Betreff
Tarifmaßnahmen 2022
Vorlage
SV-10-0407
Aktenzeichen
81
Art
Sitzungsvorlage

Beschluss:

 

1.      Der Beschlussvorlage der Tarifgemeinschaft Münsterland – Ruhr-Lippe GmbH wird zugestimmt.

 

2.      Die Vertreterinnen und Vertreter des Kreises Coesfeld in den Tarifgremien setzen sich für die Überführung des JobTicket-Piloten in den Regelbetrieb zum 01.08.2022 ein.

 

3.      Die Verwaltung wird beauftragt, in der Sitzung des Tarifausschusses Münsterland, der Gesellschafterversammlung der Tarifgemeinschaft Münsterland/Ruhr-Lippe und im WestfalenTarif-Ausschuss entsprechend abzustimmen.

 

4.      Der ZVM Bus wird beauftragt, die Beförderungsentgelte / Tarife, die Bestandteil eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages (ÖDA) sind, gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 PBefG der Bezirksregierung Münster als Genehmigungsbehörde anzuzeigen.

 

I. Sachdarstellung

zu 1.:

Zuletzt mit Berichtsvorlage vom 13.09.2021 (SV-10-0349) hat die Verwaltung in der Sitzung des Ausschusses für Mobilität, Infrastruktur und Kreisentwicklung am 20.09.2021 über die aktuellen Tendenzen bei der Tarifmaßnahme 2022 hingewiesen.

Im Tarifraum Westfalen werden die Merkmale von Fahrkarten und ihre Preise grundsätzlich zum 01.08. eines Jahres angepasst. Dabei werden zum einen Fahrkartenpreise an die Inflationsentwicklung angepasst, zum anderen aber auch strukturelle Änderungen umgesetzt, die z. B. den räumlichen Geltungsbereich oder die zeitliche Geltungsdauer einer Fahrkarte betreffen. Nach den Vorgaben der Tarifgemeinschaft (TG) soll eine Tarifanpassung die Kostenentwicklung des Zeitraumes der letzten Tarifmaßnahme, also 12 Monate ausgleichen. Die Umsetzung einer jeden Tarifmaßnahme bedarf eines längeren Vorlaufes, da die jeweiligen Maßnahmen nach Beschlussfassung von der Bezirksregierung genehmigt werden müssen und zeitaufwändige Neuprogrammierungen der Vertriebssysteme wie z.B. Bordcomputern, Ticketautomaten und Handyticket-Shops vorgenommen werden müssen. Um diesen Vorlauf zu ermöglichen, wird in der Regel der Beschluss zur Tarifanpassung/-änderung im Dezember des jeweiligen Vorjahres in der TG Münsterland/Ruhr-Lippe gefasst.

Die TG Münsterland/Ruhr-Lippe zählt 28 erlösverantwortliche Partner, zu denen neben den Aufgabenträgern auch Verkehrsunternehmen mit eigenwirtschaftlichen Linienkonzessionen des ÖPNVs und des SPNVs zählen. Die Beschlüsse über eine Tarifmaßnahme mit unmittelbarem Einfluss auf die wirtschaftlichen Verhältnisse aller Partner müssen in den verschiedenen Tarifgremien der TG Münsterland/Ruhr-Lippe einstimmig beschlossen werden. Die Zahl der mitwirkenden Institutionen auf westfälischer Ebene ist mit über 60 Partnern noch deutlich größer. Alle diese genannten Institutionen tragen die sogenannte „Erlösverantwortung“. Alle Partner einschließlich der Kreise als Bus-Aufgabenträger hier in ihrer Rolle als Erlösverantwortliche für Öffentliche Dienstleistungsaufträge (ÖDA) können im Münsterland unmittelbar nur über die Fahrpreise der Preisstufen 0M bis 5M bestimmen. Für die Fahrkartenpreise im Stammsortiment in den Preisstufen W6 bis W10 im Westfalentarif ist der WestfalenTarifausschuss zuständig. Die Kreise als erlösverantwortliche Partner haben sowohl im regionalen Gremium als auch auf der westfälischen Ebene Sitz und Stimme.

 

Ziel der Tarifgemeinschaft Münsterland – Ruhr-Lippe ist ein turnusmäßiger Ausgleich der inflationsbedingten Kostensteigerungen im ÖPNV. Dieses Modell der Preisanpassung ist vertraglich unter den Partnern der Tarifgemeinschaft so festgelegt. Eine Abweichung davon nach unten würde einen Anspruch der zustimmenden Partner auf einen entsprechenden Ausgleich bewirken. Davon abweichende Tarifmaßnahmen sind möglich und wurden in der Vergangenheit tlw. auch umgesetzt, wenn alle Partner dem zugestimmt haben. Tariferhöhungen, die über die inflationsbedingte Kostensteigerung hinausgehen, können unter anderem begründet werden durch

-          geringere Fahrgeldeinnahmen aufgrund der Corona-Pandemie (in Verbindung mit der noch unklaren Situation bezüglich weiterer Rettungsschirme),

-          geringere Fahrgeldeinnahmen durch veränderte Schulstruktur (weniger Schüler mit längeren Fahrwegen),

-          höhere Kosten im Verkehrssektor gegenüber dem Inflationsausgleich durch überdurchschnittlich gestiegene Energie-, Personal- und Infrastrukturkosten,

-          strukturelle Probleme bei der Finanzierung des SPNV (Themen: Insolvenzen von Verkehrsunternehmen, erforderliche Vertragsanpassungen, etc.).

 

Eng mit der tariflichen Anpassung verwoben sind die strukturellen Maßnahmen, die zum 01.08.2022 eingeführt werden sollen.

Die Tarifmaßnahme zum 01.08.2022 beinhaltet folgende Merkmale:

-          lineare Anhebung 1,6 – 1,9 %

-          Keine Anpassung PS 0 MS/HAM/BOC

-          Bartickets + ca. 2 % (keine Anhebung 01.08.21)

-          Anhebung EinzelTicket leicht überproportional (Abstand eTarif)

-          keine Anhebung KinderTickets/4er KinderTickets

-          Überproportionale Anhebung MehrfahrtenTickets (Abschmelzung des Rabattes wegen mittelfristiger Abschaffung)

-          ZeitTickets Jedermann, Anpassung um ca. 1,5 %

-          FreizeitTickets, Keine Anpassung Eigenanteile FlashTicket/SchülerTicket

-          Anpassung FunTicket/FunAbo in Abstimmung mit WT

-          SchülerZeitTickets im Freiverkauf, Anpassung um ca. 1,5 %

-          SchülerZeitTickets Schulträger, Anpassung um ca. 1,5 %

 

Unter Berücksichtigung des Beschlusses 06/21 der Tarifausschüsse Münsterland/Ruhr-Lippe vom 03.09.21 hat die Tarifgemeinschaft die durchschnittliche Tarifanpassung für die Tarifräume Münsterland/Ruhr-Lippe berechnet. Ohne Berücksichtigung der Stadtpreisstufen 0 der Stadtverkehre Münster, Hamm und Bocholt errechnet sich eine durchschnittliche Anpassung in Höhe von 1,83 %. Dieser Kalkulation/Fahrpreistafel haben die Partnerunternehmen in der Sitzung des Arbeitskreises Tarif/Einnahmeaufteilung am 22.09.2021 zugestimmt.

 

Die finale Beschlussfassung in der Tarifgemeinschaft soll in der Sitzung am 10.12.2021 erfolgen.

 

zu 2.:

Das Pilotprojekt JobTicket ist bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie getestet worden. Wesentliche Elemente sind eine deutliche Vereinfachung des Preisstufen-Systems mit übersichtlichen und westfalenweit abgestimmten Geltungsbereichen. Gleichzeitig ist auch eine deutliche preisliche Absenkung vorgesehen. Zudem kann das Ticket auch weiterhin mit einem Arbeitgeberzuschuss verbunden werden. Die Gutachter gehen davon aus, dass durch die genannten Verbesserungen eine stärkere Fahrgastnachfrage ausgelöst und daher nach einer Einführungsphase eine kostenneutrale Umstellung des bisherigen JobTickets auf das neue Angebot möglich ist. Die Gremien auf der westfälischen Ebene rechnen bis Dezember 2021 mit einem Beschluss zur Einführung des neuen JobTickets. Der Kreis Coesfeld unterstützt diese Entwicklung, weil eine Reihe von Firmen Interesse daran haben, dieses Ticket ihren Beschäftigten anbieten zu können.

 

Zum 01.01.2022 und befristet bis zum 31.07.2023 wird ein 8 Tage FlexTicket als Teil des Stammsortiments im Teilraum Münsterland – Ruhr-Lippe eingeführt. Eine Verlängerung der Testphase ist möglich und bedarf eines entsprechenden Beschlusses.

 

Da sich das ÖPNV-Nutzerverhalten vor allem aufgrund der Pandemie deutlich geändert hat, sollen im Zuge der Kundenrückgewinnungsmaßnahmen die Fahrgäste angesprochen werden, die den ÖPNV nur gelegentlich nutzen und aktuell kein Abo abschließen wollen. Diese Zielgruppe sind zum einen ehemalige Abo/Zeitkarten-Nutzer mit nur noch 6-12 Nutzungstagen im Monat und zum anderen Gelegenheitsnutzer mit hohen Nutzungsfrequenzen. Diese Gruppe soll durch das neue befristete Ticketangebot langfristiger gebunden werden und eine flexiblere Nutzung in Zeiten vermehrten Arbeitens im Home-Office ermöglichen. Die einheitliche Rabattierung von 37,5 % auf den Einzelkaufpreis eines 24 StundenTickets soll einen niedrigschwelligen Wiedereinstieg in die ÖPNV-Nutzung sowie einen Anreiz zur vertragslosen Bindung geben. Nutzerinnen und Nutzer können also für den Fahrkartenpreis acht Mal 24 Stunden das ÖPNV-Angebot nutzen. Der Gutachter hat das Potenzial des Tickets und die wirtschaftlichen Auswirkungen (z. B. Kannibalisierungseffekte) abgeschätzt und empfiehlt insgesamt die Einführung des Tickets als geeignete Reaktion im Sinne der Kundenrückgewinnung. Um die gewünschte Wirkung kurzfristig erzielen zu können, soll die Maßnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt am 01.01.2022 umgesetzt werden. Merkmale:

-          Das 8 Tage FlexTicket besteht aus gebündelt ausgegebenen acht 24 StundenTickets 1 Person.

-          Das Ticket wird in allen Preisstufen angeboten, in denen auch das 24 StundenTicket 1 Person angeboten wird. Es wird eine Rabattierung von 37,5 % auf den Einzelkaufpreis eines 24 StundenTicket 1 Person angewandt, um die Kundenansprache entsprechend der obigen Darstellung werblich zu intensivieren.

-          Das Ticket ist nicht personalisiert, übertragbar und kann, identisch zum 4erTicket, von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden. Digitale Tickets sind grundsätzlich persönlich bzw. personenbezogen.

-          Die Preise können im Rahmen der Tarifmaßnahme zum 01.08.2022 angepasst werden.

 

II. Entscheidungsalternativen

 

Der Beschlussvorschlag wird abgelehnt. Dann tritt voraussichtlich für den Tarifraum Münsterland – Ruhr-Lippe der im § 5 der Gesellschaftervereinbarung vorgesehene Fall der Rückfallebene „Indexlösung“ ein, nachdem keine Tarifanpassung, aber auch keine weiteren Änderungen umgesetzt werden könnten. Der ablehnende Partner ist den anderen ausgleichspflichtig.

 

III. Auswirkungen /Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, Klima)

Es wird im Zuständigkeitsbereich des Auftraggebers Kreis Coesfeld das Ergebnis der Einnahmen aus Fahrkarten für dessen Verkehrsverträge (ÖDA) beeinflusst und damit der kommunale Deckungsbeitrag, der an Auftragnehmer zur Erbringung der erzielten Leistung gezahlt werden muss. Nachdem die lineare Tarifanpassung etwa der Preisgleitung für die Verkehrsverträge entspricht, ist mit einer erheblichen Änderung des Zuschussbedarfes nicht zu rechnen.

Die strukturellen Maßnahmen im Bereich des JobTickets und des 8-Tage-FlexTickets können einen Anreiz bilden, auf den ÖPNV umzusteigen und so die MIV-Quote zu reduzieren. Dies hätte positive Effekte für Klima und Umwelt.

 

IV. Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Für die Entscheidung ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs. 1 KrO NRW).