.
Für die Erstellung der
Maßnahmenkonzepte sind in vorwiegend offenlandgeprägten FFH-Gebieten die
jeweiligen unteren Naturschutzbehörden und in waldgeprägten Gebieten der
Landesbetrieb Wald und Holz NRW verantwortlich. Die ausschließlich
wassergeprägten Gebiete wurden z.T. von der Bezirksregierung Münster
bearbeitet. Im Fall des FFH-Gebietes Truppenübungsplatz Borkenberge liegt die
Zuständigkeit bei der DBU Naturerbe GmbH. Für die Borkenberge liegt ein
abschließendes mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmtes Konzept derzeit
noch nicht vor. Die in der Zuständigkeit der UNB liegenden Maßnahmenkonzepte
sind erstellt worden und liegen zum Teil der LANUV zur Endabstimmung vor.
Die Maßnahmenkonzepte sind unter dem
Link http://natura2000-meldedok.naturschutzinformationen.nrw.de/natura2000-meldedok/de/fachinfo/listen/kreise/muenster/2076 zu finden
(Jeweiliges Gebiet anklicken, auf der sich dann öffnenden Seite wird unten der
Download angeboten).
Wie an den obigen einleitenden
Ausführungen zur Komplexität des Themas rund um die FFH- und Vogelschutzgebiete
ersichtlich sowie aufgrund der größeren Anzahl von im Kreisgebiet Coesfeld
gemeldeten FFH- und Vogelschutzgebieten, ist für den von der
SPD-Kreistagsfraktion angeforderten Bericht über den aktuellen Zustand der Gebiete
ein ausreichender zeitlicher Vorlauf für die Bearbeitung durch die UNB
erforderlich.
Die Verwaltung bittet daher um die
Möglichkeit des Aufschubs des angeforderten Berichtes zu einem späteren
Sitzungszeitpunkt.
Anlage: Antrag der SPD-Kreistagsfraktion