Sitzung: 16.03.2017 Ausschuss für Arbeit, Soziales, Senioren und Gesundheit
Beschluss: ungeändert beschlossen
Abstimmung: Ja: 20, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: SV-9-0721
Beschluss:
Dem Kreisausschuss wird empfohlen, dem Kreistag folgenden Beschlussvorschlag zu unterbreiten:
- Der vorgelegte Entwurf wird als Planung des Kreises Coesfeld nach § 7 des Alten- und Pflegegesetzes NRW beschlossen.
- Zur Priorisierung und Umsetzung der in der Planung vorgeschlagenen Maßnahmemöglichkeiten wird durch die Verwaltung mit den Städten und Gemeinden eine interkommunale Arbeitsgruppe eingerichtet.
Stellv. Vorsitzender Bockemühl begrüßt Frau Martin von der FOGS
Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich und
bittet sie, den Bericht zur Pflegebedarfsplanung für den Kreis Coesfeld
vorzustellen.
Frau Martin führt anhand des als Anlage
1 beigefügten Powerpoint-Vortrags aus, dass für die Pflegebedarfsplanung
zunächst die aktuellen Bevölkerungs- und Pflegestatistiken sowie die
prognostizierten Bevölkerungs- und Pflegebedürftigkeitsdaten analysiert worden
seien. Für die Pflegebedarfsplanung sei von der Expansionsthese ausgegangen
worden, d. h. dass die Vorausberechnung der Zahl der Pflegebedürftigen davon
ausgehe, dass die Anteile der Pflegebedürftigen trotz des medizinischen Fortschritts
zunehmen werden. Die Verteilung der Pflegebedürftigen auf die
Angehörigenpflege, ambulante Pflegedienste sowie die stationäre Dauerpflege sei
mit einem auf den Kreis angepassten Szenario berechnet worden. Danach sinke das
Potential an Angehörigenpflege. Der daraus entstehende Bedarf werde vorwiegend
durch ambulante Pflegedienste und ggf. ambulant betreute Wohnformen
kompensiert; der Anteil der stationären Plätze bleibe gleich; die absolute Zahl
sei variabel.
Ausgehend von der Analyse seien, so trägt Frau Martin vor, ergänzend die
Einschätzungen der Akteure vor Ort erfasst und ausgewertet worden. Die Erfassung
sei dabei im Wege von Gruppendiskussionen erfolgt.
Frau Martin weist darauf hin, dass die Analyse der
Bevölkerungsentwicklung zeige, dass die Zahl der über 65jährigen bis zum Jahr
2030 deutlich zunehmen werde. Der Vergleich der Nutzung der Hilfesegmente durch
Pflegebedürftige auf der Datenbasis 2014 zeige, dass im Kreis der Anteil der
stationären Dauerpflege über dem in anderen Kommunen liege. Es sei ferner eine
Hochrechnung der Inanspruchnahme von Hilfen durch Pflegebedürftige sowie der
sich daraus ergebenden zusätzlich notwendigen Versorgung von Pflegebedürftigen
nach Hilfesegmenten (ambulante Pflegedienste, vollstationäre Dauerpflege,
Angehörigenpflege) erfolgt.
Frau Martin stellt fest, dass im Hinblick auf Plätze in der
vollstationären Dauerpflege der Kreis eine gute Ausstattung aufweise, aber
keine gleichmäßige Verteilung, sondern vielmehr ein Nord-/Südgefälle
festzustellen sei. Neue Wohnformen seien bisher im Kreis wenig vorhanden.
Darüber hinaus sei der Fachkräftemangel von allgemeiner Bedeutung.
Abschließend geht Frau Martin auf die möglichen Maßnahmen für die
Pflegebedarfsplanung ein. Der Kreis sowie die kreisangehörigen Städte und
Gemeinden sollten durch Ausbau entsprechender Kapazitäten hinsichtlich der
Beratung, Fallsteuerung sowie der Angebotsentwicklung darauf hinwirken, den
Bereich der ambulanten Pflege zu stärken. Dies sei im Hinblick auf die Wünsche
der Pflegebedürftigen sowie unter finanziellen Aspekten eine gute Alternative.
Beispielhaft weist sie hier auf die Einführung und Erprobung eines Übergangsmanagements,
insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, den sukzessiven Ausbau der
Pflegeberatung (Information der älteren Bevölkerung und der pflegenden
Angehörigen) sowie den Ausbau neuer Wohnformen hin. Im Hinblick auf die
stationäre Dauerpflege seien der Bau neuer stationärer Pflegeplätze im Südkreis
und die Einrichtung zusätzlicher Kurzzeit- bzw. Nachtpflegeangebote
empfehlenswert.
Ktabg. Lütkecosmann fragt nach, inwieweit im Rahmen „neuer Wohnformen“
z. B. Mehrgenerationenhäuser gefördert würden. Frau Martin weist darauf hin,
dass die Thematik auch in der Konferenz Alter und Pflege diskutiert worden sei.
Mehrgenerationenhäuser seien schwierig umzusetzen, insbesondere da sie auch
finanzierbar sein müssten. Ktabg. Willms erklärt, dass „neue Wohnformen“ in
Münster und Werne mit Unterstützung durch den Bund finanziert worden seien. Sie
bittet die Verwaltung um Auskunft, welche Bundesförderprojekte bekannt seien
und darum, Anbieter und die Politik über entsprechende Fördertöpfe zu informieren.
Dez. Schütt erklärt, dass Informationen selbstverständlich weitergegeben
würden. Er führt weiter aus, dass „neue Wohnformen“ auch Thema beim
regelmäßigen Austausch mit den freien Wohlfahrtsverbänden gewesen sei. Zur
Umsetzung der Pflegebedarfsplanung werde eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung
der kreisangehörigen Städte und Gemeinden eingerichtet. Er weist darauf hin,
dass vom Land bereits seit zwei Jahren ein Quartiersmanagement gefördert werde.
Der Zuspruch sei jedoch eher zurückhaltend. Grund hierfür könne die 50%ige
Eigenbeteiligung sein, die die jeweilige Kommune erbringen müsse. Dies mache
ca. 40.000 € aus. Es stelle sich die Frage, ob die Bevölkerung bereit sei, in
solchen Wohnformen zu leben. Es sei wichtig, sich diesbezüglich gemeinsam in
der Arbeitsgruppe zu beraten und entsprechende Angebote zu kreieren. Hierbei
gehe mit dem Wunsch nach neuen Wohnformen auch die Forderung einher, dass die
Kosten nicht explodieren.
Ktabg. Kurilla führt aus, dass die steigende Altersarmut ein Grund für die
Inanspruchnahme der stationären Dauerpflege sein könnte, da für diesen Bereich
mehr Unterstützung durch öffentliche Mittel fließe. Sie fragt daher, ob die
steigende Altersarmut in die Analyse eingeflossen sei. Dies wird von Frau
Martin verneint.
AL Bleiker weist darauf hin, dass die Pflegeversicherung keine
Vollkaskoversicherung sei. Insoweit auftretende Lücken würden durch Leistungen
nach dem SGB XII geschlossen.
Auf die Frage des Ktabg. Wessels, wie hoch der Kostendeckungsgrad bei
stationärer Pflege sei, erklärt AL Bleiker, dass zurzeit 800 Personen in
stationärer Pflege seien, bei denen ergänzend Kosten aus Sozialhilfemitteln
gedeckt würden. Die Höhe sei abhängig vom jeweiligen Pflegegrad.
Stellv. Vorsitzender Bockemühl weist darauf hin, dass durch das
Pflegestärkungsgesetz III die Kommunen bei der ambulanten Pflege verstärkt
eingespannt worden seien. AL Bleiker trägt hierzu vor, dass im Bereich der
ambulanten Pflege konstant etwa 220 Personen Leistungen der Sozialhilfe
erhalten. Etwa die Hälfte habe bisher keine Pflegestufe gehabt. Er weist darauf
hin, dass aufgrund der Neuregelungen Leistungen zur Pflege erst ab dem Pflegegrad
2 erbracht werden können. Bei den Pflegegraden 0 und 1 können keine Leistungen
erbracht werden. Zurzeit stünden noch die entsprechenden Gutachten aus. Insofern
seien die Auswirkungen des Pflegestärkungsgesetzes III derzeit noch nicht
absehbar.
MA Mohring weist darauf hin, dass die Pflegebedarfsplanung alle 2 Jahre
fortgeschrieben werde. Daher könnten voraussichtlich bereits im nächsten
Bericht die Auswirkungen des Pflegestärkungsgesetzes III dargestellt werden.
Ktabg. Willms regt an, dass die einzurichtende Arbeitsgruppe im Blick
halten müsse, wie die Beratungsstrukturen in den Städten und Gemeinden seien
und wie diese ausgebaut werden könnten. Der Fokus solle dabei auch auf den
Ausbau des Palliativnetzwerkes, auf die pflegenden Angehörigen und auf eine
funktionierende Nachpflege gerichtet sein. Dez. Schütt weist darauf hin, dass
im Hinblick auf den Ausbau der Pflegeberatung durchaus unterschiedliche
Auffassungen im Gespräch mit den Städten und Gemeinden zu Tage getreten seien.
Man werde jedoch in allen Bereichen mit den Städten und Gemeinden in der
Diskussion bleiben.
Sodann lässt stellv. Vorsitzender Bockemühl über den Beschlussvorschlag
abstimmen:
Form der Abstimmung: offen per Handzeichen
Abstimmungsergebnis: einstimmig