Beschlussvorschlag:
Alternative a:
Der Kreis Coesfeld verzichtet auf
einen Antrag auf Wiederzulassung des in der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV)
als „auslaufend“ bestimmten Kfz-Kennzeichens LH.
Alternative b:
Der Landrat wird beauftragt, beim
Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes NRW
einen Antrag zu stellen, wonach für den Verwaltungsbezirk Kreis Coesfeld neben
dem aktuellen Kfz-Kennzeichen COE auch das in der Fahrzeug-Zulassungsverordnung
(FZV) als „auslaufend“ bestimmte Kfz-Kennzeichen LH wieder ausgegeben werden
darf.
Begründung:
I. Problem
Gestützt auf Untersuchungen der Hochschule Heilbronn hat die
Verkehrsministerkonferenz der Länder im April 2011 beschlossen, die
Wiedereinführung von auslaufenden Kfz-Kennzeichen durch eine Änderung der
Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung
- FZV) möglich zu machen. Auf Bitten der Verkehrsministerkonferenz bereitet das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) voraussichtlich
noch im Frühjahr 2012 eine Änderung der FZV vor. Damit soll ermöglicht werden,
dass die in Nummer 2 der Anlage 1 zur FZV aufgeführten sog. „auslaufenden“
Unterscheidungskennzeichen wieder zugeteilt werden dürfen. Das BMVBS plant eine
Regelung einzuführen, wonach auf Antrag in einem Verwaltungsbezirk sowohl die
aktuellen als auch die als „auslaufend“ bestimmten Unterscheidungszeichen in
dem Verwaltungsbezirk ausgegeben werden dürfen.
Der für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr
zuständige NRW-Minister Voigtsberger hat seine zunächst ablehnende Haltung zu
der geplanten Änderung inzwischen aufgegeben. Mit Erlass vom 19. Januar 2012,
eingegangen am 23. Januar 2012, bittet Minister Voigtsberger den Kreis Coesfeld
um eine Rückäußerung bis zum 16. März 2012. Soweit der Kreis Coesfeld einen
entsprechenden Antrag stellt, käme nach der notwendigen Änderung der FZV neben
dem aktuellen Unterscheidungszeichen COE (Kreis Coesfeld) auch das
Unterscheidungszeichen LH (für den früheren Kreis Lüdinghausen) wieder in
Frage. Die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Coesfeld hätten dann in Zukunft bei
der Zulassung eines Fahrzeuges unabhängig vom Wohnort innerhalb des Kreises
Coesfeld die freie Wahl zwischen diesen beiden Unterscheidungszeichen.
II. Lösung
Es ist zu entscheiden, ob der Kreis Coesfeld einen entsprechenden
Antrag stellt. Dabei sind die Punkte zu berücksichtigen, die für und die gegen
die Wiedereinführung des Alt-Kennzeichens allgemein und des Alt-Kennzeichens LH
im besonderen sprechen.
Allgemeine Punkte:
Argumente für die Wiedereinführung von Altkennzeichen:
Nach Berichten und Informationen aus verschiedenen Quellen haben
sich schon über 125 deutsche Städte aus allen Teilen der Bundesrepublik durch
Stadtratsbeschlüsse, die Unterzeichnung von gemeinsamen Erklärungen oder
entsprechender Anträge an die Landesverkehrsminister für ihr altes Kennzeichen
ausgesprochen, weil sie damit eine kostenlose Marketingchance verbinden.
Vorausgegangen waren Untersuchungen der Hochschule Heilbronn, die in 111
Städten mit über 25.000 persönlichen Interviews die Menschen zu ihren Wünschen
für das Kfz-Kennzeichen befragte. Prof. Dr. Ralf Bochert, der Leiter der
Studie, berichtet von den Ergebnissen: „Mehr als 73 Prozent der Menschen wollen
die alten Kürzel zurück. Überraschend ist dabei, dass die jüngste Altersgruppe
der 16- bis 30-Jährigen das Vorhaben mit 73 Prozent genauso deutlich begrüßt.
So nebensächlich die Thematik zu sein scheint: Den meisten Menschen ist es gar
nicht so unwichtig, was sie mit ihrem Nummernschild am Auto repräsentieren“,
sagt Bochert.
Dass die Politik offensichtlich auf den Wunsch der Menschen
reagiert, kommentiert der Heilbronner Wissenschaftler: „Es ist eine sehr
bürgerfreundliche und damit begrüßenswerte Haltung. Die Vergabe mehrerer
Kfz-Kennzeichen in einem Landkreis ist technisch ohne weiteres und ohne
zusätzliche Kosten möglich. Dieses Modell ist ein Königsweg für die Landkreise,
weil einerseits die großen Verwaltungseinheiten nicht infrage gestellt werden,
man aber andererseits dem Wunsch der Menschen nach einer kleinräumigeren
Identifikation gerecht wird.“ Es sei davon auszugehen, dass die Altkennzeichen
als Wunschkennzeichen zukünftig für den gesamten Landkreis wählbar seien;
dadurch werde also kein Bürger gezwungen, auf das jetzige Kennzeichen zu
verzichten, wenn er dies vorziehe.
Argumente gegen die Wiedereinführung von Alt-Kennzeichen:
Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich gegen die
Wiedereinführung der Altkennzeichen aus. Als Gründe gegen die Wiedereinführung
führt der Landkreistag Nordrhein-Westfalen (LKT NRW) u.a. aus, dass die
Verbesserung der Vermarktungspotentiale der befürwortenden Kommunen – also der
ehemaligen Kreisstädte – mit einer Verschlechterung der Marketingstrategien der
jeweils betroffenen Kreise und kreisfreien Städte einher gehen dürfte. Das
identitätsstiftende, oftmals für Logos u.ä. verwendete Kennzeichen würde diese
Wirkung verlieren.
Darüber hinaus wäre die Öffnung der Unterscheidungskennzeichen
für Alt-Kennzeichen früherer Zulassungsbezirke aus polizeilicher und
ordnungsrechtlicher Sicht problematisch, weil durch eine Ausweitung der
möglichen Kennzeichen eine schnellere Wiedererkennbarkeit und Zuordnung durch Zeugen
oder Polizeibeamte im Straßenverkehr deutlich erschwert würde. Hier stellen die
heute bestehenden 53 Unterscheidungszeichen in NRW eine hinreichend bekannte
und bewährte Größenordnung dar.
Der LKT NRW gibt ferner zu bedenken, dass die Gebietsreformen
der 1960er und 1970er Jahre nicht nur zu einigen wenigen, häufig im Mittelpunkt
der öffentlichen Wahrnehmung stehenden Gebietsänderungen geführt haben, sondern
die überwiegende Zahl der Kreise und ein Teil der kreisfreien Städte in ihren
Grenzen durch Fusionen, Neubildungen oder Gebietsübergänge wesentlich geändert
oder zum Teil vollständig neu geschaffen wurden. Nachdem sich in einer mitunter
schwierigen und teilweise noch nicht abgeschlossenen Entwicklung seit den
Gebietsreformen vor über 35 Jahren neue Kreis- und Stadtidentitäten gebildet
haben, würden diese durch die Wiedereinführung auslaufender Kfz-Kennzeichen in
Frage gestellt. Der LKT NRW sorgt sich, dass aus Anlass der Wiedereinführung
auslaufender Kfz-Kennzeichen von interessierter Seite weitergehende Forderungen
nach einer Rückgängigmachung einzelner Maßnahmen früherer Gebietsreformen
erhoben und damit vor Ort mittlerweile überwunden geglaubte Konflikte und
Ressentiments neu entfacht werden.
Eine solche Entwicklung kann weder im Interesse der betroffenen
Kommunen noch im übergeordneten Interesse des Landes liegen, zumal es nicht
nachvollziehbar wäre, seitens des Landes weiterhin mit guten Gründen für eine
Bündelung kommunaler Ressourcen zu werben und zugleich dem Wiederaufleben
überwiegend emotional begründeter Vorbehalte gegenüber kommunalen
Neugliederungen Vorschub zu leisten.
Situation im Kreis Coesfeld
Im Kreis Coesfeld kommt als Alt-Kennzeichen das Kfz-Kennzeichen
des früheren Kreises Lüdinghausen „LH“ in Frage.
Bezogen auf das frühere LH-Kennzeichen für den damaligen Kreis
Lüdinghausen ist bekannt, dass eine Wiedereinführung in der Stadt Lüdinghausen
befürwortet wird. Insbesondere der Bürgermeister der Stadt Lüdinghausen
unterstützt die Initiative. Er gehört auch zu den Unterzeichnern einer
Resolution, die 19 Städte Minister Voigtsberger im Dezember 2011 übergeben
haben. Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Lüdinghausen hat am 22.06.2011
einstimmig die Bestrebungen zur Kennzeichenliberalisierung begrüßt und sich für
die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens ausgesprochen. Der Verein
„Lüdinghausen Marketing e.V.“ hat sich in einem Schreiben vom 20.06.2011
ebenfalls für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens eingesetzt.
Nach dem Ergebnis der Befragung durch die Hochschule Heilbronn am 07.05.2010 in
Lüdinghausen haben sich 62 % der Befragten (217 Personen, davon 195 aus der
Stadt Lüdinghausen und 22 Personen aus dem Altkreis Lüdinghausen) für die
Wiedereinführung ausgesprochen, keine Meinung hatten 21 %, mit „Nein“ votierten
17 %.
Würde das LH-Kennzeichen in der FZV als weiteres Kennzeichen für
die Zulassungsbezirk Kreis Coesfeld wieder eingeführt, so stünde – soweit
bisher bekannt - das LH-Kennzeichen neben dem COE-Kennzeichen gleichberechtigt
zur Verfügung. Allein der Wunsch nach einem LH-Kennzeichen wäre demnach nicht
als Antrag auf ein sog. „Wunschkennzeichen“ mit entsprechender Gebührenerhebung
verbunden. Technisch kann die Kfz-Zulassungsstelle beide Kennzeichen
verarbeiten, da bereits jetzt für nach wie vor vorhandene Fahrzeuge
LH-Kennzeichen verwaltet werden.
Noch nicht geklärt ist, ob mit dem vorhandenen Programm die
Auswahl und die Reservierung von Wunschkennzeichen im Internet auch für
LH-Kennzeichen möglich ist. Voraussichtlich wird dazu ein zusätzliches
Programm-Modul erforderlich sein, dessen Kosten nicht bekannt sind.
Nach einer Wiedereinführung des LH-Kennzeichens könnte dieses
Kennzeichen für alle im Kreis Coesfeld zugelassenen oder noch zuzulassenden
Fahrzeuge zugeteilt werden, unabhängig vom Wohnort des Fahrzeughalters im
Kreisgebiet.
Von den am 31.12.2011 insgesamt zugelassenen 174.432 Fahrzeugen
sind 19.093 Fahrzeuge auf Halter aus der Stadt Lüdinghausen registriert.
Bei einer Umkennzeichnung (ein erteiltes COE-Kennzeichen soll
gegen ein LH-Kennzeichen getauscht werden) werden nach der Gebührenordnung
folgende Gebühren fällig:
-
Änderung der Erkennungsnummer 26,30
EUR
-
Eventuell Wunschkennzeichen 10,20
EUR
-
Ggfls. neuer Fahrzeugbrief 3,60 EUR
-
Ggfls Austausch alter Unterlagen 8,70 EUR
Hinzu kommen noch die Kosten für neue Kennzeichen (zw. ca. 10
und 30 EUR).
Wie viele der zugelassenen Fahrzeuge nach einer Zulassung des
LH-Kennzeichens tatsächlich „umgekennzeichnet“ werden ist nur schwer
abzuschätzen.
Argumente für die Wiedereinführung des
LH-Kennzeichens:
Die Stadt Lüdinghausen sieht – so die Begründung in einer
Sitzungsvorlage für den Haupt- und Finanzausschuss - auf der Grundlage der
Befragung der Hochschule Heilbronn einen deutlich artikulierten Bürgerwillen
für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens. Die damit verbundenen
Marketingvorteile sind ausschlaggebend gewesen, das Thema weiter zu verfolgen.
Kennzeichen mit spezifischem Ortsbezug leisten einen ganz wesentlichen Beitrag
zur Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Heimatstadt und stärken
gleichzeitig die Außendarstellung der Stadt. Durch die enorme Präsenz von
Kfz-Kennzeichen und Wahrnehmung kommt es zu einem hohen Bekanntheitsgrad des
Symbols und damit der namensgleichen Stadt. Unter Kosten-Nutzen-Aspekten ist das
Kfz-Kennzeichen dabei unschlagbar günstig, da die Träger des Symbols dessen
Verbreitung selbst finanzieren und für die Stadt keine weiteren Kosten
entstehen.
Argumente gegen die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens
Die Kreisneugliederung mit der Schaffung des neuen Kreises
Coesfeld vor mehr als 36 Jahren war mit erheblichen Bemühungen um die
Integration aller Teile zum neuen Kreis Coesfeld verbunden. Durch das
Wiederaufleben des LH-Kennzeichens, das selbst „nur“ rund 25 Jahre ausgegeben
wurde – würde ein nach inzwischen 36 Jahren flächendeckend erreichtes
einheitliches Identifikationsmerkmal aufgegeben.
Die genannten Marketing-Argumente für das LH-Kennzeichen
betreffen in erster Linie nur eine von elf Städten und Gemeinden im
Kreisgebiet.
Neben der Kfz-Kennzeichnung mit COE ist dieses Zeichen auch
darüber hinaus für den Kreis als Ganzes ein Identifizierungsmerkmal. So wird
das COE-Zeichen vielfach in grafischen Darstellungen auf Karten u.ä. verwendet.
Auch das Logo des Kreises ist letztlich auf das COE-Zeichen zurückzuführen.
Damit kann das LH-Kennzeichen (in erster Linie als Zeichen für die Stadt
Lüdinghausen) gleichzeitig als Zeichen gegen die COE-Kennung angesehen werden.
Andere Kommunen können nicht auf die „alten“ Kennzeichen
zurückgreifen. Soweit bekannt, wäre auch der Zugriff für früher zum Kreis
Lüdinghausen gehörende Kommunen, die jetzt nicht dem Kreis Coesfeld angehören
wie z.B. Selm oder Drensteinfurt nicht möglich. Auch die Kfz-Halter aus dem
ehemaligen Kreis Münster in den Gemeinden Havixbeck und Nottuln und teilweise
Senden könnten zwar das LH-Zeichen erhalten, nicht aber „ihr“ ehemaliges „MS“.
Genauso können Halter aus Gescher, jetzt Kreis Borken, nicht auf das
COE-Zeichen zurückgreifen.
Es erscheint auch nicht logisch, dass Kfz-Besitzer künftig das
LH-Kennzeichen wählen könnten, obwohl sie in einer Gemeinde wohnen, die nie zum
früheren Kreis Lüdinghausen gehörte (z.B. Nottuln, Dülmen etc.)
Weiter ist bei Betrachtung des Umfrageergebnisses zu bedenken,
dass die Umfrage nur in der Stadt Lüdinghausen durchgeführt wurde. Unabhängig
von der Frage, ob das Ergebnis als repräsentativ angesehen werden kann, ist die
Wahrscheinlichkeit groß, dass bei einer Umfrage im gesamten Kreisgebiet das
Ergebnis deutlich anders ausgesehen hätte.
Bewertung:
Bei der Abwägung aller Argumente überwiegen aus Sicht der
Verwaltungsleitung des Kreises Coesfeld die Argumente für die Beibehaltung
eines für den Kreis Coesfeld einheitlichen Kfz-Kennzeichens.
III. Alternativen
Die beiden möglichen Alternativen sind im Beschlussvorlag als
Alternative a) und Alternative b) dargestellt.
IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)
Siehe obige Ausführungen
V. Zuständigkeit für die Entscheidung
Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 S. 2 KrO NRW für diese Entscheidung zuständig.