Betreff
Grundwasserbelastung durch Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) im Bereich der Wetmarstraße in Coesfeld
Vorlage
SV-8-0630
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

- ohne -

 

 

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

Grundwasserbelastung durch Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) im Bereich der Wetmarstraße in Coesfeld

 

Durchgeführte Optimierung der Sanierung des belasteten Grundwassers im Rahmen eines Förderprojektes zur Altlastensanierung des Landes Nordrhein-Westfalen

Variantenvergleich der Universität Münster zur weiteren Sanierung

 

Auf dem früheren Firmengrundstück einer Wäscherei und Färberei an der Wetmarstraße kam es durch den jahrelangen Umgang mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (Lösungsmitteln) zu Boden- und Grundwasserverunreinigungen. Die Firmengeschichte der ehemaligen Wäscherei lässt sich dabei bis in das Jahr 1918 zurückverfolgen. Die „Sanitäre Dampfgroßwäscherei, Bleicherei und Bügelanstalt“ stellte jedoch vermutlich erst in den letzten Jahren ihres bereits 1969 eingestellten Betriebes auf die chemische Reinigung um.

 

Die schädlichen Bodenveränderungen wurden im Jahre 1995 flächenhaft festgestellt. In den Jahren 1996 und 1997 wurde im Zuge der Neubebauung des Grundstückes eine umfangreiche Sanierung des Bodens vorgenommen, so dass die schädliche Bodenveränderung als saniert gelten konnte. Zur Überwachung des Grundwassers wurden im Bereich des Standortes Grundwassermessstellen (Brunnen) errichtet. Das Grundwasser wurde seither durch den Kreis Coesfeld als zuständige Bodenschutz- und Wasserbehörde regelmäßig untersucht. Dabei zeigte sich zunächst eine mittlere Beeinträchtigung des Grundwassers, die – soweit eine Verbesserung nach der Bodensanierung eingetreten wäre – keinen Anlass zur Sorge bereitet hätte. Die festgestellte Grundwasserbelastung in den Beobachtungsbrunnen stieg jedoch in den Jahren weiter an.

 

Da die Ausbreitung der Grundwasserbelastung bis dahin nicht genau ermittelt werden konnte, errichtete der Kreis Coesfeld dann im Jahr 2003 mehrere Grundwasserbrunnen im Bereich Wetmarstraße, Neutorstraße und im Rulandweg. Mit diesen Brunnen konnte die Belastung auf den unmittelbaren Bereich des Altstandortes eingegrenzt werden. Darauf aufbauend konnte die Sanierung des Grundwassers geplant werden. Seit August 2005 erfolgte die Grundwassersanierung über einen im Abstrom des Schadenszentrums vorhandenen Brunnen.

 

Da die Konzentrationen jedoch nicht signifikant abnahmen, war es  aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen erforderlich, eine Optimierung der Grundwassersanierung durchzuführen. Dazu wurde aufgrund nochmals analysierter Kenntnisse über den genauen Ort, an dem die Lösungsmittel damals in das Erdreich versickert sind, zwei zusätzliche Sanierungsbrunnen im ermittelten Schadenszentrum errichtet. Für die erweiterte Grundwassersanierung wurde ein Zuwendungsantrag an die Bezirksregierung Münster gestellt. Dieser wurde positiv beschieden. So wurden 80 % der Gesamtkosten in Höhe von ca. 100.000 € aus Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen für die Altlastensanierung getragen.

 

Über die Maßnahme konnte ein erhöhter Schadstoffaustrag erzielt werden. Die Schadstoffkonzentrationen konnten erheblich reduziert werden. Die bisher genutzte, bestehende Grundwasserreinigungsanlage mit Aktivkohlefiltern am Spielplatz Hengteweg konnte zur Reinigung des Grundwassers weiter betrieben werden.

 

Die nachfolgende Karte zeigt die vermutete noch vorhandene Schadstoffausdehnung Ende 2011.

 

Abbildung 1: Vermutete Schadstoffausdehnung Ende 2011

 

Die Schadstoffkonzentrationen im Grundwasser wurden von über 20.000 µg/l auf Werte im Mittel unter 2000 µg/l erheblich reduziert. Die nachfolgenden Diagramme zeigen die Schadstoffkonzentrationen über den Sanierungsverlauf und die insgesamt aus dem Grundwasser entfernte Schadstofffracht. Seit Sanierungsbeginn im Jahr 2005 konnten über 180 kg CKW aus dem Grundwasser entfernt werden. Davon allein 64 kg durch die optimierte Sanierung in den letzten beiden Jahren.

 

 

 

Abbildung 2: Kummulierte Fracht

 

Abbildung 3: Konzentrationsverlauf Sanierungsbrunnen

 

Eine Prognose über die weitere Entwicklung der Konzentration ist komplex. Rechnerisch ergibt sich bei einer exponentiellen Trendberechnung (siehe Abbildung 4) eine aktive Sanierungsnotwendigkeit bis zum Jahr 2017. Da jedoch insbesondere geringe Schadstoffkonzentrationen unter 500 µg/l  CKW - aufgrund geophysikalischer Zusammenhänge (Rückhaltevermögen des Bodens) - nur langsam über ein „Pump an Treat“ Verfahren zu reduzieren sind, ist mit einer mindestens doppelten Laufzeit bis 2023 zu rechnen. Bei jährlichen Betriebskosten von ca. 15.000,00 € und einer berücksichtigten Preissteigerung von 2 % sind bis 2023 insgesamt Sanierungskosten in Höhe von ca. 200.000,00 € zu erwarten. Hierfür wurden durch den Kreis gemäß § 36 Abs. 2 GemHVO Rückstellungen gebildet.

 

Abbildung 4: Rechnerischer Trend des Konzentrationsverlaufs

 

Um zu überprüfen, ob die erweiterte Grundwassersanierung noch weiter optimiert werden könnte um die zu erwartenden Betriebskosten zu reduzieren, wurde durch das Institut für Geologie und Paläontologie sowie angewandte Geologie der Universität Münster ein Variantenvergleich für die Sanierung der Grundwasserverunreinigung durchgeführt.

 

Im Rahmen einer Masterarbeit wurden folgende Sanierungsvarianten für den Standort bewertet:

 

·         Pump and Treat (Pumpen und behandeln) in SB1 und SB2 (aktuelle Sanierungsmethode) – Ziel: Sicherung / Schadstoffentfernung

·         Elektrokinetik – Ziel: Schadstoffabbau

·         Injektion von Flüssigkeiten und Substanzen (Tenside, Wasser, Alkohol) - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         Hydraulische Frakturierung - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         TUBA (Thermisch unterstützte Bodenluft-Sanierung mittels Dampf-Luft-Injektion; ungesättigter Raum) - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         THERIS (Thermische in-situ-Sanierung mit festen Wärmequellen; ungesättigter Raum) ) - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         Airsparging (Luft-Injektion zur Desorption) ) - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         DLI (Dampf-Luft-Injektion) ) - Ziel: Schadstoffmobilisierung

·         MNA (Monitored Natural Attenuation – Natürliche Selbstreinigung) – Ziel: Schadstoffabbau

·         ISCR (In-situ-chemische Reduktion) mit Reaktiven Wänden – Ziel: Schadstoffabbau

·         MPE: Multi-Phasen-Extraktion / DPE: Dual-Phasen-Extraktion – Ziel: Schadstoffmobilisierung / Schadstoffabbau

·         Leitwände - Ziel: Sicherung / / Schadstoffabbau

·         Infiltration von kolloidaler Aktivkohle (Aktivkohlesuspension) zur Immobilisierung - Ziel: Sicherung / Immobilisierung

 

Sanierungsverfahren, die eine Mobilisierung oder einen Schadstoffabbau zum Ziel haben, sind am Standort Wetmarstraße nicht empfehlenswert, da bei einer Mobilisierung eine nicht kontrollierbare Schadstoffausbreitung im vorhandenen Kluftgrundwasserleiter zu erwarten ist und problematische Abbauprodukte weitere Risiken erzeugen.

 

Im Ergebnis ist aufgrund der Standortbedingungen für den Grundwasserschaden nur eine Sanierungstechnik empfehlenswert, die eine Sicherung oder eine Immobilisierung der Schadstoffe bewirkt.

 

Eine Fortsetzung der aktuellen Sanierung mittels „Pump an Treat“ ist daher zur Sicherung zunächst die beste Alternative.

 

Seitens der Universität Münster wird vorgeschlagen, darüber hinaus einen Laborversuch zur Injektion von kolloidaler Aktivkohle durchzuführen. Einzig bei dieser Sanierungsvariante könnte eine Möglichkeit zur Sicherung der Grundwasserbelastung durch eine Schadstoffimmobilisierung bestehen. Dabei würden die Schadstoffe im Untergrund dauerhaft an Aktivkohle gebunden, so dass keine weitere Grundwasserverunreinigung und Schadstoffausbreitung erfolgen kann. Die aktive Sanierung und Sicherung mittels „Pump and Treat“ könnte bei einem Erfolg dieser Methode eingestellt werden, wodurch die laufenden Betriebskosten für die Grundwassersanierung entfallen würden.

 

Eine Eignung der Sanierungsvariante bei den gegebenen Standortbedingungen sollte jedoch zunächst im Labor überprüft werden. Dazu ist zusammen mit der Universität Münster ein Laborversuch zur Injektion von kolloidaler Aktivkohle am Institut für Geologie und Paläontologie sowie angewandte Geologie in Planung.