Beschluss: Kenntnis genommen

Vorsitzende Schäpers begrüßt Herrn Dr. Hoppe vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Herr Dr. Hoppe bedankt sich für die Möglichkeit, die Kostenentwicklung in der Eingliederungshilfe darstellen zu können.

Zunächst gibt er einen Überblick über die Fachaufgaben des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe anhand des jährlichen Ausgabevolumens am Beispiel des Jahres 2011. Auf den Kulturbereich entfallen hierbei 82 Mio. €, auf den Schulbereich 85 Mio. €, auf den Bereich des Landesjugendamtes 120 Mio. € und auf den Bereich des Sozialdezernats 2.030 Mio. €. Ergänzend weist Herr Dr. Hoppe darauf hin, dass aufgrund der Fallzahlensteigerung im Bereich Soziales der jährliche finanzielle Anstieg bei 30 – 50 Mio. € liege. Nach den Planungen für das Jahr 2011 würden dem Landschaftsverband 133 Mio. € fehlen. Für die Konsolidierung der Haushalte in den Jahren 2011 bis 2014 könne auf drei Quellen zurückgegriffen werden. Eine Möglichkeit bestehe in dem Ausschöpfen der Ausgleichsrücklage. Dies sei gleichzusetzen mit der Inanspruchnahme von Liquiditätskrediten und bedeute eine Neuverschuldung. Unter Berücksichtigung haushaltsrechtlicher Vorgaben sei dies voraussichtlich nur bis längstens 2013 möglich. Die beiden anderen Möglichkeiten seien steigende Hebesätze zur Landschaftsumlage und Einsparungen. Der Hebesatz der Landschaftsumlage 2011 belaufe sich auf 15,7 %. Bis 2014 sei hier mit einer Steigerung auf 16,9 % zu rechnen.

Herr Dr. Hoppe führt aus, dass die Behindertenhilfe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe im Kreis Coesfeld 649 Menschen im stationären Wohnen, 379 Menschen mit ambulanter Betreuung und 975 Menschen in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu Gute komme. Er weist darauf hin, dass es hierbei zu Überschneidungen komme. So könne eine Person im stationären Bereich wohnen und gleichzeitig in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sein. Einen Wirtschaftsfaktor würden die Leistungen des Landschaftsverbandes insoweit darstellen, als dass rd. 875 Arbeitsplätze durch die Behindertenhilfe finanziert würden.

Anhand der als Anlage 1 beigefügten Übersicht stellt Herr Dr. Hoppe die Hilfen des Landschaftsverbandes im Kreis Coesfeld im Einzelnen dar. Ergänzend führt er aus, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe auch heute noch Leistungen an Kriegsopfer aber auch Leistungen an Opfer von Gewalttaten erbringe. Der Bereich des Integrationsamtes umfasse begleitende Hilfen im Arbeitsleben. Über die Umlage habe der Kreis Coesfeld im Jahr 2009 37,6 Mio. € an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe gezahlt. Die Ausgaben des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe beliefen sich im Jahr 2009 für den engeren Bereich der Eingliederungshilfe bezogen auf den Kreis Coesfeld dagegen auf 47,5 Mio. €.

Anhand der als Anlagen 2 und 3 beigefügten Schaubilder erläutert Herr Dr. Hoppe zum einen die Entwicklung der Kosten der Eingliederungshilfe in den Jahren 2001 bis 2012 und zum anderen die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich Westfalen-Lippe in den Jahren 1997 bis 2013. Er weist darauf hin, dass die Zuständigkeit für das ambulant betreute Wohnen in 2004 auf den Landschaftsverband übergegangen sei. Der Ausbau des ambulant betreuten Wohnens habe zu einem statischen Verlauf des stationären Wohnens geführt.

Anhand zweier Schaubilder (Anlage 4 und 5) stellt Herr Dr. Hoppe die Altersstruktur und die Anzahl der erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung im Jahr 2010 und prognostisch für das Jahr 2030 dar. Aufgrund steigender Lebenserwartung sei ein deutlicher Anstieg der Zahl an älteren Menschen mit geistiger Behinderung zu erwarten.

Zum Schaubild über die Schulen mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen 2009 (Anlage 6) weist Herr Dr. Hoppe darauf hin, dass sich die Prognose aus dem Jahr 1996 nicht verwirklicht habe. Hier seien deutlich nach oben abweichende tatsächliche Schülerzahlen zu verzeichnen. Ein Grund für diese Entwicklung sei der medizinische Fortschritt. So hätten im Jahr 1980 Kinder unter 1.200 Gramm Geburtsgewicht noch als Fehlgeburt gegolten. In 2004 habe ein Kind mit einem Geburtsgewicht von 244 Gramm überlebt. 80 % der Kinder, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren worden seien, seien behindert, 20 % seien schwerstbehindert gewesen.

Auch bei den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung Nordrhein-Westfalen habe es bei den tatsächlichen Schülerzahlen gegenüber der Prognose eine deutliche Abweichung nach oben gegeben.

Herr Dr. Hoppe führt weiter aus, dass die Rettung aus der prognostizierten finanziellen Entwicklung zum einen in dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ oder „Inklusion vor Ausgrenzung“ liegen könne. Ziel müsse ein Leben mit Behinderung in der Gesellschaft sein. Ausgrenzung müsse verhindert werden. Anhand eines Schaubildes (Anlage 7) verdeutlicht Herr Dr. Hoppe die Entwicklung der stationären Fälle in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur bundesweiten Entwicklung. Eine ambulante Betreuung koste rund die Hälfte einer stationären Betreuung. Er weist darauf hin, dass Werkstätten für behinderte Menschen nach wie vor ein wichtiger Baustein der Eingliederungshilfe seien, aber auch hier sei es möglich, neue Wege zu gehen. So gebe es zwischenzeitlich 83 Integrationsprojekte. Dies bedeute, dass Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, die mindestens 25 % behinderte Menschen beschäftigen, Förderleistungen erhalten. Ein Vergleich für das Jahr 2009 zeige, dass in einer Werkstatt für behinderte Menschen Kosten von durchschnittlich 14.000 € pro Person entstünden, während in einem Integrationsprojekt lediglich mit Kosten von durchschnittlich 6.000 € pro Person zu rechnen sei.

Ein weiterer Weg sei eisernes Sparen. Dies komme insbesondere im Rahmen von Entgeltverhandlungen mit Leistungsanbietern zum Tragen. Hierbei sei der Landschaftsverband Westfalen-Lippe auf die Hilfe der Partner in der freien Wohlfahrtspflege angewiesen. Entsprechende Verhandlungen würden sich jedoch zunehmend schwieriger gestalten.

Ferner sei der Bund zum Handeln aufgerufen. So könnte er z. B. die in § 43a SGB XI geregelte Deckelung aufheben und auch in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe die vollen Leistungen der Pflegeversicherung vorsehen. Für eine Begrenzung der Leistungen der Pflegeversicherung in diesem Bereich bestehe kein sachlicher Grund.

Herr Dr. Hoppe führt aus, dass 1991 bei der Einführung der Pflegeversicherung 540.000 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auf Hilfe zur Pflege angewiesen gewesen seien. Die Kosten hierfür hätten sich auf 6,5 Mrd. € belaufen. Im Jahr 2007 seien 530.000 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auf Eingliederungshilfe angewiesen gewesen. Die Kosten hätten 12 Mrd. € betragen. Auch hierin sei daher ein gesamtgesellschaftliches Problem zu sehen. Behinderung sei heute ein allgemeines Lebensrisiko. Dies könne nicht allein durch Sozialleistungen der Kommunen gedeckt werden. Der Bund müsse tätig werden. Diskutiert werde über ein Bundesteilhabegeld. Leistungsberechtigten werde hierbei ein fester Betrag, ein persönliches Budget, gewährt, Es bestehe die Hoffnung, dass viele Betroffene dieses Bundesteilhabegeld wählen würden und folglich im Gegenzug auf weitere Sozialleistungen verzichten. Mit dem Bundesteilhabegeld könnten Menschen mit Behinderungen selbständig notwendige Leistungen einkaufen.

Vorsitzende Schäpers dankt Herrn Dr. Hoppe für die umfangreichen und informativen Ausführungen.

Ktabg. Pieper führt aus, dass ihr die Problematik eines Bundesteilhabegeldes bekannt sei. Es gäbe entsprechende Resolutionen der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland. Es sei festzustellen, dass die Kreise durch die Landschaftsverbandsumlage belastet seien und in der weiteren Auswirkung auch die Kommunen, da sie wiederum von den Kreisen finanziell herangezogen würden. Ktabg. Pieper äußert ferner ihre Bedenken, dass Sparmaßnahmen zu Lasten der Menschen mit Behinderungen gehen könnten. Um dies zu vermeiden, sei es nach ihrer Auffassung notwendig, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Kreise und die Kommunen gemeinsame Wege finden, um die finanziellen Probleme zu meistern und gleichzeitig negative Auswirkungen für die behinderten Menschen zu vermeiden.

Herr Dr. Hoppe weist darauf hin, dass es nur fachliche Wege geben könne, um Einsparungen zu erreichen. Die Überlegung, Standards zu verändern, reiche nicht aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Leistungen der Eingliederungshilfe um Rechtsansprüche handle, so dass Einsparungen ohne weitreichende gesetzliche Änderungen nur in begrenztem Rahmen möglich sei.

Auf die Frage des Ktabg. Kohaus nach den Gründen für die steigenden Schülerzahlen an den Förderschulen mit Schwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung antwortet Herr Dr. Hoppe, dass diese nicht bekannt seien. Eine griffige Erklärung gäbe es nicht.

Vorsitzende Schäpers dankt Herrn Dr. Hoppe für den Vortrag.