Sitzung: 31.08.2022 Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit
Anfrage der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Fraktion im Kreistag Coesfeld zum
Sachstand zur Gewaltprävention in Einrichtungen der Behindertenhilfe
Dez. Schütt informiert:
„Anfrage der SPD-Fraktion:
Bitte teilen Sie uns mit,
a) wie
viele Einrichtungen der Eingliederungshilfe Ihrer Aufsicht unterstehen
b) wie viele von diesen bereits eine
Gewaltschutz-Konzeption zur Prüfung vorgelegt haben
c) wie viele dieser vorgelegten
Konzeptionen durch Ihre Behörde geprüft wurden oder werden
d) wie viele dieser vorgelegten
Konzeptionen durch den LWL geprüft wurden oder werden.
Begründung:
Die Gewaltvorkommnissen und Verstößen bei
der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in der Diakonischen
Stiftung Wittekindshof im Kreis Minden- Lübbecke haben große politische
Aufmerksamkeit auf das Thema Behindertenhilfe und Teilhabe gelenkt und zu
einigen gesetzlichen Änderungen geführt. So müssen nach § 37a SGB IX
Leistungserbringer, die Leistungen der sozialen Teilhabe und Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen erbringen,
Gewaltschutzkonzepte vorlegen.
Der LWL hat alle Leistungserbringer in
Westfalen-Lippe, die im Bereich der Sozialen Teilhabe und der Teilhabe am
Arbeitsleben tätig sind, schriftlich aufgefordert, entsprechende Gewaltschutzkonzepte
einzureichen. Die vorzulegenden Gewaltschutzkonzepte werden über die jeweiligen
„Wohn- und Teilhabe-Gesetz“- Behörden, das sind in der Regel die Kreise und
kreisfreien Städte, an den LWL weitergeleitet und dort geprüft.
Antwort der
Verwaltung:
Nach § 37 a SGB IX, eingefügt in das SGB IX am 10.06.2021, treffen
Leistungserbringer geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt für Menschen mit
Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen, insbesondere für Frauen
und Kinder mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Frauen und Kinder. Zu
den geeigneten Maßnahmen nach Satz 1 gehören insbesondere die Entwicklung und
Umsetzung eines auf die Einrichtung oder Dienstleistungen zugeschnittenen
Gewaltschutzkonzepts.
Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der
Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben darauf hin, dass der Schutzauftrag nach
Absatz 1 von den Leistungserbringern umgesetzt wird.
Als Rehabilitationsträger für Einrichtungen und Dienste der
Eingliederungshilfe hat der LWL alle Einrichtungen und Dienste der
Eingliederungshilfe/Sozialen Teilhabe und der Werkstätten für Menschen mit
Behinderung in seinem Zuständigkeitsbereich zur Abgabe eines Schutzkonzeptes
aufgefordert. Der vom LWL aufgeführte Zusatz, „ein mit der WTG-Behörde
abgestimmtes Gewaltschutzkonzept“ vorzulegen, wurde im Nachgang zwischen LWL
und Kreis Coesfeld wie folgt präzisiert:
-
Für besondere Wohnformen der
Eingliederungshilfe besteht nach § 19 Abs. 1 Nr. 5 des Wohn- und
Teilhabegesetzes die Pflicht, Maßnahmen zur Gewaltprävention durchzuführen und
ein entsprechendes Konzept zu erstellen.
Die Umsetzung dieser Anforderung wird vom Kreis Coesfeld als Aufsichtsbehörde
nach dem WTG in diesen Einrichtungen anlässlich der Regelprüfungen im Abstand
von längstens zwei Jahren und ggf. bei Anlassprüfungen überprüft. Umfang der
Prüfung und Prüfungstiefe richten sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Eine gesonderte Vorlage von Gewaltschutzkonzepten bei der WTG-Behörde erfolgt
nicht.
-
Gewaltschutzkonzepte ambulanter Dienste,
Wohngemeinschaften, ua. unterliegen im Rahmen des Leistungsrechts der Prüfung
durch den LWL. Es gibt für diese ambulanten Versorgungsformen aber keine
Verpflichtung im Rahmen des Wohn- und Teilhabegesetzes, ein Gewaltschutzkonzept
zu erstellen. Dementsprechend wird hier von der WTG-Behörde das Vorliegen eines
Gewaltschutzkonzeptes nicht geprüft.
Der vom LWL gewählte Zusatz sollte Doppelprüfungen vermeiden und
sicherstellen, dass Gewaltschutzkonzepte, die ggf. in besonderen Wohnformen
bereits von einer WTG-Behörde umfangreich und vollständig geprüft wurden, nicht
nochmals voll inhaltlich vom LWL überprüft werden. Zur Umsetzung dieses Zieles
ist aber keine Vorabstimmung des Leistungserbringers mit der WTG-Behörde
erforderlich; diese Konzepte werden von den Leistungserbringern nun direkt beim
LWL eingereicht und von dort nicht an die WTG Behörden weitergeleitet. Bei
Bedarf werden im Rahmen einer formlosen, niedrigschwelligen Beteiligung des
Kreises WTG-eigene Bewertungen zur Umsetzung des Gewaltschutzes in der
betroffenen Einrichtung bilateral besprochen und ggf. vom LWL bei seiner
Bewertung des ihm vorliegenden Konzeptes berücksichtigt. Diese Verfahrensweise
wird sowohl vom LWL als auch von der WTG-Behörde des Kreises Coesfeld als
sinnvoll und effektiv angesehen; die Zusammenarbeit zwischen LWL und
WTG-Behörde ist gut.
Zu den Punkten
der Anfrage nehme ich daher wie folgt Stellung:
Im Kreis
Coesfeld unterliegen
-
14 Einrichtungen der besonderen Wohnformen der
Einrichtungshilfe
-
11 anbieterverantwortete Wohngemeinschaften der
Eingliederungshilfe
-
zwei Tagesstätten der Eingliederungshilfe
der Aufsicht der
WTG-Behörde.
Im Rahmen der Regelprüfungen wird bei den 14 Einrichtungen der
besonderen Wohnformen das Vorliegen eines Gewaltschutzkonzeptes geprüft. Die
Regelprüfungen dieser Einrichtungen finden im Abstand von bis zu zwei Jahren
statt.
Eine gesonderte Vorlage von Gewaltschutzkonzeptionen zur Prüfung
erfolgte bei der WTG-Behörde des Kreises Coesfeld lediglich in zwei Fällen, und
zwar von Anbietern ambulanter Wohngemeinschaften. Zwischen Anbieter, LWL und
Kreis konnte einvernehmlich geklärt werden, dass diese Konzepte direkt dem LWL
zur weiteren Prüfung vorgelegt werden.
Daher erfolgte
hier keine Prüfung von vorgelegten Konzeptionen.
Die zwei hier vorgelegten Konzeptionen wurden oder werden vom LWL
geprüft.“
Referentenentwurf zum geplanten Bürgergeldgesetz - wesentliche Inhalte im
Bereich des SGB II; geplante Änderungen beim Eingliederungsbudget
Dez. Schütt teilt mit:
Für das SGB II sind damit nach derzeitigem Stand folgende wesentliche Änderungen geplant:
Allgemeines:
- Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld werden durch das Bürgergeld abgelöst.
- Es wird eine Bagatellgrenze für Rückforderungen in Höhe von 50 € pro Bedarfsgemeinschaft eingeführt.
- Die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente wird abgeschafft.
- Die Anforderungen an die Erreichbarkeit von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten werden entschärft und an die Möglichkeiten moderner Kommunikation angepasst.
- Eine Versagung wegen fehlender Mitwirkung soll unter bestimmten Voraussetzungen auch bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft der die Mitwirkungspflichten verletzenden Person erfolgen.
Bedarfe
für Unterkunft und Heizung:
- Innerhalb einer Karenzzeit von 2 Jahren ab erstmaligem Leistungsbezug werden die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe anerkannt. Eine Absenkung von Unterkunftskosten auf das angemessene Maß ist erst nach Ablauf der Karenzzeit zulässig.
- Beim Tode eines Mitglieds der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft ist künftig die Absenkung von Unterkunftskosten auf das aufgrund der geringeren Personenzahl danach noch angemessene Maß für mindestens zwölf Monate nicht zumutbar.
Vermögen:
- Auch beim Vermögen wird eine Karenzzeit von 2 Jahren ab dem erstmaligen Leistungsbezug eingeführt, in der Vermögen nur dann berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist, also 60.000 € für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person und 30.000 € für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft übersteigt.
- Innerhalb der Karenzzeit ist selbstgenutztes Wohneigentum unabhängig von der Wohnfläche von der Vermögensberücksichtigung ausgeschlossen.
- Außerhalb der Karenzzeit gelten für selbstgenutztes Wohneigentum neue Angemessenheitsgrenzen. Bei bis zu 4 Personen werden selbstbewohnte Hausgrundstücke bis zu einer Wohnfläche von 140 qm und Eigentumswohnungen bis 130 qm, jeweils zuzüglich 20 qm für jede weitere Person der Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft, als Vermögen unberücksichtigt gelassen.
- Die Freistellung von Altersvorsorgevermögen wird erweitert.
- Kraftfahrzeuge sind künftig unabhängig von deren Angemessenheit nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
- Die allgemeinen Vermögensfreibeträge werden auf 15.000 € für jede Person der Bedarfsgemeinschaft angehoben, wobei eine Übertragung nicht ausgeschöpfter Freibeträge auf andere Personen der Bedarfsgemeinschaft möglich sein soll.
Einkommen:
- Die Unterscheidung von laufenden und einmaligen Einnahmen wird aufgegeben. Grundsätzlich werden alle Einnahmen im Zuflussmonat angerechnet. Eine Verteilung von bedarfsdeckenden Einnahmen auf sechs Monate erfolgt nur noch für als Nachzahlung zufließende Einnahmen.
- Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und steuerfreie Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten sind bis zu einem Betrag von 3.000 € kalenderjährlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
- Mutterschaftsgeld wird nicht mehr als Einkommen angerechnet.
- Gleiches gilt für Einnahmen von Schülerinnen und Schülern unter 25 Jahren aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden.
- Außerhalb der Ferien gelten für unter 25jährige Schülerinnen und Schüler, aber auch für Studierende und Auszubildende unter 25 Jahren erhöhte Freibeträge für deren Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 520 € monatlich.
Sanktionen
Im Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen werden folgende Regelungen nunmehr gesetzlich verankert:
- Leistungsminderungen dürfen künftig auch bei wiederholten Pflichtverletzungen maximal 30 % des maßgebenden Regelbedarfs betragen. Eine Kürzung der Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung erfolgt nicht.
- Eine Leistungsminderung ist ausgeschlossen bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte.
- Bei nachträglicher Erfüllung der Mitwirkungspflichten oder glaubhafter Erklärung, den Pflichten künftig nachzukommen, ist die Leistungsminderung aufzuheben.
- Für Personen unter 25 Jahren gelten keine Sonderregelungen mehr. Jedoch soll dieser Personenkreis im Falle einer Minderung ein Beratungs- und Unterstützungsangebot erhalten.
- Der Minderungszeitraum bei Meldeversäumnissen beträgt lediglich noch einen Monat.
Leistungen
zur Eingliederung in Arbeit
- Die Eingliederungsvereinbarung wird durch den sogenannten Kooperationsplan abgelöst, der rechtlich nicht verbindlich auf Basis der Potenzialanalyse die gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie dokumentiert.
- Zur Lösung von Streitigkeiten im Rahmen der Erstellung des Kooperationsplans wird ein Schlichtungsverfahren eingeführt.
- Mit Abschluss des Kooperationsplans beginnt eine mindestens 6 Monate dauernde Vertrauenszeit, in der Pflichtverletzungen nicht durch Leistungsminderungen geahndet werden. Erst nach Ende der Vertrauenszeit dürfen, wenn Absprachen ohne wichtigen Grund nicht eingehalten werden, die Pflichten durch Verwaltungsakt mit Rechtsfolgenbelehrung der leistungsberechtigten Person rechtlich verbindlich auferlegt werden. Lediglich Meldeaufforderungen sind als Verwaltungsakt mit Rechtsfolgenbelehrung auch innerhalb der Vertrauenszeit zulässig.
- Der bisher geltende grundsätzliche Vermittlungsvorrang wird abgeschafft. Künftig erhalten Berufsausbildungen und Qualifikationen, insbesondere im Rahmen von berufsabschlussbezogenen Weiterbildungen, mehr Raum bei der Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
- Zum Aufbau bzw. zur Stabilisierung der Beschäftigungsfähigkeit von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wird mit § 16k SGB II die ganzheitliche Betreuung, das sogenannte Coaching, eingeführt.
- Außerdem werden die Möglichkeiten der Förderung des Erwerbs von Grundkompetenzen im Rahmen der beruflichen Weiterbildung (auch berufsabschlussunabhängig) erweitert.
- Arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten bei Teilnahme an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung mit einer Ausbildungsdauer von mind. 2 Jahren und einem vorgesehenen Abschluss in einem Ausbildungsberuf ein Weiterbildungsgeld in Höhe von monatlich 150 €.
- Die Weiterbildungsprämie, die bei Bestehen der Zwischen- oder Abschlussprüfung im Rahmen dieser Weiterbildungen gewährt wird, wird entfristet.
- Für die Teilnahme an bestimmten Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte künftig einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 € monatlich.
- Die Förderung von besonders arbeitsmarktfernen Menschen im Rahmen sozialer Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung (§ 16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt) wird entfristet.
Neben den Änderungen im SGB II im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes sind weitere Änderungen beim Eingliederungsbudget geplant.
Gemäß der Kabinettsvorlage zum Bundeshaushalt 2023 im Bereich SGB II (Stand 07/2022) sind Kürzungen der Verwaltungskosten (VKT) um ca. 1% und eine Reduzierung des Eingliederungsbudgets (EGT) um etwa 12,6 % geplant. In der folgenden Tabelle sind die Auswirkungen auf den Kreis Coesfeld dargestellt:
Kreis Coesfeld |
Budget 2022 |
Planung 2023 |
Höhe der Kürzung |
EGT |
6.250.569,00 € |
5.462.997,31 € (Budget 2022 gekürzt um 12,6 %) |
-787.571,69 € |
VKT |
7.720.246,00 € |
7.643.043,54 (Budget 2022 gekürzt um 1 %) |
-77.202,46 € |
Nach aktuellen Hochrechnungen des Kreises Coesfeld wird die EGT-Auslastung in 2022 voraussichtlich bei mindestens 93 % liegen, da gerade auch mit den ukrainischen Geflüchteten die Zahl der Leistungsbeziehenden im SGB II deutlich gestiegen ist. Darüber hinaus werden regelmäßig auch Mittel des EGT durch Umschichtung zur Deckung von Mehraufwendungen im Verwaltungskostentitel herangezogen.
Die Kürzung der Bundesmittel kann somit auch dazu führen, dass nicht genügend Mittel umgeschichtet werden können, um die Verwaltungskosten komplett zu decken. Mit einer weiteren Kürzung der Eingliederungsmittel wäre davon auszugehen, dass in 2023 Leistungen zur beruflichen Eingliederung sparsamer zu bewilligen und ggf. auch Anträge aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen sind.
Die Kürzung von Eingliederungsmitteln kann zum Teil auch als Widerspruch zu den geplanten Änderungen mit der Einführung des Bürgergeldes gesehen werden; beispielsweise soll der § 16i SGB II (Teilhabestärkungsgesetz) verstetigt werden. Eben diese durchaus sinnvolle Maßnahme bindet jedoch über Jahre hinweg erhebliche Mittel aus dem Eingliederungsbudget. Auch die weiteren neuen Leistungen, wie die geplanten Anreize zur Teilnahme an Maßnahmen oder an Qualifizierungen, dürften das Budget zusätzlich belasten.“