Betreff
Anregung gem. § 21 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
Vorlage
SV-7-0425
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag der Antragsteller:

 

Der Kreistag des Kreises Coesfeld möge folgenden Beschluss fassen:

 

1.      Der Kreistag des Kreises Coesfeld beschließt folgende Erklärung, die an die Innenminister des Landes und des Bundes gerichtet ist:

 

„Der Kreistag des Kreises Coesfeld spricht sich dafür aus, dass auf Landes- und Bundesebene umgehend eine Klärung der offenen Fragen bezüglich des Bleiberechts für länger in Deutschland geduldete Ausländerinnen und Ausländer im Sinne einer rechtssicheren und damit humanitären Lösung herbeigeführt wird.“

 

  1. Der Landrat wird gebeten, bis zur endgültigen Klärung der grundsätzlichen Bleiberechtsregelung im Sinne von Ziffer 1. von weiteren Abschiebungen abzusehen.

 

  1. Im konkreten Fall der Familie D. wird von einer weiteren Vollstreckung der Abschiebung abgesehen. Gerade hier sind aufgrund des äußerst labilen Gesundheitszustandes der Mutter, R. D., aus humanitären Gründen alle Ermessensspielräume im Sinne der Betroffenen auszuschöpfen.

 

 

Begründung:

 

I.   Problem

Gemäß § 21 Kreisordnung NRW (KrO NRW) hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten des Kreises an den Kreistag zu wenden. Die Zuständigkeiten des Kreisausschusses, der Ausschüsse und des Landrats werden hierdurch nicht berührt. Der Antragsteller ist über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten.

Ein Anspruch auf mündliche Anhörung der Antragsteller vor dem Kreistag oder einem Ausschuss besteht nicht.

Unter dem 15.04.2006 wurde eine Anregung gemäß § 21 KrO NRW an den Kreistag des Kreises Coesfeld gerichtet (s. Anlage).

 

 

II.  Lösung

Kreisangelegenheiten sind alle Aufgaben des Kreises unabhängig von ihrem Aufgabencharakter als freiwillige Aufgabe, Pflichtaufgabe oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Aufgaben, die der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde obliegen, sind keine Kreisaufgaben und fallen daher niemals in die Zuständigkeit des Kreistages.

Bei dem in der Anregung angesprochenen Thema handelt es sich um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung und damit um eine Kreisangelegenheit.

Gemäß § 19 Abs. 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004 ist für die Erledigung von Anregungen und Beschwerden der Kreisausschuss zuständig, es sei denn, sie betreffen Angelegenheiten, für die gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW ausschließlich der Kreistag oder für die nach den Bestimmungen der KrO oder der Hauptsatzung der Landrat zuständig ist.

Hinsichtlich der nach Ziffer 1 der vorliegenden Anregung zu beschließenden Erklärung wird aufgrund der Bedeutung einer solchen Entscheidung die Zuständigkeit des Kreistages gesehen.

Dagegen liegt für die nach Ziffer 2 und 3 ausgeführten Anregungen die Zuständigkeit des Landrats im Rahmen der Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung vor.

Ein Geschäft der laufenden Verwaltung liegt dann vor, wenn die Sache nach Regelmäßigkeit und Häufigkeit zu den üblichen Geschäften gehört, ohne dass bejahendenfalls noch auf Umfang und Schwierigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und auf die finanziellen Auswirkungen abzustellen wäre. Ebenso ist unerheblich, ob es sich um eine freiwillige oder pflichtige Aufgabe oder eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung oder ob es sich um eine rechtlich schwierige Angelegenheit handelt. Die Zuständigkeiten des Landrats können nicht durch Beschluss des Kreistages oder Kreisausschusses entzogen werden. Somit ist der Kreistag nicht für eine Beschlussfassung nach Ziffer 2 und 3 zuständig. Darüber hinaus wäre ein Beschluss rechtswidrig, der den Landrat verpflichten würde, bei Vorliegen der rechtlichen und tatsächlichen Abschiebevoraussetzungen von einer Abschiebung abzusehen. Ermessensspielräume bestehen in diesem Bereich nicht.

Die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch die Ausländerbehörden stellen für die betroffenen Ausländer und deren Umfeld in der Regel bedeutende Eingriffe dar. An das neue Zuwanderungsgesetz sind vielfach Hoffnungen und Erwartungen gestellt worden, die sich in der rechtlichen Praxis nicht erfüllen lassen. Es handelt sich aber nicht um rechtlich offene Fragen im juristischen Sinne. Gleichwohl wird die Thematik derzeit vermehrt auch in politischen Gremien der Kommunalverwaltungen diskutiert. So haben sich beispielsweise die Kreistage in Steinfurt und Warendorf wie auch die Räte der Städte Münster und Marl aus aktuellen Anlässen hiermit befasst und haben zum Teil Resolutionen an den Gesetzgeber in Bund und Land gerichtet, die insbesondere ein verändertes Bleiberecht für länger in Deutschland geduldete Ausländer fordern.

In Erkenntnis der besonderen Problematik langjährig hier lebender, vielfach sozial und wirtschaftlich integrierter, aber gesetzlich ausreisepflichtiger Ausländer habe ich selbst in jüngster Vergangenheit hierzu Vorschläge für eine denkbare Altfallregelung dem Deutschen Landkreistag und dem Landkreistag Nordrhein-Westfalen unterbreitet. Anlässlich eines Besuchs des Staatssekretärs des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen habe ich diese Überlegungen auch an die Landesregierung herangetragen.

Kern der von mir vorgeschlagenen Altfallregelung, die allerdings einer bundesrechtlichen Regelung bedürfte, ist es, langjährig hier lebenden Ausländern mit Kindern unter folgenden grundsätzlichen Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren:

-          die Identität und Nationalität sind geklärt und nachgewiesen sowie gültiger Reisepass wird vorgelegt,

-          gesellschaftliche Integration ist feststellbar,

-          Sicherstellung des Lebensunterhalts (weitgehend) ohne öffentliche Sozialhilfeleistungen,

-          keine Vorstrafen.

 

Mit einer solchen Regelung könnte insbesondere für weitgehend integrierte Familien mit in Deutschland geborenen bzw. aufgewachsenen Kindern eine vernünftige und humanitäre Lösung gefunden werden und damit eine Vielzahl möglicher Härtefälle erfasst werden. Auch aus verwaltungsökonomischen Gründen wäre eine solche Regelung zu begrüßen.

Mit einer Aufenthaltserlaubnis besteht zudem die verbesserte Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Die Ausländer erhalten für einen festgelegten Zeitraum die Chance, sich hier vollständig zu integrieren. Wird diese Chance genutzt, wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, ggf. später die Niederlassungserlaubnis erteilt. Fehlt es an der vollständigen Integration, wird die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert.

Auch unter demographischen Gesichtspunkten halte ich einen Verbleib faktisch integrierter Ausländer für wünschenswert.

 

III. Alternativen

Dem Beschlussvorschlag der Antragsteller wird nicht entsprochen. Der Kreistag beschließt eine Resolution mit einem noch festzulegenden Inhalt.

 

IV. Kosten-Folgekosten-Finanzierung

Keine.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Die Zuständigkeiten des Kreisausschusses ergeben sich aus § 50 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 19 Abs. 4 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004. Die Zuständigkeiten des Kreistages bzw. des Landrates ergeben sich aus § 26 Abs. 1 bzw. § 42 Buchstabe a) KrO NRW i.V.m. § 12 der Hauptsatzung des Kreises Coesfeld vom 13.10.2004.