Vorsitzende Schäpers begrüßt Frau Dingerkus und bittet sie, die Entwicklungen in der ambulanten Hospiz- und Palliativarbeit darzustellen.

Frau Dingerkus führt aus, dass ALPHA die Ansprechstelle im Land Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung sei und im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) NRW für alle Projektträger zur Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen und Freunde arbeite. ALPHA umfasse zwei Einrichtungen in den Landesteilen Westfalen und Rheinland. Frau Dingerkus weist darauf hin, dass das Land NRW als erstes Bundesland in Deutschland eine solche Ansprechstelle eingerichtet und sich damit auf einen innovativen Weg gemacht habe.

Auf die Frage der Ktabg. Pieper nach der Finanzierung von ALPHA teilt Frau Dingerkus mit, dass das Land NRW für den Landesteil Westfalen die Kosten einer Ganztagsstelle und einer 30-Stunden-Kraft für den Verwaltungsbereich übernehme.

ALPHA sei Ansprechpartner für ca. 260 ambulante Hospizdienste, ca. 45 stationäre Hospize, ca. 30 Palliativstationen und weitere Personen oder Institutionen wie z. B. Altenhilfeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Die Versorgungsstrukturen in Deutschland umfassten ambulante Hospizdienste, ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienste, ambulante Palliative Pflegedienste, stationäre Hospize, Palliativstationen und Palliativzentren. Bezüglich der Entwicklung der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste sowie der stationären Hospize und Palliativstationen verweist Frau Dingerkus auf die als Anlage 1 und 2 beigefügten Schaubilder. Von den acht Hospizdiensten im Kreis Coesfeld würden drei mit ehrenamtlichen und fünf auch mit hauptamtlichen Kräften arbeiten.

Ktabg. Havermeier stellt die Frage, ob Kinderhospize ausschließlich Sterbebegleitung leisteten oder darüber hinaus auch Entlastung der Familien bei der Betreuung chronisch erkrankter Kinder böten. Frau Dingerkus erklärt, dass die Aufgaben von Kinderhospizen im Prinzip denen von Kurzzeitpflegeeinrichtungen entsprächen und darüber hinaus die gesamte Familie des chronisch erkrankten Kindes begleitet würde.

Frau Dingerkus trägt vor, dass sich die Leistungen von ALPHA auf die Bereiche Beratung, Fortbildung, Supervision, Unterstützung bei Vernetzung sowie Durchführung und Begleitung von Projekten erstrecke. ALPHA berate z.B. bei Planungen von stationären Hospizen, beim Aufbau neuer Hospizdienste, bei Fragen zur neuen Gesetzgebung und bei problematischen Situationen innerhalb einer Organisation. Im Bereich der Fortbildung würden z. B. Multiplikatorenseminare und Seminare zur Führungskompetenz angeboten. Hier gebe es unterschiedliche Schwerpunkte für die Einrichtungen in Münster und Bonn. Die Leistung Supervision umfasse Einzelsupervisionen, Gruppensupervisionen und Organisationsberatungen. Die Unterstützung bei Vernetzung erstrecke sich sowohl auf die überregionale als auch auf die innerörtliche Vernetzung. Als thematische Vernetzung sei z. B. die Altenhilfe in Ostwestfalen-Lippe zu nennen. Zu den eigenen (extrafinanzierten) Projekten gehöre die Zeitschrift „Hospiz-Dialog NRW“, die sich in jeder Ausgabe auch mit einem Schwerpunktthema z. B. mit einem bestimmten Krankheitsbild befasse. Das Projekt Fundraising umfasse das gesamte Spendenmarketing. Weitere eigene Projekte seien diverse Curricula, Implementierung der Hospizidee im Altenheim, Sterben und Tod in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Kinderhospizarbeit, Praktikum in Alten- und Pflegeheimen, Hebammen und Totgeburten und seit neuestem auch Hospizarbeit und Migration. Frau Dingerkus führt weiter aus, dass ALPHA mit der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hospiz NRW, dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV), den Wohlfahrtsverbänden NRW, der Krebsgesellschaft NRW und dem Deutschen Kinderhospizverein kooperiere.

Frau Dingerkus weist darauf hin, dass ALPHA außerdem bei Bedarf Stellungnahmen abgebe und Unterstützung bei örtlichen Projekten böte sowie u.a. Kommunen bezüglich der neuen Entwicklungen in der Hospiz- und Palliativversorgung informiere und unterstütze.

Frau Dingerkus trägt vor, dass es seit 1999 eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung stationärer Hospizarbeit gebe. Im Jahr 2002 sei die gesetzliche Regelung zur Finanzierung ambulanter Hospizarbeit in Kraft getreten. Das Land NRW habe im Jahr 2007 eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung palliativ-pflegerischer Dienste geschaffen. Die gesetzliche Regelung zur Finanzierung ambulanter Hospizarbeit sei Inhalt des § 39a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung. Danach habe die Krankenkasse ambulante Hospizdienste zu fördern, die für Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung und keiner stationären oder teilstationären Versorgung in einem Hospiz bedürfen, qualifizierte ehrenamtliche Sterbebegleitung in deren Haushalt, der Familie oder stationären Pflegeeinrichtungen erbringen. Voraussetzung für diese Förderung sei, dass der ambulante Hospizdienst mit palliativmedizinisch erfahrenen Pflegediensten und Ärzten zusammenarbeite und unter fachlicher Verantwortung einer Pflegekraft oder einer anderen qualifizierten Person mit mehrjährigen Erfahrungen sowie einer Fortbildung im palliativ-pflegerischen Zusammenhang stehe. Er müsse ferner über mindestens 15 ehrenamtliche Mitarbeiter verfügen. Der ambulante Hospizdienst erbringe palliativ-pflegerische Beratung und stelle die Gewinnung, Schulung, Koordination und Unterstützung der ehrenamtlichen Mitarbeiter sicher. Die Finanzierung errechne sich aus der Anzahl der Begleitungen und der Anzahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter.

Frau Dingerkus weist darauf hin, dass es im Kreis Coesfeld noch keinen palliativ-pflegerischen Dienst gebe. Die gesetzliche Regelung des Landes NRW zur Finanzierung palliativ-pflegerischer Dienste sehe vor, dass der Pflegedienst mindestens vier Vollzeitstellen mit geschulten Pflegekräften vorhalten müsse. Es sei eine Zwischenlösung erlaubt. Der Pflegedienst müsse mit einem Hospizdienst kooperieren, der nach § 39a SGB V finanziert werde und insofern die entsprechenden Kriterien erfülle.

Ktabg. Willms bittet um Auskunft, ob bekannt sei, aus welchen Gründen Wohlfahrtsverbände bevorzugt würden. Frau Dingerkus antwortet, dass ein gewisser Qualitätsstandard sichergestellt werden solle.

Ktabg. Prof. Dr. Voß vertritt die Auffassung, dass es reine Illusion sei, davon auszugehen, dass im ambulanten Bereich palliativ-pflegerische Dienste in Anspruch genommen würden. Hier sei es doch eher so, dass die Pflege durch Angehörige sichergestellt würde.

Vorsitzende Schäpers gibt zu Bedenken, dass es für Pflegedienste schwierig sei, vier Mitarbeiter entsprechend ausbilden zu lassen.

Ktabg. Willms führt aus, dass die dargestellten Möglichkeiten additiv gesehen werden müssten. Der Palliativmediziner müsse gemeinsam mit dem Hausarzt tätig werden. Wünschenswert wäre eine Koordinierungsstelle im Kreis Coesfeld. Frau Dingerkus weist darauf hin, dass die Dienste mit Palliativmedizinern kooperieren müssen. Im Kreis Coesfeld gebe es nach ihrem Kenntnisstand nur eine Medizinerin mit dem Fachgebiet Palliativmedizin. Ktabg. Prof. Dr. Voß ist der Auffassung, dass es im Kreis Coesfeld mehr als einen Mediziner dieser Fachrichtung geben müsste, insbesondere im Rahmen einer Zusatzausbildung. Er stellt in Frage, ob Hausärzte wirklich bereit seien, Kontakt mit Palliativmedizinern aufzunehmen.

Vorsitzende Schäpers gibt zu Bedenken, dass derartige Angebote neu seien und erst bekannt gemacht werden müssten. Es müsse daher zunächst einmal als Chance gesehen werden.

Frau Dingerkus erklärt weiter, dass im Ruhrgebiet bereits ein Palliativ-Netzwerk im Aufbau sei. Sie weist auf die Regelungen des SGB V (§§ 140 ff.) zur „Integrierten Versorgung“ hin. Der Begriff „Integrierte Versorgung“ stehe für eine Vernetzung zwischen den einzelnen medizinischen Versorgungssektoren. Niedergelassene Haus- oder Fachärzte böten gemeinsam mit stationären Einrichtungen eine medizinische Versorgung „aus einer Hand“ an. Sie kooperierten bei der Behandlung ihrer Patienten und teilten sich ein gemeinsames Budget. Auch kooperierten sie mit ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtungen, der häuslichen Krankenpflege und weiteren ambulanten Einrichtungen. Es sei davon auszugehen, dass die Kostenträger in NRW (Krankenkassen, Pflegekassen) die spezialisierte ambulante Palliativversorgung mit dem System der bestehenden Hospiz- und Palliativversorgung „unter einen Hut bringen“ werden. Die gewachsenen Versorgungsstrukturen seien zu berücksichtigen. Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Palliativmedizinern müsse noch wachsen.

Ktabg. Willms weist darauf hin, dass die Rahmenrichtlinien erst zum 15. März 2008 erlassen worden seien. Sie sollen zu einem vernünftigen Ausgleich führen. Ggf. müsse nachjustiert werden.

Vorsitzende Schäpers ist der Auffassung, dass die hier geleistete ehrenamtliche Tätigkeit Pionierarbeit darstelle. Ein Kinderhospiz fehle. Pflegedienste müssten Unterstützung erhalten.

Ktabg. Havermeier sieht ein großes Problem in der adäquaten Bezahlung der Palliativmediziner und der Palliativpflegedienste. Frau Dingerkus geht davon aus, dass sich die Finanzierung regeln werde, wenn „alle in einem Boot“ seien. Durch Vernetzung sei es möglich, dass der Palliativpflegedienst zusammen mit dem Hospizdienst in die Familien gehe. Ktabg. Havermeier bringt zum Ausdruck, dass es wichtig sei, den Kreis der Personen, der in die Familie komme, gerade unter diesen besonderen Umständen begrenzt zu halten. Nicht alles sei über ein Netzwerk regelbar.

Vorsitzende Schäpers dankt Frau Dingerkus für die informativen Ausführungen.