Sitzung: 29.11.2018 Ausschuss für Finanzen, Wirtschaftsförderung und Kreisentwicklung
Beschluss: Kenntnis genommen
Vorlage: SV-9-1256
MA Wilms trägt anhand einer Powerpoint-Präsentation vor. Die hiesige
Region befinde sich aufgrund der vergleichsweise geringen Bevölkerungsdichte in
einem Spannungsfeld. Der gesellschaftlich geforderte flächendeckende Ausbau
decke sich nicht mit dem marktgetrieben Verhalten der Netzbetreiber, die laut
Vorgabe der Bundesnetzagentur nur 98 % der Haushalte in den
Flächenbundesländern mit LTE versorgen müssten. Problematisch sei in diesem
Zusammenhang die aktuelle Marktentwicklung: Mit etwas mehr als einem mobilen
Endgerät pro Einwohner und niedrigen Erlösen von 17 Euro monatlich pro
SIM-Karte sei der Markt in Deutschland zunächst gesättigt. Somit stünden die
potentiellen Erlöse der nahen Zukunft bereits heute fest. Dies begrenze aber
auch die Investitionen, die die Netzbetreiber bereit seien zu leisten und jeder
Euro, um den die anstehende Versteigerung der nächsten Mobilfunklizenzen teurer
werde, fehle somit beim Netzausbau, was insbesondere für die
versorgungsschwachen Gebiete problematisch sei. Für den Kreis Coesfeld treffe
dies jedoch nicht in der Intensität zu, wie für andere sehr dünn besiedelte
Gebiete Deutschlands.
Auch wenn Mobilfunkmasten in der Öffentlichkeit nicht immer gern gesehen
seien, sei eine flächendeckende Versorgung mit Internet und Telefonie von den
Menschen deutlich mehr gewünscht und mittlerweile normale Anspruchshaltung.
Dies decke sich jedoch noch nicht mit den Regularien der Bundesnetzagentur, die
weiterhin auf die versorgten Haushalte abstelle.
Im Folgenden stellt MA Wilms die Ergebnisse einer LTE-Messfahrt in der
Gemeinde Nordkirchen vor. Schwarze Streckenabschnitte symbolisierten kein
LTE-Empfang; auf roten, gelben und grünen Streckenabschnitten sei dieser in
steigender Qualität gegeben.
Insgesamt könne die Situation als für den aktuellen Privatkonsum
ausreichend beurteilt werden, allerdings sei die Versorgung für die
fortschreitende Digitalisierung zu gering. Im Rahmen von Messungen sei
ermittelt worden, dass in den sieben gemessenen Kommunen rund 80 Basisstationen
aufgerüstet beziehungsweise neu errichtet werden müssten, um eine
zufriedenstellende Versorgung mit LTE zu erreichen; für eine wirklich
flächendeckende Versorgung wären noch deutlich mehr Stationen erforderlich.
Die Gründe für den mangelnden Empfang lägen jedoch nicht immer in
fehlenden Sendeanlagen: Metallbedampfte Scheiben, Stahlbeton oder Gewerbehallen
aus Blech schränkten den Empfang ebenso ein, wie moderne Soundanlagen in Autos.
Fehlende Mitnutzung der Netze anderer Betreiber (National Roaming), sowie
günstige Reseller ausschließlicher UMTS-Tarife, die keine LTE-Nutzung beinhalteten,
erhöhten das Funkloch-Empfinden der Menschen.
Der Aufbau des zukünftigen 5G-Mobilfunknetzes sei für den Kreis Coesfeld
noch nicht absehbar. Die Anwendungen entstünden in den Bereichen hohe
Datenraten („massive broadband“), hohe Anzahl von vernetzen Geräten auf einer
kleinen Fläche („massive Internet of Things“) und zeit- und
verfügbarkeitskritische Kommunikation zwischen Geräten („critical Internet of
Things“) und forderten entsprechende Infrastruktur dieser neuen Generation des
Mobilfunknetzes. Es sei mit einem Aufbaufokus in den bewohnten Bereichen und
entlang der Verkehrswege (Bahn, Bundes- und Landesstraßen, Wasserstraßen) zu
rechnen.
Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek erkundigt sich, was es mit der
abnehmenden Versorgungsrate mit Blick auf die neueren Technologien wie LTE auf
sich habe. MA Wilms erläutert, dass sich die Bandbreiten ca. alle zwei Jahre
verdoppele; entsprechend der steigenden Nutzung. Eine abnehmende Verfügbarkeit
moderner Netze führe dann dazu, dass die schwach versorgten Gebiete noch
stärker zurückfielen, resümiert Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek. Dem stimmt MA
Wilms zu. Zurzeit gebe es 70.000 Mobilfunkstandorte deutschlandweit; Experten
gehen von 200.000 Standorten für eine flächendeckende Versorgung mittels der
Frequenzen der anstehenden Versteigerung aus. Dies sei nicht vorstellbar.
Ktabg. Wessels weist darauf hin, dass die in der Präsentation
dargestellte Situation, insbesondere entlang der Verkehrswege, insgesamt
positiv zu bewerten sei. MA Wilms bestätigt dies und ergänzt, dass eine
(künftige) Netzversorgung nur auf der Strecke Coesfeld – Dorsten problematisch
sei. Insgesamt sei der Kreis hier jedoch abhängig von den Vorgaben der
Bundesnetzagentur.
In diesem Zusammenhang erkundigt sich Ktabg. Kleerbaum nach den
Handlungsmöglichkeiten der politischen Gremien des Kreises. MA Wilms führt aus,
dass der Dialog mit den Netzbetreibern dadurch erschwert werde, dass die
entsprechenden Ansprechpartner für einen vergleichsweise großen Bereich
zuständig seien, sodass die Stimme einzelner Gebietskörperschaften leicht
verhalle. Eine wichtige Möglichkeit der Lokalpolitik sei die Promotion des
Neubaus von Mobilfunkmasten. Die Abdeckungskarten der Betreiber seien häufig
positiver, als die tatsächliche Lage vor Ort. Die Sachkundige Bürgerin Dr.
Spallek und Ktabg. Wessels heben diesbezüglich das Engagement des wfc-Geschäftsführers
Dr. Grüner hervor, der die Angaben der Netzbetreiber kritisch überprüfe.
Ktabg. Pohlmann erkundigt sich, ob neue Endgeräte zur Nutzung der 5G-Technologie
erforderlich seien. Dies bestätigt MA Wilms. Die Branche gehe davon aus, dass
die Empfangsgeräte im Schnitt alle zwei Jahre ausgetauscht würden. Der
GSM-Standard werde wohl auch von künftigen Empfangsgeräten für den Notfall
unterstützt.
Aus Sicht des Ktabg. Kortmann könne der Kreistag bestimmt etwas bewegen.
Die Stärkung des Schienenverkehrs sei etwa ein Ansatzpunkt. Bei drei großen
Netzbetreibern sei es wahrscheinlich, dass die Bahntrassen ausreichend mit
Internet versorgt seien. Die Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek und Ktabg. Kleerbaum
sowie MA Wilms entgegnen, dass ein solches Vorgehen für die Netzbetreiber
unwirtschaftlich ist und deswegen man nicht davon ausgehen könne, dass dies
automatisch umgesetzt werde.
Ktabg. Kortmann ergänzt, dass aus seiner Sicht nationales Roaming eine
sinnvolle Lösung sei und zugelassen werden solle. Bezüglich des nationalen
Roamings sei ein Verhandlungsgebot vorgesehen, so MA Wilms. Dies stelle jedoch
ein Investitionshemmnis dar. Nach Einschätzung des Ktabg. Kortmann ist dies zu
wenig; er plädiert dafür, dass sich die Kreise stärker für den Netzausbau
engagieren sollten.
Der Ausschussvorsitzende Prof. Dr. Gochermann weist darauf hin, dass bei
einem vollständig parallelen Netzausbau durch alle Netzbetreiber die dreifachen
Investitionskosten anfielen. Ergänzend fügt Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek
hinzu, dass ohnehin nur dort Funkmasten aufgestellt würden, wo mit einer
wirtschaftlich ausreichenden Abnehmerzahl zu rechnen sei. Zwischen den
Netzbetreibern bestünden bereits Absprachen über die Mitnutzung von
Sendemasten, so MA Wilms, jedoch sei ein einzelner Mast in seiner Kapazität
begrenzt.
Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek weist darauf hin, dass bereits in
Eigenregie Glasfaserleitungen verlegt würden. Sie fragt, ob nicht auch die
Möglichkeit bestünde, eigene Masten aufzustellen. Zudem weist sie auf die
Digitalisierung auf dem Acker hin, die auch in sehr dünn besiedelten Gebieten
eine ausreichende Internetversorgung voraussetzen würde. Dem pflichtet MA Wilms
bei; hier sei der Bedarf zu klären. Die Nutzung lokaler Frequenzen, die aktuell
von der Bundesnetzagentur angedacht werde, käme hierbei in Frage. Sachkundige
Bürgerin Dr. Spallek möchte wissen, ob es eine reelle Chance dafür gäbe, dass
das von MA Wilms skizzierte Szenario eintreten könnte. Dieser entgegnet, dass
die weitere Entwicklung rund um die anstehende Versteigerung und mögliche
Gesetzesänderungen abzuwarten seien.
Ktabg. Waldmann konstatiert, dass die begrenzten Einflussmöglichkeiten
des Kreises Coesfeld auf diesem Gebiet zu akzeptieren, jedoch gleichwohl
politische Signale zu senden seien. Die Signale der Bundesforschungsministerin
Karliczek seien äußerst kontraproduktiv, obwohl sie die Situation im nördlichen
Münsterland kenne. Die bestehenden Funklöcher seien ja auch hinlänglich bekannt
und lokalisiert. Hier sei das Senden eines Signales sinnvoll; konkret solle die
CDU auf Münsterland-Ebene Druck ausüben, um eine Anpassung der Äußerungen der
Ministerin zu erreichen. Insgesamt seien die Probleme Deutschlands beim Ausbau
des mobilen Internets nicht nachvollziehbar – in Peru etwa sei überall Empfang
gegeben. Ein eindeutiges politisches Signal sei daher notwendig. Der
Ausschussvorsitzende Prof. Dr. Gochermann hält es für sinnvoll, zunächst
Informationen zu sammeln. Politische Handlungen blieben dann auf deren
Grundlage zu überlegen.
Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek erinnert an die Idee, eigene Masten
aufzustellen. Dies sei MA Wilms zufolge nur für sehr große Unternehmen, wie etwa
VW oder Siemens, überlegenswert. Theoretisch sei das Aufstellen eines Mastes in
Eigenregie möglich, jedoch sei dies nur ein kleiner Bestandteil der
Problemlösung: Die erforderlichen Genehmigungen seien einzuholen, es seien
Glasfaserleitungen zu verlegen, Strom und sonstige Unterhaltskosten zu bezahlen
und nicht zuletzt werde ein selbst aufgestellter Mast voraussichtlich nicht von
den großen Netzbetreibern bespielt.
Die Privatisierung des Netzbetriebes sei ein Fehler gewesen, hält Ktabg.
Kleerbaum fest, zudem bestünden weitere Probleme, wie die Erhebung von
Ausgleich- und Ersatzgeldern im Rahmen des Ausbaus des Glasfasernetzes im
Außenbereich. Er erkundigt sich, ob es unter Zuhilfenahme neuer Technologie
möglich sei, in fünf bis zehn Jahren eine zufriedenstellende Abdeckung mit
mobilem Internet zu erreichen. Die Sachkundige Bürgerin Dr. Spallek schließt
sich dieser Frage an. MA Wilms antwortet, dass es verschiedene Ansätze gebe.
Mit Geld sei das Problem lösbar, allerdings müssten bau- und naturschutzrechtliche
Vorschriften beachtet werden. Im Moment liege der Fokus der Bundesnetzagentur
bei der Versteigerung auf der Generierung von Erlösen, nicht auf dem
Netzausbau. Der Ausschussvorsitzende Prof. Dr. Gochermann und Ktabg. Kortmann
weisen darauf hin, dass die Erlöse aus der Versteigerung zweckgebunden
verwendet würden und nicht einfach untergingen. Zudem erkundigt sich Ktabg.
Kortmann, ob es in Spanien nationales Roaming gäbe – in jedem Falle sei dort
eine sehr gute Netzversorgung gegeben. Dasselbe gelte für Südafrika, so
Ausschussvorsitzender Prof. Dr. Gochermann.
Der Bericht des MA Wilms wird zur Kenntnis genommen.
Anmerkung
Die Folien des Power-Point-Vortrages sind dieser Niederschrift als Anlage beigefügt.