Betreff
Problematik des Dauerwohnens im Ferienhaus- und Campingplatzgebiet "Gut Holtmann"
Vorlage
SV-7-0385
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

ohne

 

 

Der Ausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

Begründung:

 

I. – V.

 

Zuletzt mit Sitzungsvorlage 6-464 zur Sitzung des Ausschusses für Bauen, Vermessung, Landschaft und Umwelt am 11.03.2002 habe ich zur Problematik des Dauerwohnens im Bereich des Wochenend- und Campingplatzgebietes „Gut Holtmann“ in Billerbeck berichtet.

Nach Abschluss des erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren möchte ich hiermit einen aktuellen Sachstandsbericht geben.

 

In dem o.g. Bereich wurde Anfang der 1970’er Jahre ein Ferienpark errichtet, basierend auf zwei Bebauungsplänen, die zum einen ein Wochenendhausgebiet und zum anderen einen Wochenendcampingplatz als Sondergebiet im Sinne von § 10 der Baunutzungsverordnung festschreiben. Für beide Bereiche ist danach die Nutzung der Gebäude zur dauerhaften Wohnnutzung aus Sicht der Verwaltung unzulässig.

 

Nachdem sich über die Jahre herausstellte, dass der Bereich des „Gutes Holtmann“ zunehmend von Dauerwohnern genutzt wurde, die dort auch ihren ersten Wohnsitz begründeten, habe ich in den 1980’er Jahren begonnen, diese Problematik aufzugreifen. Anfang der 1990’er Jahre erfolgten zunächst Anhörungen auf Nutzungsuntersagung der Wochenendhäuser zu dauerhaften Wohnzwecken. Aufgrund der damaligen allgemeinen Wohnungsknappheit habe ich daraufhin von 1994 bis 1998 befristet eine Befreiung von den Festsetzungen der beiden Bebauungspläne erteilt, wonach ich die Nutzung der Wochenendhäuser als Hauptwohnsitz gestattet habe.

 

Nach Ablauf dieser Frist habe ich das Verfahren wieder aufgegriffen und nach Diskussion und Klärung rechtlicher Fragen 2001 in ca. 130 Fällen Anhörungen auf Nutzungsuntersagung der Wochendhäuser zu dauernden Wohnzwecken durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde mit den Betroffenen nach Kriterien gesucht, in welchen Fällen unter Berücksichtigung der Einzelfälle (Kriterien wie Lebensalter und Gesundheit der Betroffenen) tatsächlich die Ordnungsverfügungen erlassen und in welchen Fällen auf ein ordnungsbehördliches Einschreiten verzichtet werden sollte. Im Ergebnis wurden letztlich ca. 40 Ordnungsverfügungen erlassen, in den übrigen Fällen wurde entweder auf ein ordnungsbehördliches Einschreiten verzichtet oder die Betroffenen waren zwischenzeitlich verzogen.

In der jeweiligen Ordnungsverfügung habe ich untersagt, die Wochenendhäuser nach dem 31.03.2006 zu dauernden Wohnzwecken zu nutzen. Für den Fall, dass zu diesem Zeitpunkt die Ordnungsverfügungen noch keine Bestandskraft erzielt haben sollten, habe ich angeordnet, dass die Aufgabe der Nutzung der Wochenendhäuser zu dauernden Wohnzwecken innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung zu erfolgen hat.

Gegen ca. 28 dieser Ordnungsverfügungen wurde Widerspruch durch die Betroffenen eingelegt. Die Widersprüche wurden durch die Bezirksregierung Münster zurückgewiesen. Gegen zehn dieser Entscheidung wurde durch die Betroffenen geklagt.

 

Im November 2005 hat das Verwaltungsgericht Münster diese Klageverfahren entschieden. Den Klagen wurde jeweils stattgegeben und die Ordnungsverfügungen und Widerspruchsbescheide aufgehoben. Nachfolgend werden die maßgeblichen Erwägungen und rechtlichen Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts Münster zusammenfassend dargestellt. Anzumerken ist, dass es in den behandelten Rechtsfragen bislang weder höchstrichterliche noch obergerichtliche Rechtsprechung gibt.

 

Das Verwaltungsgericht Münster bestätigt zunächst, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Nutzungsuntersagungen vorliegen, weil die vorhandenen baulichen Anlagen ohne die hierfür erforderliche Genehmigung genutzt werden. Im Ergebnis hält das Gericht die Nutzung von genehmigten Wochenendhäuser zu dauerhaften Wohnzwecken für unzulässig ist. Letztlich brauchte diese Frage aber nicht entschieden zu werden, da die Ordnungsverfügungen aus anderen Gründen für rechtswidrig erachtet wurden. In einigen Klageverfahren wurden Ermessensfehler festgestellt und in allen Klagen hat das Gericht die Ordnungsverfügungen für unbestimmt angesehen. Darüber hinaus seien sie in den Fällen, die sich auf den Bereich des Campingplatzes „Gut Holtmann“ beziehen, auch unverhältnismäßig. Im einzelnen kam das Verwaltungsgericht zu folgenden Einschätzungen:

 

a)      Die Ordnungsverfügungen seien deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Kreis von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei und nicht auszuschließen sei, dass in Kenntnis des richtigen Sachverhalts eine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Insbesondere wäre dabei nach Ansicht des Gerichts angesichts der im Laufe der Jahre eingetretenen Entwicklung in dem fraglichen Gebiet auch ein weiteres Absehen von ordnungsbehördlichem Einschreiten rechtlich vertretbar gewesen.

Der Kreis hatte angenommen, die tatsächliche Wohnnutzung sei nicht genehmigungsfrei und nicht genehmigungsfähig, weil sie gegen die Festsetzungen der Bebauungspläne „Campingplatz Gut Holtmann, 1. Änderung“ und „Ferienpark Gut Holtmann, 5. Änderung“ verstoßen. Diese Bebauungspläne der Stadt Billerbeck sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aber ungültig, weil sie gegen zwingende Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoßen. In den beiden Bebauungsplänen wurde nach Ansicht des Gerichts im gesamten Plangebiet eine Grundflächen- und Geschossflächenzahl festgesetzt, die mit 0,4 bzw. 0,5 über der nach § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung maximal zulässigen Obergrenze von 0,2 liegt, die auch ausnahmsweise nicht überschritten werden darf.

Anm.: Nach Ansicht der Stadt Billerbeck handelt es sich bei diesen Angaben aber nicht um tatsächliche Festsetzungen, die im gesamten Plangebiet gelten sollen, sondern vielmehr nur um Erläuterungen in der Legende der Bebauungspläne. Die beiden Bebauungspläne werden vor diesem Hintergrund zur Zeit durch die Stadt Billerbeck mit dem Ziel der entsprechenden Klarstellung überarbeitet. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in einem anderen das Planungsgebiet betreffenden Verfahren allerdings bereits ausgeführt, dass es diese Rechtsauffassung des VG Münster hinsichtlich der Ungültigkeit der Bebauungspläne nicht teile, sondern den Plan entsprechend der Auslegung der Stadt Billerbeck lese.

 

b)      Die Nutzungsuntersagungen seien rechtlich zu unbestimmt, denn es hätte den Adressaten aufgrund des Tenors der Ordnungsverfügungen nicht eindeutig klar sein können, was ihnen erlaubt und was ihnen verboten sei. Aus dem Tenor der Ordnungsverfügung ließe sich nicht entnehmen, zu welchen Handlungen die Ordnungspflichtigen nach Rechtskraft der Verfügungen verpflichtet seien. Insofern würden diese Ordnungsverfügungen das Problem nicht lösen, sondern vielmehr weitere Fragen aufwerfen und könnten daher nicht als Grundlage der Verwaltungsvollstreckung herangezogen werden. Die Formulierung, wonach die Nutzung zu „dauernden Wohnzwecken“ untersagt werden solle, sei nicht eindeutig, sondern lasse vielmehr offen, in welchem Rahmen ein Aufenthalt in den Gebäuden noch möglich sei. Es ließe sich anhand rechtlicher Vorschriften nicht quantifizieren, bis zu welchem Grad noch eine vorübergehende Wohnnutzung stattfinde und wann dieses in eine dauernde Wohnnutzung umschwenke. Aus Sicht des Gerichts könnte gegebenenfalls die Anknüpfung des Tenors an die Anmeldung des ersten Wohnsitzes im Sinne des Melderechts das für die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung notwendige Gebot der Bestimmtheit einhalten, da der „erste Wohnsitz“ im Melderecht rechtlich konkret definiert sei. Dieses war hier jedoch nicht zu überprüfen, da in den angegriffenen Ordnungsverfügungen auf die „ersten Wohnsitze“ der Ordnungspflichtigen nicht Bezug genommen wurde.

Im übrigen hält das Gericht auch grundsätzlich eine klare Abgrenzung des zeitlich begrenzten von dem dauerhaften Wohnen im Rahmen von Ordnungsverfügungen für schwerlich möglich und hat erhebliche Zweifel an einer grundsätzlichen hinreichenden Bestimmbarkeit entsprechender Nutzungsuntersagungen. Insoweit sieht es die maßgebliche Bedeutung der planungsrechtlichen Begriffe „Wochenendhaus“ und „Wochenendhausgebiet“ in erster Linie bei der durch sie eröffneten rechtlichen Möglichkeit der Beschränkung des Maßes der baulichen Nutzung auf ein sonst für Wohnbebauung unzumutbar niedriges Maß.

 

c)      Im Bereich des Campingplatzes „Gut Holtmann“ sei die angegriffene Ordnungsverfügung darüber hinaus unverhältnismäßig, da sie selbst bei ihrer Befolgung durch die Ordnungspflichtigen nicht zu einer abschließenden rechtlichen Befriedigung führen würde. Die Nutzung dieses Bereiches zu „Wochenendwohnzwecken“ würde vielmehr das nächste ordnungsbehördliche Verfahren auslösen, sofern die Nutzung der Grundstücke mit Wochenendhäusern noch beantragt und erteilt werden müsste. In diesen Fällen würde somit selbst bei Befolgung der Ordnungsverfügung weiterhin eine formelle Illegalität vorliegen.

 

 

In einem Klageverfahren, das alle drei o.g. Aufhebungsgründe umfasst, habe ich zwecks obergerichtlicher Klärung des Gesamtfragenkomplexes einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den noch nicht entschieden wurde.

 

Bis zur Klärung dieser Fragen durch das Oberverwaltungsgericht, mindestens jedoch bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Zulassung der Berufung, beabsichtige ich, aus den zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Ordnungsverfügung nicht zu vollstrecken.