Betreff
Betrauung der Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH (wfc) mit Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse
Vorlage
SV-8-0622
Aktenzeichen
01.13.60-006
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.         Der Kreis Coesfeld bestätigt, dass die Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH (wfc) mit Sitz in Dülmen vom Kreis Coesfeld gemäß Art. 4 Entscheidung der Kommission 2005/842/EG vom 28.11.2005 mit der Wahrnehmung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist. Die Tätigkeit besteht darin, die soziale und wirtschaftliche Struktur des Kreises Coesfeld sowie seiner Städte und Gemeinden durch die Förderung des Wirtschaftslebens zu verbessern. Dies beinhaltet die Förderung

a)    der vorhandenen Gewerbe- und Industriebetriebe sowie der Fremdenverkehrseinrichtungen sowie

b)    der Ansiedlung von Gewerbe und Industrie sowie Fremdenverkehrseinrichtungen.

Insbesondere wird die wfc mit der Übernahme folgender Tätigkeiten betraut:

·       Förderung von Existenzgründungen

·       Förderung der Bestands- und Strukturentwicklung der ortsansässigen Wirtschaft

·       Förderung von Innovationen und des Technologietransfers

·       Förderung der Ansiedlung von Unternehmen / Standortmarketing (ohne Grundstücksgeschäfte)

·       Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Struktur des Kreises Coesfeld und seiner Städte und Gemeinden durch die Förderung des Wirtschaftslebens

·       Arbeitsmarktpolitik, u.a. Qualifizierungsförderung

Gemäß Art. 106 Absatz 2 AEUV in Verbindung mit Art. 2, 3 Entscheidung der Kommission 2005/842/EG sind die der wfc übertragenen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Damit sind die hierfür geleisteten Ausgleichszahlungen mit dem gemeinsamen Markt vereinbar und bedürfen keiner gesonderten Genehmigung der europäischen Kommission, soweit die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt werden.

2.         Die Aufgaben der allgemeinen Wirtschaftsförderung werden der wfc zunächst für zwei Jahre (bis 31.12.2013) übertragen. Die Betrauung mit den allgemeinen Aufgaben der Wirtschaftsförderung verlängert sich automatisch um weitere 10 Jahre, wenn der Kreis Coesfeld zum Ablauf des zweijährigen Übertragungszeitraums geprüft hat, ob die Voraussetzungen für die Übertragung dieser Aufgaben, die Parameter zur Berechnung der Ausgleichszahlungen sowie zur Vermeidung der Überkompensation den Anforderungen gem. des Beschlusses der Kommission vom 20.12.2011 über die Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AUEV auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichszahlungen zu Gunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, entsprechen.

Räumlich ist das Gebiet der Aufgabenwahrnehmung auf das Gebiet des Kreises Coesfeld beschränkt.

3.         Da die im Interesse des Gemeinwohls ausgeübte Tätigkeit der wfc nicht kostendeckend ausgeübt werden kann, trägt der Kreis Coesfeld zusammen mit der Sparkasse Westmünsterland und der VR-Bank Westmünsterland eG die hierdurch verursachten, nicht anderweitig finanzierten Kosten der wfc. Die Höhe der Ausgleichszahlungen des Kreises Coesfeld und die Zahlungsmodalitäten werden jährlich auf Antrag der wfc (unter Beifügung eines Wirtschaftsplans) in einem gesonderten Zuwendungsbescheid geregelt. Die Regelungen von § 44 LHO NRW einschließlich der anwendbaren allgemeinen Nebenbestimmungen werden hierbei entsprechend angewandt.

4.         Um sicherzustellen, dass die Ausgleichszahlungen des Kreises Coesfeld gemäß der vorstehenden Ziffer 3 ausschließlich für die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Dienstleistungen der wfc verwendet werden, hat die wfc gemäß Art. 5 Absatz 2 der Entscheidung der Kommission 2005/842/EG in ihrem Rechnungswesen durch getrennten Ausweis in der Buchführung sicherzustellen, dass die durch die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse entstehenden Kosten von den Kosten für andere Tätigkeitsbereiche der wfc abgegrenzt werden. Dabei dürfen Aufwendungen, die nicht auf den Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse entfallen, keinesfalls zu einer Ausgleichzahlung des Kreises Coesfeld führen. Im Zweifel sind nicht eindeutig zuzuordnende Aufwendungen dem Tätigkeitsbereich der wfc zuzuführen, der nicht zu Ausgleichszahlungen des Kreises Coesfeld führt. Umgekehrt sind sämtliche Erträge der wfc, die im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erzielt werden, zur Verlustabdeckung zu verwenden.

5.         Die Einhaltung der in Ziffer 4 festgelegten Regeln ist jährlich in Verbindung mit der Jahresabschlussprüfung der wfc durch einen Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Soweit bei der Prüfung Verstöße festgestellt werden, hat sich die Prüfung auch darauf zu erstrecken, ob und in welcher Höhe dies zu einer Überkompensation geführt hat bzw. führt. Etwa überzahlte Beträge sind unverzüglich nebst gesetzlicher Zinsen zu erstatten.

6.         Die Vertreter des Kreises Coesfeld in der Gesellschafterversammlung der wfc werden angewiesen, darauf hinzuwirken, dass dieser Beschluss durch die Geschäftsführung umgesetzt wird.

Begründung:

 

I.   Problem

Die Übernahme von Aufgaben der Wirtschaftsförderung in einer Kommune ist eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Erhält ein hierfür gegründetes Unternehmen kommunale Gelder, können diese Zahlungen eine (unzulässige) Beihilfe im Sinne der Art. 107 ff. AEUV darstellen. Da aber sowohl die EU-Kommission als auch die europäischen Gerichte erkannt haben, dass bestimmte Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge immer defizitär sind, sind Regelungen entwickelt worden, die dazu führen, dass solche Kompensationszahlungen zulässig gewährt werden können. Zum einen können diese Zahlungen auf Grundlage der vom EUGH entwickelten Altmark-Trans-Kriterien keine begünstigende Wirkung haben, so dass es bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe fehlt. Zum anderen, selbst wenn der Beihilfecharakter angenommen werden sollte, können solche Beihilfen durch das sogenannte Monti-Paket (2005) von einer Genehmigung bei der EU-Kommission freigestellt werden.

 

II.  Lösung

In beiden Fällen unter Ziffer I. ist auf jeden Fall ein sogenannter Betrauungsakt erforderlich. Der Betrauungsakt regelt nichts anderes, als dass Art und Umfang der übertragenen Daseinsvorsorgeaufgabe definiert und die Parameter für die Kompensationszahlungen festgelegt werden. In welcher Form der Betrauungsakt erfolgt (Vertrag, Satzung, Verwaltungsakt, Ratsbeschluss), ist nicht festgelegt und steht im Ergebnis demjenigen, der die Aufgabe überträgt, frei.

Im Betrauungsakt selbst müssen folgende Inhalte enthalten sein:

·            Art und Dauer der Gemeinwohlverpflichtungen;

·            das beauftragte Unternehmen und der geografische Geltungsbereich;

·            Art und Dauer der dem Unternehmen ggf. gewährten ausschließlichen oder besonderen Rechte;

·            die Parameter für die Berechnung, Überwachung oder etwaige Änderungen der Ausgleichszahlungen;

·            die Vorkehrungen, die getroffen wurden, damit keine Überkompensation entsteht bzw. etwaige überhöhte Ausgleichszahlungen zurückgezahlt werden.

 

Erläuterungen zu den einzelnen Punkten des Beschlussvorschlages:

 

Zu 1.:
Die wfc sowie ihre Vorgängergesellschaft üben bereits seit 1995 die seinerzeit bereits durch Kreistagsbeschluss übertragenen, in der Beschlussvorlage nochmals näher beschriebenen Tätigkeiten aus. Der vorliegende Kreistagsbeschluss soll die Aufgabenübertragung und Ausgestaltung der Tätigkeiten nach den Vorgaben der Entscheidung der europäischen Kommission 2005/842/EG konkretisieren.

Zu 2.:
Die Tätigkeit der wfc muss dauerhaft angelegt sein, um das gewünschte Ergebnis einer langfristigen Förderung des Wirtschaftsstandortes zu erreichen. Die Beschränkung auf das Gebiet des Kreises Coesfeld stellt sicher, dass eine Verzerrung des Marktes durch Wettbewerb mit anderen Unternehmen im gleichen Marktsektor verhindert wird.

Zu 3.:
Die auf das Gemeinwohl ausgerichtete Tätigkeit der wfc kann ihrer Natur nach nicht kostendeckend ausgeführt werden. Die Tätigkeit liegt jedoch im wesentlichen Interesse. Deshalb gewährt der Kreis Coesfeld für den verlustbringenden Geschäftsbereich der Tätigkeit im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse jährliche Zuwendungen in Form von Ausgleichszahlungen.

Zu 4.:
Neben dem Kernbereich der Wirtschaftsförderung ist die wfc ferner berechtigt, Grundstücke zu erwerben, zu verpachten, zu vermieten, zu erschließen und zu veräußern, wenn dies zur Erreichung des Gesellschaftszweckes erforderlich ist. Dieser Geschäftsbereich zählt in der Regel nicht zu den ausgleichsfähigen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse des Kreises Coesfeld (vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung). Gemäß Art. 5 Abs. 3 der Entscheidung 2005/842/EG können eventuelle Überschüsse dieses Geschäftsbereichs zwar herangezogen werden, um die Verluste des Kernbereichs Wirtschaftsförderung zu decken. Es wird jedoch ausgeschlossen, dass umgekehrt durch die Ausgleichszahlungen des Kreises dieser Geschäftsbereich (mit)finanziert wird. Diesem Ziel dienen die in Ziffer 4. niedergelegten Regeln.

Zu 5.:
Eine regelmäßige Überprüfung stellt die Einhaltung der in Ziffer 4. beschriebenen Abgrenzungsparameter sicher. Der Kreis Coesfeld übt auf die wfc einen beherrschenden Einfluss aus. Entsprechend hat gemäß Ziffer 2.4. KonRdErl NRW zu 2005/842/EG die Kontrolle der Ausgleichszahlungen hinsichtlich Überkompensationen oder Erstreckung auf andere Geschäftsbereiche im Rahmen der jährlich stattfindenden Jahresabschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer stattzufinden, um den Anforderungen aus Art. 4 d) der Entscheidung 2005/842/EG an die Überwachung der Ausgleichszahlungen gerecht zu werden. Gleichzeitig sind hierdurch gemäß Art. 4 e) der Entscheidung 2005/842/EG Vorkehrungen getroffen, die eine Überkompensation vermeiden bzw. die Rückzahlung von überhöhten Ausgleichszahlungen sicherstellen.

Zu 6.:

Um den Kreistagsbeschluss gesellschaftsrechtlich verbindlich zu machen, ist durch Gesellschafterbeschluss der wfc eine entsprechende verbindliche Anweisung an die Geschäftsführung zu erteilen. Dies ist Voraussetzung für die weiteren Ausgleichszahlungen.

 

III. Alternativen

keine

 

IV. Auswirkungen / Zusammenhänge (Finanzen, Personal, IT, sonstige Ressourcen)

Die Bereitstellung der Ausgleichszahlungen an die wfc erfolgt durch einen jährlich zu erlassenden Zuwendungsbescheid auf der Grundlage dieses Beschlusses, eines Wirtschaftsplanes der wfc und des jeweiligen Haushalts des Kreises Coesfeld. Unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierung gibt es nicht.

 

V.  Zuständigkeit für die Entscheidung

Kreistag gem. § 26 Kro NRW