Beschlussvorschlag:
1.
Der Kreis Coesfeld nimmt die inhaltlichen Ausführungen zum
Westfalentarif zur Kenntnis.
2.
Unter Abwägung der sich aus dem Westfalentarif für den Kreis Coesfeld
ergebenden Vor- und Nachteile ist die Einführung des Westfalentarifs
abzulehnen.
3.
Die Vertreter des Kreises Coesfeld in der Zweckverbandsversammlung SPNV
Münsterland sowie im Tarifausschuss der Tarifgemeinschaft
Münsterland/Ruhr-Lippe werden angewiesen, bei den notwendigen Beschlüssen zum
Westfalentarif und zur Gründung der WestfalenTarif GmbH mit NEIN zu stimmen.
4.
Sollten die identifizierten Nachteile des Westfalentarifs in seiner
aktuell zur Entscheidung vorliegenden Konzeption jedoch noch ausgeräumt werden,
ist der Sachverhalt dem Kreistag zur erneuten Beratung und Beschlussfassung
vorzulegen.
Begründung:
I. Problem
Am 28.05.2000
wurde in den Münsterlandkreisen und in der Stadt Münster der
Bus-Schiene-Gemeinschaftstarif eingeführt. Der Münsterlandtarif brachte für die
Kunden entscheidende Verbesserungen, weil für die Nutzung der Verkehrsmittel
Bus und Bahn nur noch eine Fahrkarte erforderlich war. Zu diesem Zeitpunkt gab
es in Nordrhein-Westfalen neun Kooperationsräume mit 8 unterschiedlichen
Gemeinschaftstarifen.
Graphik Quelle: OWLV, Christian, 2012
Mit einer Änderung des ÖPNV-Gesetzes im Jahr 2008 hat das Land die Zahl
der SPNV-Kooperationsräume von neun auf drei reduziert und diese Zweckverbände
beauftragt, auf die Bildung neuer Gemeinschaftstarife hinzuwirken.
Der Kooperationsraum VRR ist um das VGN-Tarifgebiet erweitert worden, im neuen Kooperationsraum „Nahverkehr Rheinland“ (NVR) bestehen
weiterhin und auch zukünftig die eigenständigen Tarifräume VRS und AVV. Dritter
Kooperationsraum ist der „Nahverkehr Westfalen-Lippe“ (NWL) mit den heutigen
Tarifräumen „Der Sechser“, „Hochstifttarif“, „VGWS-Tarif“ und „Münsterland-/Ruhr-Lippe-Tarif“.
Mit der Zielsetzung einer besseren Transparenz der Tarife und einer
Vereinheitlichung der unterschiedlichen Tarifangebote in Westfalen wurde aus
Fahrgastsicht auch im Münsterland dieses Vorhaben unterstützt.
Quelle:
Projektbüro Westfalentarif
Aus Sicht des Kreises Coesfeld als
Aufgabenträger und einnahmeverantwortlicher Partner in der Tarifgemeinschaft Münsterland/Ruhr-Lippe
sollte ein neuer Gemeinschaftstarif über einen derartig großen Raum wie
Westfalen aber zwingend subsidiär aufgebaut sein, um den Erhalt und die
Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der Region eigenständig beeinflussen zu
können. Kein Raum soll durch die Einführung des Westfalentarifs schlechter gestellt
werden.
II. Lösung
Zur Umsetzung
dieser Vorgabe haben die Vertreter der fünf westfälischen Tariforganisationen
und des NWL mit der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zur
Tarifharmonisierung und Tarifentwicklung in Westfalen-Lippe im Januar 2012
gemeinsam den Weg zur Einführung eines Bus-Schiene-Gemeinschaftstarifs für
Westfalen-Lippe eingeschlagen und mit der Konzeption das vom Land geförderte
Projektbüro WestfalenTarif mit Sitz in Bielefeld beauftragt.
Der
WestfalenTarif soll auf den vorhandenen Strukturen der fünf westfälischen
Tarife aufbauen und diese um zusätzliche Preisstufen für die langen Reiseweiten
ergänzen. Der WestfalenTarif soll auf der regionalen Ebene die bestehenden
Gemeinschaftstarife (hier: Münsterlandtarif) ablösen, die Zuständigkeit für die
Preisgestaltung im Nahbereich, die Einnahmenaufteilung und die Gestaltung
regionaler Ticketangebote aber bei den regionalen Tariforganisationen belassen.
In den
Arbeitskreisen Tarif & Kommunikation, Einnahmenaufteilungsverfahren (EAV),
Vertrieb und Organisations- und Entscheidungsstrukturen haben Vertreter der
Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger – teilweise unter Zuhilfenahme von
externen Gutachtern – entsprechende Vorarbeiten zur Umsetzung eines
WestfalenTarifs geleistet. Auf der Arbeitsebene fanden die Ergebnisse auch in
den Gremien der Vertragspartner der o.g. Kooperationsvereinbarung Zustimmung.
Für den Kreis Coesfeld wurden diese Beschlüsse im Tarifausschuss Münsterland/Ruhr-Lippe
grundsätzlich zur Kenntnis genommen, gleichzeitig hat der Kreis Coesfeld auf
die Finanzrisiken hingewiesen. Durch die Beratungen im Tarifausschuss war kein
Präjudiz für die endgültige Zustimmung zum Westfalentarif abzuleiten.
Um den
Einführungszeitpunkt zum 01.08.2017 zu erreichen, muss Anfang 2016 notwendigerweise
der Start des Beteiligungsverfahrens zur Gründung einer WestfalenTarif GmbH
angestoßen werden. Erforderliche Beschlüsse müssten dann sowohl im Rahmen der
regionalen Tariforganisationen als auch in den Zweckverbandsversammlungen
(regional und NWL) als auch in einer Vielzahl kommunaler Gremien gefasst
werden. Nach wie vor gibt es eine Vielzahl an Diskussionen und Abstimmungen in
verschiedenen Arbeitsgruppen im Zusammenhang mit dem zukünftigen
Westfalentarif. Aktuell liegen mehrere Positionspapiere unterschiedlicher
beteiligter Akteure vor, die ihre Zustimmung zum Westfalentarif an Bedingungen
knüpfen.
Die Verwaltung
hat das Projekt Westfalentarif von Beginn an mit hohem personellem Ressourceneinsatz
konstruktiv-kritisch begleitet. Innerhalb der letzten Monate wurde zunehmend
über Organisationsstrukturen, vertragliche Regelungen und Bürokratie mit hohem
Finanzaufwand diskutiert. Demgegenüber lässt sich der konkrete Mehrwert für die
Fahrgäste, die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Coesfeld, in diesem Projekt
noch nicht hinreichend erkennen.
Parallel wurden
die Arbeiten des Landes am ertüchtigten NRW-Tarif weitestgehend abgeschlossen.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 wird er über die Vertriebsmöglichkeiten
der Eisenbahnen angeboten. Er steht in Teilbereichen durchaus in Konkurrenz zum
Westfalentarif. In der als Anlage beigefügten Einschätzung der Vor- und
Nachteile wurde die konkurrierende Situation der Tarife dargestellt.
Der bis heute
bereits geleistete Aufwand kann sicherlich für die endgültige Zustimmung zum
Westfalentarif nicht maßgeblich sein. Eine Zustimmung zum Westfalentarif und
zur Schaffung der dafür notwendigen Strukturen sollte in Abhängigkeit der Kundenorientierung
und des Kundenmehrwertes erfolgen.
Aus der Anlage
wird deutlich, dass der Kundenmehrwert durch die Einführung des Westfalentarifes
nicht in allen Teilen des NWL spürbar wird und insbesondere die neuen
Organisationsstrukturen und die teilweise Aufgabe der Selbständigkeit in
tariflichen Fragen kritisch zu sehen sind. Positiv stellt sich die
landesseitige Fortentwicklung des NRW-Tarifes dar, der nunmehr grundsätzlich
NRW-weit von der Start- bis zur Zielhaltestelle von den Kunden genutzt werden
kann und für die Partner der Tarifgemeinschaft Münsterland keinen zusätzlichen
organisatorischen Aufwand bedeutet.
Auf Grundlage der
Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile und unter Berücksichtigung der heute
vorhandenen Gemengelage ist für den Kreis Coesfeld, in seiner Randlage zum VRR,
der Westfalentarif nicht zustimmungsfähig.
III. Alternativen
Der Einführung des Westfalentarifes wird zugestimmt. Die Vertreter des
Kreises Coesfeld in der Zweckverbandsversammlung SPNV Münsterland sowie im Tarifausschuss
der Tarifgemeinschaft Münsterland/Ruhr-Lippe werden angewiesen, den notwendigen
Beschlüssen zum Westfalentarif und zur Gründung der WestfalenTarif GmbH ihre
Zustimmung zu erteilen.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge
(Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Mittelbare Risiken entstehen für den Kreis
Coesfeld aufgrund einer Ankündigung des Ministeriums für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr (MBWSV) gegenüber dem NWL, die Pauschale gem. § 11
ÖPNVG NRW um 10% zu kürzen, falls der Westfalentarif nicht zum 01.08.2017 eingeführt
wird. Eine abschließende juristische Bewertung, ob der NWL seiner
Hinwirkungspflicht tatsächlich nicht nachgekommen ist, was Voraussetzung für
eine Mittelkürzung wäre, steht noch aus.
V. Zuständigkeit
für die Entscheidung
Für die Entscheidung ist der Kreistag zuständig. (§ 26 Abs. 1 KrO NRW).