Beschluss:

 

Ohne.

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 


Frau Klostermann vom Gesundheitsamt geht kurz auf die bekannten Zahlen und Daten und die Vorgehensweise des Gesundheitsamtes ein (siehe auch SV-9-1738). Insgesamt hätten sich bis zum 01.06.2020 300 Personen, die Westfleisch zuzuordnen sind, infiziert. Die meisten seien inzwischen genesen. 12 hätten im Krankenhaus behandelt werden müsse, 2 seien länger und schwerer erkrankt gewesen. Eine Beatmung habe nicht erfolgen müssen. In den letzten Tagen habe es keine positiven Befunde mehr gegeben.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr lobt die Arbeit des Gesundheitsamtes um AL Dr. Völker-Feldmann und Frau Klostermann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien sehr aktiv und akribisch vorgegangen. Er gibt sodann das Wort an Herrn Dr. Querbach vom Dezernat Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster.

 

Dr. Querbach berichtet, dass nach einer Überprüfung im Jahr 2019 eine erneute Überprüfung am 08.05.2020 stattgefunden habe, nachdem im Kreis Recklinghausen das Infektionsgeschehen etwas früher „auffällig“ gewesen sei. Bei dieser Überprüfung seien bestimmte Mängel festgestellt worden, die aber für sich allein genommen nicht gravierend gewesen seien. Es habe sich dabei um persönliches Fehlverhalten einiger Mitarbeiter gehandelt. Die dann hohen Infektionszahlen hätten die Mängel zu gravierenden Mängeln gemacht.

Nach der Schließung des Betriebs habe man – so Dr. Querbach – auch Unterkünfte mit untersucht und zwar in Amtshilfe für das Gesundheitsamt bzw. das örtliche Ordnungsamt. Eine grundsätzliche Zuständigkeit sei nicht gegeben. Zur Problematik der Überprüfung der Wohnungen verweist er auf das im Grundgesetz verankerte Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung.

Nach Wiedereröffnung seien keine gravierenden Mängel mehr festgestellt worden. Einem großen Subunternehmer wurde die weitere Zusammenarbeit gekündigt.

In der Vergangenheit sei der Betrieb häufiger überprüft worden. Aus Sicht des Arbeitsschutzes könne man dem Betrieb keine schlechte Bewertung geben.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr übergibt sodann das Wort an Herrn Carsten Schruck, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Firma Westfleisch SCE. Herr Schruck stellt seine ebenfalls anwesenden Mitarbeiter vor: Herrn Andreas Lüpkes, Leiter der Rechtsabteilung, sowie Herrn Meinhard Born und Herrn Philipp Ley, die für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind.

 

Herr Schruck bringt seine Betroffenheit über die Vorkommnisse zum Ausdruck. Die Firma Westfleisch sei seit 90 Jahren tief in der Region verwurzelt und habe immer gute Verbindungen zu Landkreisen gehabt. Betroffen mache ihn auch die Diskriminierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Westfleisch. Dies habe er vorher nicht für möglich gehalten. Er nehme für seine Firma in Anspruch, dass man mit einem Mindestlohn bereits vor der gesetzlichen Verpflichtung, mit einem Betriebsrat und Gewerkschaft, mit Selbstverpflichtung und Einflussmöglichkeiten bei den Werksvertragsunternehmen für sich in Anspruch nehme, bereits anders als andere in der Branche zu sein. Schon frühzeitig sei vor dem Hintergrund von Corona ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet worden. Es gebe noch keine abschließende Erklärung – so Herr Schreck – aus welchem Grund sich trotzdem so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesteckt hätten. Man sammele Erkenntnisse und würde sie dann bewerten. Für die Firma Westfleisch bedeute das aber noch mehr an Kontrollen, Informationen und Aufklärung zu leisten. Auch das Hygienekonzept sei immer weiter ausgefeilt worden.

 

Für Ktabg. Kleerbaum reicht das nicht aus. Die strategischen Fehler leuchten ihm nicht ein und die politische Wirkung dürfe nicht unterschätzt werden. Der Betrieb habe sehr viel Vertrauen verloren und dieses lasse sich nicht so schnell wieder herstellen

 

 

 

 

in der Bevölkerung und der Politik. Er fragt, wie sichergestellt sei, dass so etwas in Zukunft nicht wieder passiere. Er fordert mehr Transparenz und die Entwicklung neuer Konzepte durch die Firma Westfleisch. Als Beispiel könnten hier diverse Modelle aus Niedersachsen dienen und verweist auf den „Sögeler Weg“.

 

Ktabg. Lütkecosmann weist darauf hin, dass die Bevölkerung zu wenig von einer Entschuldigung seitens Westfleisch wahrgenommen habe. Weiter bittet er um Auskunft, wie Westfleisch menschenwürdige Unterkünfte von Mitarbeitern sicherstellen wolle.

 

Auch Ktabg. Rampe verweist auf mangelnde Öffentlichkeitsarbeit in der „Corona-Krise“ der Firma Westfleisch. Es habe sogar der Lockdown auf den Zustand vom 20.04. im Raum gestanden. Insbesondere kleine Betriebe und die Gastronomie sei immens betroffen. Hier habe er sich deutlich mehr Informationen für die Öffentlichkeit gewünscht.

 

Ktabg. Hesse findet, dass sehr viel Porzellan zerschlagen worden sei. Er fragt, wie das verlorene Vertrauen bei den Bürgern und der Politik zurückgewonnen werden soll.

 

Herr Schruck verwehrt sich gegen den Vorwurf, strategische Fehler begangen zu haben. Man habe immer sehr wohl abgewogen und die oberste Maßgabe bei allen Maßnahmen war immer die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Bevölkerung.

Er sei aber offen für Hinweise und Ideen. Man trete gerne in den Dialog mit den Verwaltungen und der Politik. Er nehme daher den Ball von Ktabg. Kleerbaum gerne auf; man werde mit Vorschlägen zur Verbesserung der Unterbringung der Beschäftigten auf die Verwaltung zukommen. Aufgeschlossen sei er auch für mehr Kommunikation und Transparenz. Das Thema werde sehr ernst genommen. Man habe sich Tag und Nacht damit befasst. Er verweist auf eine ganzseitige Anzeige in der AZ, in der man sich bei der Bevölkerung entschuldigt habe. Man müsse aber respektieren, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, dass man zu wenig getan habe. Es werde viel Zeit und Mühen kosten, das Vertrauen zurückzugewinnen. Dem werde man sich aber stellen.

Herr Schruck führt weiter aus, dass von 500 überprüften Unterkünften 95% in Ordnung seien. Für die 5% mit Mängeln übernehme man die volle Verantwortung. Daher habe man sich auch von einem Dienstleister getrennt und die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt in den Betrieb eingegliedert. Dies sei übrigens in den Vorjahren in insgesamt 2000 Fällen bereits erfolgt. Nun kämen 300 dazu, weitere würden folgen.

 

Ktabg. Vogelpohl bittet um Informationen zu der am 07.05.2020 von der Firma Westfleisch bei einer gemeinsamen Besprechung aller Beteiligten getätigten Aussage, den Betrieb freiwillig wegen der vielen infizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herunterzufahren. Er fragt, warum dies dann doch nicht erfolgt sei.

 

Herr Schruck spricht in diesem Zusammenhang von einem Missverständnis. Man habe sich anlässlich der vielen Infizierten in der Mitarbeiterschaft gefragt, ob man den Betrieb nicht schließen müsse. Ziel sei es aber dann doch gewesen, den Betrieb mit geringerer Auslastung fortzuführen. Man habe sich intensiv damit auseinandergesetzt und sei dann zum Schluss gekommen, den Betrieb doch aufrecht zu erhalten. Diesen Standpunkt vertrete er auch heute noch. Man habe dabei immer die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Bevölkerung im Fokus gehabt und unter dieser Voraussetzung hätte seiner Meinung nach auch weiter produziert werden können. Die in der Besprechung am 07.05.2020 getätigte Aussage klang wohl zu absolut und er bedauere, dass es zu Irritationen gekommen sei.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr widerspricht dem und weist darauf hin, dass man am 07.05.2020 unmissverständlich vereinbart habe, dass Westfleisch den Betrieb nicht weiter aufrecht hält, sondern am nächsten Tag schließt. Man habe sogar eine Sprachregelung abgestimmt, mit der er an die Öffentlichkeit gegangen ist. Diese habe er dann sogar in einem Fernsehinterview so mitgeteilt. Die Firma Westfleisch habe sich dann anders entschieden und habe erst am Abend über den Presseverteiler mitgeteilt, den Betrieb fortzuführen. Landrat Dr. Schulze Pellengahr kritisiert, dass er diese Entscheidung nur über die „Presseschiene“ erfahren habe. Eine direkte Aussprache wäre hier richtig und wichtig gewesen. Hier sei viel Vertrauen verloren gegangen.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr übergibt sodann das Wort an Herrn Bürgermeister Öhmann, der aus Sicht der Stadt Coesfeld über den Umgang mit dem Infektionsgeschehen berichtet.

 

Bürgermeister Öhmann unterstreicht, dass man nicht zu spät reagiert habe. Rechtlich habe es erst eine Möglichkeit gegeben, als der Arbeitsschutz der Bezirksregierung Münster Mängel festgestellt habe. Dies sei am 08.05.2020 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe das Gesundheitsamt des Kreises bereits viele Informationen gesammelt, sodass dieser schnell reagieren und die Schließung in Absprache mit allen beteiligten Behörden anordnen konnte. Die Schließung durch den Kreis sei folgerichtig und unverzüglich erfolgt.

Zur Unterbringung der Westfleisch-Beschäftigten führt er aus, dass man hier – wie vielfach üblich – kaum von „Massenunterkünften“ reden könne. Von 120 Wohneinheiten, die Westfleischbeschäftigten zuzuordnen sind, seien 100 mit maximal 5 Personen belegt, 10 mit maximal 10 Personen und nur 10 mit über 10 Personen. Man habe die Wohnungen begangen und es gab keine Veranlassung aus bauordnungsrechtlicher Sicht für ein sofortiges Eingreifen.

 

Ktabg. Vogelpohl bittet sodann, den Blick auch einmal in eine andere Richtung zu werfen. Er stellt die Frage, ob das Gesundheitsamt für die notwendigen Kontrollen personell ausreichend besetzt sei und ob das Gesundheitsamt das Hygienekonzept der Firma Westfleisch begleitet und überprüft habe.

 

AL Dr. Völker-Feldmann weist darauf hin, dass die gesetzliche Grundlage für die Zuständigkeit hier das Infektionsschutzgesetz sei, diese daher an ein Infektionsgeschehen gekoppelt sei. Das Hygienekonzept der Firma Westfleisch sei auch dem Gesundheitsamt vorgelegt worden. Er sei selbst am 09.04.2020 im Betrieb gewesen und habe keinen Grund für Beanstandungen gehabt. Für weitergehende Kontrollen durch das Gesundheitsamt habe es keine gesetzliche Grundlage gegeben.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr ergänzt, dass es keine Generalvollmacht für Kontrollen gebe, selbst wenn in anderen Bertrieben bereits erhöhte Infektionszahlen bekannt geworden seien.

 

Auf Anfrage der Ktabg. Bednarz erklärt Herr Schruck, dass die Fahrzeuge (in der Regel Bullis oder Kleinbusse) für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte nur noch mit 50% belegt würden und ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden müsse. Entsprechende Kontrollen würden durchgeführt, allerdings könne nicht jede Fahrt kontrolliert werden. Hier sei auch Eigenverantwortung gefragt, wie z.B. auch in Schulbussen oder sonstigen öffentlichen Bussen.

Zur Frage der Ktabg. Raack zur Entlohnung während der Quarantäne führt er aus, dass hier die normale Lohnfortzahlung erfolge, auch für die Werkvertragsarbeitnehmer.

 

Ktabg. Kleerbaum führt aus, dass man Herrn Schruck bzgl. seiner Aussage zur Dialogbereitschaft und Einreichung von Vorschlägen zur weiteren Vorgehensweise beim Wort nehme. Offenheit sei ein guter Ansatz.

 

Landrat Dr. Schulze Pellengahr hält fest, dass insgesamt die Transparenz, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Firma Westfleisch für die Zukunft verbessert werden müssten.