Betreff
Umsetzung des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende;
hier: Antrag des Kreises Coesfeld auf unbefristete Fortführung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 31.12.2010 hinaus
Vorlage
SV-8-0162
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreis Coesfeld setzt die Aufgabenumsetzung im SGB II als Optionskommune nach Ablauf der Experimentierklausel ab 01.01.2011 auf der Basis der dann geltenden Rahmenbedingungen dauerhaft fort.

 

Die Verwaltung wird ermächtigt, gegenüber der obersten Landesbehörde die unbefristete Zulassung als kommunaler Träger gemäß § 6a Abs. 1, 2 SGB II (Neue Fassung) über den 31.12.2010 hinaus zu beantragen.

 

Der Kreis Coesfeld erkennt die Verpflichtung an, mit dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales eine Zielvereinbarung über Leistungen nach dem SGB II abzuschließen. Der Kreis Coesfeld erkennt die Verpflichtung an, die in der Rechtsverordnung nach § 51b Abs. 1 S. 2 SGB II festgelegten Daten zu erheben und gemäß den Regelungen nach § 51b Abs. 4 SGB II an die Bundesagentur zu übermitteln, um bundeseinheitliche Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleiche zu ermöglichen.

 

Die Anerkenntnisse geben zugleich der Entscheidung Ausdruck, dass die Zulassung des kommunalen Trägers zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung unbefristet fortgeführt werden soll.

 

Begründung:

 

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 14.07.2004 den Beschluss gefasst, dass der Kreis Coesfeld bereit ist, eigenverantwortlich die kommunale Trägerschaft bei der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) zu übernehmen. Die Verwaltung ist zugleich beauftragt worden, die Zulassung als kommunaler Träger über die oberste Landsbehörde beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu beantragen.

 

Mit der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24.09.2004 ist der Kreis Coesfeld als zugelassener kommunaler Träger für das SGB II anerkannt worden. Die Zulassung trat am 01.01.2005 in Kraft; sie ist bis zum 31.12.2010 befristet. Zugleich hat der Kreis Coesfeld in Abstimmung mit den Städten und Gemeinden des Kreises Coesfeld die Aufgaben der Grundsicherung auf die Städte und Gemeinden zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen.  Hiervon ausgenommen sind die Planung und Umsetzung der Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Eingliederung sowie die einzelfallbezogene Hilfeplanung im Bereich der beruflichen Integration. Die Gemeinden haben zudem die Zuständigkeit für die berufliche Vermittlung auf dem 1. Arbeitsmarkt sowie die Schaffung und Organisation von sogenannten PlusJobs  erhalten.

 

Über die Erstattung der Personalkosten für die übertragenen Aufgaben hat es bisher einvernehmliche Regelungen mit dem Kreis Coesfeld gegeben. Auch sind Gemeinden in verschiedenen Gremien auf Kreisebene vertreten, wie z.B. in der Lenkungsgruppe oder der Arbeitsmarktkonferenz.

 

In der Vergangenheit hat es unterschiedliche Vorschläge zur Neuorganisation des SGB II ab dem 01.01.2011 gegeben. Alle waren jedoch nicht mehrheitsfähig.

 

Im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe ist es im März 2010 gelungen, einen mehrheitsfähigen Entwurf für eine neue Verwaltungsorganisation im Bereich des SGB II zu entwerfen. Dieser sieht vor, über den Weg einer Verfassungsänderung das bisherige Optionsmodell zu verstetigen und die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Arbeitsverwaltung in einem ARGE-Nachfolgemodell abzusichern. Zudem soll die Zahl der zugelassenen kommunalen Träger von zurzeit 69 auf insgesamt 110 erhöht werden.

 

Der Deutsche Bundestag hat inzwischen die Grundgesetzänderung und die einfachgesetzlichen SGB II – Änderungen beschlossen. Der Bundesrat hat am 09.07.2010 den Gesetzen zugestimmt.

 

Mit dem vom Bundesrat beschlossenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird durch die Grundgesetzänderung (Artikel 91e GG) sichergestellt, dass die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Agenturen für Arbeit und Kommunen in den Arbeitsgemeinschaften über den 31.12.2010 hinaus unbefristet möglich ist.

 

Gemäß § 6a Abs. 1 SGB II (neue Fassung) können die zurzeit zugelassenen kommunalen Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung über den 31.12.2010 hinaus unbefristet zugelassen werden, wenn diese gegenüber der zuständigen obersten Landesbehörde die Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 und 5 bis zum 30.09.2010 anerkennen.

 

Hiernach verpflichtet sich der zugelassene kommunale Träger der Grundsicherung mit der zuständigen Landesbehörde eine Zielvereinbarung über die Leistungen nach diesem Buch abzuschließen und die in der Rechtsverordnung festgelegten Daten zu erheben und an die Bundesagentur für Arbeit zu übermitteln, um bundeseinheitliche Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleiche zu ermöglichen.

 

 

II . Lösung:

 

Seit dem 01.01.2005 hat der Kreis Coesfeld im engen Schulterschluss mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden und auch in guter Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik das SGB II erfolgreich umgesetzt. Dies wird auch dadurch belegt, dass der Kreis Coesfeld seit 2007 die niedrigste Arbeitslosenquote aller Kreise und kreisfreien Städte in ganz Nordrhein-Westfalen hat.

 

Aus diesem Grund hat sich der Kreistag in seiner Sitzung am 24.02.2010 mit der Neuorganisation des SGB II über den 31.12.2010 hinaus beschäftigt und in einer verabschiedeten Resolution gefordert, dass die Absicherung und Aufstockung der zugelassenen kommunalen Träger im Grundgesetz verankert wird.

 

Die Resolution hatte folgenden Inhalt:

Resolution an den Deutschen Bundestag und die Landesregierung

 

Wir begrüßen die von der Bundesregierung fraktionsübergreifend angestrebte Grundgesetzänderung zur Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

 

Wir erwarten die Schaffung eines rechtssicheren Rahmens für eine optimale Betreuung der Arbeitsuchenden und ihrer Familien vor Ort. Oberstes Ziel müssen weiterhin die Integration in Arbeit und die Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen sowie die Leistungsgewährung aus einer Hand sein.

 

Der Kreis Coesfeld nimmt seit dem Jahr 2005 eigenverantwortlich die Aufgaben nach dem SGB II als zugelassener kommunaler Träger wahr. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten im Kreis Coesfeld sowohl Transferleistungen als auch berufliche Integrationsleistungen aus einer Hand. Diese Aufgabe wird im engen Schulterschluss mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden erfolgreich umgesetzt. Aus Sicht des Kreises Coesfeld hat sich die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung als Optionsträger bewährt.

 

Der Kreis Coesfeld möchte daher über den 31.12.2010 hinaus die Aufgabe weiterhin in kommunaler Verantwortung wahrnehmen.

 

Auch für die anderen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sollte gelten, dass sie künftig eine echte Wahlfreiheit haben, ob sie die Aufgaben weiterhin in Form einer Arbeitsgemeinschaft oder als zugelassener kommunaler Träger wahrnehmen möchten.

 

Wir fordern alle Verantwortlichen in Bund und Ländern parteiübergreifend dazu auf, ein rasches Verfahren zu ermöglichen und schnell zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Die Arbeitsuchenden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen haben ein Recht auf Klarheit und Sicherheit.

 

Im Rahmen der Aussprache ist von den Mitgliedern der im Kreistag vertretenen Fraktionen gefordert worden, dass der Kreis Coesfeld auch über den 31.12.2010 hinaus das SGB II eigenverantwortlich umsetzt.

 

Ebenso haben sich die Mitglieder der Lenkungsgruppe zur Umsetzung des SGB II im Kreis Coesfeld, die Leiter der örtlichen Zentren für Arbeit sowie die Bürgermeister in ihrer Konferenz am 07.06.2010 für die Fortführung der kommunalen Trägerschaft ausgesprochen. Sie haben zudem deutlich gemacht, dass sie dies in ihren politischen Gremien noch beraten werden.

 

Durch die Verankerung beider Trägermodelle im Grundgesetz stehen gemeinsame Einrichtungen und Option zukünftig als gleichberechtigte Modelle nebeneinander. Mit der Entfristung der Option wird der Kreis Coesfeld in die Lage versetzt, die erfolgreiche Aufgabenumsetzung des SGB II  gemeinsam mit seinen elf Delegationskommunen dauerhaft fortzusetzen.

 

Neben der Entfristung als zugelassener kommunaler Träger ist positiv hervorzuheben dass künftig weitere 41 SGB II – Träger als Optionskommunen zugelassen werden sollen.

 

Die heutigen Optionskommunen – so auch der Kreis Coesfeld – müssen bis zum 30.09.2010 gegenüber der zuständigen obersten Landesbehörde die Verpflichtungen zum Abschluss einer Zielvereinbarung sowie zur Erhebung und Übermittlung der festgelegten Daten anerkennen.

 

Die zukünftig vorgegebenen Zielvereinbarungen mit dem Land werden ebenso wie der gemeinsame Kennzahlenvergleich positiv bewertet. Insbesondere der gemeinsame Kennzahlenvergleich, der eine Reihe von Vorschlägen aus dem Benchmarking der Optionskommunen aufgenommen hat,  ist eine langjährige Forderung der Optionskommunen. Grundlage der Zielvereinbarungen werden in jedem Fall die nun in der Rechtsverordnung vorgesehenen drei Kennzahlen sein:

  1. Verringerung der Hilfebedürftigkeit

2.      Verbesserung der Integration in Erwerbsfähigkeit

3.      Vermeidung von langfristigem Leistungsbezug.

 

Diese Kennzahlen werden auf der Grundlage konsolidierter Daten gebildet und vor der Veröffentlichung allen Trägern zugänglich gemacht.

 

Wie der Zielvereinbarungsprozess mit dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS) konkret ablaufen wird ist zurzeit noch nicht bekannt.

 

Gleiches gilt auch für die Pflicht zur ordnungsgemäßen Datenerhebung und –übermittlung nach § 51 b SGB II, die bereits in der Vergangenheit Zulassungsvoraussetzung war. Die Verpflichtungserklärung dient insoweit nur der rechtlichen Klarstellung.

 

Bzgl. des Rückforderungsrisikos besteht seitens der kommunalen Spitzenverbände unter Federführung des Deutschen Landkreistages (DLT) Einigkeit, dass der Erstattungsanspruch des Bundes weder kleingeredet, noch überbewertet werden darf. So hat bereits das BMAS in seinem Prüfbericht für den Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages festgestellt, dass die Rückforderungen nur rund 0,6 % der Jahresausgaben der Optionskommunen umfassen. Das BMAS hat ferner gegenüber dem DLT erklärt, dass die praktische Relevanz der Rückforderungen künftig geringer sein wird, da die rechtliche Lage zwischenzeitlich weitgehend geklärt ist und durch das neue Steuerungs- und Zielvereinbarungssystem eine intensivere Abstimmung im Vorfeld erfolgt.

 

Unabhängig davon gilt wie für alle Bereiche der Kreisverwaltung, so auch hier, dass durch die Vermögenseigenschadensversicherung beim Gemeindeversicherungsverband etwaig eintretende Vermögensschäden, die durch dienstpflichtwidriges Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verursacht werden, entsprechend versichert sind.

 

Die vom Bund geplante Fachaufsicht wird nicht weiter verfolgt. Die Aufsicht verbleibt bei den Ländern. Das Landesarbeitsministerium hat in der Vergangenheit seine Aufsichtsfunktion sehr  kooperativ wahrgenommen und sucht die Zusammenarbeit mit den Optionskommunen auf Augenhöhe und im Sinne eines konstruktiven Dialoges. Als Beispiel dienen regelmäßige Besprechungsrunden mit den zugelassenen kommunalen Trägern sowie die unter Mitwirkung der Optionskommunen erstellten Arbeitshilfen zur praktischen Aufgabenumsetzung.

 

Im Bereich der Beteiligung Dritter an den Entscheidungsprozessen ist zu beachten, dass künftig ein „Örtlicher Beirat“ gebildet werden muss. Dieser löst die bisherige „Arbeitsmarktkonferenz für den Kreis Coesfeld“ ab. Zukünftig dürfen Vertreterinnen und Vertreter von Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes, die Eingliederungsleistungen anbieten, nicht mehr Mitglied des Beirates sein.

 

Die Erfahrungen aus der fünfjährigen Umsetzung der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung sind durchweg positiv zu bewerten. Die Fortführung des Optionsmodells hat eindeutige Vorteile. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist für die Lebens- und Problemlagen in den Kommunen von zentraler Bedeutung. Das Ausmaß von Hilfebedürftigkeit und Erwerbslosigkeit der Bevölkerung beeinflusst die Entwicklung und Problemdichte in anderen kommunalen Politikfeldern – wie der Wirtschafts-, Kreisentwicklungs-, Sozial-, Jugend-, Bildungs- und Gesundheitspolitik. Es ist deshalb ein entscheidender Vorteil, die Strategien und Schwerpunkte der Arbeitsmarktförderung entsprechend den Anforderungen und Verhältnissen vor Ort so weit wie möglich selbst gestalten zu können. Das betrifft zum einen die Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen und die Orientierung an spezifischen sozialräumlichen Bedarfen. Zum anderen ermöglicht die eigenverantwortliche Umsetzung des SGB II die Steuerung des Einsatzes der arbeitsmarktlichen Instrumente in einer Weise, daß auch die spezifischen kommunalen Strukturen und Interessen berücksichtigt werden.

 

Die kommunale Option bietet damit deutlich bessere Bedingungen für eine abgestimmte Zusammenarbeit sowohl innerhalb der öffentlichen Verwaltung, als auch insbesondere mit anderen Akteuren und Netzwerken vor Ort, insbesondere den Wohlfahrtsverbänden und Trägern der Wirtschaftsförderung und der Jugendhilfe. Mit der Wahrnehmung der Option ist für den Kreis und die Delegationsgemeinden die Sicherung und Weiterentwicklung einer integrierten, sozialraumorientierten und politikfeldübergreifenden Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik möglich.

 

Die Bürgerinnen und Bürger erfahren die eigenständige Aufgabenwahrnehmung in der Arbeitsmarktpolitik überdies durch ein höheres Maß an Bürgernähe und Transparenz. Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist es von großem Vorteil, dass sie durch die einheitliche, kommunal getragene Struktur tatsächlich die „Hilfe aus einer Hand“  und vor Ort erhalten.

 

III. Alternativen

 

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen in der Umsetzung und der politischen Bewertung durch den Kreistag in seiner Sitzung am 24.02.2010 wird keine Alternative gesehen.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

Die Übernahme der Sach- und Personalkosten für den Bereich der beruflichen Eingliederung sowie der Transferleistungen (ohne Kosten der Unterkunft und einmalige Leistungen) erfolgt aus Bundesmitteln.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

 

Für die Entscheidung ist der Kreistag zuständig (§ 26 Abs 1. Kreisordnung).