Betreff
Bioabfallverwertung ab 2014
Vorlage
SV-8-0235
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

 

Der Bericht zum beabsichtigten Vorgehen der WBC bei der Behandlung von Bioabfällen wird zur Kenntnis genommen.

 

Der Zielsetzung einer Bioabfallvergärung mit anschließender Kompostierung und Biogasaufbereitung ab spätestens 2014 wird zugestimmt. Dabei wird von einer Kostenreduktion gegenüber der bisherigen Verfahrensweise ausgegangen.

 

Die energetische Nutzung der Biomasse als wesentlicher Beitrag des Kreises Coesfeld zum Klimaschutz wird begrüßt.

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Sobald nähere Einzelheiten zum Standort und zum Betriebsmodell konkretisiert sind, ist erneut zu berichten.

Begründung:

 

I.          Problem

 

Zum 01.01.1997 hat der Kreis Coesfeld auf der Grundlage des § 16 (1) KrW-/AbfG die Wahrnehmung der wesentlichen Aufgaben der Abfallwirtschaft im Kreisgebiet auf die Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH (WBC) übertragen. Insbesondere handelt es sich um die Aufgaben zur Organisation und Durchführung der Abfallverwertung.

 

Die aus Haushalten im Kreis Coesfeld erfassten Bio- und Grünabfälle werden, basierend auf den noch derzeitig gültigen vertraglichen Regelungen, bis Ende 2013 kompostiert. Dieses findet in der Kompostierungsanlage der Firma Remondis in Coesfeld-Höven nach dem Brikolare-Verfahren statt.

 

Der 1994 abgeschlossene Vertrag beinhaltet eine zu Anfang 2004 gezogene optionale Vertragsverlängerung bis zum 31.12.2013 und kann mit einer Frist von 2 Jahren gekündigt werden, ansonsten erfolgt die automatische Vertragsverlängerung von 5 Jahren. Die Vertragskündigung ist bis spätestens zum 31.12.2011 möglich.

 

Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen (insbesondere der Preisentwicklung in diesem Marktsegment) wird davon ausgegangen, dass die zukünftige Verwertung von Bio- und Grünabfällen günstiger erfolgen kann, als dies auf der Grundlage des bestehenden Vertrages der Fall ist. Dies spricht für eine Kündigung des Vertrages und eine Neuausschreibung/Neuregelung der etablierten Bioabfallverwertung. Technische Entwicklungen und ökologische Notwendigkeiten sprechen außerdem dafür, bei der Neuregelung zugleich auch auf ein anderes technisches Verfahren im Umgang mit Bioabfällen zu setzen. Die seitens der Bundesregierung im Rahmen der Anpassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die Europäische Abfallrahmenrichtlinie propagierten Recyclingziele gehen hin zu einer optimierten Erfassung sowie Vergärung und Kompostierung der Bioabfälle. Grünabfälle könnten je nach Zusammensetzung thermisch verwertet oder kompostiert werden. Eine kombinierte energetische und stoffliche Nutzung ist gegenüber einer rein stofflichen Nutzung ökologisch vorteilhafter, wobei dieses auch die optimierte Nachrotte der Gärreste und die Wärmenutzung einbeziehen muss (IFEU Institut für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg).

 

Es wird davon ausgegangen, dass zukünftig Bio- und Grünabfälle auf unterschiedlichen Wegen verwertet werden. Hier geht es nur um die Frage des Umgangs mit Bioabfällen.

 

II.                    Lösung

 

Für die Ausrichtung der künftigen Bioabfallverwertung bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:

 

1)         Bioabfallverwertung über einen Dienstleistungsvertrag ohne vorherige Vergärung

 

Entsprechend der etablierten Praxis könnte die Übernahme des unbehandelten Bioabfalls im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages ohne Vorgabe des Verwertungsverfahrens neu ausgeschrieben werden. Die Verwertung könnte hierbei für die anfallenden Bioabfallmengen in Teilmengen oder als Gesamtmenge abgefragt werden. Zur Wettbewerbsverbesserung wäre der Umschlag der Bioabfallmengen einzuplanen, damit auch weiter entfernt liegende Verwertungsanlagen mitbieten könnten.

 

Bieter wären voraussichtlich Anlagenbetreiber, die zur Auslastung ihrer Anlagen Mengen benötigen. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit einem günstigen Angebot auch durchaus weite Transporte verbunden sein könnten. Ein günstiges Angebot wäre daher nicht unbedingt ökologisch sinnvoll.

 

Die Vergabe eines Dienstleistungsvertrages bietet für die betroffenen Jahre relative Kostensicherheit, stellt jedoch keinen Beitrag zum allgemein angestrebten Klimaschutz dar. Die Kostenhöhe hängt vom tatsächlichen Wettbewerb im Verfahren ab.

 

2) Bioabfallverwertung durch die Schaffung einer der Kompostierung vorgeschalteten Verfahrensstufe der Vergärung und Aufbereitung/ Verwertung des anfallenden Biogases.

 

Ein anderer Weg besteht in der vorgeschlagenen Schaffung der Voraussetzungen für eine der Kompostierung vorgeschaltete Vergärungsstufe und Aufbereitung/ Verwertung des anfallenden Biogases.

 

Die WBC hat mit Blick auf die Vorteile einer der Kompostierung vorgeschalteten Stufe der Vergärung eine Untersuchung als sog. Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben zu der Frage, ob bei der Organisation der Bioabfallentsorgung langfristig eine Gewinnung und Nutzung von Biogas aus dem getrennt erfassten Boabfall für den Kreis Coesfeld sinnvoll und wirtschaftlich sein könnte. Eine Zusammenfassung des Untersuchungsgegenstandes und der wesentlichen Untersuchungsergebnisse der durch die IWA-Ingenieurgesellschaft für Industriebau, Wasser- und Abfallwirtschaft mbH erstellten Studie ist in der Anlage beigefügt. Weitere Einzelheiten werden in der Sitzung erläutert.

 

Die wesentlichen Schlussfolgerungen der Machbarkeitsstudie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

-                     Eine Erzeugung und Nutzung von Biogas aus den Bioabfällen des Kreises Coesfeld lässt sich wirtschaftlich realisieren, wobei verschiedene Anforderungen an den Standort und die Verfahrenstechnik zu beachten sind.

-                     Durch Vorschaltung einer Biogasanlage vor einer externen Kompostierung können die Gesamtkosten für die Bioabfallentsorgung nachhaltig reduziert werden.

-                     Je nach dem noch eingehend zu prüfenden Modell der Organisation der Aufgabenwahrnehmung beantwortet sich die Frage nach den Investitionskosten bzw. nach dem Investitionsrisiko.

-                     Die Nutzung des Bioabfalls als erneuerbare Energie zur Strom- und Wärmegewinnung dient dem Klimaschutz. Je nach Vergärungs- und Nutzungskonzept ergibt sich dauerhaft eine Reduzierung des Klimagases CO² um jährlich etwa 5.000 bis 6.000 Mg. Dies entspricht einer Einsparung an CO²-Emissionen aus der Verbrennung von 2,2 bis 2,6 Millionen Litern Heizöl.

 

Sinnvoll wird die Bioabfallvergärung und Biogaserzeugung nur, wenn im Weiteren das Biogas zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt wird. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden in diesem Zusammenhang die Alternativen der Fernwärme, Biogasleitung und Biogasaufbereitung untersucht.

 

Im Ergebnis stellt die Fernwärmeleitung keine geeignete Alternative dar. Die Biogasleitung kann als durchaus wirtschaftliche Möglichkeit gesehen werden, wenn in nicht zu weitem Umfeld ein Abnehmer vorhanden ist, der entsprechend dem Biogasanfall Strom und Wärme benötigt und gleichzeitig eine langfristige Abnahmesicherheit (ca. 20 Jahre) geben kann. Es werden dann jedoch Strukturen geschaffen, die ausschließlich auf einen Abnehmer ausgelegt sind.

 

Zukunftsweisend erscheint am ehesten die Biogasaufbereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz. Die Entnahme, Verstromung mittels BHKW und Wärmenutzung kann dann unabhängig von der räumlichen Entfernung an geeigneten Abnehmerstellen erfolgen.

 

Vor diesem Hintergrund hat sich der Aufsichtsrat der WBC in seiner Sitzung am 13.07.2010 dafür ausgesprochen, die gesamten Bioabfälle aus den Haushalten des Kreises Coesfeld zukünftig einer Bioabfallvergärung mit anschließender Kompostierung an einem geeigneten Standort im Kreis Coesfeld zuzuführen. Basis für die Verfahrenswahl sollen Aspekte wie die Vergärung der vollständigen Bioabfallmengen aus Haushalten des Kreises Coesfeld, der Anfall möglichst geringer Mengen an flüssigen Gärresten und die Biogasaufbereitung incl. Einspeisung in das Erdgasnetz sein. Für den letztgenannten Aspekt spricht die weitest gehende Unabhängigkeit und Flexibilität in der Gasverwertung. Des Weiteren eröffnet sich hieraus die Chance, das Biogas in den eigenen Liegenschaften zu nutzen, um auch so eine Loslösung vom Markt zu erzielen.

 

Dabei geht es an dieser Stelle ausschließlich um die grundsätzliche Frage, ob die Überlegungen zur Schaffung einer vorgeschalteten Vergärungsstufe mit Blick auf die ökologischen Vorteile der Biogaserzeugung fortgesetzt und intensiviert werden sollten. Aspekte einer konkreten Umsetzung der Biogasvergärung (Betriebskonzepte, Kooperationsmöglichkeiten, Standortwahl etc.) sind zwar im bisherigen Entscheidungsprozess der Gesellschaft mit Blick auf die generelle Machbarkeit vorgeprüft worden, sollen aber erst bei einem positiven Votum des Kreistages konkretisiert werden. Wegen der absehbaren Verfahrensdauer (Entwicklung des Vergabekonzeptes, erforderliche Planungsverfahren etc.) ist die Grundsatzentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt geboten.

 

 

III.                  Alternativen

 

Ausschreibung der Verwertung des unbehandelten Bioabfalls im Rahmen eines Dienst-leistungsvertrages s.o.

 

 

IV.        Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

 

Die Umsetzung der Arbeiten erfolgt im Rahmen der vertraglichen Regelungen durch die Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH. Die Kosten der Bioabfallaufbereitung werden über die Abfallgebühren refinanziert. Die erwähnte Machbarkeitsstudie geht davon aus, dass die zukünftige Bioabfallverwertung auch incl. einer vorgeschalteten Vergärung zu einer deutlichen Kostenreduktion führen wird. Die Kosten lassen sich erst dann prognostizieren, wenn weitere Einzelheiten wie die Standortwahl und das Betriebsmodell feststehen.

 

V.         Zuständigkeit

 

Gemäß § 26 KrO ist der Kreistag für die Entscheidung zuständig.

Anlagen:

 

 

Informationen zur Variante Vergärung mit anschließender Kompostierung

 

 

Die Vergärung von Bioabfällen zur Erzeugung von Biogas setzt sich mehr und mehr durch. Hierbei werden die Bioabfälle unter Luftabschluss ohne Sauerstoff in Reaktoren bzw. Fermentern vergoren. Die im Anschluss an die Vergärung verbleibenden Gärreste werden kompostiert. Neben den erheblichen Mengen an Biogas entsteht vergleichbar den ausschließlichen Kompostierungsverfahren ein als Düngemittel einsetzbarer Kompost.

 

Das Biogas soll zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden und ersetzt somit fossile Energieträger bzw. reduziert CO2-Emissionen. Die Verstromung kann sowohl in einem BHKW im Umfeld der Bioabfallvergärungsanlage als auch nach Aufbereitung in Erdgasqualität und Einspeisung in das Erdgasnetz bei entfernter liegenden Nutzern erfolgen. Für die Nutzungsoptimierung sowohl in ökologischer wie auch ökonomischer Sicht ist eine gekoppelte Strom- und Wärmeproduktion bzw. -nutzung erforderlich.

 

Die wirtschaftliche Grundlage für die Biogasnutzung stellt das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien dar. Danach können unter bestimmten Voraussetzungen Vergütungen vom Netzbetreiber erlangt werden. Dieses ist eine Grundvergütung, der Technologie-Bonus und der KWK- Bonus. Die juristische Überprüfung der Voraussetzungen ist nach Festlegung des gewählten Biogasnutzungsverfahrens sinnvoll, um die Erlösseite abzusichern.

 

Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden zwei Verfahrensalternativen (Batch- bzw. Pfropfenstromverfahren) zur Biogaserzeugung und deren Umsetzung in wirtschaftlicher Hinsicht und der räumlichen Möglichkeiten am Standort der Deponie Coesfeld-Höven untersucht. Um eine möglichst ergiebige Biogaserzeugung zu erhalten wurde als Ansatz die Vergärung der gesamten Bioabfallmengen (Vollstromvergärung) aus Haushalten im Kreis Coesfeld gewählt. Die am Standort vorhandene Infrastruktur und die Anlagen wie BHKW und Sickerwasserbehandlungsanlage sollten bezüglich eventueller Synergieeffekte einbezogen werden.

 

 

Batchverfahren

 

Beim Batchverfahren handelt es sich um eine diskontinuierliche Betriebsweise im mesophilen Temperaturbereich (ca. 30 – 40 °C). In einer geschlossenen Annahmebox werden die Bioabfälle angenommen und bis zur Fermenterbefüllung zwischengelagert. Mittels Radladern erfolgt die Befüllung der Fermenter.  Nach einer aktiven Belüftung in den ersten 24 Stunden folgt die Animpfung mit anaeroben Bakterienmassen aus der Berieselung mit rückgeführtem Sickerwasser (Perkolat), so dass die Fermentation beginnen kann. Zur Temperierung werden die Fermenterhülle und das Perkolat beheizt. Das entstehende Gas wird erfasst und zur Nutzung abgeleitet.

Nach ca. 3 bis 4 Wochen Verweilzeit wird die Berieselung eingestellt und durch intensive Belüftung des Gärsubstrates endet der Fermentationsprozess. Zur Geruchsreduzierung und Trocknung für den Transport wird der Gärrest einer Aerobisierungsbox zugeführt. Nach ca. einer Woche erfolgt der Abtransport zur anschließenden Kompostierung.

Die Fermenter sind technisch gasdicht ausgebildet.  Die Abluft des gesamten Rangierbetriebes in den Hallen wird erfasst und einer Abluftbehandlung zugeführt.

 

 

Pfropfenstromverfahren

 

Beim Pfropfenstromverfahren handelt es sich um eine kontinuierliche Betriebsweise im thermophilen Temperaturbereich (ca. 50 – 60 °C). Der in einer geschlossenen Halle zerkleinert und gesiebte Bioabfall wird auf ein Bunkerband aufgegeben und automatisch pfropfenartig in den Fermenter gefördert. Die als gasdichte Stahlbetonbauwerke ausgebildeten Reaktoren sind mit Rührwerken ausgestattet, die kontinuierlich das Substrat befördern und letztendlich wieder austragen. Nach einer Entwässerung folgt ein ca. 3 tägiger Aufenthalt in einer Aerobisierungsbox, bevor der Gärrest zur Kompostierung weitertransportiert werden kann.

 

Die Reaktoren sind technisch gasdicht ausgebildet.  Die Abluft des gesamten Rangierbetriebes in den Hallen wird erfasst und einer Abluftbehandlung zugeführt.

 

Im Ergebnis sind beide Verfahren vergleichbar, wobei das Batch-Verfahren kostengünstiger ist und beim Pfropfenstromverfahren gegebenenfalls große Mengen an flüssigen Gärresten anfallen können. Die Verweildauer in den Fermentern liegt bei beiden Verfahren im Bereich von 3 – 4 Wochen. Durch die intensivere Vergärung des Pfropfenstromverfahrens reduziert sich in diesem Fall der feste Gärrest, der jedoch mit Strukturmaterial für die weitere Kompostierung vermischt werden muss. Eine umfangreiche Vermischung mit frischen Bioabfällen kann auch den flüssigen Gärrest auffangen.

 

 

Klimaauswirkungen

 

Das Einsparpotential fossiler Energieträger wird je nach Verfahren mit 2,2 bis 2,6 Mio. Liter Heizöl/a bzw. einer CO2 Emissionseinsparung von 5.000 bis 6000 Mg/a angenommen. Je Gewichtstonne Bioabfall Input wird von einer Rohbiogasproduktion in Höhe von 90 bis 115 Nm³ ausgegangen.

 

 

Zulassungsvoraussetzungen

 

Die Genehmigung der Biovergärungsanlage erfolgt entsprechend der 4. BImSchV (Nr. 8.6 bzw. 8.5 Spalte 1). Es ist ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich. Die Genehmigungsfrist für die Genehmigungsbehörde liegt bei 7 Monaten nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen.

 

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist erforderlich.