Betreff
Papierloser Sitzungsdienst
Vorlage
SV-8-0568
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Ab dem 01.01.2012 werden die Niederschriften aller Gremien des Kreises Coesfeld als Einstieg in den papierlosen Sitzungsdienst nur noch über das Kreistagsinformationssystem digital zur Verfügung gestellt, es sei denn, die Papierform wird ausdrücklich gewünscht. Zielsetzung bleibt die Einführung eines papierlosen Sitzungsdienstes ab der nächsten Wahlperiode.

Begründung:

 

I.   Problem

Allgemeines:

Unter dem 23.09.2011 beantragte die FDP-Kreistagsfraktion für die Sitzung des Kreistages am 12.10.2011 die Verwaltung aufzufordern zu prüfen, inwiefern die politischen Gremien im Kreis Coesfeld zukünftig “papierlos“ arbeiten können. Die Prüfung sollte dabei die rechtlichen Voraussetzungen/Rahmenbedingungen sowie die Machbarkeit und Erfahrungen anderer Kommunen beinhalten. Es ist zu beachten, dass Mitgliedern aller Gremien eine Wahlmöglichkeit (konventionell oder digital) erhalten bleiben sollte. Ebenfalls zu skizzieren sind die ungefähren Kosten einer Umsetzung bzw. die nach einer möglichen Umsetzung zu erwartenden Einsparungen. Zudem wird die Verwaltung gebeten den Kreistag darüber zu informieren, inwiefern in der Verwaltung selbst (weitere) Arbeitsabläufe „papierlos“ abgewickelt werden können.

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 12.10.2011 den vorstehenden Antrag einstimmig beschlossen.

 

Rechtliche Einordnung:

Die Form der Einladung des Kreistages zur Sitzung ist gesetzlich nicht geregelt; vielmehr überlässt § 32 Abs. 2 Satz 1 KrO NRW diese Frage der Geschäftsordnung. Vor diesem Hintergrund sehen die Geschäftsordnungen regelmäßig die schriftliche Form vor. So auch die Geschäftsordnung des Kreistages des Kreises Coesfeld vom 28.10.2009 (§ 1 Abs. 1). Fraglich erscheint angesichts der Regelung des § 3a VwVfG NRW, ob eine in der Geschäftsordnung vorgesehene Schriftform durch elektronische Form ersetzbar ist. Soweit in der Geschäftsordnung die Schriftform vorgesehen ist, genügt diesem Erfordernis eine Übermittlung in elektronischer Form nur, wenn nach § 3a Abs. 1 VwVfG NRW das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde und sowohl der Landrat als auch das Kreistagsmitglied gem. § 3a Abs. 1 VwVfG NRW hierfür einen Kommunikationszugang eröffnet haben. Bei Kreistagsmitgliedern muss diese Bereitschaft zur Zugangseröffnung zur elektronischen Kommunikation i.S.d. § 3a Abs. 1 VwVfG NRW ausdrücklich erklärt werden, da diese insoweit privaten Nutzern gleichzusetzen sind und für die Gruppe der privaten Nutzer im Rahmen des § 3a Abs. 1 VwVfG NRW anerkannt ist, dass eine konkludente Eröffnung des Zugangs für die elektronische Kommunikation nicht ausreichend ist. Damit ist der wirksame Zugang der Ladung in der Form des § 3a Abs. 2 VwVfG NRW gegen den Willen des Kreistagsmitglieds nicht möglich.

Auch ein freiwilliger Verzicht der Kreistagsmitglieder auf ein durch Geschäftsordnung angeordnetes Schriftformerfordernis – z.B. wenn ein Kreistagsmitglied Einladung und Sitzungsunterlagen nur per E-Mail erhalten möchte – ist wegen der Folgen eines Verstoßes gegen das Formerfordernis weder durch ausdrückliche Erklärung noch durch stillschweigende Billigung statthaft. Hier ist es vorzugswürdig, eine Klarstellung in die Geschäftsordnung aufzunehmen, dass die schriftliche Ladung (mit Zustimmung der Kreistagsmitglieder) durch eine elektronische Ladung ersetzt werden kann. Bei Aufnahme einer solchen Öffnungsregelung für die Einladung in elektronischer Form bedarf es auch nicht mehr zwingend dem Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur.

Zu weit würde es jedoch gehen, wenn eine Geschäftsordnung zwingend die elektronische Form für die Ladung vorgeben würde. Trotz weiter Verbreitung des Internets und der Kommunikation per E-Mail kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Kreistagsmitglieder über diese technischen Zugangsmöglichkeiten verfügen. Daher würde eine ausnahmslose Übersendung von Ladungen in elektronischer Form gegen das Recht auf freie Mandatsausübung und den Gleichbehandlungsgrundsatz (gleicher Informationszugang) verstoßen. Es muss daher bis auf weiteres für Kreistagsmitglieder (zumindest auf deren Verlangen) noch die Möglichkeit eröffnet bleiben, schriftlich geladen zu werden.

Bei Teilnahme an einem elektronischen Kreistagsinformationssystem ist weiterhin die Frage der Kostenbelastung der Kreistagsmitglieder in der Geschäftsordnung zu klären. Die pauschalierte Aufwandsentschädigung nach § 30 Abs. 6 KrO NRW i.V.m. der EntschVO berücksichtigt jedenfalls bislang noch nicht Kosten, die durch eine Verlagerung von Druckkosten von der Kreisverwaltung auf die Kreistagsmitglieder entstehen, und erst recht nicht die notwendigen Anschaffungskosten für die zum Empfang der Daten notwendige Computerausstattung (Kommentar zur Kreisordnung NRW HELD/BECKER/KIRCHHOF/WANSLEBEN u.a. zu § 32 Ziffer 1.2 Seite 2 bzw. KLEERBAUM/PALMEN zu § 32 Ziffer 3 Buchstabe a), Seite 380).

Nach einer Internet-Recherche wird für den papierlosen Sitzungsdienst den Kreistagsmitgliedern des Landkreises Lüneburg z.B. eine monatliche Kostenpauschale von 20 € ausgezahlt. Der Kreis Segeberg zahlt eine Entschädigungspauschale von 30 € für Kreistagsabgeordnete und für „bürgerliche“ Mitglieder 15 €.

 

Kostenermittlung:

Eine seitens der Verwaltung durchgeführte Ermittlung der Sitzungsdienstaufwendungen (Papier, Druckkosten, Porto, Material) – ohne Sonderdrucke wie z.B. Produkthaushalt, Jahresabschlussbericht – bezogen auf die Referenzperiode 2010 ergab einen Kostenaufwand je Kreistagsabgeordneten von jährlich 178,07 €. Hochgerechnet auf eine Wahlperiode ergeben sich somit Gesamtkosten in Höhe von 890,35 €. Bei derzeit 54 Kreistagsabgeordneten macht dies Gesamtkosten in Höhe von 48.078,90 € aus.

 

Vorgehensweise anderer Kommunen:

Eine telef. Abfrage zur Vorgehensweise bei den Kreisen Borken, Steinfurt und Warendorf sowie bei den Städten Coesfeld und Dülmen ergab folgendes Bild:

 

Kreis Borken

Einladungen mit den Sitzungsvorlagen und die Niederschriften für alle Gremien werden noch in gedruckter Form erstellt und übersandt. Eine digitale Übersendung ist beim Kreis Borken zurzeit kein Thema.

 

Kreis Steinfurt

Wie beim Kreis Borken werden auch beim Kreis Steinfurt Einladungen mit den Sitzungsvorlagen und die Niederschriften aller Gremien noch in gedruckter Form erstellt und übersandt. Eine digitale Zurverfügungstellung wird zurzeit nicht thematisiert.

 

Kreis Warendorf

Einladungen mit den Sitzungsvorlagen werden weiterhin gedruckt und den Gremienmitgliedern übersandt. Dagegen werden die Niederschriften aller Gremien seit Anfang 2011 nur noch digital eingestellt.

 

Stadt Coesfeld

Wie beim Kreis Warendorf werden bei der Stadt Coesfeld Einladungen mit den Sitzungsvorlagen gedruckt und den Gremienmitgliedern übersandt. Seit Mitte 2011 werden dagegen die Niederschriften aller Gremien nur noch digital zur Verfügung gestellt, es sei denn, die Papierform wird ausdrücklich gewünscht. Von einer gedruckten Ausfertigung machen zurzeit noch 4 Ratsmitglieder Gebrauch.

 

Stadt Dülmen

Zurzeit werden Einladungen mit den Sitzungsvorlagen und die Niederschriften für alle Gremien noch gedruckt und übersandt.

 

Für alle Verwaltungen gilt, so auch für den Kreis Coesfeld, dass die Kreistags- bzw. Ratsmitglieder die Möglichkeit haben, sich im Rahmen des elektronischen Zugriffs per Rats- bzw. Kreistagsinformationssystem (Session) über Einladungen, Sitzungsvorlagen und Niederschriften zu informieren bzw. die Vorgänge einzusehen und im Bedarfsfall auch die Unterlagen ausdrucken zu lassen.

 

„Papierlose“ Arbeitsabläufe in der Kreisverwaltung:

Die Kreisverwaltung Coesfeld führt derzeit ein Dokumentenmanagementsystem ein. Hierdurch soll ein transparentes, digitales Informations- und Dokumentenmanagement ermöglicht werden. Bereits jetzt testen fünf Abteilungen der Kreisverwaltung die elektronische Aktenverwaltung. Diese soll nach Abschluss der Testphase sukzessive auf die Gesamtverwaltung ausgebreitet werden. Ebenfalls sollen zukünftig Arbeitsabläufe automatisiert im Dokumentenmanagementsystem abgewickelt werden und so dauerhaft auch papierlose Arbeitsabläufe ermöglichen. Durch eine automatische Rechnungseingangsbearbeitung in der Abteilung 53 – Untere Gesundheitsbehörde ermöglicht das Dokumentenmanagementsystem beispielsweise derzeit bereits eine Entlastung bei der Eingabe von Rechnungsdaten. Zusammenfassend hat die Kreisverwaltung mit der Anschaffung des Dokumentenmanagement-systems den Grundstein dafür gelegt, dauerhaft papierärmer zu arbeiten. Dieses betrifft sowohl die elektronische Aktenverwaltung als auch die dauerhafte Abbildung von elektronischen Geschäftsprozessen.

II.  Lösung

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen wird seitens der Verwaltung vorgeschlagen, die Einladungen mit den Sitzungsvorlagen den Gremienmitgliedern weiterhin in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen. Dagegen werden die Niederschriften aller Gremien ab 01.01.2012 als Einstieg in den papierlosen Sitzungsdienst nur noch über den Zugang zum Kreistagsinformationssystem digital zur Verfügung gestellt, es sei denn, die Papierform wird ausdrücklich gewünscht. Die weitere rechtliche und technische Entwicklung bleibt abzuwarten. Zielsetzung bleibt die Einführung eines papierlosen Sitzungsdienstes ab der nächsten Wahlperiode.

Insbesondere hinsichtlich des Formerfordernisses und der einzuhaltenden Einladungsfristen wird zurzeit noch von einer umfänglichen digitalen Umsetzung abgesehen. Die Behandlung der Niederschriften ist nach dem Kommunalverfassungsrecht dagegen unproblematischer.

 

III. Alternativen

a)        Es bleibt beim bisherigen gedruckten Einladungs- und Unterlagenversand. Auch die Niederschriften werden weiterhin in gedruckter Form übersandt.

b)        Zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird das bisherige Drucksachverfahren vollumfänglich über den elektronischen Sitzungsdienst abgelöst.

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Nach dem bisherigen Drucksachverfahren belaufen sich die Aufwendungen pro Kreistagsabgeordneten auf jährlich 178,07 €. Unter Berücksichtigung zu zahlender Kostenpauschalen bleiben bei einer umfänglichen digitalen Umsetzung keine Einsparungen. Sollte dagegen die Zahlung einer Kostenpauschale nicht beabsichtigt sein, so müssten jedem Kreistagsabgeordneten zumindest ein Laptop zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten hierfür belaufen sich bei 54 Kreistagsabgeordneten und einem angenommenen Stückpreis von 300 € auf 16.200 €.

Sofern zunächst jedoch nur auf die Bereitstellung der Niederschriften in Papierform verzichtet werden würde, ergäben sich Einsparungen in Höhe von 81,60 € je Kreistagsabgeordneten jährlich.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW i.V.m. § 36 KrO NRW ist der Kreistag für die Entscheidung zuständig.