Informationen zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren des Bundes

 

 

Dez. Schütt berichtet über folgende aktuelle Gesetzgebungsverfahren:

 

Bürgergeld-Gesetz

 

Die Bundesregierung hat am 14.09.2022 einen Gesetzentwurf für ein Bürgergeld-Gesetz beschlossen. Das Gesetz wird von der Überlegung getragen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 grundlegend geändert hat: Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte, werden vielerorts gesucht. Ziel der Einführung des Bürgergeldes ist es unter anderem, gesetzliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es Menschen im Leistungsbezug möglich wird, sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche zu konzentrieren. Zwischen den leistungsberechtigten Personen und den Jobcentern sollen Respekt, Vertrauen und Umgang auf Augenhöhe gesetzlich stärker in den Fokus gerückt und eine neue Vertrauenskultur ermöglicht werden.

 

Unter anderem der Bundesrechnungshof, der LKT NRW und der DLT haben sich kritisch zu diesem Gesetzesentwurf geäußert. Es wird ein Widerspruch zu der weiterhin geltenden Zielsetzung des SGB II gesehen, eine lediglich vorübergehende Unterstützung bei Hilfebedürftigkeit sicherzustellen. Darüber hinaus dürften die Handlungsmöglichkeiten der Jobcenter (zum Beispiel im Bereich des Sanktionsrechtes) nicht über Gebühr eingeschränkt werden, zumal der Arbeitsmarkt derzeit äußerst aufnahmefähig sei. Der Grundsatz des „Förderns und Forderns“ dürfe nicht zu stark aufgeweicht werden.

 

Am 28.10.2022 hat sich der Bundesrat mit dem zustimmungspflichtigen Gesetz befasst. Auch die Länder haben zum Teil deutliche Kritik an dem Regierungsentwurf geäußert. Die die Regierungskoalition tragenden Fraktionen im Deutschen Bundestag haben daraufhin einen Änderungsantrag zum Bürgergeld-Gesetzentwurf vorgelegt. Darin werden einzelne Aspekte der Stellungnahme des Bundesrates aufgegriffen sowie weitere Veränderungen vorgenommen. Im Großen und Ganzen ändert sich dadurch die kritische Sicht der Oppositionsparteien jedoch nicht. Der Deutsche Bundestag hat das Bürgergeld-Gesetz in der geänderten Form am 10.11.2022 beschlossen. Am 14.11.2022 hat der Bundesrat in einer Sondersitzung das Gesetz abgelehnt, sodass nunmehr ein Vermittlungsausschuss einberufen wird.

 

Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. mit welchen Regelungen das Bürgergeldgesetz nunmehr noch wie geplant zum 01.01.2023 in Kraft tritt oder ob möglicherweise lediglich einzelne Teile des Gesetzes, wie zum Beispiel die unstreitige Erhöhung der Regelbedarfe, zum Jahreswechsel in Kraft treten werden.

 

Wohngeld-Plus-Gesetz

 

Die Bundesregierung plant mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz zum 01.01.2023 eine Reform des Wohngeldes. Die Intention des Gesetzgebers ist es, angesichts der steigenden Energiekosten zügige Hilfen für einkommensschwache Haushalte auf den Weg zu bringen. Durch die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente sowie einer Klimakomponente bei gleichzeitiger Ausweitung der Anspruchsberechtigung sollen Haushalte mit einem verbesserten Wohngeld unterstützt werden. In der Folge können zahlreiche Haushalte Wohngeld beziehen, die bislang nicht berechtigt waren.

Zuständig für die Ausführung des Gesetzes sind die Wohngeldstellen bei den Städten und Gemeinden. Es wird bundesweit von einer Verdreifachung des Empfängerkreises ausgegangen, was die Wohngeldstellen mit der kurzfristigen Umsetzungsfrist zum 01.01.2023 vor besondere Herausforderungen stellt. Der DLT geht in seiner Stellungnahme im Rahmen der Öffentlichen Anhörung davon aus, dass die Umsetzung des Gesetzes in der Kürze der Zeit kaum leistbar sei, zumal das benötigte neue und ausreichend qualifizierte Personal zum Anfang des Jahres kaum zur Verfügung stehen könne. Weitere Probleme werden in fehlenden Raumkapazitäten und der IT-Infrastruktur gesehen. Zudem wird gefordert, den Wohngeldämtern ein unverzügliches Aufstocken des Personals zu ermöglichen, um den Antragsstau zu überwinden und die zeitnahe Auszahlung zu ermöglichen.

 

Unter anderem zu diesem Thema fand am 04.11.2022 ein Austausch im Rahmen einer Videokonferenz mit den Jobcenterleitungen der Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld statt; das Thema wurde auch in der Bürgermeisterkonferenz am 07.11.2022 erörtert. Seitens der Städte und Gemeinden wird überwiegend die Notwendigkeit gesehen, Personal in den Wohngeldstellen aufzustocken. Bei einigen Kommunen werden auch schon erste Überlegungen konkret, wohingegen man in anderen Kommunen zunächst noch verhaltener ist und hofft, die Situation mit geringfügigeren Aufstockungen im Wohngeldbereich – ggf. durch Personalumsetzungen zu Lasten anderer Aufgabenerledigungen – bewältigen zu können.

 

Das Wohngeld-Plus-Gesetz beinhaltet mit dem neuen § 85 SGB II eine Übergangsregelung, wonach SGB II-Haushalte, die ab dem nächsten Jahr wohngeldberechtigt werden, im ersten Halbjahr 2023 nicht auf die vorrangige Beantragung von Wohngeld verwiesen werden sollen. Erst ab dem 01.07.2023 gilt dann wieder die Vorrangprüfung im SGB II. Es besteht jedoch ein finanzielles Interesse der Städte und Gemeinden, die Fälle möglichst zügig in den Wohngeldbezug zu bekommen und nach Möglichkeit aus dem SGB II-Leistungsbezug herauszuhalten oder einen solchen Leistungsbezug zügig zu beenden, da bei den SGB II-Leistungen ein kommunaler Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung von den Städten und Gemeinden zu tragen ist, wohingegen das Wohngeld je zur Hälfte vom Land und dem Bund übernommen wird.

 

Das Gesetzgebungsverfahren läuft zurzeit. Der Bundesrat hat am 28.10.2022 eine Stellungnahme verfasst. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf am 10.11.2022 beschlossen. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 25.11.2022 abschließend mit der Wohngeldnovelle befassen. Das Gesetz bedarf seiner Zustimmung.

 

Chancen-Aufenthaltsrecht

 

Mit der Einführung eines sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrechts“ will die Bundesregierung langjährig geduldeten Ausländern ermöglichen, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Identitätsnachweis. Danach sollen zugleich die geltenden Bleiberechtregelungen weiterentwickelt sowie die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern konsequenter durchgesetzt werden. Weitere Neuregelungen betreffen unter anderem Erleichterungen bei der Fachkräfteeinwanderung und den Zugang von Asylbewerbern zu Integrationskursen.

 

Das einjährige Chancen-Aufenthaltsrecht sollen Menschen erhalten, die am 01.01.2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Profitieren sollen davon nur Ausländer, die sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Straftäter sollen vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, ebenso Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen und eigenen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern. Sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der einjährigen Aufenthaltsdauer nicht erfüllt sind, sollen die Betroffenen in den Status der Duldung zurückfallen.

 

Die betroffenen Menschen können mit Erteilung des Aufenthaltsrechts dann auch Leistungen nach dem SGB beantragen und fallen aus dem AsylbLG heraus. Insbesondere für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird mit Mehraufwendungen infolge des Gesetzes gerechnet. Auch ein leichter Anstieg der Empfängerzahlen im Wohngeld wird nicht ausgeschlossen. Nach überschlägiger Auswertung durch die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld wird mit einem Personenkreis von rd. 450 Menschen gerechnet, der unter die Voraussetzungen fallen könnten.

 

Das Gesetz sieht ferner vor, bestehende Bleiberechtsregelungen so anzupassen, dass mehr Menschen davon profitieren können. Danach sollen gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Besondere Integrationsleistungen von Geduldeten sollen gewürdigt werden, indem ihnen künftig nach sechs Jahren – oder schon nach vier Jahren bei Zusammenleben mit minderjährigen Kindern – ein Bleiberecht eröffnet wird. Die Voraufenthaltszeiten würden damit um jeweils zwei Jahre reduziert.

 

Zudem sollen bestimmte Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfristet werden, um den Standort Deutschland für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten attraktiver zu machen. Der Familiennachzug zu solchen Fachkräften soll laut Gesetzentwurf dadurch erleichtert werden, dass nachziehende Angehörige keinen Sprachnachweis erbringen müssen. Der Zugang zu Integrationskursen und Berufssprachkursen soll künftig allen Asylbewerbern im Rahmen verfügbarer Plätze offenstehen.

 

Konsequenter als bisher soll die Rückführung vor allem von Straftätern und Gefährdern durchgesetzt werden. Vorgesehen ist, für diese Personen die Ausweisung und die Anordnung von Abschiebungshaft zu erleichtern.

 

Der Bundestag hat am 19.10.2022 erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts beraten. Zum 01.01.2023 soll das Gesetz in Kraft treten.