Betreff
Wiedereinführung von Altkennzeichen im Kfz-Zulassungsbezirk Kreis Coesfeld
Vorlage
SV-8-0621
Art
Sitzungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Alternative a:

Der Kreis Coesfeld verzichtet auf einen Antrag auf Wiederzulassung des in der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) als „auslaufend“ bestimmten Kfz-Kennzeichens LH.


Alternative b:

Der Landrat wird beauftragt, beim Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes NRW einen Antrag zu stellen, wonach für den Verwaltungsbezirk Kreis Coesfeld neben dem aktuellen Kfz-Kennzeichen COE auch das in der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) als „auslaufend“ bestimmte Kfz-Kennzeichen LH wieder ausgegeben werden darf.

 

Begründung:

 

I.   Problem

Gestützt auf Untersuchungen der Hochschule Heilbronn hat die Verkehrsministerkonferenz der Länder im April 2011 beschlossen, die Wiedereinführung von auslaufenden Kfz-Kennzeichen durch eine Änderung der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) möglich zu machen. Auf Bitten der Verkehrsministerkonferenz bereitet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) voraussichtlich noch im Frühjahr 2012 eine Änderung der FZV vor. Damit soll ermöglicht werden, dass die in Nummer 2 der Anlage 1 zur FZV aufgeführten sog. „auslaufenden“ Unterscheidungskennzeichen wieder zugeteilt werden dürfen. Das BMVBS plant eine Regelung einzuführen, wonach auf Antrag in einem Verwaltungsbezirk sowohl die aktuellen als auch die als „auslaufend“ bestimmten Unterscheidungszeichen in dem Verwaltungsbezirk ausgegeben werden dürfen.

Der für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr zuständige NRW-Minister Voigtsberger hat seine zunächst ablehnende Haltung zu der geplanten Änderung inzwischen aufgegeben. Mit Erlass vom 19. Januar 2012, eingegangen am 23. Januar 2012, bittet Minister Voigtsberger den Kreis Coesfeld um eine Rückäußerung bis zum 16. März 2012. Soweit der Kreis Coesfeld einen entsprechenden Antrag stellt, käme nach der notwendigen Änderung der FZV neben dem aktuellen Unterscheidungszeichen COE (Kreis Coesfeld) auch das Unterscheidungszeichen LH (für den früheren Kreis Lüdinghausen) wieder in Frage. Die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Coesfeld hätten dann in Zukunft bei der Zulassung eines Fahrzeuges unabhängig vom Wohnort innerhalb des Kreises Coesfeld die freie Wahl zwischen diesen beiden Unterscheidungszeichen. 

 

 

II.  Lösung

Es ist zu entscheiden, ob der Kreis Coesfeld einen entsprechenden Antrag stellt. Dabei sind die Punkte zu berücksichtigen, die für und die gegen die Wiedereinführung des Alt-Kennzeichens allgemein und des Alt-Kennzeichens LH im besonderen sprechen.

 

Allgemeine Punkte:

 

Argumente für die Wiedereinführung von Altkennzeichen:

 

Nach Berichten und Informationen aus verschiedenen Quellen haben sich schon über 125 deutsche Städte aus allen Teilen der Bundesrepublik durch Stadtratsbeschlüsse, die Unterzeichnung von gemeinsamen Erklärungen oder entsprechender Anträge an die Landesverkehrsminister für ihr altes Kennzeichen ausgesprochen, weil sie damit eine kostenlose Marketingchance verbinden. Vorausgegangen waren Untersuchungen der Hochschule Heilbronn, die in 111 Städten mit über 25.000 persönlichen Interviews die Menschen zu ihren Wünschen für das Kfz-Kennzeichen befragte. Prof. Dr. Ralf Bochert, der Leiter der Studie, berichtet von den Ergebnissen: „Mehr als 73 Prozent der Menschen wollen die alten Kürzel zurück. Überraschend ist dabei, dass die jüngste Altersgruppe der 16- bis 30-Jährigen das Vorhaben mit 73 Prozent genauso deutlich begrüßt. So nebensächlich die Thematik zu sein scheint: Den meisten Menschen ist es gar nicht so unwichtig, was sie mit ihrem Nummernschild am Auto repräsentieren“, sagt Bochert.

Dass die Politik offensichtlich auf den Wunsch der Menschen reagiert, kommentiert der Heilbronner Wissenschaftler: „Es ist eine sehr bürgerfreundliche und damit begrüßenswerte Haltung. Die Vergabe mehrerer Kfz-Kennzeichen in einem Landkreis ist technisch ohne weiteres und ohne zusätzliche Kosten möglich. Dieses Modell ist ein Königsweg für die Landkreise, weil einerseits die großen Verwaltungseinheiten nicht infrage gestellt werden, man aber andererseits dem Wunsch der Menschen nach einer kleinräumigeren Identifikation gerecht wird.“ Es sei davon auszugehen, dass die Altkennzeichen als Wunschkennzeichen zukünftig für den gesamten Landkreis wählbar seien; dadurch werde also kein Bürger gezwungen, auf das jetzige Kennzeichen zu verzichten, wenn er dies vorziehe.

 

Argumente gegen die Wiedereinführung von Alt-Kennzeichen:

Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich gegen die Wiedereinführung der Altkennzeichen aus. Als Gründe gegen die Wiedereinführung führt der Landkreistag Nordrhein-Westfalen (LKT NRW) u.a. aus, dass die Verbesserung der Vermarktungspotentiale der befürwortenden Kommunen – also der ehemaligen Kreisstädte – mit einer Verschlechterung der Marketingstrategien der jeweils betroffenen Kreise und kreisfreien Städte einher gehen dürfte. Das identitätsstiftende, oftmals für Logos u.ä. verwendete Kennzeichen würde diese Wirkung verlieren.

Darüber hinaus wäre die Öffnung der Unterscheidungskennzeichen für Alt-Kennzeichen früherer Zulassungsbezirke aus polizeilicher und ordnungsrechtlicher Sicht problematisch, weil durch eine Ausweitung der möglichen Kennzeichen eine schnellere Wiedererkennbarkeit und Zuordnung durch Zeugen oder Polizeibeamte im Straßenverkehr deutlich erschwert würde. Hier stellen die heute bestehenden 53 Unterscheidungszeichen in NRW eine hinreichend bekannte und bewährte Größenordnung dar.

Der LKT NRW gibt ferner zu bedenken, dass die Gebietsreformen der 1960er und 1970er Jahre nicht nur zu einigen wenigen, häufig im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehenden Gebietsänderungen geführt haben, sondern die überwiegende Zahl der Kreise und ein Teil der kreisfreien Städte in ihren Grenzen durch Fusionen, Neubildungen oder Gebietsübergänge wesentlich geändert oder zum Teil vollständig neu geschaffen wurden. Nachdem sich in einer mitunter schwierigen und teilweise noch nicht abgeschlossenen Entwicklung seit den Gebietsreformen vor über 35 Jahren neue Kreis- und Stadtidentitäten gebildet haben, würden diese durch die Wiedereinführung auslaufender Kfz-Kennzeichen in Frage gestellt. Der LKT NRW sorgt sich, dass aus Anlass der Wiedereinführung auslaufender Kfz-Kennzeichen von interessierter Seite weitergehende Forderungen nach einer Rückgängigmachung einzelner Maßnahmen früherer Gebietsreformen erhoben und damit vor Ort mittlerweile überwunden geglaubte Konflikte und Ressentiments neu entfacht werden.

Eine solche Entwicklung kann weder im Interesse der betroffenen Kommunen noch im übergeordneten Interesse des Landes liegen, zumal es nicht nachvollziehbar wäre, seitens des Landes weiterhin mit guten Gründen für eine Bündelung kommunaler Ressourcen zu werben und zugleich dem Wiederaufleben überwiegend emotional begründeter Vorbehalte gegenüber kommunalen Neugliederungen Vorschub zu leisten.


Situation im Kreis Coesfeld

Im Kreis Coesfeld kommt als Alt-Kennzeichen das Kfz-Kennzeichen des früheren Kreises Lüdinghausen „LH“ in Frage.

Bezogen auf das frühere LH-Kennzeichen für den damaligen Kreis Lüdinghausen ist bekannt, dass eine Wiedereinführung in der Stadt Lüdinghausen befürwortet wird. Insbesondere der Bürgermeister der Stadt Lüdinghausen unterstützt die Initiative. Er gehört auch zu den Unterzeichnern einer Resolution, die 19 Städte Minister Voigtsberger im Dezember 2011 übergeben haben. Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Lüdinghausen hat am 22.06.2011 einstimmig die Bestrebungen zur Kennzeichenliberalisierung begrüßt und sich für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens ausgesprochen. Der Verein „Lüdinghausen Marketing e.V.“ hat sich in einem Schreiben vom 20.06.2011 ebenfalls für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens eingesetzt.


Nach dem Ergebnis der Befragung durch die Hochschule Heilbronn am 07.05.2010 in Lüdinghausen haben sich 62 % der Befragten (217 Personen, davon 195 aus der Stadt Lüdinghausen und 22 Personen aus dem Altkreis Lüdinghausen) für die Wiedereinführung ausgesprochen, keine Meinung hatten 21 %, mit „Nein“ votierten 17 %.

Würde das LH-Kennzeichen in der FZV als weiteres Kennzeichen für die Zulassungsbezirk Kreis Coesfeld wieder eingeführt, so stünde – soweit bisher bekannt - das LH-Kennzeichen neben dem COE-Kennzeichen gleichberechtigt zur Verfügung. Allein der Wunsch nach einem LH-Kennzeichen wäre demnach nicht als Antrag auf ein sog. „Wunschkennzeichen“ mit entsprechender Gebührenerhebung verbunden. Technisch kann die Kfz-Zulassungsstelle beide Kennzeichen verarbeiten, da bereits jetzt für nach wie vor vorhandene Fahrzeuge LH-Kennzeichen verwaltet werden.

Noch nicht geklärt ist, ob mit dem vorhandenen Programm die Auswahl und die Reservierung von Wunschkennzeichen im Internet auch für LH-Kennzeichen möglich ist. Voraussichtlich wird dazu ein zusätzliches Programm-Modul erforderlich sein, dessen Kosten nicht bekannt sind.

Nach einer Wiedereinführung des LH-Kennzeichens könnte dieses Kennzeichen für alle im Kreis Coesfeld zugelassenen oder noch zuzulassenden Fahrzeuge zugeteilt werden, unabhängig vom Wohnort des Fahrzeughalters im Kreisgebiet.

Von den am 31.12.2011 insgesamt zugelassenen 174.432 Fahrzeugen sind 19.093 Fahrzeuge auf Halter aus der Stadt Lüdinghausen registriert.

Bei einer Umkennzeichnung (ein erteiltes COE-Kennzeichen soll gegen ein LH-Kennzeichen getauscht werden) werden nach der Gebührenordnung folgende Gebühren fällig:

-          Änderung der Erkennungsnummer                            26,30 EUR

-          Eventuell Wunschkennzeichen                                  10,20 EUR

-          Ggfls. neuer Fahrzeugbrief                                           3,60 EUR

-          Ggfls Austausch alter Unterlagen                                 8,70 EUR

Hinzu kommen noch die Kosten für neue Kennzeichen (zw. ca. 10 und 30 EUR).

Wie viele der zugelassenen Fahrzeuge nach einer Zulassung des LH-Kennzeichens tatsächlich „umgekennzeichnet“ werden ist nur schwer abzuschätzen.

Argumente für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens:

Die Stadt Lüdinghausen sieht – so die Begründung in einer Sitzungsvorlage für den Haupt- und Finanzausschuss - auf der Grundlage der Befragung der Hochschule Heilbronn einen deutlich artikulierten Bürgerwillen für die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens. Die damit verbundenen Marketingvorteile sind ausschlaggebend gewesen, das Thema weiter zu verfolgen. Kennzeichen mit spezifischem Ortsbezug leisten einen ganz wesentlichen Beitrag zur Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Heimatstadt und stärken gleichzeitig die Außendarstellung der Stadt. Durch die enorme Präsenz von Kfz-Kennzeichen und Wahrnehmung kommt es zu einem hohen Bekanntheitsgrad des Symbols und damit der namensgleichen Stadt. Unter Kosten-Nutzen-Aspekten ist das Kfz-Kennzeichen dabei unschlagbar günstig, da die Träger des Symbols dessen Verbreitung selbst finanzieren und für die Stadt keine weiteren Kosten entstehen.

Argumente gegen die Wiedereinführung des LH-Kennzeichens

Die Kreisneugliederung mit der Schaffung des neuen Kreises Coesfeld vor mehr als 36 Jahren war mit erheblichen Bemühungen um die Integration aller Teile zum neuen Kreis Coesfeld verbunden. Durch das Wiederaufleben des LH-Kennzeichens, das selbst „nur“ rund 25 Jahre ausgegeben wurde – würde ein nach inzwischen 36 Jahren flächendeckend erreichtes einheitliches Identifikationsmerkmal aufgegeben.

Die genannten Marketing-Argumente für das LH-Kennzeichen betreffen in erster Linie nur eine von elf Städten und Gemeinden im Kreisgebiet.

Neben der Kfz-Kennzeichnung mit COE ist dieses Zeichen auch darüber hinaus für den Kreis als Ganzes ein Identifizierungsmerkmal. So wird das COE-Zeichen vielfach in grafischen Darstellungen auf Karten u.ä. verwendet. Auch das Logo des Kreises ist letztlich auf das COE-Zeichen zurückzuführen. Damit kann das LH-Kennzeichen (in erster Linie als Zeichen für die Stadt Lüdinghausen) gleichzeitig als Zeichen gegen die COE-Kennung angesehen werden.

Andere Kommunen können nicht auf die „alten“ Kennzeichen zurückgreifen. Soweit bekannt, wäre auch der Zugriff für früher zum Kreis Lüdinghausen gehörende Kommunen, die jetzt nicht dem Kreis Coesfeld angehören wie z.B. Selm oder Drensteinfurt nicht möglich. Auch die Kfz-Halter aus dem ehemaligen Kreis Münster in den Gemeinden Havixbeck und Nottuln und teilweise Senden könnten zwar das LH-Zeichen erhalten, nicht aber „ihr“ ehemaliges „MS“. Genauso können Halter aus Gescher, jetzt Kreis Borken, nicht auf das COE-Zeichen zurückgreifen.

Es erscheint auch nicht logisch, dass Kfz-Besitzer künftig das LH-Kennzeichen wählen könnten, obwohl sie in einer Gemeinde wohnen, die nie zum früheren Kreis Lüdinghausen gehörte (z.B. Nottuln, Dülmen etc.)

Weiter ist bei Betrachtung des Umfrageergebnisses zu bedenken, dass die Umfrage nur in der Stadt Lüdinghausen durchgeführt wurde. Unabhängig von der Frage, ob das Ergebnis als repräsentativ angesehen werden kann, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei einer Umfrage im gesamten Kreisgebiet das Ergebnis deutlich anders ausgesehen hätte.

Bewertung:

Bei der Abwägung aller Argumente überwiegen aus Sicht der Verwaltungsleitung des Kreises Coesfeld die Argumente für die Beibehaltung eines für den Kreis Coesfeld einheitlichen Kfz-Kennzeichens.

 

 

III. Alternativen

Die beiden möglichen Alternativen sind im Beschlussvorlag als

Alternative a) und Alternative b) dargestellt.

 

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Siehe obige Ausführungen

 

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Der Kreistag ist gem. § 26 Abs. 1 S. 2 KrO NRW für diese Entscheidung zuständig.