Betreff
Soziale Gruppenarbeit gem. § 29 SGB VIII an der Astrid-Lindgren-Schule Lüdinghausen
Vorlage
SV-8-0972
Aktenzeichen
51.1 Jugendamt
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

Über die Erfahrungen im Rahmen der sozialpädagogischen Arbeit an der Astrid-Lindgren-Schule erfolgt ein Vortrag durch einen Mitarbeiter der Ev. Jugendhilfe Münsterland gGmbH.

Begründung:

I.- V.

 

Seit Jahren befinden sich die Jugendämter im Kreis Coesfeld in einem kontinuierlichem Austausch mit der Astrid-Lindgren-Schule als Förderschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Viele der Schülerinnen und Schüler der Schule sind parallel zum Schulbesuch in Maßnahmen, die aus Mitteln der öffentlichen Jugendhilfe gefördert werden und wurden. Wegen der Schwierigkeiten in der häuslichen Betreuungssituation durch die Eltern, fand zunehmend, nicht nur bei Schülern der Astrid-Lindgren-Schule aber dort besonders, die Vermittlung von Schülern in Tagesgruppen statt; dabei lag der Schwerpunkt dieser Entwicklung im Südkreis. In der Praxis wurden viele der Schüler nach der Schule in die Tagesstättengruppen weitergeleitet. Dort erfolgte die Mittagsverpflegung, die anschließende Hausaufgabenbetreuung und danach fuhren die Kinder zurück in ihre Familien. Das Angebot an solchen Tagesgruppen stieg in den Jahren 2007 bis 2010 deutlich an (Gruppe des Kiwo in Seppenrade, Jugendhilfe Werne in LH – Tetekum). Parallel kam es zu einer deutlichen Kostensteigerung in der Jugendhilfe. Im Zuge der Umsteuerung der Leistungen wurde die Hilfegewährung in Tagesgruppen im Hinblick auf den weiteren Ausbau des offenen/gebundenen Ganztags in den Regelschulen in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren, was mit erheblichen Kosteneinsparungen im Budget des Jugendamtes verbunden war. Um die adäquate Betreuung der Schüler im offenen Ganztag sicher zu stellen, wurden Mittel, die im Bereich der Tagesgruppenbetreuung eingespart werden konnten, in Maßnahmen der sozialen Gruppenarbeit auf der Grundlage des § 29 SGB VIII umgesteuert.

 

Kostenentwicklung im Bereich der Tagesgruppen:

 

Für die Schülerinnen und Schüler der Astrid-Lindgren-Schule war der Verlust des Angebotes in der Tagesgruppe offenkundig besonders einschneidend. Die Schule bietet keine Ganztagsbetreuung an, sodass die Modelle, die an Regelschulen erfolgversprechend angewendet wurden, dort nicht eingesetzt werden konnten. Eine Einbindung der Schüler an die Regelschulen vor Ort ist nicht möglich. Seitens der Schule wurde deutlich um Hilfe und Unterstützung gebeten

 

Handlungsdruck sowohl für Schule als auch für das KJA ergab sich insbesondere durch die Tatsache, dass seitens der Schule eindringlich vorgetragen wurde, dass es unumgänglich sei, massiv störende und eigen- wie/oder fremdgefährdende Schüler auf der Grundlage von § 54 Abs. 4 SchulG NW vom laufenden Schulbetrieb auszuschließen; die teilweise vorhandenen Einzelintegrationshelfer, die auf der Grundlage des § 35 a SGB VIII eingesetzt wären, seien häufig nicht genug Hilfestellung, als dass sie diese Maßnahmen abwenden könnten. Häufig seien sie nicht pädagogisch ausgebildet und ein reines Begleiten reiche nicht aus, um den Anforderungen zu genügen.

In der Konsequenz ergaben sich wiederholt Ausschlüsse einzelner Schüler vorübergehend und auch dauerhaft vom Unterricht. Das Thema Unterrichtsausschluss war ebenfalls mehrfach Thema in der regelmäßigen Arbeitsbesprechungen zwischen Schulaufsicht und Jugendämtern im Kreis Coesfeld. Der unermessliche Schaden, der für die Entwicklung von Kindern bei einem Ausschluss vom Schulbesuch eintritt, ist nach einvernehmlicher Bewertung aller fachlich Beteiligten unbestritten. Häufig gelingt es nach einem Ausschlussverfahren in der ALS nicht, eine Rückführung in das Schulsystem, geschweige denn eine Rückführung in das Regelschulsystem zu erreichen. Der Verlust der Schule, die häufig im Leben hochbelasteter Kinder den letzten stabilen Rahmen und Ankerpunkt in der Lebenswelt darstellt, löst zumeist eine nachhaltige und langandauernde weitere Destabilisierung aus. Biografieentwicklungen der Kinder/Jugendlichen über verschiedene Hilfeangebote der Jugendhilfe und anderer Sozialleistungssysteme schließen sich in der Folge - fast zwingend - an (Unterstützung des Familiensystems durch verschiedene ambulante und/oder auch stationäre Jugendhilfemaßnahmen, Delinquenz, Jugendgerichtshilfe, schlechter, wenn überhaupt, Übergang in eine Arbeit).

Es wurden sodann verschiedene Schritte vereinbart, um eine Problemlösung zu erreichen, die sowohl dem System Schule, der Jugendhilfe als auch in erster Priorität den Schülerinnen und Schülern und ihrer Entwicklung zu Gute kommen sollte.

Zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 haben das Kreisjugendamt und die Astrid-Lindgren-Schule begonnen, in regelmäßigen Gesprächen vor Ort in der Schule Fälle zu besprechen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Erprobt wurden ab dem Schuljahr 2011/2012 unterschiedliche pädagogische Handlungsansätze. Hierzu zählten Deeskalationstrainings, Coolnesstrainings zur Integration und Konfliktbewältigung und Angebote soziale Gruppenarbeit zum Erlernen sozialer Kompetenzen in der Klassengemeinschaft.

 

Am 12.03.2012 wurden Projektvereinbarungen für die Klassen 5 und 7 getroffen und nach Angeboten an Jugendhilfeträger vergeben. Im Schuljahr 2012/2013 wurde für die Klasse 1/2 (Kombiklasse) ein weiteres Projekt eingeführt. Im Gegenzug sicherte die Schule ihrerseits zu, die Schüler möglichst im Schulbetrieb zu behalten, die Lernziele umzusetzen und auf Ausschlüsse auf der Grundlage von § 54 Abs. 4 SchulG NW zu verzichten.

 

In einer Projektbesprechung zum Ende des 1. Schulhalbjahres 2012/2013 resümierten die Beteiligten die erfolgreiche Zielerreichung im laufenden und vergangenen Schuljahr.  In den Klassen wurden keine Integrationshelfer zulasten des KJA eingesetzt. Die Schüler konnten in den Klassengemeinschaften erreicht und die Lernziele umgesetzt werden. Die Zusammenarbeit Jugendamt – Schule – Eltern gestaltete und entwickelte sich positiv. Schulausschlüsse nach § 54 SchulG fanden bis auf wenige tageweise Ausschlüsse als schulseitige Ordnungsmaßnahme nicht mehr statt.

 

Gerechnet auf das Schuljahr 2012/2013 liegen die Aufwendungen für die pädagogischen Leistungen der Jugendhilfe in den drei Klassengemeinschaften bei insgesamt 136.000 Euro (Klasse 1/2 28.800 Euro; Klasse 5 28.800 Euro und Klasse 7/8 78.400 Euro).

 

In gemeinsamer Erörterung vom 23.05.2013 vereinbarten die Beteiligten eine stärkere Abgrenzung von Zuständigkeiten und Kostenanteilen. Insbesondere die Situation, dass zunehmend Heimkinder auch aus anderen Jugendamtszuständigkeiten und Kinder mit geistigen Behinderungen beschult werden, die ebenfalls einen auch für die Schulform außergewöhnlichen Betreuungsbedarf aufweisen, macht eine Einbeziehung der anderen Kostenträger erforderlich.

 

Zumindest die Klasse 8, zukünftig 9, wird aber in vorrangiger Zuständigkeit des KJA aufgrund der Vielzahl der Jugendlichen mit Jugendhilfebedarf verbleiben.

 

Für das Schuljahr 2013/2014 liegen Angebote der Jugendhilfeträger Fachpool gGmbH Herne und der Evangelische Jugendhilfe Münsterland gGmbH mit vergleichbaren Aufwendungen vor. Ergänzt wird das Angebot für ein Projekt der Klasse 3/4b.

Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung ist § 29 SGB VIII. Danach soll soziale Gruppenarbeit älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll nach dieser Vorschrift auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern. 

 

Soziale Gruppenarbeit ist damit unter die ambulanten Hilfen zur Erziehung für ältere Kinder (i. d. R. ab ca. 12 Jahre, erforderlichenfalls auch schon ab Schulalter), Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und junge Volljährige (18 bis 26 Jahre; nach Vollendung des 21. Lebensjahres nur unter Weitergewährung in begründeten Einzelfällen) eingereiht. Als Angebot zum sozialen Lernen soll sie positive Erfahrungen, Erlebnisse und Einsichten vermitteln, die zur Achtung des Anderen, zu Selbstbewusstsein und zur Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen verhelfen mit dem Gesamtziel einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. "Soziale Gruppenarbeit" bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Leistung im Kanon der Hilfen zur Erziehung, der Begriff wird jedoch auch im Sinne einer Methode der sozialen Arbeit mit Gruppen verwendet (so: Bayrisches Landesjugendamt http://www.blja.bayern.de/themen/erziehung/gruppenarbeit/index.html).

 

Für das Schuljahr 13/14 ist folgendes geplant:

a)    Der Bedarf an zusätzlicher Betreuung in Form einer sozialen Gruppenarbeit auf der Grundlage der vorliegenden Konzepte der Anbieter Fachpool gGmbH und ev. Jugendhilfe Münsterland gGmbH ist im Zusammenwirken von ALS und KJA festzustellen

b)    Der Jugendhilfeträger entwickelt eine Konzeption und eine auf eine Schulwoche bezogene Kostenkalkulation. Über den Umfang der Leistung erfolgt eine Kostenzusage, die zunächst nur für das 1. Schulhalbjahr erfolgt.

c)    Die Leistungserbringung ist seitens des Anbieters zu dokumentieren und monatlich in Rechnung zu stellen.

d)    Zum Ende des 1. Schulhalbjahres ist im Rahmen eines Qualitätsdialoges eine Bewertung der Maßnahme vorzunehmen. und über die Fortführung der Maßnahme zu entscheiden.

e)    Für Schüler/innen aus anderen Zuständigkeitsbereichen ist eine Kostenbeteiligung anzufordern.

 

Für das kommende Schuljahr werden zunächst max. die bisher laufenden Projekte in den neuen Verfahrensrahmen überführt. Weitere seitens der Schule dargestellten Bedarfe sind zunächst zu überprüfen und vor einer Entscheidung zu bewerten.

In Anbetracht der hohen Kosten sollte die Überlegung angestellt werden, ob es nicht perspektivisch zielführender ist, über eigene Sozialarbeit die Bedarfe zu decken.

 

Zu beobachten ist die Wirkung der beiden halben Sozialarbeiterstellen (Kreis + Land) auf die Förderbedarfe. Das 1. Schulhalbjahr wird genutzt, um die Gesamtsituation ausgiebig zu beleuchten.

 

Seitens der Ev. Jugendhilfe Münsterland gGmbH, die seit Jahren durch Maßnahmen im Kreis Borken über einschlägige Erfahrungen im Kontext pädagogische Angebote für schwierige Schüler in Schulen verfügt und die seit Beginn im Projekt ALS tätig ist, besteht die Bereitschaft über die Erfahrungen und die Bewertung der durchgeführten Projekte im JHA zu berichten.