Betreff
Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz
Vorlage
SV-7-0810
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bericht der Verwaltung zu den geplanten Projekten und den sich daraus ergebenen Abstimmungsnotwendigkeiten wird zur Kenntnis genommen.

Begründung:

 

I.   Problem

Die Angebotsform der ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz findet in jüngster Zeit zunehmend Verbreitung. Nach den ersten beiden Modellprojekten in der Stadt Münster (Villa Mauritz und Villa Hittorf) steigt inzwischen münsterlandweit die Zahl von Angeboten dieser Art. Im Kreis Coesfeld existiert bislang kein solches Wohn- und Betreuungsangebot. Inzwischen sind jedoch zwei Träger mit Projektplanungen an den Kreis Coesfeld herangetreten:

 

  • Der Caritasverband Coesfeld plant eine Wohngemeinschaft für 8 ältere Menschen mit Demenz. Dabei soll die Heilig-Geist-Stiftung als Vermieterin auftreten und der Caritasverband die Betreuung / pflegerische Versorgung sicherstellen. Die Umsetzung soll im Zusammenhang mit der Errichtung weiterer barrierefreier Wohnungen  für ältere Menschen durch die Heilig-Geist-Stiftung erfolgen. 

 

  • Die Alexianer-Brüdergemeinschaft plant eine Wohngemeinschaft für 10 demenziell erkrankte Menschen.  Bauherr und Vermieter soll die WSG für den Kreis Coesfeld sein. Das Angebot soll im Zusammenhang mit der Errichtung weiterer barrierefreier Wohnungen für ältere Menschen erfolgen.

 

Standort beider Projekt wäre das Stadtgebiet Dülmen.

 

Ziel dieser Wohngemeinschaften – so wurde es auch in Gesprächen mit den Projektträgern verdeutlicht – ist es, für den besonderen Personenkreis der Demenz-Erkrankten eine höhere Betreuungsqualität bei geringerem bis maximal gleich hohem Kostenniveau im Vergleich zur stationären Pflege anzubieten. Insbesondere folgende grundlegenden Merkmale sind zu nennen:

·         Ambulante Versorgung in ordnungs- und leistungsrechtlichem Sinne

·         „Rund um die Uhr“-Betreuung durch eine Präsenzkraft mit entsprechender Qualifikation

·         ausschließlich Bewohner mit ärztlich anerkannter Demenz

·         Wohnen und gewöhnliche Haushaltsführung soll im Vordergrund stehen

·         nutzerorientiertes Versorgungssystem

·         Vernetzung zwischen Hilfsanbietern zur Nachbarschaft und Angehörigen

 

Einige dieser Punkte bedürfen der Abstimmung mit dem örtlichen Sozialhilfeträger und der Heimaufsicht.

 

Für den Sozialhilfeträger steht dabei die ständige Präsenz von Betreuungspersonen und eine – auf die demenzielle Erkrankung der Bewohner ausgerichtete – ständige Bereitstellung an Versorgungs- und Hilfeleistungen im Mittelpunkt. Diese werden im Rahmen einer Betreuungspauschale abgerechnet. Darüber hinaus können sozialhilferechtliche Bedarfe ebenfalls aufgrund von Aufwendungen für die Unterkunft, Verpflegung und Haushaltsführung und für durch Pflegeversicherungsansprüche  nicht abgedeckte Pflegeleistungen entstehen.

 

Da es sich um ein ambulantes Angebot handeln soll, wird angestrebt, dass das Heimgesetz keine Anwendung findet. Insbesondere die dann zum Tragen kommenden Vorgaben bezüglich Personal und räumlicher Ausgestaltung wären für die Anbieter/Betreiber nicht leistbar bzw. würden unzumutbar hohe Kosten für die Mieter/Bewohner verursachen.

 

II.  Lösung

Nach Einschätzung der Heimaufsicht kann unter Einhaltung folgender Kriterien von einer Anwendung des Heimgesetzes abgesehen werden:

  • Mieter/-innen können Betreuungs- und Pflegedienste frei wählen.
  • Mieter/-innen können ihr Zusammenleben in der Wohngemeinschaft selbstbestimmt gestalten.
  • In der Wohngemeinschaft leben nicht mehr als 12 betreuungsbedürftige Personen.

In der sich abzeichnenden Novellierung des Heimgesetzes wird diese Regelung noch deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

 

Bezüglich der Übernahme der Betreuungspauschale und der ungedeckten Kosten für  Unterkunft, Verpflegung und Haushaltsführung bedarf es einer Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger. Diese stellt sowohl für den Sozialhilfeträger als auch für die Projektbetreiber Planungssicherheit her. Hierin ist  insbesondere festzusetzen:

·         die Leistungen nach Art, Inhalt, Umfang und Qualität inkl. einer Vergütungsregelung nach Kostenblöcken

·         Regelungen zur Wirtschaftlichkeit der Leistungen

·         Regelungen zur Überprüfung der Qualität der Leistungen und der Einordnung in Bezug auf das Heimgesetz

·         Regelungen zu den Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Leistung

 

Unabhängig von den im Rahmen der Vereinbarung zu treffenden Details sind folgende Voraussetzungen für den Kreis Coesfeld als Sozialhilfeträger unabdingbar bzw. nicht verhandelbar:

·         Voraussetzung für den Einzug ist

·         eine ärztlich attestierte Demenz der Bewohner/-innen,

·         der Nachweis für eine Heimnotwendigkeit bzw.

·         mindestens das Vorliegen der Pflegestufe I gemäß SGB XI.

·         Die Kosten dürfen abzüglich der Refinanzierungsmöglichkeiten die durchschnittlichen Kosten für eine stationäre Pflegeeinrichtung im Kreisgebiet nicht übersteigen. 

 

Mit der Unterstützung und Begleitung der vorliegenden Anträge betritt der Kreis Coesfeld als örtlicher Sozialhilfeträger Neuland, setzt jedoch auch folgende Vorgaben und  Empfehlungen um:

  • § 6  des  Landespflegegesetzes sieht im Rahmen der Kommunalen Pflegeplanung vor, neue Wohn- und Pflegeformen aufzuzeigen und bei der Weiterentwicklung der örtlichen Infrastruktur einbeziehen.
  • Im Rahmen der Arbeitsgruppe „Infrastruktur“ zum Projekt „Ambulant vor Stationär“ wurde insbesondere auch der  Bedarf an neuen Wohnformen für ältere Menschen formuliert.
  • Auch der Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt NRW empfiehlt die Weiterentwicklung von Versorgungskonzepten im ambulanten Bereich.

 

Die Verwaltung will mit den beiden Anbietern diese Art der Betreuung modellhaft für einen Zeitraum von zwei Jahren testen. Nach 1,5 Jahren erstellen die Betreiber einen Zwischenbericht. Daraufhin sind besonders folgende Punkte zu evaluieren:

·         Die abgeschlossenen Vereinbarungen in Bezug auf ihre praktische Umsetzung und Anwendbarkeit.

·         Die tatsächliche Nutzerstruktur mit Blick auf den Grad der Pflegebedürftigkeit und bestehender Leistungsansprüche.

 

 

III.        Alternativen

Die Einsteuerung und Umsetzung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz erfolgt landesweit in variablen Ausrichtungen. Für den Fall, dass Sozialhilfeempfänger diese Angebote in Anspruch nehmen, ist die Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger allerdings fast immer der Regelfall.

Fehlen entsprechende Vereinbarungen, müsste jeweils auf Grundlage des individuellen Sozialhilfebedarfes entschieden werden, ohne dass im Vorfeld Kriterien zur Angebotsqualität und über den Zugang zu solchen Wohnformen festgelegt wurden. Personen, die erst im Verlauf des Mietverhältnisses sozialhilfebedürftig werden, wären im Falle eines zu geringen „Betreuungsbedarfes“ zum Auszug gezwungen.

Mit vorliegenden Vereinbarungen verfügt der Sozialhilfeträger über die entscheidenden Stellschrauben zu einer zielgruppengerechten Ausrichtung des Angebotes und einer bedarfsgerechten Inanspruchnahme.  

 

IV. Kosten-Folgekosten-Finanzierung

Die im Falle von Sozialhilfebedarf entstehenden Kosten sollen maximal auf dem Niveau der stationären Pflege liegen. Da alternativ die Nutzung der stationären Pflege erfolgen würde, entstehen daher keine Mehrkosten. Die Zuordnung der aufzuwendenden Mittel würde jedoch Wechseln von der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen bzw. Gewährung von Pflegewohngeld zur Hilfe zur ambulanten Pflege. In den vorliegenden Kalkulationen wird davon ausgegangen, dass der Anteil der Sozialhilfeempfänger dem in der stationären Pflege entspricht (z.Zt. etwa ein Drittel). Die tatsächliche Nutzung der Wohngemeinschaften wird erst ab mit Beginn des Jahres 2009 erfolgen können. Kosten wären damit erst für die Haushaltsplanung 2009 einzuplanen.  

 

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Der Abschluss der Vereinbarungen ist ein Geschäft der laufenden Verwaltung.