Beschluss:
ohne
Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.
Begründung:
Mit Schreiben vom 05.07.2022 bittet die FDP-Kreistagsfraktion um einen aktuellen Bericht zu den Schuleingangsuntersuchungen, vgl. Anlage 1.
Auf die gestellten Fragen wird nachfolgend direkt geantwortet. Die Leiterin des Gesundheitsamtes, Frau Winkler, wird im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit auch persönlich für die Diskussion zur Verfügung stehen.
Auf welcher gesetzlichen Grundlage werden Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt?
§ 54 Abs. 2 Nr. 1 SchulG NRW i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 3 ÖGDG NRW
§ 54 Schulgesundheit
(2) Für jede Schule
bestellt die untere Gesundheitsbehörde im Benehmen mit dem Schulträger eine
Schulärztin oder einen Schularzt. Der schulärztliche Dienst umfasst
insbesondere:
1. schulärztliche Untersuchungen, insbesondere
Reihenuntersuchungen zur Einschulung, und zahnärztliche Untersuchungen
§ 12 ÖGDG NRW – Kinder- und Jugendgesundheit
(2) Die untere Gesundheitsbehörde nimmt für
Gemeinschaftseinrichtungen, insbesondere in Tageseinrichtungen für Kinder
und Schulen, betriebsmedizinische Aufgaben wahr. Sie berät die Träger der
Gemeinschaftseinrichtung, die Sorgeberechtigten, Erzieherinnen und Erzieher
sowie Lehrerinnen und Lehrer in Fragen der Gesundheitsförderung und des
Gesundheitsschutzes. Sie führt die schulischen Eingangsuntersuchungen und,
soweit erforderlich, weitere Regeluntersuchungen durch und kann
Gesundheitsförderungsprogramme anbieten.
Zu welchem Zeitpunkt und auf welcher
rechtlichen Grundlage wurden die Schuleingangsuntersuchungen eingestellt?
Die Schuleingangsuntersuchungen wurden zum 31.07.2022 eingestellt.
Das LZG hat die Möglichkeit einer Priorisierung eröffnet. Diese Möglichkeit hat
das Gesundheitsamt des Kreises Coesfeld genutzt.
Wer traf die Entscheidung zur
Einstellung der Untersuchungen?
Der Landrat auf
Empfehlung der Abteilungsleiterin des Gesundheitsamtes
Inwiefern sind bei den Untersuchungen
zur Entlastung des Gesundheitsamtes Kooperationen mit Kinderärzten möglich?
Der Auftrag der Kinderärztin oder des Kinderarztes unterscheidet
sich grundsätzlich von dem hoheitlichen Untersuchungsauftrag für die
Schuleingangsuntersuchung. Die Amtsärztin oder der Amtsarzt ist zu Neutralität
und Objektivität verpflichtet, während die Kinderärztin oder der Kinderarzt
schon alleine über das Vertragsverhältnis eine andere Beziehung zu Eltern und
Kindern hat und ggf. deren Interessen z. B. „ich möchte meinem Kind noch ein
Jahr Kindergarten gönnen“ abwägt, oder sogar vertritt. Eine ausschließlich
neutrale und objektive Grundhaltung der niedergelassenen Kinderärztin oder des
Kinderarztes würde das Arzt/Patient-Verhältnis beeinträchtigen. Dennoch haben
beide Untersuchungssettings ihre Berechtigung und ergänzen sich im Idealfall.
Im Zeitfenster der Schuleingangsuntersuchung findet auch die Früherkennungsuntersuchung
U9 in der kinderärztlichen Praxis statt. Die Teilnahme an den
Früherkennungsuntersuchungen wird in NRW von der Zentralen Stelle des LZG
begleitet.
In NRW meldet die für die Hauptwohnung zuständigen Meldebehörde
die Geburt jedes Kindes an die Zentrale Stelle des LZG. Für jedes Kind, das an
einer Früherkennungsuntersuchung U5 - U9 teilgenommen hat, schickt die Ärztin
oder der Arzt eine Untersuchungsbestätigung an die Zentrale Stelle. Dazu sind
die Ärztinnen und Ärzte nach dem Heilberufsgesetz verpflichtet. Es wird kein
Untersuchungsergebnis mitgeteilt, sondern nur Name, Geburtsdatum und -ort,
Geschlecht und Anschrift des Kindes sowie Datum und Bezeichnung der
Untersuchung. Die Zentrale Stelle vergleicht die Daten des Einwohnermeldeamtes
mit den Meldungen der Ärztinnen oder Ärzte. So werden die Kinder ermittelt, für
die noch keine Teilnahmebestätigungen vorliegen. Sofern keine Mitteilung über
die Teilnahme vorliegt, schreibt die Zentrale Stelle die
Eltern/Sorgeberechtigten des Kindes spätestens zehn Tage nach Ende - bei der U
5 zwei Wochen vor Ende - des Toleranzzeitraums einladend an.
Liegt auch sechs Wochen nach Erinnerung für die jeweilige
Früherkennungsuntersuchung keine Mitteilung über die Teilnahme vor, informiert
die Zentrale Stelle die Kommune darüber, für welche Kinder keine
Teilnahmebescheinigung vorliegt. Die Kommune wird dann in eigener Zuständigkeit
prüfen und entscheiden, ob sie mit den Eltern/Sorgeberechtigten Kontakt
aufnimmt. In diesen Fällen kann es sein, dass weitere Hilfen für die Familien
nötig sind, die zum Beispiel vom Jugendamt geleistet werden können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind über mehrere
Früherkennungsuntersuchungen hinweg nicht von einer Kinderärztin oder einem
Kinderarzt gesehen wird, ist deshalb gering.
Zeitfenster für die
Früherkennungsuntersuchungen der U5 – U9
Untersuchung |
Untersuchungsstufe |
Toleranzgrenze |
U5 |
6.-7.
Lebensmonat |
5.-8.
Lebensmonat |
U6 |
10.-12.
Lebensmonat |
9.-14.
Lebensmonat |
U7
2 Jahre |
21.-24.
Lebensmonat |
20.-27.
Lebensmonat |
U7a
3 Jahre |
34.-36.
Lebensmonat |
33.-38.
Lebensmonat |
U8
4 Jahre |
46.-48.
Lebensmonat |
43.-50.
Lebensmonat |
U9
5 – 5,4 Jahre |
60.-64.
Lebensmonat |
58.-66.
Lebensmonat |
Sind aus den Kreisen Borken, Steinfurt
und Warendorf bzw. aus der Stadt Münster ähnliche Entscheidungen bekannt?
Konkret muss dies von den Kreisen und kreisfreien Städten selbst
beantwortet werden. Es gab aber in den meisten Kreisen und kreisfreien Städten
des Regierungsbezirks Münster Abwandlungen zum ursprünglichen Verfahren.
Wie viele Schuleingangsuntersuchungen
wurden in den vergangenen fünf Jahren (2018 bis einschließlich 2022) jeweils
durchgeführt?
Schuljahr
2018/19 |
1.984 |
Schuljahr 2019/20 |
2.003 |
Schuljahr 2020/21 |
2.208 |
Schuljahr 2021/22 |
2.174 |
Schuljahr 2022/23 |
1.219 |
Wie viele Kinder wurden ohne
Eingangsuntersuchung eingeschult?
Schuljahr 2018/19 |
0 |
Schuljahr 2019/20 |
0 |
Schuljahr 2020/21 |
0 |
Schuljahr 2021/22 |
0 |
Schuljahr 2022/23 |
1.132 |
In wie vielen Fällen wurden in Folge
der Eingangsuntersuchungen (2018 bis 2022) Kinder nicht bzw. nur eingeschränkt
schulfähig eingestuft?
|
Erhöhter Förder- bedarf |
Rückstellung |
Sonder- pädagogischer Förderbedarf |
Verbleib im KiGa |
Insgesamt |
Schuljahr
2018/19 |
135 |
35 |
103 |
3 |
278 |
Schuljahr 2019/20 |
153 |
30 |
100 |
0 |
283 |
Schuljahr 2020/21 |
188 |
48 |
94 |
0 |
330 |
Schuljahr 2021/22 |
186 |
46 |
82 |
2 |
316 |
Schuljahr 2022/23 |
140 |
59 |
89 |
1 |
289 |
Wie verteilten sich diese Diagnosen
auf die Elemente der Untersuchung (z.B. Sehfähigkeit, Hörfähigkeit,
Bewegungsentwicklung, usw.)?
Erhöhter oder sonderpädagogischer Förderbedarf, sowie
Rückstellungen sind selten mit einer einzigen Diagnose begründbar, deshalb ist
eine Auflistung, auch wegen der Mehrfachnennung wenig aussagekräftig. Es
spielen viele Faktoren in die Entscheidung.
Rückstellungen dürfen nur aus erheblichen gesundheitlichen Gründen
erfolgen, wobei Gesundheit nicht die bloße Abwesenheit von Krankheit ist,
sondern nach Definition der WHO ganzheitlich als ein Zustand des vollständigen
körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens zu sehen ist und nicht nur
durch das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen definiert wird.
Die Schuleingangsuntersuchung wird in NRW standardisiert nach
festen Definitionen (Bielefelder Modell) durchgeführt. Es kommt das
Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen
(SOPESS) zur Anwendung.
Es werden
·
Größe, Gewicht,
·
Kindergartenbesuchsdauer,
·
Teilnahme an den
Früherkennungsuntersuchungen,
·
Impfstatus,
·
Abweichungen von der normalen Form des
Rückens (z. B.
Skoliose),
·
sonstige Erkrankungen,
·
Sehstörungen (Herabsetzen Sehschärfe, Schielen,
Störung des binokularen Sehens, Farbsinnstörung)
·
Hörfähigkeit
·
Visuomotorik (graphomotorische Leistungen,
Auge-Hand-Koordination, feinmotorische Bewegungskoordination, Kraftdosierung,
visuelle Perzeptionsfähigkeit, visuelles Absuchen, Arbeitsgeschwindigkeit),
·
selektive Aufmerksamkeit (kurzfristige
Aufmerksamkeitsfokussierung, Konzentrationsfähigkeit, Impulshemmung, visuelles
Abscannen),
·
Zahlen- und Mengenvorwissen
·
Simultanerfassung von Mengen (spezifische Prädiktoren für den
Rechenerwerb),
·
Feinmotorik (Händigkeit, Stifthaltung und
Stiftführung),
·
Visuelle Wahrnehmung und
Schlussfolgerung
(Erkennen von Zusammenhängen und Regeln, Analyse feinstruktureller visueller
Reize, Form und Größenerfassung, Problemlösestrategien, Bildung von Kategorien
und Analogien, sprachunabhängiges, induktives Denken),
·
Artikulation (Dyslalien),
·
Sprache (Präpositionen, Pluralbildung, Sprachverständnis, grammatikalische
Strukturen, phonologisches Arbeitsgedächtnis, Artikulation /Mundmotorik),
·
auditive Wahrnehmung (Pseudowörter),
·
Körperkoordination (bipedales Seitwärtshüpfen,
Liniengang und Einbeinstand: Körperkoordination,
Gleichgewichtsleistungen, Ausdauer, Ermüdbarkeit, Kraftdosierung, assoziierte
Mitbewegungen, Bewegungsplanung und -geschwindigkeit)
·
sozio-emotionale Reife (altersentsprechendes Verhalten,
Aufmerksamkeit, Kooperation, Konzentration, Ablenkbarkeit, Arbeitstempo,
Frustrationstoleranz, Schwingungsfähigkeit, Interaktion mit unbekannten
Personen)
überprüft. Vor
SOPESS wurde in NRW S-ENS angewendet. Da das Einschulungsalter vorverlegt
wurde, war S-ENS im testtheoretischen Sinn für jüngere Kinder zu schwierig.
Außerdem wurden die Inhalte z. T. in den KiTas geübt. In SOPESS wurden neue
Module wie Zahlenvorwissen und selektive Aufmerksamkeit neu aufgenommen, so
dass man sich noch stärker an den schulrelevanten Vorläuferfähigkeiten
orientiert.
SOPESS hat eine
hohe Reliabilität und Validität und identifiziert Risikokinder sicher.
Mussten in den vergangenen fünf Jahren
Schuleingangsuntersuchungen für Schülerinnen und Schüler, die während des
Schuljahres neu in die Schulen kommen (z.B. Flüchtlinge), abgesagt werden?
Nein.
Wie will der Kreis dafür Sorge tragen,
dass die Eingangsuntersuchungen im kommenden Jahr vollständig und rechtzeitig
durchgeführt werden?
In den vergangenen beiden Jahren wurden die nicht fristgerecht
abgeschlossenen Schuleingangsuntersuchungen bis in den Spätherbst nachgeholt.
Dies hat dazu geführt, dass deutlich später als üblich mit den neuen
Schuleingangsuntersuchungen begonnen werden konnte. Außerdem mussten Kinder,
die bereits eine Schule besuchten, für die Schuleingangsuntersuchung dem
Unterricht fernbleiben und Eltern sich für diese Untersuchung ggf. Urlaub
nehmen. Insgesamt ist die Untersuchung bei den Eltern auf wenig Verständnis
gestoßen. Bei der Schuleingangsuntersuchung handelt es sich um ein für eine
bestimmte Altersgruppe normiertes Verfahren, so dass die Aussagekraft mit
zunehmenden Alter des Kindes sowieso nachlässt. Durch den Abbruch der
Schuleingangsuntersuchungen für das Schuljahr 2022/23 zum 31.07.2022 können die
Schuleingangsuntersuchungen für das Schuljahr 2023/2024 wieder pünktlich begonnen
werden.
Wegen der Pandemie wurde die Anzahl der täglichen Untersuchungen
in der Vergangenheit reduziert. Dies sollte die Wahrscheinlichkeit einer
Übertragung im Wartebereich verhindern. Wir werden die Taktung für den
kommenden Untersuchungsturnus wieder erhöhen und hoffen, dass es nicht erneut
Corona-bedingte Einschränkungen geben wird.
Der Kreis Coesfeld konnte trotz des Fachkräftemangels einen Arzt
für den KJGD gewinnen, der seine Tätigkeit am 01.10.2022 aufnehmen wird. Es
sind weiterhin nicht alle ärztlichen Planstellen im Gesundheitsamt besetzt. Nach
den Herbstferien werden wir an zwei Tagen in der Woche nachmittags
Untersuchungstermine anbieten.