Nachtrag: 27.01.2011 Nummer 1

Beschluss: Kenntnis genommen

 

 


Vorsitzende Schäpers teilt einleitend mit, dass Frau Brandenburger als Vertreterin des Vereins „Frauen e.V.“ krankheitsbedingt abgesagt habe und begrüßt die Leiterin Frau Kreyerhoff und den Mitarbeiter Herrn Helmer des Vereins Zartbitter Münster e.V. sowie Herrn Tammen von der Selbsthilfe-Kontaktstelle Münster.

Frau Kreyerhoff bedankt sich für die Möglichkeit, den Verein Zartbitter Münster e.V. sowie den Antrag auf Finanzierung einer Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Coesfeld vorstellen zu dürfen. Sie erklärt, dass sexualisierte Gewalt nach dortigen Erfahrungen meistens im Verborgenen stattfinde und bei den betroffenen Personen keine sichtbaren Spuren hinterlasse. Die Lebensqualität der Klienten/innen leide trotzdem erheblich, da sie sich nach sexuellen Gewalterfahrungen häufig selbst nicht mehr spüren und Gefühle nur noch über Schmerz, d.h. über autoaggressives Verhalten, wahrgenommen werden könnten.

Unter dem Namen „Zartbitter“, welcher aus der Aussage einer Klientin „Zart war ich, bitter war’s“ entstanden sei, hätten zunächst drei Beratungsstellen in Münster, Köln und Coesfeld mit unterschiedlichen Konzeptionen existiert. Einen Dachverband gleichen Namens gebe es nicht. Ferner sei es versäumt worden, den Namen urheberrechtlich schützen zu lassen. Zartbitter Münster e.V. habe seit der Gründung als Fachstelle für beide Geschlechter mit dem Zielgruppenschwerpunkt „Personen ab 14 Jahren“ gearbeitet, während Zartbitter Köln mit dem Schwerpunkt Öffentlichkeit und Beratung für Mädchen und Jungen arbeite. Zartbitter Coesfeld sei eine feministisch orientierte Beratungsstelle mit einem Angebotsschwerpunkt für Mädchen und Frauen gewesen, welche aber zwischenzeitlich nicht mehr bestehe.

Herr Helmer führt weiter aus, dass Zartbitter Münster e.V. ausschließlich auf der Seite der Betroffenen agiere und keine beraterische und/oder therapeutische Arbeit für Täter/innen anbiete. Im Bedarfsfall werde an andere Fachstellen verwiesen. Die weiteren Grundsätze von Zartbitter Münster e.V. seien, sofern gewünscht, die gesicherte Anonymität der Klienten/innen sowie die Schweigepflicht der Berater/innen und Therapeutinnen und Therapeuten. Die fachlichen Standards des Vereins würden auf ausschließlich professionellen Personal mit therapeutischer Zusatzqualifikation, auf Leistungsverträgen mit jährlicher Überprüfung von Qualität und Leistung (z.B. mit der Stadt Münster), auf regelmäßiger externer Supervision für die Mitarbeiter/innen sowie auf Präventionsarbeit nach den aktuellen Standards der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und –vernachlässigung e.V. (DGfPI) und des Runden Tisches der Bundesregierung beruhen. Um der Dynamik von Missbrauch etwas entgegensetzen zu können, lege der Verein Wert auf Transparenz, d.h. auch für die Einrichtung einer Beratungsstelle in Coesfeld, dass ein möglichst breiter, öffentlicher Zugang zu den dortigen Informationen geschaffen werden müsse. Des Weiteren seien klare Definitionen von Kompetenzbereichen und Grenzen sowie schriftliche Beratungsvereinbarungen erforderlich, um das Selbstbestimmungsrecht der Klientinnen und Klienten garantieren zu können. Darüber hinaus müssten Vorverträge im Präventionsbereich sowie eine gute Vernetzung erfolgen und gefördert werden. Ein möglichst leichter Zugang zu den Hilfsangeboten des Vereins werde dadurch erreicht, dass Onlineberatung möglich sei, regelmäßige Sprechzeiten an vier Tagen in der Woche angeboten würden und keine oder lediglich geringe Wartezeiten für Erstgespräche entstünden. Je schneller der Zugang zur Beratung möglich sei, desto effektiver sei die Hilfe.

Frau Kreyerhoff teilt ferner mit, dass psychosoziale Beratung für Betroffene, aber auch Beratung für Vertrauenspersonen, Partner/innen und Angehörige, psychosoziale Begleitung bei Gerichtsprozessen für Jugendliche ab 14 Jahren, fokussierte Einzeltherapie in geringem Umfang sowie Chat- und E-Mail-Beratung angeboten würden. Außerdem würden noch Selbsthilfegruppen, Selbsterfahrungsgruppen, fokussierte Gruppentherapie sowie Spezialgruppen zu den Themen Trauma-Arbeit für die Sinne (ressourcenorientierte Körperarbeit für Frauen), Angst und Vertrauen sowie Skills-Gruppen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gebe es Präventionsveranstaltungen für Schüler/innen, Studierende, Lehrer/innen und für alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen pädagogisch oder therapeutisch arbeiten, Präventionsprojekte für Jugendliche in Zusammenarbeit mit der Jugend(berufs)hilfe, Multiplikatorenschulungen, Supervisionen (Team oder einzeln) und Fachberatungen, Vorträge, regelmäßige Kontaktmöglichkeiten an öffentlichen Orten wie z.B. Stadtbücherei, Kirchenfoyer sowie Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit.

Pro Jahr würden durchschnittlich 1.350 Anrufe bei Zartbitter verzeichnet. 250 Personen kämen zum Erstgespräch, zur Beratung oder Therapie. Ratsuchende würden in 1.500 Beratungs-, Therapie- und Gruppenstunden begleitet. Außerdem würden 10.000 Menschen auf die Homepage des Vereins klicken. 120 Personen würden des Weiteren mit durchschnittlich ein bis fünf Kontakten die E-Mail und Chat-Beratung nutzen. Weiterhin sei zu vermerken, dass die Zahl der Kriseninterventionen um 40 %, die Zahl der Fachberatungen und Beratungen von Institutionen um 45 % gestiegen sei. Das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Ratsuchenden habe bei 3:2 gelegen. Aus dem Kreis Coesfeld seien 57 Anfragen an Zartbitter erfolgt. Der Anteil der anfragenden Institutionen sei auch hier um etwa 40 % gestiegen.

Insofern müsse die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt für den Kreis Coesfeld den vollen Leistungsumfang für Kinder, Jugendliche und Erwachsene beiderlei Geschlechts, Angehörige und Bezugspersonen umfassen. Zur Verfügung gestellt werden könne hohe Fachlichkeit und Professionalität bei den Beratungen. Durch den Standort im Kreisgebiet könnten schnelle Hilfen angeboten werden. Ferner sei die Kooperation mit anderen Unterstützungsangeboten durch Vernetzung im Kreis unabdingbar wichtig und werde von Zartbitter e.V. ständig weiter ausgebaut.

Frau Kreyerhoff und Herr Helmer bedanken sich für die Aufmerksamkeit.

Ktabg. Schulze-Zumkley bittet um Mitteilung, was unter „Skills-Gruppen“ zu verstehen sei.

Frau Kreyerhoff erklärt, dass „Skills“ Fähigkeiten bedeute. Es ginge in diesen Gruppen darum, Menschen mit einfachen Mitteln zu stabilisieren, d.h. beispielsweise, sie mit scharfen Hustenbonbons oder Ammoniakplättchen von autoaggressiven Ersatzhandlungen abzulenken.

Vorsitzende Schäpers bedankt sich für die interessanten Einblicke in die Arbeit des Vereins.

 

Herr Tammen teilt mit, dass das Selbsthilfe-Büro für den Kreis Coesfeld in Trägerschaft des Paritätischen seit Ende 2007 bestehe und über Zuschüsse der Krankenkassen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes finanziert werde. Im Kreis Coesfeld gebe es rund 100 Selbsthilfegruppen. Das Büro für den Kreis Coesfeld sei eine Beratungseinrichtung rund um das Thema Selbsthilfe und bilde organisatorisch sowie fachlich eine Einheit mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle in Münster. Trotz des freiwilligen Charakters der Selbsthilfe würde sie kontinuierliche Unterstützung von außen benötigen. Selbsthilfefördernde Rahmenbedingungen würden im Wesentlichen dazu beitragen, dass Selbsthilfe-Potentiale in der Bevölkerung aktiviert, Menschen der Zugang zu Selbsthilfegruppen erleichtert und die „Arbeitsbedingungen“ bestehender Selbsthilfegruppen verbessert würden. Selbsthilfe-Büros und -Kontaktstellen hätten sich in den letzten Jahren als die infrastrukturelle Maßnahme zur Selbsthilfeaktivierung erwiesen, da sie die Selbsthilfe vor Ort bedarfsgerecht und wirkungsvoll unterstützen würden.

Herr Tammen erklärt des Weiteren, dass Nordrhein-Westfalen zwar über ein vergleichsweise dichtes Netz an Selbsthilfe-Kontaktstellen verfügt hätte, es aber dennoch „weiße Flecken“-Bereiche, in denen keine derartigen Unterstützungsstellen vorhanden gewesen seien, gegeben habe. Gemäß einer Vereinbarung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Paritätischen wurden die Kreise und kreisfreien Städte, in denen es bisher keine Selbsthilfe-Kontaktstellen gegeben habe, durch die Einrichtung von sogenannten Selbsthilfe-Büros sukzessive erschlossen.

Diese Selbsthilfe-Büros könne man in zwei unterschiedliche Typen aufteilen: Während das Selbsthilfe-Büro des Typs I ohne zusätzliches Fachpersonal geführt werden müsse, bedinge die Einrichtung eines Büros des Typs II mindestens eine halbe zusätzliche Fachkraftstelle.

Im Kreis Coesfeld sei zurzeit ein Selbsthilfe-Büro des Typs I vorhanden. Es sei der Selbsthilfe-Kontaktstelle Münster zugeordnet, anders könnte das Angebot nicht aufrechterhalten werden. Es leiste lediglich Basisaufgaben der Selbsthilfeunterstützung wie z.B. Information über Selbsthilfegruppen, Vermittlung in Selbsthilfegruppen und die Pflege einer Gruppenkartei. Herr Tammen informiert den Ausschuss, dass er derzeit für den Kreis Coesfeld lediglich dienstags von 10.00 bis 13.00 Uhr Sprechzeit anbieten könne und ihm dann noch zwei Stunden für die Nacharbeitung blieben.

Ein Selbsthilfe-Büro des Typs II dagegen sei mit einer halben Fachkraftstelle ausgestattet und könne erweitere Sprechzeiten, mindestens an einem Nachmittag,vorhalten. Auch könnten über die Grundaufgaben hinaus erweiterte Unterstützungsleistungen, z.B. für bestehende Gruppen (Gesamttreffen, Fortbildungen, Austausch zu besonderen Themen) und für Gruppengründungen sowie Kooperationen mit Fachkräften aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich angeboten werden.

Das Selbsthilfe-Büro Typ I werde dem Selbsthilfepotential im Kreis Coesfeld auf Dauer nicht gerecht. Es sei wichtig, dass sich Menschen für sich selbst, aber auch für andere engagieren, das bilde für die Zukunft großes Potential.

Herr Tammen führt abschließend aus, dass die Selbsthilfe-Kontaktstelle dieses Engagement begleite und unterstütze und Menschen ermutige, ihr Leben in die Hand zu nehmen, sich zu engagieren, sich einzusetzen und einzumischen. Ein Selbsthilfe-Büro Typ II könnte auch die Bildung von Selbsthilfegruppen zu den Topthemen der Zeit „Depressionen“ und „Essstörungen“ unterstützen.

Vorsitzende Schäpers bedankt sich bei Herrn Tammen für die Vorstellung des Angebots und stellt fest, dass aus dem Gremium keine Rückfragen bestehen.