hier: Aufstellungsbeschluss und Umsetzung möglicher Maßnahmen
Beschlussvorschlag:
- Der vorgelegte Entwurf wird als Planung des Kreises Coesfeld nach § 7 des Alten- und Pflegegesetzes NRW beschlossen.
- Zur Priorisierung und Umsetzung der in der Planung vorgeschlagenen Maßnahmemöglichkeiten wird durch die Verwaltung mit den Städten und Gemeinden eine interkommunale Arbeitsgruppe eingerichtet.
I. Problem
Nach § 4 Alten-
und Pflegegesetz NRW (APG) sind die
Kreise und kreisfreien Städte verpflichtet, unter Einbeziehung der Kommunen eine
örtlich bedarfsgerechte, pflegerische Angebotsstruktur zu schaffen. Soweit flankierende,
vorpflegerische Angebote dazu beitragen, den Bedarf an Pflegeangeboten zu verringern,
sind diese in den kommunalen Sicherstellungsauftrag integrierbar. Zur Umsetzung
haben die Kreise und kreisfreien Städte nach § 7 APG kommunale Pflegepläne zu
erarbeiten, die eine Bestandsaufnahme der Angebote, die Feststellung des
quantitativen und qualitativen Bedarfes enthalten und die Frage nach Maßnahmen
klären, die zur Herstellung, Sicherung oder Weiterentwicklung von Angeboten
erforderlich sind. Eine erste Zusammenstellung der Ergebnisse der örtlichen
Planung sowie die Umsetzung von Maßnahmen hat zum Stichtag 31.12.2015 zu
erfolgen und danach als regelmäßige Berichtslegung alle zwei Jahre.
Mit Kreistagsbeschluss vom 17.06.2015 wurde die Verwaltung beauftragt, eine Alten- und Pflegeplanung nach diesen gesetzlichen Vorgaben durchzuführen (SV-9-251). Am 16.12.2015 erfolgte der Beschluss, für diese Aufgabe einen externer Gutachter zu beauftragen (SV-9-391).
II. Lösung
Die FOGS GmbH Köln (Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich) hat - nach vorherigem Vergabeverfahren – für den Kreis Coesfeld eine Planung nach den gesetzlichen Vorgaben des § 7 Abs. 1 bis 5 APG erarbeitet und vorgelegt (siehe Anlage).
Die Erarbeitung
der Planung wurde abgestimmt und unterstützt durch eine Begleitgruppe mit
Vertreter/innen der Kreisverwaltung (Dezernent 2, Abteilungsleitung 50,
Fachdienstleitung „ambulante Hilfen“, Fachplaner Dezernat 2, Pflegeberatung und
Psychiatrieplaner Abt. 53) und zwei von
der Bürgermeisterkonferenz benannten kommunalen Vertretern aus Senden und Nottuln.
Eine wichtige Grundlage für die Planung war – neben der Sammlung und Auswertung von Bevölkerungs-, Pflegebedürftigkeits- und Infrastrukturdaten – die Erörterung der Situation mit den Akteuren vor Ort. Der Gutachter hat hierzu Gesprächsrunden und Telefoninterviews mit Vertretern/innen aus folgenden Bereichen durchgeführt:
- Alle Städte und Gemeinden
- Stationäre Pflegeanbieter incl. Kurzzeitpflege
- Ambulante Pflegeanbieter
- Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen
- Anbieter neuer Wohnformen
- Seniorenvertretungen und Seniorenbeauftragte
- Selbsthilfegruppen (KICS)
- Pflegekassen
- Pflege- und Wohnberatung
Im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit und in der Konferenz Alter und Pflege (08.03.2017) wird der Planungsentwurf von Vertretern/innen der FOGS GmbH vorgestellt und erläutert.
Auf folgende wichtige inhaltliche Aspekte des
Berichtes wird hingewiesen:
1.
Modell zu Vorausberechnung der Bevölkerung:
Zusammen mit dem
Gutachter wurde abgestimmt, dass das „Hildesheimer Modell“ in der Variante „ausklingende
Wanderung“ die gemeinsam abgestimmte Planungsgrundlage ist. Gegenüber der
Prognose des IT NRW werden für die Pflegeplanung insbesondere folgende
entscheidende Vorteile gesehen:
- Die Nutzung der aktuellen Meldedaten der Kommunen gegenüber älteren
IT-Daten als Hochrechnungsbasis
- Eine kleinräumige ortsteilscharfe Berechnung
- Die Berücksichtigung altersabhängiger Geburtenraten und tatsächlich
beobachteter Wanderungen
Als
Planungshorizont wird generell der Zeitraum bis 2030 dargestellt, weil noch
längerfristige Hochrechnungen zu viele Unsicherheiten beinhalten.
2.
Prognose der Entwicklung der Pflegequoten:
Zusätzlich
zur demografischen Entwicklung gibt es nach FOGS verschiedene Hypothesen zur
Entwicklung von Pflegequoten:
1.
Expansionsthese:
Die Pflegewahrscheinlichkeit in den Altersgruppen bleibt in Zukunft konstant.
Durch einen Anstieg der Lebenserwartung sind die Menschen längere Zeit pflegebedürftig.
2.
Kompressionsthese:
Die Pflegewahrscheinlichkeit in den Altersgruppen nimmt – u. a. auf Grund des
medizinischen Fortschritts und besseren/gesundheitsfördernden Lebensvoraussetzungen
der zukünftigen Altenbevölkerung – ab. Die Pflegebedürftigkeit tritt später ein
und durch einen Anstieg der Lebenserwartung bleibt die Zeitspanne der
Pflegebedürftigkeit konstant oder nimmt ab.
Aufgrund
(noch) fehlender Daten und Belege für die Kompressionsthese gibt es derzeit nach Aussage von FOGS bei der Prognose der
Pflegebedürftigkeit kaum Alternativen zur Expansionsthese.
Damit
wird auch die Variante zu Grunde gelegt, die im Ergebnis zu höheren Bedarfszahlen
führt. In der Summe würde die Anwendung der altersabhängigen
Pflegebedürftigkeitsquoten 2015 auf die Prognose der Bevölkerung bis zum Jahr
2030 eine Zunahme von 6.234 auf 8.118 Pflegebedürftige (+ 1.884) ergeben. Am
stärksten fällt diese Zunahme im Zeitraum von 2015 – 2020 mit 885 Personen aus
und schwächt sich auf 604 von 2020 – 2025 und 395 von 2025 – 2030 ab.
3.
Entwicklung der Inanspruchnahme von Pflegeangeboten
Aktuell
werden laut Pflegestatistik (2015) im Kreis Coesfeld 25,1 % der pflegebedürftigen
Personen - definiert über den Leistungsbezug aus der Pflegeversicherung - von
ambulanten Pflegediensten betreut, 33,1 % leben in stationären Einrichtungen
und 41,8 % werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt bzw. erhalten
Pflegegeld. Die Verhältnisse zwischen den Versorgungsarten unterscheiden sich
zwischen dem Kreis Coesfeld und den umgebenden Gebietskörperschaften z. T.
deutlich (wegen der fehlenden Daten aus 2015 musste hier auf die
Pflegestatistik 2013 zurückgegriffen werden):
Anteil der Versorgungsarten in % (Pflegestatistik 2013) |
Pflegedienste |
stationäre Dauerpflege |
Angehörigenpflege |
Kreis Coesfeld |
24,2 |
33,5 |
41,1 |
Kreis Borken |
32,0 |
23,7 |
43,3 |
Kreis Steinfurt |
24,2 |
27,7 |
46,9 |
Kreis Unna |
26,0 |
25,1 |
48,1 |
Stadt Münster |
29,3 |
34,3 |
35,0 |
Kreis Recklinghausen |
22,8 |
25,5 |
50,7 |
NRW |
22,6 |
26,8 |
49,8 |
Der
Kreis Coesfeld weist heute sowohl im Vergleich mit den Nachbarkreisen als auch
gegenüber dem Landesdurchschnitt eine sehr hohe Zahl von stationären
Dauerpflegeplätzen im Verhältnis der Bevölkerung über 65 Jahren auf (siehe
Seite 35 im Gutachten). Dieser auffällig hohe Anteil der stationären
Dauerpflege im Kreis Coesfeld kann folgende Erklärungen haben:
·
Grundsätzlich
ist davon auszugehen, dass ein zahlenmäßig starkes Angebot auch eine
entsprechende Nachfrage erzeugt.
·
Seit
Freigabe des Marktes im Jahr 2003 hat es im Kreis Coesfeld eine erhebliche Zunahme
von Platzkapazitäten gegeben.
·
Es ist
weiter davon auszugehen, dass derzeit in den Einrichtungen des Kreises im höheren
Maße auch Pflegebedürftige aus umliegenden Regionen versorgt werden.
Hinsichtlich
des künftigen Anteils der einzelnen Versorgungsarten werden von FOGS verschiedene
Entwicklungsmöglichkeiten dargestellt:
·
Szenario 1: Diese können sich weiter im gleichen
Verhältnis zueinander entwickeln.
·
Szenario 2:
Formelle Pflegearten (Pflegedienste und stationäre Dauerpflege) werden anteilig
stärker, auch weil die Angehörigenpflege abnimmt.
·
Szenario 3: Die
Zahl der stationär versorgten Menschen bleibt konstant gleich.
Im
Gutachten wird grundsätzlich dem Szenario 2 gefolgt, d.h. es wird von mehr
formeller Pflege ausgegangen. Da aber die stationäre Pflege im Kreis Coesfeld
überdurchschnittlich angeboten wird, wird angenommen, dass die anteilige
Steigerung der formellen Pflege durch Pflegedienste erbracht werden muss.
Zahlenmäßig
hat dieses Prognosemodell zur Pflegebedürftigkeit folgende Auswirkungen:
Entwicklung
der Gesamtzahlen an Pflegebedürftigen nach Versorgung
Zunahme der
Zahl an Pflegebedürftigen ab 2015 nach Versorgung
·
Demnach steigt
über die Jahre der Bedarf kontinuierlich in allen Versorgungsfeldern.
·
Schon bis 2020
wären demnach gegenüber dem Jahr 2015 zusätzlich
o
331
Pflegebedürftige durch ambulante Pflegedienste,
o
346
Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen
o
und 208
Pflegebedürftige durch Angehörige zu versorgen.
·
Der Bedarfswert
in der Stationären Pflege für 2020 entspricht dabei dem heute bereits
bestehenden Angebot. Erst bis 2025 entsteht hier eine Bedarfslücke von ca. 200
Plätzen.
Ab
Seite 46 des Berichtes werden die Ergebnisse des Gutachtens zusammengefasst und
daraus Maßnahmenempfehlungen formuliert und begründet.
Es
ist davon auszugehen, dass auch im Kreis Coesfeld das Potential pflegender
Angehöriger zurückgehen wird und die steigende Zahl älterer und vor allem
hochbetagter Menschen durch professionelle Angebote gepflegt werden muss.
Die
originäre Verantwortung für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen wird in
unterschiedlichen Händen liegen. Wichtig wird sein, die Maßnahmen zunächst zu
priorisieren und anschließend zu koordinieren.
Am
12.01.2017 haben Vertreter/innen der Städte und Gemeinden den Entwurf der Planung
erörtert. Dabei bestand zur planerischen Vorgehensweise weitgehender Konsens.
Eine verbindliche bzw. priorisierende Festlegung der Maßnahmen in der
vorliegenden Planung wurde jedoch nicht befürwortet. Es bestand Einvernehmen,
die Liste in der Planung als „mögliche Maßnahmen“ zu bezeichnen. Für die Optionen, Dringlichkeiten und zeitliche
Abfolge der Umsetzung wird die Einrichtung einer interkommunalen Arbeitsgruppe
vorgeschlagen, nachdem die Planung beschlossen wurde.
III. Alternativen
Da
die Planung gemäß § 7 APG verpflichtend
ist, bestehen hierzu keine Alternativen.
IV.
Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Die im
Gutachten prognostizierte, zunehmende Zahl von Pflegebedürftigen wird im
Leistungsbereich unabwendbar zu gesteigerten Ausgaben führen. Gleichzeitige
Herausforderung und Gelegenheit wird es dann sein, mit den beschriebenen
Maßnahmen diese Entwicklung zu gestalten und zu steuern.
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Wegen der Grundsätzlichkeit der Entscheidung liegt die Zuständigkeit beim Kreistag.
Anlage:
Bericht (Stand Januar 2017) „Pflegebedarfsplanung für den Kreis Coesfeld“